Zerfurchtes aus Amisos

Griechische Münzen des Altertums

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Altamura
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Zerfurchtes aus Amisos

Beitrag von Altamura » Fr 29.07.11 20:23

Hallo zusammen,

mir ist vor einiger Zeit schon aufgefallen, das auf vielen der "Gorgoneion in Ägis-Nike-Münzen" aus Amisos quer über die Münzen lange und relativ tiefe Kratzer verlaufen.
So wie beispielsweise hier:
http://www.acsearch.info/record.html?id=467383
http://www.acsearch.info/record.html?id=220893
http://www.acsearch.info/record.html?id=221311
http://www.vcoins.com/ancient/marcantic ... oduct=2467

Manchmal sieht man das auch auf anderen Typen aus Amisos, aber am häufigsten, wie mir scheint, auf dem genannten. Und ich seh' das immer wieder.

Es sieht auch so aus, als ob sich die Kratzer schon vor der Prägung auf dem Schrötling befanden. Unsachgemäße Reinigung oder gar langjähriger Aufenthalt zwischen drückenden Trümmern scheint es also nicht gewesen zu sein.

Hat man da die Schrötlinge von einer Metallstange abgehobelt, wie die Salamischeiben von der Wurst? (Warum sehen dann aber nicht alle diese Münzen so aus?)
Oder hat man bei zu schweren Schrötlingen das Gewicht durch Abkratzen wieder etwas reduziert?

Ich hab' keine Ahnung :? . Aber vielleicht jemand von Euch?

Gruß

Altamura
Zuletzt geändert von Altamura am Fr 29.07.11 20:27, insgesamt 1-mal geändert.

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Re: Zerfurchtes aus Amisos

Beitrag von Altamura » Fr 29.07.11 20:24

Störung im Betriebsablauf, sorry (auf den falschen Knopf gedrückt :? ).

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Zwerg
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Re: Zerfurchtes aus Amisos

Beitrag von Zwerg » Fr 29.07.11 20:39

Hat man da die Schrötlinge von einer Metallstange abgehobelt, wie die Salamischeiben von der Wurst? (Warum sehen dann aber nicht alle diese Münzen so aus?)
Das ist m.W. die gängige Theorie. Gilt möglicherweise auch für die viereckigen Sesterzen im 3. Jhd.

Lasse mich aber gerne eines Besseren belehren.

Grüße
Zwerg
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Re: Zerfurchtes aus Amisos

Beitrag von Iulia » Sa 30.07.11 10:44

Diese Münzen aus Messing wurden im pontischen Reich des Mithradates VI. geprägt, der das Metall als erster für die Münzprägung verwendet hat. Zu der in diesem Zusammenhang stehenden besonderen Schrötlingsbehandlung s. hier:
http://www.numismatikforum.de/viewtopic.php?f=6&t=41020

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Re: Zerfurchtes aus Amisos

Beitrag von Altamura » Sa 30.07.11 10:52

Besten Dank!

Aber jetzt haben wir schon zwei Theorien 8O .

Ich weiß ja nicht, wie diese "Lunker = Gusslöcher" ausgesehen haben, aber angesichts des Ergebnisses klingt mir das ein bisschen nach "Teufel mit Beelzebub austreiben" :wink: .
Gibt es da Literatur dazu?

Gruß

Altamura

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Re: Zerfurchtes aus Amisos

Beitrag von Iulia » Sa 30.07.11 11:17

Dazu braucht man keine Literatur, sondern muss nur Tausende von Münzen in der Hand gehabt haben. :wink: Dann weiß man, dass auch die manchmal bugartigen Ränder der besagten Münzen mit derselben groben Feile bearbeitet wurden wie die Flächen. Die Salamischeiben-Theorie ist für diese Münzen damit hinfällig, denn bei dieser Methode der Schrötlingsherstellung müssten die Ränder relativ glatt und unbearbeitet aussehen. Offenbar hatte man anfangs Schwierigkeiten beim Prägen von Messing. Der Andruck war einfach häufig nicht hoch genug, um die Spuren der Schrötlingsbehandlung zu überprägen. Lunkerlöcher kann man zuweilen auf kilikischen und kommagenischen Münzen entdecken, wenn sie nicht sorgfältig gussgeputzt wurden.

