Die Heimkehr des Odysseus
Münze:
Römische Republik, C. Mamilius Limetanus, gens Mamilia
AR - Denarius Serratus, 20mm, 3.78g, 45°
Rom, 82 v.Chr,
Av.: Büste des Mercur, drapiert und mit geflügeltem Petasos, n.r. Caduceus über der
re. Schulter, li. oben A (Kontrollzeichen)
Rv.: li. von oben nach unten C.MAMIL, re. von unten nach oben LIMETAN (TA in
Ligatur)
Ulixes (Odysseus), bärtig, mit Umhang und Pilos in der Bekleidung eines Bettlers
n.r. gehend, stützt sich mit der erhobenen Linken auf einen Stab und streckt die
Rechte zu seinem Hund Argus aus, der mit erhobenem Schwanz re. vor ihm steht
und zu ihm aufblickt.
Ref.: Crawford 362/1; Sydenham 741; RCV 282; Albert 1253; Mamilia 6
selten, VF
Anm.:
(1) Die gens Mamilia behauptete, von Mamilia abzustammen, der Tochter des
Telegonos, des Sohns der Circe und des Ulixes, der selbst ein Sohn des Mercur
war. Telegonos soll der Gründer von Tusculum gewesen sein, von wo die gens
Mamilia herstammte.
(2) lat. Pilos = griech. Pileus, eine Filzkappe, fälschlicherweise oft mit der
Freiheitskappe der französischen Jakobiner gleichgesetzt
Mythologie:
[1] Nach dem Fall von Troja hatte sich Odysseus auf die Heimfahrt nach Ithaka gemacht. Er wußte, daß diese Fahrt aufgrund des unerbittlichen Hasses des Poseidon zehn Jahre dauern würde. Ich will hier nicht die zahlreichen Abenteuer des Odysseus ausbreiten. Aber allein Kalypso hielt ihn 7 Jahre auf ihrer Insel Ogygia fest. Als Poseidon einmal abwesend war, schickte Zeus den Hermes zu Kalypso mit dem Befehl, Odysseus freizulassen. Da baute er ein Floß und segelte davon, ausgestattet mit allem Nötigen. Als Poseidon seine Flucht entdeckte, schickte er einen gewaltigen Sturm, sodaß Odysseus sich nur mit großer Not an den Strand der Insel Drepane retten konnte, wo er erschöpft einschlief. Diese Insel gehörte aber den Phääaken, einem äußerst gastfreundlichem Volk. Die Königstochter Nausikaa entdeckte den Gestrandeten am nächsten Morgen und nahm ihn mit in den Palast ihrer Eltern, Alkinoos und Arete. Dort wurde er neu gekleidet und gastlich bewirtet. Odysseus aber bat sie, ihn zurück nach Ithaka zu bringen. Daraufhin brachten ihn phäakische Begleiter nach Phorkys auf Ithaka und legten ihn dort sanft in den Sand, um seinen Erschöpfungsschlaf nicht zu stören.
Während seiner zwanzigjährigen Abwesenheit von Ithaka, hatten sich mehr als 120 unverschämte Freier in seinem Palast eingefunden, die um seine Gemahlin Penelope warben, in der Hoffnung den Thron an sich zu reißen. Während dieser ganzen Zeit lebten und feierten sie in seinem Palast, tranken seinen Wein, schlachteten seine Schweine, Schafe und sein Vieh, und vergnügten sich mit seinen Dienstmädchen. Telemachos, den Sohn des Odysseus, der auf der Suche nach seinem Vater bei Menelaos in Sparta war, wollten sie bei seiner Rückkehr ermorden.
Als Odysseus erwachte, kam Athene, verwandelte ihn in einen Bettler und brachte ihn zu Eumaios, seinem treuen, alten Schweinehirten. Der erkannte ihn nicht, aber nahm ihn freundlich auf. Dann schickte Athene Telemachos nach Ithaka zurück, wo sich Vater und Sohn dank ihrer Hilfe wiedererkannten. Wieder als Bettler verkleidet, begab sich Odysseus auf den Weg zum Palast, wo er dem Ziegenhirten Melantheus begegnete, der ihn verspottete und mit dem Fuß trat. Aber Odysseus verschob noch seine Rache. Als er im Palasthof eintraf, kommen wir zu der Szene, die auf der Münze abgebildet ist.
