Feind, Robert: Verse auf byzantinischen Bleisiegeln – Verses on Byzantine lead seals
Teil 2: Ρ-Ω – Vol.2: Ρ-Ω; Battenberg-Gietl-Verlag, Edition M&S; 1. Auflage 2013; 660 Seiten, 14,8 x 21 cm, Broschur
ISBN: 978-3-86646-843-6; Preis: 80,00 EUR
Vielleicht hat der eine oder andere hier schon einen Blick in den ersten Band von Robert Feinds zweibändiger Ausgabe der „Verse auf byzantinischen Bleisiegeln“ geworfen, es genauer studiert oder es vielleicht sogar erworben. Nun ist mittlerweile der zweite, abschließende Band dieses Großprojektes erschienen und wartet darauf, beäugt, studiert, erworben, aber in jedem Falle benutzt zu werden.
Der abschließende zweite Band eröffnet mit Nachträgen zum ersten Band, und bringt dann, wie gewohnt, den Katalog der metrischen Siegellegenden, alphabetisch gelistet nach den Anfangsbuchstaben Ρ-Ω. Feind folgt hierbei dem Vorgehen des ersten Bandes: Transkription, Übersetzung in Deutsche und Englische, gefolgt von Hinweisen zu Datierung und Ikonographie, Literaturangaben, Namen und Ämtern, um dann mit einer metrologischen Bestimmung zu schließen. – Also viel Information pro Siegel! In beiden Bänden zusammen bespricht Feind so an die 2600 Siegel. Das sind sicherlich nicht alle bekannten metrischen Siegel, wohl aber die meisten. Und so kann man sich diesen Bänden getrost anvertrauen.
Doch Feind geht im nun vorliegenden zweiten Band über die reine Darstellung hinaus. Ein gewichtiger Teil seiner Arbeit ist die statistische Auswertung: Welcher Name, welches Amt, welcher Heilige kommt wie oft vor? Der Autor bündelt hier Informationen in vertretbarem Maße: Dass Thessalonike mit 13 Nennungen auf einen Prozentualanteil von 0,5% aller Ortsnennungen kommt, und z.B. Kreta mit 7 Nennungen es auf 0,26% bringt, muss dem Leser dann genügen. Feind gibt nicht alle Orte an, sondern bündelt 332 „andere Orte“ zu 12,7%. Wenn es dann jemanden speziell interessiert, wie oft Nyssa genannt wird, so kann derjenige sich einem der vielen Spezialindices anvertrauen: einem weiters unterteilten prosopographischen Index (Kaiser, Familiennamen, sonstige Namen); Ämter, Funktionen, Titel; einem geographischen und einem ikonographischen Index, einem generellen Wortregister, dem Abkürzungsverzeichnis sowie dem Stichwortregister für beide Bände. Es wurde also offenbar großen Wert auf Nutzbarkeit des Datenmaterials gelegt und das kann man als Leser dem Autor nur danken. Vergleichbares gibt es bislang nicht und wird es in diesem Preisgefüge auch nicht so schnell mehr geben. Überhaupt liegt ja die Stärke der Publikationen Feinds in der Gesamtlage von Verfügbarkeit, Preis und bislang nicht dagewesener Informationsbündelung. Auch wenn sich bisweilen viel Mühe gemacht wurde, Feind mehr oder minder erfolgreich Fehler nachzuweisen, so dürfen die immensen Vorteile, die die Sammler- und vermutlich letztendlich auch die Wissenschaft von diesen Büchern haben wird, darüber nicht vergessen werden.
Über die reine Statistik geht der Autor mit einer deutenden Betrachtung der Versinhalte hinaus. Dabei weist Feind in enger Anlehnung an Thesen Herbert Hungers (Der homo byzantinus und das Bleisiegel, 1992) den zuvor statistisch nachgewiesenen Phänomenen des Siegeltextes Funktionen und Intentionen der Kommunikation und Selbstdarstellung zu. Das klingt spekulativ und verstiegen, ist aber bei näherer Betrachtung nicht nur eine Überlegung wert.
Die Siegel sind persönliche Dokumente, die stellvertretend für den Siegelnden stehen. Mit ihrer Hilfe versucht sich der Siegelnde im Kanon verschiedener typisch-byzantinischer Ausdrucksmöglichkeiten darzustellen und dem Empfänger gegenüberzutreten.
Ein Beispiel: Bei einer kleinen Gruppe von Siegeln „spricht“ das Siegel selbst und berichtet von seiner Funktion: „ich siegle sicher“, „bin Wächter des Schreibens“ etc. Feind leitet daraus folgenden Schluss ab: „Im Vordergrund steht, welche Handlungen ausgeführt werden bzw. welche es werden sollen. Es geht meist um die Herstellung von Sicherheit, die für Siegel und Schreiben erreicht werden soll. Das Siegel spricht und handelt, manchmal auch der Siegelinhaber durch das Siegel. Deshalb haben die Verse Handlungs- und Kommunikationsfunktion. Religiöse Formulierungen sind auch hier nicht bedeutsam.
Die Verse beziehen den Leser als Zeugen der Handlung mit ein bzw. führen mit ihm einen „Dialog“, der den „direkten Kontakt mit dem Leser simuliert“ (Homo, S.121). Die Mitteilung beginnt bereits auf dem Siegel, nicht erst im Schreiben. Indem der Leser einbezogen wird, wird er zugleich Empfänger einer Nachricht und dann selbst Teil der geschilderten Handlung.“ (Feind, Metr. II,382)
Das sind keine eindeutig belegbaren Fakten, die durch Maß, Zahl und Gewicht überprüfbar sind. Trotzdem führen uns diese Überlegungen über die Siegel in die Welt der Siegelnden. Was sich der Michael Otos des letzten Siegels mit der Nummer 2595 tatsächlich von der Hilfe des Namenspatrons und „Erzgeneral(s) Michael“ erhoffte, wie es sein Siegeltext erfleht, werden wir nie mehr erfahren. Aber vielleicht hilft uns Feinds Satz: „Dieser teilweise entstehende „Kanzleiverkehr zwischen Himmel und Erde“ (Homo, S.123) drückt solchermaßen die Glaubensbeziehung lebenspraktisch, aber auch allumfassend seelisch aus.“ (Feind, Metr. II,387) etwas mehr beim Verständnis des siegelnden homo byzantinus.
Link zur Leseprobe: http://www.gietl-verlag.de/verse-auf-by ... inung.html
Gruß Posa