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Re: Zerfurchtes aus Amisos

Beitrag von Altamura » Sa 30.07.11 11:48

Iulia hat geschrieben:Dazu braucht man keine Literatur, sondern muss nur Tausende von Münzen in der Hand gehabt haben. :wink: ...
Aussagen dieser Art höre ich immer, wenn die Argumente zur Neige gehen :wink: :wink: .

Ansonsten klingt das aber sehr plausibel :D .
Ich wusste nicht, dass die Prägung auf Messing ganz andere Probleme stellt als die auf Bronze.

Dank und Gruß

Altamura

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Re: Zerfurchtes aus Amisos

Beitrag von Iulia » Sa 30.07.11 12:58

Altamura hat geschrieben:
Iulia hat geschrieben:Dazu braucht man keine Literatur, sondern muss nur Tausende von Münzen in der Hand gehabt haben. :wink: ...
Aussagen dieser Art höre ich immer, wenn die Argumente zur Neige gehen :wink: :wink: .

Altamura
Wo gingen mir denn die Argumente "zur Neige"? Mensch, lest mich doch, wenn's geht, etwas genauer!
Hier kann man wirklich die Lust verlieren, noch seine Zeit zu investieren und das scheint anderen Numismatikern ähnlich zu gehen.

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Re: Zerfurchtes aus Amisos

Beitrag von Altamura » Sa 30.07.11 15:45

Bitte nicht aufregen, ich hatte extra zwei (!) Smilies eingefügt und Deinem Beitrag inhaltlich ja auch nicht widersprochen.

Deine Einleitung hatte aber in meinen Augen so einen leisen Hauch von "ich hab' schon mehr Münzen in der Hand gehabt als Du und deshalb hab' ich recht und brauchst Du auch keine Literatur", von dem ich mich zu meinem Satz habe hinreißen lassen. Ich hab' nämlich noch nicht Tausende von Münzen in der Hand gehabt und wäre deshalb dankbar gewesen um Literatur.

In der Hoffnung auf Frieden :wink: ,

Gruß

Altamura

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Re: Zerfurchtes aus Amisos

Beitrag von areich » Sa 30.07.11 16:43

Ich finde die Theorie mit den abgesägten 'Salamischeiben' schwierig, weil das einfach ein Riesenaufwand ist. Damals wird es sicher nicht einfacher gewesen sein als heute und diese Münzen wurden ja nicht in kleinen Auflagen geprägt.

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Re: Zerfurchtes aus Amisos

Beitrag von Iulia » Sa 30.07.11 16:53

Wenn ich zu dem konkreten Problem Literatur kennen würde, hätte ich sie natürlich genannt. In F. de Callatay, L'Histoire des guerres mithridatiques vue par les monnaies, 1997 wird nicht auf die Herstellungstechnik eingegangen. In H. Moesta u. P.R. Franke, Antike Metallurgie und Münzprägung, 1995 wird das Phänomen auch nicht beschrieben. Von einer Spezialstudie über antike Schrötlingsherstellung der diversen Gebiete und Epochen habe ich leider noch nichts gehört. Wäre vielleicht lohnend.
Ich habe auch noch keine seriöse Quelle für die Salamischeiben-Theorie für AES Münzen finden können. Ein Beispiel für einen Stangenguss hat man laut Moesta/Franke, S. 99 bisher nur in einer gallorömischen Münz- oder Falschmünzwerkstatt für Bleibronzen mit einem Durchmesser von 0,7 cm gefunden. Ein Zerschneiden von Gussstangen ist nach Moesta/Franke technisch wohl eher bei gut schmiedbaren Metallen wie Silber vorstellbar. Bei Aes-Münzen geht man bisher von Schrötlingsgüssen in Kettentechnik aus. Die Gusskanäle zwischen den Schrötlingen mussten entfernt werden. Bei der Reichsprägung des 3. Jh. n. Chr. fielen die Gusskanäle zusehens weg, sodass die Schrötlinge nach Durchtrennnung der Gusskette eckiger wurden (Quelle: M. R.-Alföldi, Antike Numismatik, S. 29-30).

