Einige Bemerkungen zur antiken Kleidung

Alles was so unter den Römern geprägt wurde.

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Peter43
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Einige Bemerkungen zur antiken Kleidung

Beitrag von Peter43 » Di 21.02.06 00:24

Einige Bemerkungen zur antiken Kleidung

Auf vielen antiken Münzen kommen reich drapierte weibliche und männliche Figuren vor. Ich finde, es ist interessant, herauszufinden, um welche Kleidungsstücke es sich dabei handelt, wie sie heißen und welche Funktion sie hatten. Dabei gibt es einige grundlegende Probleme. Die antiken literarischen Quellen sind oft nicht sehr klar, und die Darstellungen der antiken Kunst gehorchen eigenen Gesetzen, die oft mit den literarischen Quellen nicht übereinstimmen.
Bei der Beschäftigung mit der antiken Kleidung handelt es sich um eine Wissenschaft. Das kann ich natürlich nicht reproduzieren. Deshalb handelt es sich hier nur um einen Überblick. Zudem hat sie sich über einen Zeitraum von fast 1000 Jahren entwickelt. In dieser Zeit haben sich natürlich die Bekleidungen stark verändert. Aber man kann die griechische Kleidung im Prinzip auf drei Grundformen zurückführen. Das sind

1. Der Chiton
2. Der Peplos
3. Das Himation
Dazu kommt noch
4. Die Chlamys.

Der Chiton

Der Chiton ist das eigentliche Hauptgewand der Griechen. Er ist bekannt seit dem 4.Jh. und wird von Frauen und Männern getragen. Er kann kurz, also bis zu den Knien, oder lang sein, d.h. bis auf die Füße fallen. Er besteht aus Leinen und hat die Form eines großen Rechtecks, in das man hineinschlüpft. Er wird also nicht umgehängt! Er kann auch Ärmel haben. Er kann ungegürtet getragen werden, aber auch gegürtet, sodaß er einen Überwurf bildet, das Ampechonion oder Diploidion, das dann den Gürtel verdeckt. Oft wird darüber ein weiteres Oberkleid getragen.

Bilder:
1) Demeterpriesterin in gegürtetem Chiton
2) Dionysos in kurzem Chiton, gegürtet, langärmlig (Mesambria AMNG 4018)
3) Artemis mit Chlamys über langem, gegürteten Chiton (Hadrianopolis Jurokova 591)

(wird fortgesetzt)
Dateianhänge
Demeterpriesterin_2.JPG
mesambria_philippI&otacilia_moushmov4018.jpg
hadrianopolis_gordianIII_jurukova591.jpg
Zuletzt geändert von Peter43 am So 12.08.07 15:06, insgesamt 3-mal geändert.
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Peter43
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Beitrag von Peter43 » Di 21.02.06 00:28

(Fortsetzung)

Der Peplos

Der Peplos ist das klassische Kleidungsstück der griechischen Frauen. Es besteht in der Regel aus Wolle, ist also dicker als der Chiton, und besteht aus einem großen Rechteck, das so umgehängt wurde, daß die eine Seite durch einen Gürtel geschlossen werden mußte. Auf den Schultern wurde er durch Knöpfe(?) festgehalten. Er ist ärmellos. Normalerweise war der Peplos länger als der Körper, sodaß der obere Teil umgelegt werden mußte und dadurch einen Überwurf über dem Oberkörper bildete, die Apoptygma. Dieser Überwurf beeindruckt dann als großer Bausch, Kolpos. Der Peplos kann mit einem Gürtel unter diesem Überwurf getragen werden, untergegürtet, aber auch über dem Überwurf gegürtet werden. Besonders reizvoll ist seine vielfältige Drapierungsmöglichkeit, die zusammen mit der Vielfalt der Stoffqualität und der Musterung zur einer großen Variationsbreite führt. Unter dem Peplos wurde normalerweise der Chiton getragen, den man oft unter dem Peplos herausschauen sehen kann.

Bilder:
1) Eirene mit Pluton im Peplos über langem Chiton
Statue des Kephisodotos (Vater des Praxiteles)
2) Tyche in untergürtetem Peplos über langem Chiton
(Amorion, SNG von Aulock 3419)
3) Demeter im Peplos über langem Chiton, langärmlig, mit Kalyptre
(Odessos, Moushmov 1659)

(wird fortgesetzt)
Dateianhänge
Eirene mit Pluton.JPG
amorion_geta_SNGvon Aulock3419var.jpg
odessos_gordianIII_moushmov1659.jpg
Zuletzt geändert von Peter43 am Di 21.02.06 22:48, insgesamt 1-mal geändert.
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Beitrag von Peter43 » Di 21.02.06 00:32

(Fortsetzung)

Das Himation

Das Himation, aus der Chlaina hervorgegangen, setzt sich am Ende des 5.Jh. durch. Es ist so etwas wie der Mantel der Griechen. Es besteht ebenfalls aus einem großen rechteckigen Tuch und wurde immer so umgelegt, daß die re. Schulter frei blieb. Es war also nicht befestigt! Es war nicht einfach ein Himation umzulegen. Typisch an ihm ist, daß das Ende über den Arm geworfen getragen wurde. Berühmt ist die Statue des Sophokles oder des Demosthenes im Himation. Beide tragen das Himation achiton, d.h ohne Chiton darunter. So bleibt die re Schulter unbedeckt. Es konnte aber auch mit einem Chiton darunter getragen werden, und zwar von Männern und von Frauen. Wegen seiner Größe war es möglich, es über den Kopf zu ziehen, wie es z.B. Sokrates tat, als er sich zum Sterben zur Wand drehte. Auch verhüllte Frauenfiguren sind meistens zusätzlich in das Himation gekleidet. Dies gab den Frauen auch die Möglichkeit, kokett mit dem Verhüllen zu spielen! Daneben gab es aber noch die Kalyptre, das Kopftuch der Fauen, das bis auf die Schultern herabfiel. Das Himation hielt sich bis zum Ende der Antike.

