Bestimmungshilfe gesucht

Diskussionen rund um Medaillen, Medailleure, Jetons, Rechenpfennige

Moderator: Lutz12

Antworten
heiheg
Beiträge: 391
Registriert: Fr 29.03.13 09:33
Wohnort: Abensberg
Hat sich bedankt: 397 Mal
Danksagung erhalten: 479 Mal

Bestimmungshilfe gesucht

Beitrag von heiheg » Di 12.11.13 19:54

Ich habe hier eine tragbare Medaille deren Anlass sich mir nicht erschließt. Ich bitte deshalb um Bestimmungshilfe.
Die Medaille hat einen Durchmesser von ca. 21mm und wiegt 3,6g.
Die Umschrift auf der VS lautet: EIVSIN OBITV NRO PRAESENTIA MVNIAMVR
Links neben der Heiligenfigur steht CRVX S PATRIS
Rechts daneben steht BENEDICTI
Unter der Figur ist nur mit einer 8-fach Lupe zu erkennen: EX S M CASINO MDCCCLXXX
Auf der Rückseite ist ein Kreuz mit Buchstaben zu sehen, darüber PAX. Auch die Umschrift besteht nur aus einzelnen Buchstaben, die wohl alle Abkürzungen darstellen.
Die Medaille stammt wohl aus dem Jahre 1880. Kennt jemand Bedeutung und Anlass?
Ich bin gespannt auf eure Antworten.
Dateianhänge
rueck.JPG
Rückseite
vor.JPG
Vorderseite
vor.JPG (80.62 KiB) 2380 mal betrachtet

Benutzeravatar
kijach
Beiträge: 2243
Registriert: So 02.01.11 12:11
Hat sich bedankt: 3 Mal
Danksagung erhalten: 342 Mal

Re: Bestimmungshilfe gesucht

Beitrag von kijach » Di 12.11.13 20:00

MDCCCXXX ist 1880

http://en.wikipedia.org/wiki/Saint_Benedict_Medal

eine Saint Benedict Medaille

gruß kijach
Jetzt auch Griechen-Sammler!

heiheg
Beiträge: 391
Registriert: Fr 29.03.13 09:33
Wohnort: Abensberg
Hat sich bedankt: 397 Mal
Danksagung erhalten: 479 Mal

Re: Bestimmungshilfe gesucht

Beitrag von heiheg » Di 12.11.13 20:07

Hallo kijach, das ging ja rasant! Vielen Dank für die prompte und außerordentlich kompetente Antwort!
Gruß heiheg

Benutzeravatar
kijach
Beiträge: 2243
Registriert: So 02.01.11 12:11
Hat sich bedankt: 3 Mal
Danksagung erhalten: 342 Mal

Re: Bestimmungshilfe gesucht

Beitrag von kijach » Di 12.11.13 20:08

mach ich doch gerne
Jetzt auch Griechen-Sammler!

diwidat
Beiträge: 2187
Registriert: Mi 27.04.05 20:29
Wohnort: bei Karlsruhe
Hat sich bedankt: 0
Danksagung erhalten: 1 Mal

Re: Bestimmungshilfe gesucht

Beitrag von diwidat » Di 12.11.13 22:30

@ heiheg,
wenn Du das -> EX S M CASINO MDCCCLXXX mal in Mont Cassino übersetzt und bei der alten Tante Google nach dem Rechten schaust,
wird Dir sicherlich geholfen.

Gruß diwidat

heiheg
Beiträge: 391
Registriert: Fr 29.03.13 09:33
Wohnort: Abensberg
Hat sich bedankt: 397 Mal
Danksagung erhalten: 479 Mal

Re: Bestimmungshilfe gesucht

Beitrag von heiheg » Mi 13.11.13 13:58

Hallo diwidat,
mittlerweile habe ich schon selbst etwas recherchiert und bin bereits auf das Kloster Monte Cassini gestossen, das ja vom hl. Benedikt von Nursia gegründet wurde. Auch hab ich herausgefunden, dass es sich bei dem Exemplar um einen sog. Benediktuspfennig bzw. um eine Benediktusmedaille handelt. Die gab es im 18. und 19. Jh. häufig. Man konnte sie an den Rosenkranz hängen, als Medaillon um den Hals oder in der Geldbörse mit sich tragen. Abgebildet ist auf der einen Seite der Hl. Benedikt und auf der anderen Seite der Segen des Benedikt, der den Träger der Medaille entsprechend schützen soll. Auch die Legenden konnten ich größtenteils bereits enträtseln.
Was ich immer sage: Münzen und Medaillen sammeln bildet!
Danke nochmal (auch an kijach natürlich)
Gruß
heiheg

