Perlen, Kreuze, Blumen und co.

Münzen des alten Byzanz

Moderator: Wurzel

Antworten
Gast
Hat sich bedankt: 0
Danksagung erhalten: 0

Perlen, Kreuze, Blumen und co.

Beitrag von Gast » Sa 14.01.06 10:09

Liebe Freunde,

vielen Dank für die zahlreichen Aufstellungen und Scans, die bisher bzgl. meiner Anfrage zu Sear 1966 bei mir eingegangen sind, um dem MANUEL mit der MUTTERGOTTES auf den Pelz zu rücken.

Ihr habt mir damit bereits sehr geholfen, da ich auch ein paar kleinere Details, die ich nicht angefragt habe (z.B. Anzehl Perlen in den Ohrpendilien oder auch "übersehene Schulterklappen") verifizieren konnte.

Leodux hat mir z.B. ein Stück gescannt, dass eine strichförmige mittlere Brustperle zeigt. Der Strich auf der Brust scheint mir tatsächlich, wie Leodux vermutet aufgrund des engen zur Verfügung stehenden Platzes entstanden zu sein. Es gibt frühere Prägungen, die die untere Brustperle auf den Steg zum Gürtel setzen, was sich optisch überhaupt nicht gut macht.

Das Blumenkreuz (s. Thread "Manuel mit Blume") ist wohl ähnlich zu betrachten wie der Unterschied zwischen dem Balkenkreuz und dem Punktkreuz auf dem Reichsapfel. Bei der Blume ist der Labarumkopf halt nicht als Strichquadrat, sondern als Punktquadrat geschnitten. Offenbar gibt es diese Variante ausschliesslich bei der Hauptoffizin (gekennzeichnet durch 3 Brustperlen) für Billonmünzen und zwar in der zweiten Prägetranche, die sich durch 3 Kragenperlen und 3 Pendilienperlen (Ohrgehänge) auszeichnet. Möglicherweise weist diese Variante auch auf eine Aushilfsprägung durch (eine technisch und handwerklich besser gestellte) Werkstatt für Elektronnominale hin. Dafür spricht, wie bereits im Forum angedeutet, die saubere Prägequalität dieser Stücke. Es ist nachgewiesen (Hendy), daß einhergehend mit der fortschreitenden Inflation gelegentlich Elektron-Offizinae vorübergehend zur Prägung von Billon herangezogen wurden, während eine Goldoffizin die erforderliche Elektronarbeit kompensierte.

Alle Blumenkreuzprägungen gibt es offenbar nur mit runden Perlen auf den kaiserlichen Gewändern. Münzen mit quadratischen Perlen zeigen stets das "normale" Labarum. Weiterhin findet man bei 80% aller Blumen einen Punkt im Labarumschaft unterhalb der Achsel. Das ist die deutliche Kennzeichnung einer weiteren Werkstatt (regulär wurde in 2 Haupt- und 2 Hilfswerkstätten Billon geprägt), die bisher nicht in der Literatur erwähnt wird. Bei der vorherigen Ausgabe des MANUEL (Chlamys - Petzlaff 3.3, Sear 1964/1965) wurden die Offizinae durch die Punkte im Labarumschaft gekennzeichnet.

Ein ganz grosses Fragezeichen steht für mich noch hinter der Bedeutung des Punktkreuzes vs. Balkenkreuz auf dem Reichsapfel. Offenbar sind die meisten frühen Prägungen (5 Kragenperlen) der Hauptoffizin (3 Brustperlen) zu 90% mit dem Balkenkreuz versehen. Bei der zweiten Emissionsperiode (3 Kragenperlen) gibt es nur noch ca. 30% mit Balkenkreuz und bei der zweiten zentralen Offizin (1 Brustperle) nur ca. 10%. Es ist nachgewiesen, daß Prägeaufträge an die zweite Offizin erst erfolgten, wenn die erste ausgelastet war. Wenn beide Offizinae ausgelastet waren und keine freien Kapazitäten in einer Elektronwerkstatt verfügbar wurden griff man auf die "Stern"-Offizin, bzw. die "Punkt im Kreis"-Offizin zurück (eine von beiden war mit Sicherheit privat, wurde aber temporär unter staatliche Kontrolle gestellt).

