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Verfasst: Fr 16.01.09 20:27
von Homer J. Simpson
Tatsächlich sind viele der gepreßten Fälschungen an den vielen kleinen Rissen bei zu kalter Verarbeitungstemperatur zu erkennen. Auch bei echten Münzen kommen Exemplare mit multiplen Schrötlingsrissen vor, entweder gab es da (stelle ich mir vor) Unterbrechungen in der Produktion (evtl. mußte festgesetzter Dreck oder eine steckengebliebene Münze aus dem Stempel entfernt werden, und der nächste Schrötling war schon aus der Esse geholt worden) oder es wurden noch die letzten paar Münzen des Tages geprägt, während der Ofen schon auf Nachtabschaltung (Sparflamme) lief. Jedenfalls stelle ich mir vor, daß man, wenn man Sesterzen (hartes Metall plus Riesen-Größe!) kalt hätte prägen müssen, alle hundert Münzen einen neuen Stempel gebraucht hätte, und alle Sesterzen hätten einen Doppel- bis Dreifachschlag, weil die Prägung nach einem Mal viel zu schwach gewesen wäre. Kaltprägung als routinemäßiges Verfahren kann ich mir nicht vorstellen.

Homer

Verfasst: Fr 16.01.09 20:28
von cepasaccus
Ich kenne eine Publikation in Metallurgy in Numismatics Vol. 1, in der anhand der Kristallstruktur gezeigt wird, dass lydische Hemihekten kalt gepraegt wurden. Man kann sie wirklich mit einem normalen Hammer und gemuetliches (mehrfaches) haemmern praegen. Dann gibt es noch eine Publikation in Zeitschrift für Archaeologie 1979, die das ebenfalls fuer Sesterze aus der Mitte des 2. Jhds. zeigt. Zwei Publikationen sind nicht viel, aber sind wenigstens technisch fundierte Meinungen im Gegensatz zur allgemeinen Meinung es waere heiss gepraegt worden. Also falls jemand noch Publikationen kennt, die das eine oder andere zeigen ...

vale,
cepasaccus

Verfasst: Fr 16.01.09 20:35
von quisquam
Homer hat geschrieben:Jedenfalls stelle ich mir vor, daß man, wenn man Sesterzen (hartes Metall plus Riesen-Größe!) kalt hätte prägen müssen, alle hundert Münzen einen neuen Stempel gebraucht hätte, und alle Sesterzen hätten einen Doppel- bis Dreifachschlag, weil die Prägung nach einem Mal viel zu schwach gewesen wäre.
Ist es nicht eher genau andersherum, nämlich dass Bronze heiß praktisch nicht prägbar ist, sondern nur kalt?

Verfasst: Fr 16.01.09 20:40
von cepasaccus
Ob Bronze (im weiteren Sinne) besser so oder so praegbar ist haengt von der Zusammensetzung ab, aber in der Tat gibt es Bereiche, die heiss schlechter praegbar sind. Das sieht man an den Tabellen dieses Kupferinstitutes.

Verfasst: Fr 16.01.09 20:55
von agrippa1
cepasaccus,

die Kante sieht genau so aus wie auf das bild von drakenumi1.

drakenumi1,

habe gerade eine munze die ich neu bekommen habe nachgewogen. Laut verkaufer ist das gewicht 2,29 g und auf meine wage 2,28 danach nochmalls die Vesp. und gewicht auf meine wage 3,09 g.

MfG

Jos

Verfasst: Fr 16.01.09 21:08
von beachcomber
also ein unterschied von 0,15g zwischen agrippa's und drakenumi's guss.
so ein geringer wert kann doch allein beim unterschiedlichen entfernen des angusses enstehen, meine ich.
grüsse
frank