Bilder:
männlich:
1) Demosthenes in Himation, Glyptothek in Kopenhagen
2) Asklepios in achitonem Himation (Serdica, Ruzicka 245)

weiblich:
3) Demeter mit doppelgegürtetem Chiton und Himation
4) Tyche in Himation über langem, hochgegürteten Chiton
(Markianopolis, AMNG 775)

(wird fortgesetzt)
Dateianhänge
Demosthenes.JPG
serdica_caracalla_ruzicka245.jpg
Demeter_2.JPG
markianopolis_macrinus&diadum_pick775.jpg
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Beitrag von Peter43 » Di 21.02.06 00:37

(Fortsetzung und Schluß)

Die Chlamys

Die Chlamys war ursprünglich ein kurzer Mantel der thrakischen Krieger, der dann von den Griechen übernommen wurde. Sie besteht aus einem ovalen Stoffteil, wurde auf einer Schulter mit einer Fibel befestigt und läßt den rechten Arm frei. Eigentlich handelt es sich um ein Männerkleid, wurde allerdings auch von Artemis als Jagdkleid getragen. Auf Darstellungen flattert sie oft dem Träger hinterher. Sie wird üblicherweise über einem kurzen Chiton getragen, kann aber auch ohne Chiton auskommen, z.B. bei Helios.

Unbekleidet, nackt, waren in der Regel nur die Götter. Dies war ein Zeichen ihrer Reinheit, die sie von den sterblichen Menschen unterschied.

Bilder:
1) Apoll von Belvedere
2) Diana mit Chlamys über kurzem Chiton (Nikopolis AMNG 1843)
3) Apollo mit Chlamys (Cremna, SNG France 1528)

Lit.:
Margarete Bieber, Entwicklungsgeschichte der griechischen Tracht, Verlag Mann Berlin 1967
Bruhn/Tilke, Kostümgeschichte in Bildern, Verlag Wasmuth Tübingen 1955
Der kleine Pauly
http://www.uky.edu/AS/Classics/agfc-moyrsmith.html

MfG
Dateianhänge
Apoll von Belvedere.JPG
nikopolis_diadumenian_AMNG1843.jpg
cremna_aurelian_SNGFrance1528.jpg
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Truben
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Beitrag von Truben » Di 21.02.06 10:08

Herzlichen Dank für diese sehr hilfreichen Erklärungen! Könnte das nicht mit der Kleidung und der Staffage der Herrscher auf der AV fortgesetzt werden?
Gruß
Truben

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tournois
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Beitrag von tournois » Di 21.02.06 11:22

Wirklich sehr informativ!!
Vielen Dank für diese numismatische Modenschau!!! :)
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Beitrag von QVINTVS » Di 21.02.06 12:05

Grüß Dich Peter43,

Du hast nicht schlecht recherchiert und Dir einige Arbeit gemacht. Von meiner Seite noch einige Anmerkungen:

Auch wenn die römische Kleidung sich von der griechischen ableiten läßt, sie hat sich aber weiterentwickelt und die griechischen Bezeichnungen sind nicht immer zutreffend. Bei der Betrachtung von Provinzialmünzen aus dem griechischen Osten akzeptiere ich aber diese Begriffe.

Der Chiton entspricht teilweise der römischen Tunika, von der es zwei Varianten gab: eine östliche/griechische und eine westliche/römische Variante. Sie unterscheiden sich von der Machart (durchgehend gewebt oder aus zwei Stoffteilen zusammengenäht - das ist die römische Variante) und an der Form des Ausschnittes bzw. des Durchschlupfes. Frauen trugen sie IMMER lang, bis zu den Knöcheln oder mindestens mit zur Mitte der Unterschenkel.

Fibeln sind im Mittelmeerraum seher ungewöhnlich. Und bei der Betrachtung der antiken römischen Skulpturen fällt auf, dass es sich eher um eine Art Knöpfe handelt, die aber bisher meineswissens nicht im archäologischen Kontext nachgewiesen wurden. In den germanischen Provinzen und beim Militär wurden Fibeln getragen. Aber nicht bei den Griechen!

Von der Art her entspricht der griechische Himation der römischen Toga.

Aber trotzdem, eine gute Zusammenstellung.

QVINTVS
Viele Grüße

QVINTVS

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Beitrag von Pscipio » Di 21.02.06 13:16

Tolle Arbeit, Peter43, ich denke, dass darf ruhig gesagt werden!

Gruss, Pscipio
Nata vimpi curmi da.

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Beitrag von Dapsul » Di 21.02.06 18:43

Und sehr schöne Bilder, die gut die Eigenheiten und Unterschiede der Kleidungsstücke zeigen. Eine kleine grammatikalische Anmerkung: Es muß heißen DER Chiton, da es keine Omikron-Ny-Endung eines Neutrums hat, sondern mit Omega geschrieben wird.

Gruß - Frank

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Beitrag von Peter43 » Di 21.02.06 22:43

Danke, Frank, für den Hinweis! Schon korrigiert.

MfG
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Beitrag von Peter43 » Sa 11.08.07 22:21

Da wir gerade die schönen Gordianmünzen gesehen haben mit der Aequitas im durchsichtigen Chiton, möchte ich hier noch einmal diesen Thread zur Erinnerung bringen, der zu schade ist, um im Orkus zu verschwinden!

Mit freundlichemGruß
Omnes vulnerant, ultima necat.

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