Feinwaage Seigern

Wie zahlten unsere Vorfahren? Was war überhaupt das Geld wert? Vormünzliche Zahlungsmittel

Moderator: Locnar

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Feinwaage Seigern

Beitrag von Susat » Di 24.09.13 13:51

Wer durfte im Mittelalter Feinwaagen besitzen?
Darüber habe ich mir bis dato nie Gedanken gemacht.

Jetzt aber finde ich bei „Wolfgang Heß“ die Anmerkung: „…gemünztes Geldes die Norm entsprechen., die Differenz der Einzelgewichte sollten sich gegenseitig aufheben. Von daher ist es verständlich, dass der Besitz von Feinwaagen für andere Personen als Münzer und Goldschmiede verboten war.“
Hieran schließt sich der verweis an Dr. Luschin v. Ebengreuth Allgemeine Münzenkunde und Geldgechichte S. 216f an. Dort finde ich den Abschnitt des „Seigerns“

Der Seiger ist fürs justieren der Münzen eingerichtete Waage. Daher durfte nach dem Erfurter Münzrecht niemand, mit Ausnahme des Münzmeisters, >di Wage di man hezet seiger, da man die sweren pfennige mite poisit zu den anderen,< besitzen. Ähnliche Verbote auch zu Freiberg, Regensburg, Wien usw. Diese Waagen waren wohl nach Art gewisser Dukatenwaagen eingerichtet, welche Wägung ohne Auflage eines Gewichtes gestatten, weil die eine Schale genau um einen Dukaten schwerer ist als die andere.

Danach komme ich zum Schluss, dass man eine Feinwaage besitzen durfte, aber keine Seigerwaage.
Wird mein Gedankengang von den hier mitlesenden geteilt?

Hat jemand nähere Infos wie so eine mittelalterliche Seigerwaage ausgesehene haben könnte, oder gar ein Bildnachweis?
mit freundlichen Grüßen aus der alten Hansestadt Soest, susat

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Re: Feinwaage Seigern

Beitrag von Locnar » Di 24.09.13 14:06

Hallo Dirk,

ich denke es handelt sich bei der * Seigerwaage* um eine geeichte Waage, ähnlich wie heute.
Gruß
Locnar

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Re: Feinwaage Seigern

Beitrag von Susat » Di 24.09.13 14:28

Hallo Locnar,

schon klar. Die Waage war auf die einzelnen Münze geeicht, aber so das du kein Gewicht mehr brauchtest. Genauer, die eine Waagschale war so schwer das du nur in die andere Schale eine Münze legen brauchtest. War diese schwer genug konnte der Wardain die Münze passieren lassen.
Damit die Allgemeinheit aber mit solch einer Seigerwaage nicht die zu schweren aussortieren konnte, bestand wohl das Verbot fürs Volk solch eine Waage zu besitzen.
mit freundlichen Grüßen aus der alten Hansestadt Soest, susat

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Re: Feinwaage Seigern

Beitrag von Locnar » Di 24.09.13 15:09

hy Dirk,
da stimme ich dir zu.
Stellt sich die Frage: Wer hat all die Münze beschnitten, und das ohne Waage ?

Weitern wir die Frage mal aus:
Drogen verboten, mehr illegale Waffen im Volk als legale. Nun gut, eine "Kramer" und eine " peinliche Befragung " gibt es heute nicht mehr, und auch keinen Vierteilung.
Gruß
Locnar

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Re: Feinwaage Seigern

Beitrag von Susat » Do 26.09.13 08:32

Das Beschneiden der Münzen hat ja nichts mit dem einzelenen Urgewicht der Münze zu tun. Zudem bin ich mir nicht mehr sicher ob so viele Münzen beschnitten sind wie angenommen. Man macht seine Erfahrung wenn man versucht nach historischem Vorbild in Massen Münzen in der Hammerprägetechnik herzustellen. Genau so wie ich nicht mehr dran glaube das MA Münzen alle abgeschliffen sind, sondern einfach nur schwach geprägt sind.

Aber bleiben wir beim Thema, hat keiner mehr Infos zu einer Seiger Waage?

