Ein Papst und ... sein Kalender

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klaupo
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Ein Papst und ... sein Kalender

Beitrag von klaupo » Sa 13.10.07 22:57

Hallo mal wieder,

ich möchte hier eine Medaille vorstellen, die durch ihre Motivwahl im Revers überrascht und auf den ersten Blick möglicherweise befremdet. Die Darstellung zeigt nämlich neben dem Papst im Avers mit dem gehörnten Bockskopf und dem Drachen im Revers Symbole, die seinerzeit in erster Linie für den Satan standen. Den Drachen, der seinen eigenen Schwanz jagt bzw. verschlingt, hatten wir kürzlich schon anderer Stelle - er wird als Ouroboros bezeichnet. Der Widderkopf ist außerdem von ägyptischen - und damit aus kirchlicher Sicht heidnischen - Gottheiten bekannt (Ammon, der Göttervater oder Sonnengott der Ägypter, oder auch Khnum, der auf seiner Töpferscheibe den Menschen aus dem Nilschlamm schuf). Hinzu kommt, daß Gregor XIII. den Drachen auch als Symbol für sein Wappen wählte. Der Hintergrund für diese ungewöhnliche Wahl des Wappens ist mir nicht bekannt.

Die Symbolik des Revers läßt aber auch eine ganz andere Deutung zu, und damit gelangt man zum Ausgabe-Anlaß der Medaille. Im Jahr 1582 ließ Gregor XIII. den Kalender um zehn Tage kürzen und ein neues System der Schaltjahre schaffen. Durch diese Änderung fiel die Tagundnachtgleiche im Frühjahr, wenn die Sonne den Äquator überschreitet, vergleichsweise konstant in die Zeit um den 21. März, und hier stand sie im Beginn des Tierkreis-Jahres im Zeichen des Widders / Aries. So bekommt auch der Stern über dem Widderkopf seinen Sinn. Durch diesen Kunstgriff fiel nun das Osterfest wieder in den Zeitraum, den man auf dem Konzil von Nicaea (325 AD) vorgegeben hatte. Der Drache oder Ouroboros stellt in diesem Kontext die zyklische Wiederkehr dieses Kreislaufs dar. Dies war die Geburtsstunde des Gregorianischen Kalenders, nach dem wir heute rechnen.

Zur Medaille: Gregor XIII., Ugo Boncompagni di Bologna (1572-1585); Medaglia Straordinarie (1582) auf die Einführung des Gregorianischen Kalenders. (Silber 25,26g 38 mm) Av. GREGORIVS XIII PONT OPT MAX, barhäuptige Büste rechts mit reich verziertem Pluviale (Jesus wandelt über den See, s. Mt. 14,25-33), im Schulterabschnitt Signatur L PARM. / Rv. ANNO RESTITVTO MDLXXXII Im Ring eines Drachen Kopf eines Widders mit ausladendem Gehörn en face, darüber Umschrift, Schleife und sechsstrahliger Stern, darunter Blütengirlande. Referenz?

Und nun etwas Verblüffendes: In Bronze habe ich das Stück ermitteln können. Ich weiß aber nicht, ob es die Medaille in einer Version in Silber überhaupt gibt! Sie ist ein jüngerer Guß - und für meine Begriffe eine wunderschöne und sehr saubere Arbeit - aus dem Nachlaß eines Medailleurs, der sein Handwerk verstand. Ich erhielt sie mit dieser Begründung quasi geschenkt und möchte mich an dieser Stelle dafür noch einmal herzlich bedanken.

Gruß klaupo

P.S. Die Recherche ist zweifellos korrekturfähig. Ich würde mich freuen! :D
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Zuletzt geändert von klaupo am So 30.12.07 17:45, insgesamt 1-mal geändert.

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KarlAntonMartini
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Beitrag von KarlAntonMartini » Sa 13.10.07 23:59

Sehr spannend. Nur ein kleiner Beitrag zum Wappen: "Il nome Mondragone allude al drago araldico che campeggia nello stemma dei Boncompagni e che venne effigiato in varie parti della villa e del giardino." aus: http://www.villamondragone.it/storia/

D.h. der Drachen entstammt dem Familienwappen des Papstes und hat im Zusammenhang mit der Kalenderreform oder dieser Medaille keine Bedeutung. Grüße, KarlAntonMartini
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Beitrag von klaupo » Mi 17.10.07 09:52

Nachdem die Herkunft des Wappens geklärt ist, bleibt eigentlich nur noch die Signatur des Künstlers aufzulösen: L PARM. Naheliegend ist, daß er aus Parma kam. Aber das muß nicht zwangsläufig sein wahrer Name gewesen sein, denn eine weitere Medaille, die unter Gregor XIII 1575 auf das Heilige Jahr geprägt / gegossen (?) wurde, ist von einem FED PARM signiert, und dessen bürgerlicher Name lautete Federico Bonzagni.

Im Fall der vorgestellten Medaille half ein älterer italienischer Auktionskatalog: Das Original ist eine Arbeit von Lorenzo Fragni, genannt Lorenzo da Parma.

Gruß klaupo

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Beitrag von KarlAntonMartini » Mi 17.10.07 11:47

Der Medailleur Lorenzo Fragni arbeitete zwischen 1572 und 1586 für die päpstl. Münze, er lebte noch 1618. Diese Medaille gehört in eine ganze Reihe von Medaillen, die mit jeweils ähnlichem Papstporträt auf aktuelle Anlässe des Pontifikats herausgegeben wurden. Fragni hat gerne antike Münzen nachgeahmt. (n. Forrer)

Grüße, KarlAntonMartini
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Beitrag von KarlAntonMartini » Sa 20.10.07 22:15

Hier: http://www.wienerzeitung.at/DesktopDefa ... cob=308223
gibt es einen Artikel, der die Schwierigkeiten der Kalenderreform gut darstellt. Grüße, KarlAntonMartini
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Beitrag von wpmergel » Sa 20.10.07 23:42

ein wirklich interessanter Artikel, weil er wirklich gut und für Jeden verständlich ist.
Mich erstaunt aber, wie KAM solche Beiträge entdeckt - er war erst ein paar Stunden online, als ihn KAM ausgegraben hat.
Ganz schön flott!
Herzliche Grüße aus Waldeck
Wolfgang M.

www.Waldecker-Münzen.de
www.Waldecker-Münzfreun.de

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