[2] Hier ist die betreffende Stelle aus der Odyssee nach der Übersetzung von Schadewaldt, wie üblich bei ihm in Prosa:
Da richtete ein Hund, der dort lag, den Kopf auf und die Ohren: Argos, der Hund des duldemütigen Odysseus. Den hatte er einst selbst gezogen, hatte aber nichts von ihm gehabt, sondern war vorher in die heilige Ilios davongefahren. Ihn hatten die jungen Männer früher oftmals zur Jagd geführt auf wilde Ziegen und auf Hirsche und auf Hasen: da aber lag er vewahrlost, während der Herr entfernt war, in vielem Mist, der dort in Menge vor den Türen von Maultieren und Rindern aufgehäuft war, bis ihn die Knechte des Odysseus wegführten, um das große Königsgut damit zu düngen. Dort lag der Hund Argos, über und über bedeckt mit Hundeläusen. Da wedelte er, als er den Odysseus nahe bei sich stehen sah, mit dem Schwanz und legte die beiden Ohren an. Doch vermochte er nicht mehr, zu seinem Herrn heranzukommen.
Der aber blickte zur Seite und wischte sich eine Träne ab und verbarg es leicht vor Eumaios und fragte ihn gleich mit dem Worte: "Eumaios, wahrhaftig, zum Erstaunen, daß dieser Hund da auf dem Mist liegt! Schön ist er von Gestalt. doch erkenne ich dieses nicht genau: ob er auch schnell im Lauf war bei diesem Aussehen, oder nur so wie die Tischhunde der Männer sind, und nur des Glanzes wegen halten sie die Herren."
Da antwortetest du und sagtest zu ihm, Sauhirt Eumaios: "Ja freilich! Dies ist ja der Hund des Mannes, der in der Ferne gestorben ist! Wenn er so wäre an Gestalt wie auch an Werken, wie ihn Odysseus, als er nach Troja ging, zurückließ: du würdest alsbald staunen, wenn du seine Schnelligkeit und Stärke sähest! Denn es entkam kein Wild in den Tiefen des tiefen Waldes, wenn er es verfolgte. Auch auf Fährten verstand er sich über die Maßen! Doch jetzt liegt er im Elend, und sein Herr ist fern von der Heimat zugrunde gegangen, und die achtlosen Weiber pflegen ihn nicht. Wollen doch die Knechte, wenn ihnen die Herren nicht mehr befehlen, alsdann auch nicht mehr das Gebührliche verrichten! Denn es nimmt der weitumblickende Zeus dem Manne die Hälfte seines Wertes, wenn ihn der Tag der Knechtschaft ergriffen hat."
Als er so gesprochen hatte, ging er hinein in die wohlbebauten Häuser und schritt geradeswegs durch die Halle zu den mannhaften Freiern. Den Argos aber ergriff das Schicksal des schwarzen Todes sogleich, als er den Odysseus gesehen hatte im zwanzigsten Jahre.
Anm.: Der Hund ist hier natürlich das Symbol bedingungsloser Loyalität, die auch Sulla einforderte.
[3] Was sich danach ereignete:
Um die Freier zu testen, ging er von einem zum anderen und bat um Essensreste. Aber die Freier waren nicht nur gierig, sondern auch geizig. Der frechste von ihnen war Antinoos, der sogar einen Schemel nach ihm warf. Am folgenden Tag verkündete Penelopeia, daß sie bereit sei, den Freier zum Mann zu nehmen, dem es gelang, einen Pfeil durch zwölf Axtringe zu schießen, und gab ihnen den Bogen des Odysseus. Doch keinem Freier gelang es auch nur den Bogen zu spannen. Daraufhin ergriff Odysseus den Bogen, spannte ihn leicht und schoß einen Pfeil durch alle zwölf Axtringe. Odysseus gab sich zu erkennen und tötete Antinoos durch einen Schuß in die Kehle. Entsetzt sprangen die Freier auf, doch Odysseus tötete mit seinen Pfeilen einen nach dem anderen. Dabei flog Athena in der Gestalt einer Schwalbe zwitschernd durch die Halle, während Odysseus seinem blutigen Handwerk nachging bis alle tot waren. Nur den Herold Medon und den Sänger Phemios verschonte er.
Dann holte er Eurykleia, seine alte Amme, und fragte sie nach der Treue seiner Dienstmägde. Die zwölf Schuldigen wurden gerufen und mußten die Palasthalle vom Blut reinigen. Dann hängte Odysseus sie eine nach der anderen auf. Anschließend wurden dem Ziegenhirten Melantheus die Gliedmaßen abgeschnitten, Nase, Ohren, Hände, Füße und die Geschlechtsorgane, und den Hunden vorgeworfen.
Uns wird die exzessive Rache des Odysseus völlig emotionslos geschildert, und wir sind entsetzt über diese Maßlosigkeit. Aber um wieviel furchtbarer ist die Wirklichkeit!
