Eure Meinung?

Münzen des alten Byzanz

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Chandragupta
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Eure Meinung?

Beitrag von Chandragupta » Mo 17.03.08 10:26

Liebe "Byzantiner",

zu folgendem Belegstück meiner Fälschungssammlung (das ist mir auf der Numismata in München zu etwas mehr als dem Goldpreis "zugeflogen") hätte ich mal gern Eure Meinungen gehört.

Ist sowas schon bekannt/publiziert? Wenn ja: Wo?

Wann von wem und vor allem wie hergestellt? Die Oberfläche der Münze sieht nämlich auf den ersten Blick verdammt "antik" aus... "Transfer Dies?" - nur haut dann der Stil nicht hin. Oder gibt's solche Ostgoten-Nachbauten byzantinischer Solidi wirklich mit diesem hochreliefiert-grazilen Stil des En-face-Porträts?

Technische Daten: Gewicht 4,47 g, Feingold (mein Juwelier sagt: 999er modernes Industriegold, offenbar kein antikes Münzgold), D: 20 mm
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Ostgothen_Solidus_Rv.jpg
Ostgothen_Solidus_Av.jpg
Numismatische Grüße,

Euer Chandra

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Beitrag von Wurzel » Mo 17.03.08 11:34

Hallo Chandragubta,

deine Münze ist unter den Fälschungen im Sear verzeichnet und hat dort die Nummer F12.

Sear schreibt dazu:
An interesting fogery as the portrait looks as it could have been copied from an at present unknown authentic coin. The similarity with the portraits on some of the bronze coins of the Ostrogoths is striking
Hier wird also auch auf die Ähnlichkeit zu den Ostgothen verwiesen.


Lieben Gruß
Micha
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Beitrag von Chandragupta » Mo 17.03.08 11:43

@Wurzel, DANKE!

Aber nun meine "Idioten"frage (sorry, falls die für Dich total lächerlich erscheint - ich bin nunmal kein Experte für Byzanz, ich sammle aber mit Begeisterung Fälschungen aller Art; wobei Völkerwanderungszeit eh noch das einzige "Zwar-nicht-mehr-Antike-aber-auch-noch-nicht-wirklich-Mittelalter"-Gebiet wäre, das mich reizen könnte, vor allem, da sich mein Interesse bei Indien etc. zeitlich bis hoch in "unser" Mittelalter hinein erstreckt...): WELCHEN Sear meinst Du :?:

Ich habe den "Byzantine Coins and their Values" - aber den meinst Du doch sicher nicht, oder?!

Der Revers-Stil sieht mir verdammt passend aus - und so "geleckte", fast klassizistisch wirkende Porträts gibt's auch bei Theodahad (in meinen Augen die schönste Völkerwanderungsmünze überhaupt ... und glaub mir, als ein deutlich schlechter erhaltenes Stück bei Künker letztens über den Tresen ging, hat es mir im Arm gezuckt, der die Bieternummer hielt... ;) ):

http://www.coinarchives.com/a/lotviewer ... 02&Lot=873
Zuletzt geändert von Chandragupta am Mo 17.03.08 11:48, insgesamt 1-mal geändert.
Numismatische Grüße,

Euer Chandra

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Beitrag von Wurzel » Mo 17.03.08 11:47

Doch genau den meine ich ;-)

Er ist die Standartliteratur für Byzantinische Prägungen. Wenn es denn in die Tiefe gehen soll braucht man zum Beispiel die Werke von Prof. Wolgang Hahn, oder die Dumbarton Oaks Publikationen.

Aber deine Fälschungh ist bereits im Sear verzeichnet.

Micha
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Beitrag von Chandragupta » Mo 17.03.08 11:51

Ich habe die 1. Auflage des Sear ... und zwar jetzt nicht griffbereit. Wo stehen denn da die Fälschungen?

Den Hahn habe ich übrigens auch; DO kenne ich jedoch nur aus der Bibliothek.
Numismatische Grüße,

Euer Chandra

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Beitrag von Wurzel » Mo 17.03.08 12:14

in der Zweiten Auflage stehen die Fälschungen ab Seite 487, sie haben da ein eigenes Kapitel, ob diese in der ersten Auflage verzeichnet sind ist mir nicht bekannt.

Es stimmt, die Ostgothischen Prägungen haben ihren ganz eigenen Reiz, ebenso die Prägungen der Vandalen in Afrika.


