Seite 1 von 1

6 Stadtmuntz 1622

Verfasst: Mi 14.09.05 09:53
von jachs
hallo,

kann jemand zu dieser im Einschubboden meines alten Bauernhaus gefundenen Münze etwas sagen?
Das Haus steht in Württemberg!

Bin für jede Information sehr dankbar!

jachs

Verfasst: Mi 14.09.05 13:25
von mumde
Ulm, 6 Kreuzer Stadtmünze 1622, Häberle Abb. 34, Nau 84.

Verfasst: Fr 16.09.05 23:44
von mumde
Da das Stück einer münzgeschichtlich interessanten Zeit angehört, lasse ich meiner kurzen Bestimmung vom Mittwoch nun noch ein paar Anmerkungen folgen, die die Bedeutung dieser Münze in der Ulmer Münzgeschichte verdeutlichen sollen:

Die Stadt Ulm besaß zwar seit 1398 das Münzrecht. In der Reichsmünzordnung von 1571 wurde jedoch bestimmt, dass Münzstände, die keine eigenen Silberbergwerke besaßen, nicht mehr selber prägen durften. Sie durften zwar Münzen herausgeben, aber sie mussten diese Münzen in einer anerkannten Kreismünzstätte prägen lassen.
Ulm verzichtete weitgehend auf eigene Münzen und benutzte im Zahlungsverkehr Münzen anderer Münzstände. 1606 ließ Ulm ganze und halbe Silbergulden in der fränkischen Kreismünzstätte Nürnberg prägen.

Etwa um 1619 begann die Kipperzeit, und schlechtes fremdes Kleingeld mit immer weiter abnehmendem Silbergehalt überflutete den Zahlungsverkehr. 1619 schaffte Ulm ein Zieh- und Streckwerk aus Augsburg an, das auch als Walzen-Prägemaschine verwendet werden konnte, und ließ Proben von 3-Kreuzer-Stücken damit herstellen. 1620 stellte Ulm Augsburger Münztechniker ein. In der Fischergasse wurde in einer alten Sägemühle eine Münzstätte errichtet, wo die Wasserkraft des Flusses Blau für den Antrieb der Maschinen zur Verfügung stand. Da Ulm selber nicht genug Silber aufbrachte, bezog man über Genua Silber aus den amerikanischen Kolonien Spaniens.
Am 14. Oktober 1620 wurden Ulmer Reichstaler in Verkehr gesetzt, danach Sechskreuzer, 1621 Zwölfkreuzer, 24-Kreuzer usw, alles schlechte Kippermünzen. Das ging auch nicht anders, denn hätte man gute Münzen ausgegeben, wären sie sofort von den Kipper-Agenten eingewechselt und eingeschmolzen und in schlechtes Geld umgeprägt worden.
Am 21. Februar 1621 wurde dem Rat und auch dem Münzmeister Franz Philipp Kling ein Beschluß des Reichskammergerichts in Speyer zugestellt, dass das gesetzwidrige Münzprägen einzustellen sei. Es wurde aber trotzdem weitergeprägt.

Etwa um 1621/1622 merkten die deutschen Fürsten, dass sie selber nicht mehr viel von der Produktion der Kippermünzen profitierten: Ihre Ausgaben stiegen ständig aufgrund der Inflation, während ihre Einkünfte abnahmen und in schlechtem Geld gezahlt wurden. Damit ging die Kipperzeit zuende. Die Schwäbische Kreisversammlung fing am 21. März 1622 mit der Reform des Geldwesens an: Die ganz schlechten 12- und 24-Kreuzer-Stücke wurden verboten. Ulm wertete am 5. Juni 1622 die weniger schlechten 12- und 24-Kreuzer-Stücke auf 10 und 20 Kreuzer ab. Um Ersatz für die verbotenen und aus dem Verkehr gezogenen Münzen zu haben, befahl der Rat am 30. August 1622, Gulden, Halbgulden, 15-Kreuzer und Sechskreuzer (dazu gehört das hier vorgestellte Stück) in Ulm herzustellen, in der Hoffnung, nicht wieder vom Reichskammergericht belästigt zu werden. Man erweiterte dafür die Münzstätte.

Im Januar 1624 war die Kipperzeit wirklich beendet, es war genug gutes Kleingeld ausgegeben und verfügbar, und die 1622 geprägte Ulmer Stadtmünze wurde von der Stadtkasse 4:1 eingewechselt: der Ulmer Stadtgulden für 15 Kreuzer neuer Währung, und unser hier vorgestelltes 6-Kreuzer-Stück also für anderthalb Kreuzer guten Geldes.

Am 27. März 1624 beschloß der Schwäbische Kreis die Abschaffung der Münzstätten, die entgegen den Reichsgesetzen von 1571 errichtet worden waren, und dazu gehörte ja auch die Ulmer Münzstätte. 1626 entschloß sich der Rat, auf die Münzstätte zu verzichten.

Erst 1634 wurde wieder in Ulm geprägt aufgrund der Erfordernisse des 30jährigen Krieges.

Das hier gezeigte Sechskreuzerstück 1622 gehört also zu einer Übergangswährung Ulmer Stadtmünzen am Ende der Kipperzeit. Es ist kein richtig schlechtes Kippergeld mehr, aber es ist auch noch nicht das gute Geld, das auf die Kipperzeit folgte. Da die Stadtkasse diese Stücke gegen gutes Geld im Verhältnis 4:1 einwechselte, wurden die meisten Stücke aus dem Verkehr genommen, und diese Münzen sind deshalb heute selten.

Verfasst: Do 27.10.05 13:11
von jachs
Hallo Mumde,

meinen ergebendsten Dank für deine ausführliche Antwort / Bericht.

gruss jachs