Natürlich: Pax! Iulia
Alföldi, Ant. Num., Abb.jpg
Alföldi Abb. F/3, Kettenguss ohne Gusskanäle
Dateianhänge
Alföldi, Ant. Num.., Abb.jpg
Alföldi, Ant. Num., Abb F/1, Kettenguss mit Gusskanälen

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Re: Zerfurchtes aus Amisos

Beitrag von Altamura » Sa 30.07.11 17:51

Die Salamischeiben-Theorie scheint ja vorerst keine weiteren Anhänger gefunden zu haben.

Ich hab' aber auch das mit dem Aufbereiten der Schrötlinge nicht ganz begriffen :| .

Durch das Abschaben sollten kleine, beim Gießen bzw. Abkühlen entstandene Löcher beseitigt werden (oder besser: das Metall drumherum), um für den Prägevorgang eine ebenmäßigere Oberfläche zu erhalten. Richtig?

Was ich dabei aber nicht verstehe: Warum steht man beim Prägen mit Furchen auf dem Schrötling besser da als mit Löchern? 8O
Aus meiner laienhaften Sicht ist das beides gleichermaßen unschön. Oder waren diese Löcher deutlich größer und tiefer als die Furchen?

Gruß

Altamura

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Re: Zerfurchtes aus Amisos

Beitrag von Iulia » Sa 30.07.11 18:25

Mithradates VI. hat, wie schon erwähnt, die Messingmünze erfunden. Ich sehe zwei Möglichkeiten für die hier häufig anzutreffenden Prägefehler:
1. Technische Probleme, die in der Anfangsphase der Ausprägung der neuen Metallzusammensetzung auftraten (diese Legierung ist besonders hart).
2. Zu hastige Prägung dieser eindeutigen Massenprägung zur Kriegsfinanzierung. Hier könnte man sich vorstellen, dass bei den vermutlich für eine gute Ausprägung nötigen drei Hammerschägen einer weggelassen wurde, um die Stempel mehr zu schonen und Prägekosten zu sparen. Dieses Phänomen ist zum Beispiel für die schlecht durchgeprägten Kipper- und Wippermünzen am Beginn des Dreißigjährigen Krieges bekannt.

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Re: Zerfurchtes aus Amisos

Beitrag von Altamura » Mo 01.08.11 12:02

Wie das Leben so spielt, hab' ich jetzt noch einen Artikel im Netz gefunden, der sich mit den Messingprägungen des Mithradates VI befasst:
http://www.pontos.dk/publications/books ... -smekalova (gesucht hatte ich eigentlich was ganz anderes, aber wie das beim Googeln halt so ist :D ).

Über die Furchen auf den Münzen steht allerdings auch nichts drin :( .
Dafür findet man auf dieser Seite (http://www.pontos.dk/publications, man muss sich da ein wenig durchklicken) noch jede Menge Literatur zum Schwarzmeergebiet in der Antike.

Und nachdem ich schonmal so schön am Finden war, hab' ich auch noch ein bisschen gesucht. Zwar nichts weiteres zur Messingprägung gefunden, aber einen guten Überblick über die "Bronzen" des Mithradates VI:
http://kbr.academia.edu/FrancoisdeCalla ... _cimmerien
(kann man auch als pdf herunterladen, und ein Bisschen Französisch muss man mitbringen :wink: )

Gruß

Altamura
Zuletzt geändert von Altamura am Mo 01.08.11 16:58, insgesamt 1-mal geändert.

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Re: Zerfurchtes aus Amisos

Beitrag von Iulia » Mo 01.08.11 16:14

Hallo Altamura,
Dein letzter link funktioniert leider nicht. Es ist etwas von Callatay. Vielleicht in: Bresson, Ivantchik, Ferrary,"Une koinè pontique"?
Gruß, Iulia

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