Micha
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Beitrag von Wurzel » Mo 17.03.08 12:46

Hier übrigens mal ein echter ostgothischer Justinian:

http://www.coinarchives.com/a/lotviewer ... 44&Lot=368

Die Ostgothen haben ja zunächst, zumindestens formell, die Oberhoheit des Oströmischen Kaisers anerkannt und in seinem Namen regiert.
Das diese "Oberhoheit" nur auf dem Pergament stand ist eine andere Sache, daher lauten viele ostgothische Münzen, zumindestens bei Gold, eben auf den jeweiligen regierenden Kaiser.
Das hört mit der Politik der "Restauratio Imperii" unter JUSTINIAN I auf, da dieser seine Armeen nach Italien schickte um das alte römische Reich wieder herzustellen.
Ab etwa diesem Zeitpunkt begaben die Osthgoten Münzen unter eigenem Namen

Hier mal als ein Beispiel eine Siliqua geprägt im Namen von JUSTIN:
http://www.coinarchives.com/a/lotviewer ... 6&Lot=2221

Und als Gegenbeispiel eine Prägung von Athalaric aus Rom:
http://www.coinarchives.com/a/lotviewer ... 0&Lot=1838

Hier ist er zwar noch nicht auf das Avers gerutscht, aber der Ostkaiser wird erst gar nicht erwähnt, an seine Stelle ist die Personifikation der Roma gerückt.
Wie man sieht machte man auch zu diesen unruhigen Zeiten mit Münzen Propaganda

Micha
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Beitrag von Chandragupta » Mo 17.03.08 14:16

@Wurzel: Danke für Deine netten Erläuterungen. Ja, diese Stücke (und auch den historischen Hintergrund, den Du sehr treffend in Kurzform dargestellt hast) kannte ich schon (ich stöbere auch viel in CoinArchives ;) ), und genau deshalb fragte ich ja nach:

Bis auf den von mir verlinkten Theodahad mit seinem schon fast "klassizistischen" Stil sehen diese Gepräge alle stilistisch wenig "vollendet" sondern eher "ungelenk" (vulgo: "barbarisch") aus (was aber seinen eigenen Reiz hat - deshalb ja auch mein Faible für antikes Asien).

Bei dieser Fälschung hat sich aber jemand sehr, sehr viel Mühe gegeben - ihr Stil weicht jedoch von den "typischen" Völkerwanderungsmünzen, wie Du sie noch einmal gezeigt hast, radikal ab. Da liegt dann die Frage wirklich nahe: Gab/gibt's ein genau so aussehendes Vorbild?!? Wenn ja: Wo? Denn es wäre stilistisch m.E. durchaus erklärbar (Anknüpfung an "klassische Traditionen" - sogar die Byzantiner haben sich ja bis zu ihrem Ende als Römer gesehen!!), aber ein echtes Exemplar wäre eine Sensation. Sowas habe ich jedoch noch nicht gesehen (obwohl ich Byzanz nicht sammle - ich kenne mich mit den Grundlagen der byzantinischen Numismatik schon etwas aus; allerdings fehlt mir fundierte Kenntnis der einschlägigen Fachliteratur).

Vielleicht: "Louvre 1831"? (Wenn Dir dieses Stichwort jetzt nix sagt: Der Großraub an antiken/byzantinischen Goldmünzen, wo auch das weltberühmte Goldmedaillon von Justinian verschollen ist - zum Glück gibt's wenigstens davon ja einen Abguß!)

Wenn ich schon so "doof" frage, habe ich immer meine Hintergedanken. ;)
Numismatische Grüße,

Euer Chandra

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Beitrag von Wurzel » Mo 17.03.08 15:23

Nach meinem derzeitigen Kenntnisstand gibt es kein Zeitgenössisches Vorbild für diese Münze in Gold.
Sear merkt aber an, das eine gewisse ähnlichkeit des Portraits zu ostgotsichen Bronzemünzen vorliegt.
Vielleicht hat sich der Fälscher ja an diesen als Vorbild orientiert?

Micha
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Beitrag von Chandragupta » Mo 17.03.08 18:28

Wurzel hat geschrieben:Nach meinem derzeitigen Kenntnisstand gibt es kein Zeitgenössisches Vorbild für diese Münze in Gold.
Sear merkt aber an, das eine gewisse ähnlichkeit des Portraits zu ostgotsichen Bronzemünzen vorliegt.
Vielleicht hat sich der Fälscher ja an diesen als Vorbild orientiert?

Micha
Das schriebst Du (nein: Seaby ;) ) ja schon oben.

Kennst Du einen Verweis auf die Bronzeprägungen, die er meint? Damit wäre nämlich meine Frage schon geklärt, wenn die wirklich genau diesen oder zumindest einen ganz ähnlichen Stil haben (was ich wie gesagt für durchaus plausibel halte, daß es "sowas" realiter gibt!).