Benutzeravatar
Numis-Student
Moderator
Beiträge: 20585
Registriert: Mi 20.02.08 22:12
Wohnort: Wien
Hat sich bedankt: 9122 Mal
Danksagung erhalten: 3672 Mal

Re: Bestimmungshilfe gesucht

Beitrag von Numis-Student » Mi 13.11.13 14:03

heiheg hat geschrieben: Die gab es im 18. und 19. Jh. häufig.
Hallo,
der Typ in dieser Ausgestaltung wird erst seit 1880 produziert und an vielen Wallfahrtskirchen, Klöstern etc bis heute in großen Mengen verkauft. Deinen würde ich auf die erste Hälfte des 20. Jhdts einschätzen, aber ich vermute, spätestens in einigen Tagen wird dir meine Freundin noch ein paar ausführlichere Zeilen schreiben (Diese Medaillen sind nämlich ihr Spezialgebiet).

Schöne Grüße,
MR
Immerhin ist es vorstellbar, dass wir vielleicht genug Verstand besitzen, um,
wenn nicht ganz vom Kriegführen abzulassen, uns wenigstens so vernünftig zu benehmen wie unsere Vorfahren im achtzehnten Jahrhundert. (A.H. 1949)

heiheg
Beiträge: 391
Registriert: Fr 29.03.13 09:33
Wohnort: Abensberg
Hat sich bedankt: 397 Mal
Danksagung erhalten: 479 Mal

Re: Bestimmungshilfe gesucht

Beitrag von heiheg » Mi 13.11.13 18:50

Hallo Numis-Student,
vielen Dank für deinen Beitrag. Auf die Zeilen deiner Freundin freue ich mich schon. Etwas enttäuscht bin ich, da das gute Stück wohl nicht aus dem Jahre 1880 stammt. Ich habe mich schon etwas über die gute Erhaltung gewundert. Die deutet wohl auch eher ins 20. Jahrhundert.
Viele Grüße
heiheg

Benutzeravatar
Raff-Gier
Beiträge: 64
Registriert: Mo 12.03.12 14:13
Wohnort: Österreich
Hat sich bedankt: 11 Mal
Danksagung erhalten: 5 Mal

Re: Bestimmungshilfe gesucht

Beitrag von Raff-Gier » Di 19.11.13 11:22

Hallo!

Spät, aber doch. Numis-Student hat ja angekündigt, dass ich mich dazu äußern soll.

Unter Numismatikern die sich mit religiösen Medaillen widmen, wird deine Benediktmedaille auch als Monte „Cassino Typ“ bezeichnet. Auch der Name „Jubiläumsmedaille“ ist gebräuchlich.
1880 wurde der 1400 Geburtstag des hl. Benedikts gefeiert und aus diesem Anlass wollte der damalige Erzabt von Monte Cassino, Don Nicola d’Orgemont eine neugestaltete Medaille zu Ehren des Heiligen ausgeben lassen.
Der künstlerische Entwurf dieser Medaille stammt von dem Benediktiner P. Desiderius Lenz, der der Beuroner Kunstschule (Schola-Artium-Beuronensis) angehörte.
Diese Medaille wurde anlässlich der Feierlichkeiten um den Heiligen von Papst Pius IX. mit verschiedenen Privilegien versehen, unter anderem auch dem Ablaß.

Die erste Herstellung dieser „Jubiläumsmedaille“ erfolgte im Stuttgarter Münzamt, typisch für diese Prägungen ist eine trapezförmige und mit Linienornament versehene Öse. Zu den Feierlichkeiten war die Medaille nur in vier verschiedenen Größen (45 mm; 30 mm; 20 mm und 15 mm), aber bereits in verschiedenen Metallen (Gold, Silber, Bronze/Kupfer versilbert bzw. vergoldet) erhältlich.
Auch in Italien selbst wurde diese Medaille relativ früh nach den Feierlichkeiten hergestellt, besonders in Mailand von der Firma Johnson. Diese Stücke sind auch signiert!
Später kommen als Erzeuger noch die Firma Pustet, die Prägeanstalt Carl Poellath in Schrobenhausen und Heinrich Kissing in Menden hinzu.
Mittlerweile wird dieser „Monte Cassino Typ“ jedoch von unzähligen Herstellern in allen möglichen Größen und Materialen, auch in verschiedenen Varianten (kleine Unterschiede in der Gestaltung, im Ornament, etc). erzeugt.
Nach Quellen soll es schon um 1901/02 diese Medaillen auch in Aluminium gegeben haben.

