Der gefesselte Ares
Wir haben in diesem Thread bereits mehrmals über Ares gesprochen:
1) Ares, der blutrünstige Schlächter in
http://www.numismatikforum.de/ftopic11926-60.html und ein zweitesmal
2) Der Stimmstein der Athena in
http://www.numismatikforum.de/ftopic119 ... tml#177173
3) Ares und Aphrodite in
http://www.numismatikforum.de/ftopic11926-315.html
Doch der Inhalt dieses Beitrags ist nicht Ares, sondern
der gefesselte Ares!
Kilikien, Syedra, Marcus Aurelius, 161-180
AE 31, 14.04g
Av.: AVT KAI M A - VR ANTWNINOC
Büste, drapiert und cürassiert, belorbeert, n.r.
Rv.: C -V - E - DRE - WN
Ares, in Rüstung und mit korinthischem Helm und die re Hand auf seinen Schild
gestützt, steht n.l., zwischen Dike, in langem Gewand, auf der li Seite n.l. stehend,
den Kopf n.r. gewendet, und Hermes, nackt, mit Flügelschuhen und das
Kerykeion im li Arm haltend, auf der re Seite n.l. stehend, der mit der re Hand
Ares festhält.
Ref.: Ziegler, Kilikien - (Rs. stempelgleich mit Nr.121 für Lucius Verus)
Sehr selten
Dieses Motiv gibt es auf Münzen von Lucius Verus, Gallienus, Herennia Etruscilla, Valerian I., Marcus Aurelius. Ich habe hier eine Münze aus CoinArchives abgebildet, weil meine eigene leider in einem schlechteren Zustand ist.
CNG schreibt zu dieser Münze:
Ares hatte Halirrhotos, einen Sohn des Poseidon, erschlagen, weil der Alkippe, Ares' Tochter vergewaltigt hatte. Der Ort, an dem Ares vor das Gericht der Götter kam, wurde der Areopag (Hügel des Ares) in Athen, der Ort des attischen Gerichtshofs. Ares wurde om Vorwurf des Mordes freigesprochen.
Es ist nicht bekannt, warum dieses Ereignis einen solch großen Einfluß auf Syedra hatte, aber diese Szene häufig auf den Münzen im 3.Jh. n.Chr.
Hier ist die Erklärung:
Die Bewohner von Syedra hatten in späthellenistischer Zeit, wie die ganze südkleinasiatische Küste, unter immer wiederkehrenden Piratenüberfällen zu leiden. In ihrer Not wandten sich die Bewohner von Syedra an das Orakel von Klaros. Dort erhielten Sie den Rat, in ihrer Stadt ein Standbild des von Hermes gefesselten und von Dike gerichteten Ares aufzustellen. Das Standbild sollte die Bewohner vor den Piratenüberfällen bewahren. Der Sockel der Statuengruppe, auf dem eine Inschrift den Vorgang überliefert, ist noch heute erhalten. Lit.: Götter, Städte, Feste. Ausstellung Münzsammlung München 1994, 23f.
Es ist interessant, daß wir viele Geschichten haben, in denen Götter gefesselt wurden, insbesondere aber Ares. Es scheint, als sei es ein Hobby der Griechen gewesen, Ares zu fesseln. Der Reiseberichterstatter Pausanias (3.15.7) erzählt uns, daß in Sparta gegenüber dem Tempel des Poseidon Hipposthenes eine alte Statue gestanden habe, die Ares Enyalios in Ketten zeigte. Die Idee, die die Lakedaimonier durch diese Darstellung ausgedrückt haben, ist dieselbe, die die Athener durch die flügellose Nike ausgedrückt haben: die Lakedaimonier dachten, daß Enyalios, gebunden in Ketten, niemals mehr von ihnen weglaufen konnte, und daß so Mannhaftigkeit und Kriegsglück an Sparta gebunden seien, während die Athener glaubten, daß Nike ohne Flügel immer da bleiben würde, wo sie war.