Bezüglich der Stolaperlen bin ich noch am Grübeln.

... spannend oder?

Gruß
petzlaff

Gast
Hat sich bedankt: 0
Danksagung erhalten: 0

Beitrag von Gast » So 15.01.06 10:59

Liebe Gemeinde

Neues zu den Stolaperlen.

Aufgrund des umfangreichen Materials, welches ihr mir freundlicherweise zur Verfügung gestellt habt, denke ich nun, mit statistisch gesehen etwa 80%iger Sicherheit sagen zu können, dass die Anzahl der Stolaperlen bei MANUEL Petzlaff 3.4b den Feingehalt und damit die Konvertibilität im Verhältnis zwischen dem goldenen Hyperperon und der Rechnungseinheit des Follis (ausgeprägt als Tetarteron) widergibt.

Demnach bedeuten:

5 Perlen = 1/48 Hyperperon = 288 Folles
4 Perlen = 1/60 Hyperperon = 360 Folles
3 Perlen = 1/80 Hyperperon = 480 Folles
2 Perlen = 1/120 Hyperperon = 720 Folles

Die Inflation während der Finanzperiode 1167-1182 (das ist genau der Zeitraum der betrachteten MANUEL-Emission) endet irgendwo (belegt für das Jahr 1190) bei 1/184 Hyperperon = 1104 Folles

Mir liegen nur 4 Reports von insgesamt ca. 200 Exemplaren vor, die möglicherweise eine einzige Stolaperle zeigen, was rein rechnerisch auf einen Gegenwert von 1440 Folles (das ist einiges weniger als 1/184 Hyperperon) deuten liesse. Alle 4 Stücke stammen aus der zweiten, also mittleren Prägeperiode (gekennzeichnet durch 3 Kragenperlen), eine davon aus der Hilfsoffizin "Punkt im Kreis". Ich denke daher, dass es es sich bei diesen 1-Perlern um Gravur- oder Lesefehler handelt. In der 3-Kragenperlen Emission gibt es sonst ausschliesslich 2 bzw. 3 Stolaperlen. Das würde in das Gesamtbild passen.

Da der der Bereich der Stola oft schwer zu interpretieren ist, gibt es mit Sicherheit weitere Kontrollzeichen, die die Kennzeichnung duplizieren. Einen ähnlichen Effekt findet man bei der Punkten im Kreis, die häufig an unterschiedlichen Stellen im Design aus Redundanzgründen wiederholt werden. Ich bin weiter am Recherchieren und Grübeln.

Wie gesagt - vieles erinnert momentan sicherlich noch ein wenig an Spekulation, aber bewiesen ist, dass der "preussische" Beamtenstaat namens Byzanz mit Sicherheit (der 500 Jahre alten Tradition) entsprechend Auflage, Werkstatt und Wert gekennzeichnet hat. Es wäre in keiner Weise nachvollziehbar, dass mit einem permanenten Wachstum des "Preussentums" die unter ANASTASIUS eingeführten Traditionen der administrativen Kennzeichnungen verlorengegangen wären. Beachtete zum Beispiel in diesem Zusammenhang auch die unendlich komplexe Kontrollzeichenvielfalt der anonymen Folles der Makedonischen Kaiser des 10. Jahrhunderts.

Im neuen Petzlaff werde ich übrigens aufgrund meiner Auswertungen die Kontrollzeichen systematisch erfassen und nach "fixed primary controls" (FPC), "fixed secondary controls" (FSC), "variable primary controls" (VPC) und "variable secondary controls" (VSC) unterteilen.

Beispiele:

FPC: Gürtelschnalle, Kragen, Brust, Sterne, Punkt im Kreis
FSC: Pendilien, Kreuz?
VPC: Stola
VSC: quadratische Perlen und deren Anordnung, Anordnung der Offizinkennzeichnung "Punkt im Kreis"

Ihr könnt aus den von mir gewählten Bezeichnungen ablesen, dass ich plane, das neue Buch zweisprachig zu verfassen. Ein fanatischer Byzantiner/Bulgare - Historiker und Universitätsprofessor i.R. - aus St.Louis hat mich auf diese Idee gebracht.

Lieben Gruß
petzlaff

Antworten

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 1 Gast