Zur bildlichen Gestaltung:
Typischerweise ziert eine jede Benediktmedaille (egal aus welcher Zeit) der hl. Benedikt mit Attributen und der sogenannte Benediktusschild (Kreuz mit dem abgekürzten Segen).
Seine Attribute ergeben sich aus seiner Heiligenlegende / Vita. Der Becher mit der Schlange steht für den Giftbecher, mit dem ein Mönch aus Vicovaro versuchte den Heiligen zu töten. Benedikt segnete aber den Becher, worauf dieser zersprang.
Der Rabe mit dem Brot soll für einen weiteren Giftanschlag auf den Heiligen stehen. Ein Priester namens Florentius schickte dem Heiligen vergiftetes Brot, das aber von einem zahmen Raben weggebracht wurde.

Segen:
V R S N S M V S M Q L I V B
= vade retro satana – numquam suade mihi vana – sunt mala quae libas – ipse venena bibas
= (frei übersetzt) Weiche von mir Satan – Nimmer rate mir der Sünde Schimmer – Du kredenzest bösen Wein – Trinke selbst das Gift hinein.
Mit einem IHS („Abkürzung“ für den Namen Jesu) wird dieser Segen eingeleitet.
In den Kreuzbalken steht dann noch:
CSSML und NDSMD
= Crux sacra sit mihi lux – non draco sit mihi dux
= Das Heilige Kreuz sei mein Licht, der Drache / Teufel sei mein Führer nicht.
In den Kreuzzwickeln:
CSPB
= crux Sancti Patris Benedickti
= Kreuz des heiligen Vaters Benedikt.

Das erste mal dürfte dieser Segen im 14. Jh. im Helmstedt-Wolfenbütteler Codex aufgetaucht sein.
Auf Medaillen findet sich dieser Segen erst ab 1660.
Die Benediktmedaille an sich war im 17./18. Jh. sicherlich eine der am häufigsten religiösen Medaille.
Begehrt war sie eben wegen dem Segen, der einem vor Bösem und Unheil bewahren soll. Nicht selten wurden die Medaillen als Amulette benutzt und dienten auch dem Aberglauben. Sie soll vor Zauberern und Hexen schützen, ihnen den Zugang zu Häusern und Ställen verwehren, das Vieh vor Seuchen schützen. Auch soll die Medaille Unwetter, Verwünschungen, Geschwüre, Krankheiten, Pest, Ackerschädlinge abhalten.
Daher wurden die Medaillen oft auch in Türschwellen und Grundsteinen, ja sogar in Münzschätzen verborgen, am Dachstuhl fest gemacht, im Stall angebracht, im Feld eingeackert. Natürlich auch am Rosenkranz oder sonst wie (eben auch in der Geldbörse – zugeschriebener Schutz des Geldes!) mit sich mitgetragen. Wasser in dem eine Benediktmedaille lag sollte auch Schutz- und Heilkraft haben. Auch den Toten wurde diese Medaille oft mit ins Grab gegeben.

Nun zu deinem Stück.
Wenn ich mich nicht ganz täusche, dann glaube ich links neben den Füßen des hl. Benedikt die Signatur S.J. zu erkennen. Das würde für Stefano Johnson stehen. Somit stammt dein Stück aus Mailand, dürfte nicht zu den direkt 1880 erzeugten Medaillen gehören. Trotzdem glaube ich, dass deine Medaille noch wahrscheinlich vor/um 1900 entstanden ist.
Du hast dich darüber verwundert gezeigt, dass ein Stück von 1880 noch so gut erhalten sein kann. Das ist aber keine Seltenheit. Münzen laufen um und nutzen sich somit ab. Religiöse Medaillen werden aber eben verschiedentlich genutzt und dadurch kann es sein, dass extrem alte Stücke trotzdem noch gut erhalten auf uns kommen.
Am Rosenkranz, der täglich gebetet wird oder in einer Geldbörse, kann sich so ein Stück stark abnutzen, wird die Medaille aber wo verwahrt und nur gelegentlich getragen, oder eben angebracht um das Haus zu schützen, bleibt sie besser erhalten.