[4]Das Ende des Odysseus:
Später soll Odysseus nach einer Weissagung des Teiresias, den er in der Unterwelt befragt hatte, bei den Thesprotern den Kult des Poseidon eingeführt haben, um den Gott zu versöhnen. Dort verliebte sich die Königin in ihn und Odysseus blieb als König bei ihr. Erst nach ihrem Tode kehrte er wieder zu Penelopeia zurück. Inzwischen war Telegonos, der Sohn, den er von Kirke hatte, herangewachsen und hatte sich auf die Suche nach seinem Vater gemacht. Als er dabei zufällig auf Ithaka landete und einige Rinder raubte, traf er auf Odysseus. Beide geraten in einen Kampf und Odysseus wird von seinem eigenen Sohn getötet (Apollodor, Bibliotheka, X 33-36).
Geschichte:
Die Darstellung auf der Rs. der Münze soll eine Anspielung sein auf die Rückkehr des Sulla nach Rom. Lucius Cornelius Sulla Felix, der Anführer der patrizischen Partei gegen die Popularen unter Marius, hat Rom 2x erobert: 88 v.Chr. beim 1. Marsch auf Rom, und 82 v.Chr. nach der Schlacht an der Porta Collina. Danach wurde er ernannt zum
dictator legibus scribundis et rei publicae constituendae. Beide Eroberungen gingen mit Terror einher, aber der Terror, der 82 begann, war exzessiv. Es war ein Massaker an seinen Gegnern. Mehrere Tausend Samniten wurden auf dem Marsfeld abgeschlachtet. Die Eingeschlossenen von Praeneste, wurden nach ihrer Kapitulation unterschiedslos umgebracht. Doch am furchtbarsten waren die beginnenden Proskriptionen, Listen mit Personen, die für vogelfrei erklärt wurden. Die rechtliche Grundlage wurde durch die
lex Valeria nachträglich geschaffen. Jeder konnte jeden verdächtigen, der dann ohne Gerichtsurteil ermordet werden konnte. Zehntausende fielen den Proskriptionen zum Opfer, nicht nur Gegner Sullas, sondern alle, die irgendjemandem nicht gefielen. Es wird eine Zahl von allein 4700 ermordeten römischen Bürgern genannt. Dazu gehörten aber auch die ganzen Familien mitsamt ihren Kindern und Enkeln. Die Güter der Ermordeten wurden an Sullas Anhänger verkauft oder versteigert. So wurde z.B. Crassus zum reichsten Mann seiner Zeit.
Es war die gnadenlose Rache eines Mannes, der keine Grenzen mehr kannte. Dies hat schon Ähnlichkeit mit dem Blutrausch, in den Odysseus geriet, als er die Freier, die sich in seinem Haus eingenistet hatten, einen nach dem anderen tötete, und dann die Dienstmägde eigenhändig erhängte. Am Ende war er so voll Blut, daß seine eigene Frau Penelopeia ihn nicht erkannte. Und Sulla steht auch heute noch da als ein Mann mit 2 Gesichtern: Als konservativer Staatsmann, der die alte republikanische Staatsordnung bewahren wollte, und als brutaler Diktator, der das Ende der Republik einläutete. Seine Schreckensherrschaft konnte den Untergang der Republik allerdings nur kurz aufhalten. Selbst der Ausspruch Schillers über Wallenstein "Von der Parteien Gunst und Haß verwirrt, schwankt sein Charakterbild in der Geschichte" paßt nicht auf ihn. Sullas Name steht bis heute für Grausamkeit und Terror.
Kunstgeschichte:
Natürlich waren die Abenteuer des Odysseus bereits in der Antike eine ergiebige Quelle für Darstellungen. In den Vatikanischen Museen findet sich der Teil einer Gruppe, in der Odysseus dem Polyphem die Schale mit Wein reicht aus dem 1.Jh. n.Chr. Im Museum von Sperlonga eine etwa gleichalte Skylla-Gruppe aus der Höhle von Sperlonga. Auf einer Hydria aus Caere wird die Blendung des Polyphem lebendig geschildert (Rom, Museo Nazionale die Villa Giulia, 6.Jh. v.Chr.). Der Freiermord findet sich auf einem attischen Skyphos um 450 v.Chr., heute in der Antikensammlung in Berlin (diesem Artikel angehängt!). Es gibt Szenen mit Kirke, mit den Sirenen, mit Kalypso usw. Diese Szenen gibt es als Vasenmalerei, auf Münzen, in der Glyptik (Steinschneidekunst) und als Skulpturen. Wird Odysseus alleine dargestellt, dann regelmäßig in nachdenklicher Haltung, als Dulder, wie er bei Homer heißt, immer bärtig und mit dem Pileus auf dem Kopf.