"DW IVSTI - XUS P S N" - hat der Fälscher sich das "einfach so" ausgedacht, oder doch irgendwoher kopiert? Genauso wie den lustigen ;) "Topfhelm", der mir schon "irgendwie gothisch" aussieht, oder die ulkige Gewandung des Victoria-Engels...

Jetzt habe ich mir mal meine 1. Auflage des "Byzantine Coins" angeguckt: Da sind keine Fälschungen drin! Da kann ich lange suchen. Ich muß mir wohl doch mal die "ultimative" 2. Auflage davon kaufen... Das habe ich schon gehört, daß die erste voller Fehler sein soll und nur die zweite ein wirklich gutes Referenzwerk sei. Aber ich bin eben kein Byzantinersammler. Und für das Bestimmen mir hin und wieder mal "zugeflogener" Münzen hat mir die 1. Auflage bisher immer gereicht.
Numismatische Grüße,

Euer Chandra

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Beitrag von Wurzel » Di 18.03.08 01:43

Hallo Chandra (ich hoffe du erlaubst die Kurzform),

jetzt hab ich mir in meiner Literatur die Finger wund gesucht und bin nicht weiter Fündig geworden. Allerdings schreibst du, das du die Bände von Prof. Hahn dein eigen nennst, schau hier doch mal in die MIB Bände, ich selbst habe nur die überarbeitete Auflage des ersten Bandes, dort sind die Ostgoten nicht drin.
Aber in diversen Auktionskatalogen wird nach MIB zitiert.

ich habe allerdings bei Coinarchives einige Prägungen der Ostgoten mit Frontalbüste gefunden:

Badulia oder Totila
http://www.coinarchives.com/a/lotviewer ... 46&Lot=215
http://www.coinarchives.com/a/lotviewer ... 0&Lot=1144
http://www.coinarchives.com/a/lotviewer ... 0&Lot=1145

Ob diese allerdings ähnlich zu der von dir gezeigten Fälschung sind möchte ich nicht so recht behaupten.
Typisch für ostgotische Prägungen ist der sechstrahlige Stern im Revers, sowie die Darstellung der Viktoria, die ähnlich zu der von dir gezeigten Münze ist. Diese Victoriendarstellung ist wohl seit Zeno mit kleineren Variationen gebräuchlich, aber unter Justinian nicht mehr gebräuchlich, außer die Ostgoten, die haben sie weiterbenutzt.
ABer der Fälscher hat hier den Stil nicht wirklich getroffen, die Dame könnte eher in einem Wiesnzelt zum Oktoberfest Maßkrüge stemmen, denn eine würdige Victoria zu sein.

Der von dir bemängelte Helm versucht eine Byzantinische Kaiserkrone zu sein, was ihm aber auch nicht so recht gelingen möchte. Ebenso lustig ist die Inschrift, die Ostgoten haben mit ziemlicher Sicherheit den Kaisernamen auf den Goldmünzen richtig geschrieben, auf jeden Fall nicht so verballhornt. Hahn merkt allerdings an, das sie die alte Titulatur Pius Felix (PF) stat PerPetuum (PP) benutzten.


Ich hoffe, ich konnte dir erst einmal weiterhelfen.

Als Resümee für mich, möchte ich noch sagen, das die sogenannten "Barbaren" in Italien durchaus sehr schöne Münzen geprägt haben.

Lieben Gruß
Micha
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Beitrag von Chandragupta » Di 18.03.08 09:21

Hallo Micha,

danke für Deine Mühe. Du darfst auch Reiner zu mir sagen, und natürlich ist Chandra voll okay, so steht's ja auch in meiner Signatur. :)

Dein zweiter und dritter Link oben (Lanz) sind mir bei meiner Recherche, bevor ich hier im Forum "doof" rumfragte, entgangen - ich hatte nur "in English" nach "Ostrogoth" gesucht. ;) Tolle Stücke - aber eben trotzdem stilistisch im Rahmen des "Gewohnten", mit dieser Prägung hier nicht zu vergleichen.

Für mich bleibt das Fazit aus unseren Bemühungen zunächst mal:
Wohl eine Phantasiemünze!

Damit sind meine Unklarheiten erstmal völlig beseitigt. Obwohl ich mir diesen Reversstil sogar deutlich eher als einem authentischen Vorbild nachempfunden vorstellen könnte als dieses besonders "verrückte" (viel zu "grazil-klassizistische"...) Porträt. Allein daran sieht man ja "als Blinder mit Krückstock" daß das Stück nicht koscher ist.

Nochmals DANKE für Deine Hilfe - toll, was man hier alles noch lernen kann! :)

PS - apropos MIB: Da habe ich auch nur den ersten Band. Mehr interessiert mich bei Byzanz auch nicht wirklich.
Numismatische Grüße,

Euer Chandra

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