Liebe Grüße,
EP
In our next lives, we'll be a pair of wild geese,
flying high into the sky. And from that distance, we'll look down on
the world's blinding snows, its oceans, waters, hills, clouds and red dust,
as if we had never fallen.

Benutzeravatar
Raff-Gier
Beiträge: 64
Registriert: Mo 12.03.12 14:13
Wohnort: Österreich
Hat sich bedankt: 11 Mal
Danksagung erhalten: 5 Mal

Re: Bestimmungshilfe gesucht

Beitrag von Raff-Gier » Di 19.11.13 11:26

So, und nun noch der Entwurf von Desiderius Lenz.
Die Abbildung habe ich aus dem Aufsatz von Ulrich Klein: Die Benediktmedaille aus dem Jahre 1880 und die Nikolausmedaille aus der Zeit um 1898.
In: Der Münzen- und Medaillensammler. Berichte aus allen Gebieten der Münzen- und Medaillenkunde. Nr. 118, 20 Jahrgang, Juli/August 1980.

Wenn gewünscht, kann ich vielleicht demnächst ein paar Benediktmedaillen aus verschiedenen Zeiten / Epochen aus meiner eigenen Sammlung zeigen?

Liebe Grüße,
EP
Dateianhänge
Entwurf.JPG
In our next lives, we'll be a pair of wild geese,
flying high into the sky. And from that distance, we'll look down on
the world's blinding snows, its oceans, waters, hills, clouds and red dust,
as if we had never fallen.

heiheg
Beiträge: 391
Registriert: Fr 29.03.13 09:33
Wohnort: Abensberg
Hat sich bedankt: 397 Mal
Danksagung erhalten: 479 Mal

Re: Bestimmungshilfe gesucht

Beitrag von heiheg » Mi 20.11.13 07:31

Hallo Raff-Gier,
vielen, vielen Dank für deinen außerordentlich kompetenten und umfangreichen Beitrag. Links neben den Füßen des Hl. Benedikt steht tatsächlich S.J.
Ich habe die Medaille im Rahmen eines Medaillen-Lots in einer Online Auktion ersteigert. Ich sammle eigentlich nur historische bayerische Münzen und Medaillen. Hin und wieder erwerbe ich solche Lots und hoffe, es sind einige bayerische Stücke dabei. Den Rest veräußere ich wieder. Wie sich gezeigt hat, ist die vorliegende Medaille zwar hochinteressant, aber für meine bayerische Querschnittsammlung eher nicht geeignet. Was nun nicht heißt, dass das Zeigen einiger solcher Benediktmedaillen aus verschiedenen Zeiten nicht wünschenswert wäre. Ich könnte mir vorstellen, dass es da auch bayerische Exemplare gibt. Die Benektinerklöster in Bayern sind ja teilweise weltbekannt (z.B. Weltenburg, Ettal, Metten).
Also nochmal vielen herzlichen Dank für diesen sehr informativen Beitrag.
Viele Grüße
heiheg

Antworten
  • Vergleichbare Themen
    Antworten
    Zugriffe
    Letzter Beitrag
  • Bestimmungshilfe gesucht
    von Wurzel » » in Byzanz
    3 Antworten
    816 Zugriffe
    Letzter Beitrag von mcieluch
  • Goldkelte, Bestimmungshilfe gesucht!
    von Pfennig 47,5 » » in Kelten
    30 Antworten
    903 Zugriffe
    Letzter Beitrag von Altamura2
  • Mal wieder eine Bestimmungshilfe gesucht
    von mcieluch » » in Byzanz
    6 Antworten
    404 Zugriffe
    Letzter Beitrag von Wurzel
  • Mal wieder eine Bestimmungshilfe gesucht
    von mcieluch » » in Byzanz
    2 Antworten
    468 Zugriffe
    Letzter Beitrag von mcieluch
  • Bestimmungshilfe für Antike Münzen gesucht
    von Wurfziegel » » in Römer
    1 Antworten
    239 Zugriffe
    Letzter Beitrag von Chippi

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 4 Gäste