Verfasst: Fr 16.01.09 21:32
von drakenumi1
cepasaccus hat geschrieben:Ich kenne eine Publikation in Metallurgy in Numismatics Vol. 1, in der anhand der Kristallstruktur gezeigt wird, dass lydische Hemihekten kalt gepraegt wurden. Man kann sie wirklich mit einem normalen Hammer und gemuetliches (mehrfaches) haemmern praegen.
Was die hemihekte anbelangt, ist das ja auch einzusehen. Die sind wohl aus Elektron, gegen 2 1/2 g schwer und durch entsprechende Dicke auch sehr kleinflächig. Wenn diese Legierung dann noch gut verformbar ist, halte ich die Kaltprägung für mehr als wahrscheinlich. Aber beim Sesterz befinden wir uns in der Flächengröße am anderen Ende der Größenskala und ich wage zu behaupten, daß da mit einem Hammer, der einen ganzen Arbeitstag geschwungen werden mußte, ohne zu sehr zu ermüden, kaum etwas auszurichten gewesen sein konnte. Auch nicht bei mehrfachem Schlagen, wobei da hinzukommt, daß gerade am Anfang, beim ersten, zweiten Prägeschlag das Wiederfinden der Schlagspur des vorhergehenden Schlages sehr schwierig gewesen sein mußte! Und dann die Anzahl der Doppelschläge! Wo sind bei Sesterzen in praxi beim Vorkommen diese Mehrfachkonturen? Ich will nicht anmaßend erscheinen, aber ich denke, das gehört in den Bereich von Mißverständnissen.

Grüße von

drakenumi1

Verfasst: Fr 16.01.09 21:46
von drakenumi1
@agrippa, Frank,
ich denke, wir einigen uns auf einen durchschnittlichen Wert knapp oberhalb der 3,0 g und verweisen andere Meßergebnisse auf die Fehlerseite, denn die Werte um 2,29 g scheinen eher Irrtümer als tolerierende Meßwerte zu sein. Jedenfalls, bis etwas anderes nachgewiesen werden kann. Das ginge dann auch konform mit Franks 5% beschriebenem Anguß-Verputz.

Verfasst: Fr 16.01.09 22:03
von cepasaccus
drakenumi1 hat geschrieben:Aber beim Sesterz befinden wir uns in der Flächengröße am anderen Ende der Größenskala und ich wage zu behaupten, daß da mit einem Hammer, der einen ganzen Arbeitstag geschwungen werden mußte, ohne zu sehr zu ermüden, kaum etwas auszurichten gewesen sein konnte. Auch nicht bei mehrfachem Schlagen, wobei da hinzukommt, daß gerade am Anfang, beim ersten, zweiten Prägeschlag das Wiederfinden der Schlagspur des vorhergehenden Schlages sehr schwierig gewesen sein mußte! Und dann die Anzahl der Doppelschläge! Wo sind bei Sesterzen in praxi beim Vorkommen diese Mehrfachkonturen? Ich will nicht anmaßend erscheinen, aber ich denke, das gehört in den Bereich von Mißverständnissen.
Also ich hab hier in letzter Zeit bei den gut erhaltenen haeufiger Mehrfachkonturen gesehen. Wie zu erwarten finde ich jetzt garkeine davon. So lange wie es keine bessere Untersuchung gibt, die belegt, dass heiss gepraegt wurde, glaube ich dieser Untersuchung, dass kalt gepraegt wurde.

cepasaccus

Verfasst: Fr 16.01.09 22:12
von drakenumi1
Übrigens: Weil wir gerade bei diesem Thema sind:
Es muß doch beim Prägen das Ziel sein, mit nur einem Schlag das fertige Bild auf die Münzseiten zu übertragen, weil nur in diesem Falle das Material kurzzeitig in einen fließfähigen Zustand überführt werden kann. Die Prägetiefe ist von dem Energieinhalt des "Hammers" abhängig, von seinem Gewicht und auch von seiner Fallgeschwindigkeit. Hat man sich mal Gedanken gemacht (oder wer hat sich), wie die Konstanz der Fallgeschwindigkeit gewährleistet worden ist, die auch zu gleichmäßiger Prägetiefe in der Serie geführt hat? Ist die Hammermethode nicht viel zu subjektiv und von Ermüdungszuständen abhängig?
Ich hänge schon lange der Vorstellung nach, es könnte eigentlich nur mit einem Fallgewicht (Gewicht konstant und Fallhöhe konstant) gearbeitet worden sein, was je nach Legierungszusammensetzung, experimentell ermittelt, auf die erforderliche Höhe gezogen und dann im freien Fall auf das Gesenk fallen gelassen wurde. Ergebniss. Konstante Prägebilder.
Hier kann man bildliche antike Darstellungen von prägenden Menschen entgegenhalten als Beweis, es könne immer nur so nach einer schon in der Antike antiquierten Methode geprägt worden sein. Ich glaube hingegen, daß das nicht so war und daß nur wegen dieser so überaus instruktiven Darstellungsmöglichkeit des hammerschwingenden Menschen dieses Bild die ganze Antike überdauert hat.
Ist eben nur eine Vorstellung von mir, weil ich weiß, daß wir die antiken Techniker so oft und vielfach unterschätzen....