In der Renaissance, die diese Themen wieder aufnahm, hat P. Tibaldi im Palazzo Poggi in Bologna (1554-56) einen Bilderzyklus gemalt, Annibale Caracci im Palazzo Farnese in Rom (1597-1600) und Niccolo dell' Abbate (1550-60) im Schloß Fontainebleau, zwar zerstört, aber von vielen Kopien bekannt. Max Beckmann hat 1943 Odxysseus und Kalypso gemalt (Kunsthalle, Hamburg) und von Kokoschka gibt es 44 Lithographien (1963-65). Die Gesamtzahl der Darstellungen ist nicht zu überblicken (Aghion). Ausgesucht habe ich die Bilder von zwei Skyphoi des sog. Penelope-Malers, weil die unser Thema, die Heimkehr des Odysseus, behandeln.
Auch Dichter waren von der schillernden Gestalt des Odysseus fasziniert. Es gibt Tragödien von Sophokles und Euripides. Seneca hat die "Troerinnen" geschrieben und natürlich finden sich Themen in Ovids Metamorphosen. In Dantes 'Divina Comedia' ist Odysseus als Lügner und betrügerischer Ratgeber in den 8.Kreis der Hölle verbannt worden. Auch in Shakespeares 'Troilus und Cressida' wird er zweifelhaft dargestellt. Calderon de la Barca schildert 1637 die Abenteuer des Odysseus mit Kirke. Für die Entwicklung der Musik spielt die Oper von Claudio Monteverdi "Il ritorno d' Ulisse in patria" ("Die Heimkehr des Odysseus"), 1640, eine bedeutende Rolle. Sie ist einer der Höhepunkte der frühen Oper, die ja erst einige Jahrzehnte zuvor erfunden worden war.
Für die Moderne weise ich nur hin auf Jean Gireaudoux' "Der Trojanische Krieg findet nicht statt (1935)'', das auf den Konflikt zwischen Deutschland und Frankreich abzielt, und in dem die Verhinderung eines Krieges prophetisch scheitert. Nikos Kazantzakis hat in einem 33.333 Verse umfassenden neugriechischen Werk das Odysseus-Epos weitergesponnen. Und schließlich muß noch der gewaltige Roman "Ulysses" des Iren James Joyce von 1922 erwähnt werden, in dem er 24 Stunden eines Dubliner Bürgers schildert, die an die Gesänge der Odyssee angelehnt sind.
Ikonographie:
Nikomachos von Theben, ein Maler im 4.Jh. v.Chr., soll der erste gewesen sein, der
Odysseus mit
Pileus dargestellt hat. Dazu eignete sich nichts besser als der
Pileus, der die Vielseitigkeit des Helden besonders hervorhebt. Zum einen ist die Mütze, die als Innenfutter von Helmen diente, Symbol für einen Kämpfer. Außerdem wurde sie in Griechenland von Reisenden, Handwerkern - speziell Künstlern - und Seefahrern getragen. Von all diesen Gruppen lassen sich Bezüge zu Odysseus herstellen, doch es ist gerade die Vielseitigkeit, die die Bedeutung des
Pileus als Attribut des Odysseus ausmacht: Durch die Mütze wurde dieser als Identifikationsfigur für alle Griechen gekennzeichnet (Niederberger).
Hinzugefügt habe ich 3 Bilder:
[1] Penelope und Telemachos auf Odysseus wartend, Penelope Maler, Seite A einer
attischen rotfigurige Vase (Skyphos), aus Chiusi, ca. 430 v.Chr., hochklassisch
[2] Odysseus und seine Amme, die ihm die Füße wäscht, wie oben, Seite B
[3] Odysseus tötet die Freier, attische rotfigurige Vase (Skyphos) des Penelope
Malers, ca.440 v.Chr., hochklassisch c. 440 v.Chr. aus Tarquinia, jetzt in den
Antikenmuseen Berlin (li. und re. Teil!)
Quellen:
[1] Homer, Odyssee (Übersetzung von Schadewaldt, 1958)
[2] James Joyce, Ulysses
Sekundärliteratur:
[1] Der kleine Pauly
[2] Benjamin Hederich, Gründliches mythologisches Lexikon (auch online)
[3] Wilhelm H. Roscher, Ausführliches Lexikon der griechischen und römischen
Mythologie, 1884-1890 (auch online)
[4] Robert von Ranke-Graves, Griechische Mythologie
[5] Oliver Primavesi, in 'Die Heimkehr des Odysseus', Beck 2007
[6] Karl Christ, Sulla, Beck 2002
[7] Aghion/Barbillon/Lissarrague, Reclams Lexikon der antiken Götter und Heroen in
der Kunst, 2000
[8] Gerhard Fink, Who's who in der antiken Mythologie, dtv 1993
Online-Quellen:
[1] Wikipedia
[2]
www.perseus.tufts.edu (Bilder)
[3] Thomas Niederberger, Das Mützchen des Odysseus
www.gymipro.de/facharbeiten/odysseus-gut.pdf (Pilos)
Mit freundlichem Gruß