In einer dunklen archaischen Sage in Homers Ilias (5.385-391), die von der Göttin Dione ihrer Tochter Aphrodite erzählt wird, haben zwei chthonischen Riesen, die Aloaden Otos und Ephialtes, Ares in Ketten geworfen und ihn in ein Bronzegefäß gesteckt, in dem er 13 Monate ausharren mußte. Und das wäre das Ende von Ares und seiner Kriegslust gewesen, wenn nicht die schöne Eriboea, die junge Stiefmutter der Riesen, dem Hermes erzählt hätte, was diese getan hatten. Ares blieb schreiend und brüllend in seinem Gefäß, bis Hermes ihn endlich rettete und Artemis die Aloaden aufeinanderhetzte, sodaß sie sich gegenseitig erschlugen. Dies soll sich auf der Insel Naxos ereignet haben (Kerenyi)
Hintergrund:
Die Fesselung des Ares in Mythologie und Kult hatte schon immer das Interesse der Wissenschaftler geweckt. Viele versuchten sie zu erklären durch den ehrlosen Status, den Ares besaß und sowohl antike als auch moderne Mythologen haben Ares zu den 'Kräften des Bösen' gezählt, vor denen sich die Städte in Acht nehmen mußten, indem sie diese Statue in magischer Weise vorsichtshalber fesselten. Dies aber berücksichtigte nicht Ares Platz innerhalb einer ganzen Reihe von anderen Fesselungen von Kultstandbildern und auch nicht die überraschenderweise komplexe Rolle, die Ares im Epos und in den Tragödien spielte. Kurz gesagt, die Kultstandbilder, und darunter die des Ares, wurden nicht gefesselt, um ihre Macht zu beschränken, sondern um sich ihrer Schutzkräfte weiterhin zu versichern. Gerade bei Ares im Besonderen zeigen literarische und epigraphische Befunde, daß er an die Stadt gebunden werden sollte als rächende Macht des Landes und als Beauftragter der Zeustochter Dike.
Die Fesselung von Ares' Kultbild ist keine isolierte Erscheinung. Mehrere antike Autoritäten beweisen ganz klar, das die Götterbilder gefesselt wurden zumm Zwecke, sie enger mit der Stadt zu verknüpfen. Die Quellen des 5.Jh. sind da ganz eindeutig. Ihr einheitlicher Bericht über die Fesselung von 'Dädalischen' Skulpturen beweisen eine Praxis, die bereits im 5.Jh.als alt angesehen wurde, und die vielen mythologischen Fesselungen verschiedener Gottheiten, darunter auch von Zeus, zeigen wirklich, daß diese Rituale sehr archaisch waren. Während es wahr ist, daß weniger bedeutende aber eventuell Ärger machende Gottheiten wie Aphrodite, Artemis oder Dionysos den Löwenanteil ausmachten der gefundenen gefesselten Kultbildern, sollten wir uns daran erinnern, daß die Macht jedes griechischischen Gottes zwei Seiten hatte. Apollo konnte Krankheiten verursachen oder abwehren. Demeter konnte einerseits dafür sorgen, daß die Ernährung der Menschen gesichert war, aber andererseits die Menschen in den Wahnsinn eines vorzivilatorischen Kannibalismus' treiben. Ares war in dieser Hinsicht keine Ausnahme.
Die komplexen Gründe für Ares' Fesselung werden klar in zwei Inschriften aus dem südlichen Asia Minor, einer aus dem Pamphylischen Syedra, der anderen aus Iconium. In beiden Fällen forderte ein Orakel die Städte auf, eine Figurengruppe zu errichten, die Ares gefesselt vor Hermes und Dike zeigte. Während die Stellung des Ares als Hilfeflehender vor der Figur der Gerechtigkeit auf eine übelwollende und feindliche Beziehung zwischen Ares und der Stadt schließen lassen könnte, spricht ein genaueres Lesen der Inschriften gegen diese Interpretation. Die Beziehung zwischen Ares und Dike hat eine frühe ausführliche Darstellung gefunden durch keinen geringeren als Aeschylos in seinen 'die Sieben' und der 'Orestie'. In diesen Stücken wird Ares jedesmal dargestellt als der Träger von weltumspannender, vergeltender Gerechtigkeit. In dieser Eigenschaft erscheint er neben Zeus und Athena im Zentrum des Attischen Ephebeneides, und ähnliche Gedanken haben wahrscheinlich Ares' Fesselung in Syedra und Iconium angeregt. Ares wurde gebunden und vor Dike gebracht, damit seine gewalttätigen und rächenden Energien der Polis nicht schaden konnten. Weit entfernt aber davon, die Macht des Gottes zu schmälern, suchten die Städte Ares' möglicherweise zerstörerischen Kräfte nach außen zu wenden, indem sie sein Kultbild an das eigene Land banden und ihn der Dike unterwarfen. Das ist der Ares, den wir zusammen mit Athena auf dem Schild des Achilles finden und der angerufen wird in den Hymnen an Ares als 'Verbündeter der Themis.' (Matthew Gonzales)
Ich habe eine Bild des antiken Areopags aus einem früheren Artikel hinzugefügt.
Quellen:
- Homer, Ilias
- Pausanias, Sparta
- Homeric Hymns to Ares
- Wikipedia, Ares
- Karl Kerenyi, Griechische Göttersagen
- Matthew Gonzales: The binding of Ares in Myth and Cult
Mit freundlichem Gruß