drakenumi1

Verfasst: Fr 16.01.09 22:15
von curtislclay
drakenumi1 hat geschrieben:wobei da hinzukommt, daß gerade am Anfang, beim ersten, zweiten Prägeschlag das Wiederfinden der Schlagspur des vorhergehenden Schlages sehr schwierig gewesen sein mußte! Und dann die Anzahl der Doppelschläge! Wo sind bei Sesterzen in praxi beim Vorkommen diese Mehrfachkonturen?
Mehrfachkonturen treten aber nicht auf, wenn der Arbeiter Oberstempel, Schrötling und Unterstempel fest zusammenhalten kann und nicht erlaubt, dass sie sich zwischen Schlägen abkuppeln.

Somit betrachte ich das Fehlen von Mehrfachkonturen nicht als Beweis, dass die Schrötlinge unbedingt heiss geprägt wurden.

Verfasst: Fr 16.01.09 22:21
von emieg1
Vielleicht überschätzen wir sie aber auch...?!

Hat man sich darüber mal Gedanken gemacht, dass die Prägemeister von damals einfach auch nur "Leistung" erbringen mussten? Bzw. dass die Gepräge als Zahlungsmittel geschlagen wurden und nicht auf Schönheit oder Gleichmässigkeit untersucht wurden?!

Der "hammerschwingende Mensch" von damals war auch nur ein Arbeiter, der sein Soll zu erfüllen hatte!

Damals dachte wohl kein Mensch daran, dass die Münzen irgendwann mal zu heißgeliebten Sammlerstücken mutieren.. am wenigsten wohl der Hammerschwinger!

Verfasst: Fr 16.01.09 22:23
von drakenumi1
Nochmal zu den Sesterzen:
Der Goliath, der mit einem Schlage das fertige Stück produzieren konnte, wird es wohl nicht gewesen sein. Statt dessen also mehrfaches Schlagen, also in kleinen Schritten sich dem Ergebnis nähern. Aber wäre das noch Serienproduktion? In riesigen Stückzahlen? Nach jedem Schlag die werdende Münze abheben, betrachten, wieder richtungs- und formgenau auflegen, wieder schlagen usw. usw. Neiiiin! So kann es doch nicht gewesen sein

denkt

drakenumi1

Verfasst: Fr 16.01.09 22:30
von Homer J. Simpson
Eben! Die wären ja heute noch nicht fertig mit dem Prägen! (Na ja, in Bulgarien prägen sie ja heute noch - vielleicht sind das römische Sklaven, denen keiner gesagt hat, daß das Reich untergegangen ist...?)

Homer :wink:

Verfasst: Fr 16.01.09 22:32
von drakenumi1
nummis durensis hat geschrieben:

Hat man sich darüber mal Gedanken gemacht, dass die Prägemeister von damals einfach auch nur "Leistung" erbringen mussten? Bzw. dass die Gepräge als Zahlungsmittel geschlagen wurden und nicht auf Schönheit oder Gleichmässigkeit untersucht wurden?!


Gewiß standen Schönheit und Gleichmäßigkeit nicht im Vordergrund. Aber gerade bei den großen Objekten überrascht doch dann eine für mich ganz verblüffende Gleichmäßigkeit. Da muß doch auf automatische Weise für eine sehr genaue Einhaltung der Prägeparameter gesorgt worden sein. Unabhängig vom Enfluß eines "Hammerschwingers".