Zusatzfrage: gibt es hier noch Sammlerkollegen die sich mit der Herstellung von Münzen vor dem 16. Jahrhundert beschaäftigen?
mit freundlichen Grüßen aus der alten Hansestadt Soest, susat

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Re: Feinwaage Seigern

Beitrag von KarlAntonMartini » Do 26.09.13 10:56

Ich hab mal im Zedler nachgeschaut und mußte feststellen, daß der Begriff Seiger im 18. Jahrhundert zwar in bergmännischem und metallurgischem Gebrauch war, aber nichts mehr mit Waagen zu tun hatte. Da Luschin aber eine zuverlässige Quelle ist, suche ich mal nach den dort angesprochenen Münzrechten, um den Zeitpunkt ihres Erlasses herauszubekommen. Grüße, KarlAntonMartini

Luschin bezieht sich auf das Weistum der Stadt Erfurt von 1289, dessen Edition von 1870 im Netz steht. In Rz. 29 ist die Seiger Waage genannt; das Wort usseigern steht im mhd. schlicht für aussuchen oder aussondern, aus der Quelle ergibt sich nicht, wie die Waage technisch beschaffen war. Ich verstehe das so, daß der Besitz jeder Waage, die zum "Ausseigern" von Münzen taugte, mit dem Abschlagen der Hand bestraft wurde. http://books.google.de/books?id=JX9AAAA ... ge&f=false
Grüße, KarlAntonMartini
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Re: Feinwaage Seigern

Beitrag von Susat » Do 26.09.13 17:11

KAM vielen Dank für deinen Hinweis, Link. Ich bin doch noch nicht so fit im Internet das ich die interessanten Sachen finden könnte :-)
mit freundlichen Grüßen aus der alten Hansestadt Soest, susat

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Re: Feinwaage Seigern

Beitrag von KarlAntonMartini » Do 26.09.13 17:26

Mir ist beim Lesen dieser Stelle der Gedanke gekommen, daß das Münzbild auf den Händleinhellern vielleicht als Mahnung gedacht war; ihre Prägung begann ja 1228 also in der Zeit, wo solche Strafvorschriften erlassen wurden. Grüße, KarlAntonMartini
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Re: Feinwaage Seigern

Beitrag von Andechser » Do 26.09.13 17:34

Das glaube ich weniger. Die ursprünglichen Händleinheller stammen ja aus Schwäbisch Hall und das Wappen der Reichsstadt Schwäbisch Hall enthält genau die dargestellte Hand.

Viele Grüße
Andechser

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Re: Feinwaage Seigern

Beitrag von KarlAntonMartini » Do 26.09.13 17:46

Vgl. dazu: http://www.schwaebischhall.de/buergerst ... ragen.html - Die Interpretation der Hand als Handschuh, die ein Rechtszeichen für den Marktschutz sei, ist nicht zwingend. Jedenfalls wurde die Hand schon aufgeprägt, als es das Wappen noch nicht gab. Das ältere Wappen der Stadt war der Reichsadler in rot-gold geteiltem Schild bzw. zwei Schilde (wie auch in Nürnberg üblich): http://www.heraldik-leitfaden.de/Herald ... ie1847.htm , oder hier eine späte Version: http://www.wenner.net/index.php?artikel ... 0&block=10 - Grüße, KarlAntonMartini
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Re: Feinwaage Seigern

Beitrag von Andechser » Do 26.09.13 17:59

Das ist vollkommen richtig. Ich stelle mir da die Frage, ob man sich dabei nicht in die Gefahr begibt, zu viel in die Münze hineinzudenken. Die rechte Hand ist z.B. auch die Schwurhand mit der dem Kaiser die Treue geschworen wurde, aber genauso auch die Schwerthand und das sind nur zwei von vielen Möglichkeiten. Ich persönlich würde da eine Lesart als implizite Strafandrohung für das Seigern der Münze als zu weit hergeholt empfinden.
Außerdem wollte ich dich fragen, wo du die Jahreszahl 1228 her hast? Weil in der Forschung wird meines Wissens von einem Prägebeginn unter Friedrich I. Barbarossa ausgegangen, der schon 1190 gestorben ist.

Viele Grüße
Andechser

PS: Ich habe jetzt gesehen, dass auf Wikipedia http://de.wikipedia.org/wiki/Heller_%28M%C3%BCnze%29 1228 als Prägebeginn steht. Bei Numispedia http://www.numispedia.de/Heller steht allerdings das Jahr 1189, welches wohl realistischer sein dürfte.
Zuletzt geändert von Andechser am Do 26.09.13 18:14, insgesamt 1-mal geändert.

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Re: Feinwaage Seigern

Beitrag von KarlAntonMartini » Do 26.09.13 18:09

1228 steht in Wikipedia, in numismatischen Lexika steht was von ab 1200 erstmals erwähnt. Mir kam es nur darauf an, daß erst die Münze da war und das Wappen später kam. Grüße, KarlAntonMartini
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