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von chinamul » Di 06.09.11 17:21
Es ist ja nun nicht so, daß ich ein perfekt erhaltenes antikes Stück mit Verachtung strafen würde, wenn ich es zu einem vernünftigen Preis erwerben könnte. Auch in meiner Sammlung liegt das eine oder andere Exemplar dieser Kategorie. Was ich allerdings nicht völlig nachvollziehen kann, ist die Ausschließlichkeit, mit der manche Forumsfreunde auf erstklassigen Erhaltungen für die eigene Sammlung bestehen. Der Normalfall bei einer römischen Münze ist doch, daß man ihr den Umlauf vor 2.000 Jahren ansieht, so daß das makellose Kabinettstück immer eine Ausnahme von der Regel darstellt. Natürlich haben nicht alle Münzen mit mehr oder weniger starken Gebrauchsspuren eine großartige Geschichte zu erzählen, aber sie sind allemal historische Zeugnisse dafür, wie in der Antike der Geldumlauf stattfand. Im Prinzip ist damit jedes eindeutig bestimmbare Exemplar sammelwürdig, wenn es auch selbst für mich eine Schwelle nach unten gibt.
Drake muß ich entgegenhalten, daß in meiner nunmehr fast sechzigjährigen Sammeltätigkeit meine Vorlieben so oft gewechselt haben, daß ein von vornherein feststehendes Sammelprinzip überhaupt nicht durchzuhalten gewesen wäre. Bei entsprechend sturem Festhalten an einem solchen Prinzip wären mir die numismatischen Abenteuer, die ein Wechsel bzw. eine Ausweitung des Sammelgebietes jedesmal mit sich bringen, versagt geblieben. Zweifelhafte Käufe aus alten Zeiten, wie ich sie heute nicht mehr tätigen würde, bleiben selbstverständlich in der Sammlung, sei es als Erinnerungsstücke, sei es als Wegmarken meiner Sammelbiografie.
Erro hat wohl recht, wenn er hier die Vorstellungskraft erwähnt, die besonders Sammelanfänger immer wieder ins Träumen von den Situationen bringt, in denen sich die betreffende Münze möglicherweise mal befunden hat. Diesem Zauber einer zwar vorwissenschaftlichen, dafür aber gefühlsgeladenen Beschäftigung früherer Tage mit antiken Münzen trauere ich heute manchmal heftig nach. Daß ich ihn heute nicht mehr wie seinerzeit empfinde, mag mit meinem fortgeschrittenen Alter zu erklären sein, könnte aber auch daran liegen, daß die immer weiter zunehmende Routine zu einer gewissen, sehr zu bedauernden Abgebrühtheit, um nicht zu sagen Abstumpfung, geführt hat.
Gruß
chinamul
Nil tam difficile est, quin quaerendo investigari possit