Verfasst: Di 07.03.06 23:26
Der ephesische Eber
An sich ist dies eine unscheinbare Münze, ein AE17 des Septimius Severus aus Ephesos in Ionien.
AE 17, 2.6g
Av.: AV KΛ [CEΠ - C]EVHPOC
Büste, drapiert, belorbeert, n.r..
Rv.: EΦEC - I / ΩN
Wilder Eber läuft n.r., ist von Pfeil durchbohrt
unpubliziert
Selten, gutes F
Eine ähnliche Ausgabe gibt es für Macrinus AE 16 SNG Copenhagen 438
Doch geht man der Reversdarstellung genauer nach, findet man folgenden mythologischen Hintergrund:
Diese Münze beschäftigt sich mit der Gründungssage von Ephesos. Die ephesische Lokalsage über den Stadtgründer Androklos, einen Sohn des Kodros, dürfte sich relativ spät, wohl erst im 5. Jh. unter athenischem Einfluß, ausgebildet haben, als älteste Quelle kennen wir Kreophilos. Demnach gab das delphische Orakel Androklos den Auftrag, die Kolonisten dort anzusiedeln, wo ihnen ein Fisch und ein Eber ein Zeichen gäben. Nach längerer Suche zogen die Griechen ihre Schiffe in der Mündungsbucht des Kaystros an Land und brieten Fische. Einer von diesen fiel samt etwas Kohle aus der Pfanne, aus dem somit entzündeten Gebüsch sprang ein Eber hervor, der von Androklos über den Berghang gejagt und endlich bei der Quelle Hypelaios mit dem Speer erlegt wurde. Aus Strabon und Pausanias wissen wir außerdem, daß Androklos im folgenden die einheimische karisch-lelegische Bevölkerung mit Ausnahme der beim Artemision Siedelnden verjagte und sein Leben im Kampf gegen die Autochthonen verlor, als er der Stadt Priene gegen diese beistand.
Hintergrund:
Androklos zeichnete sich demnach durch hohe Abkunft (Königssohn) und großen Mut (Ebertötung) aus, diente aber auch der gemeingriechischen Sache gegen die Barbaren, als er bei der Verteidigung Prienes half. Nur nebenbei sei bemerkt, daß letzteres übrigens genau das Gegenteil der Handlungsweise der Ephesier zu Beginn der Perserkriege war.
Der Eber tritt im Androklosmythos wie bei Herakles in einem der Artemis gehörenden Gebiet auf. Seine Tötung läßt die Siedler einerseits das Land erst urbar machen, seine bloße Existenz zeigt aber an, daß die zukünftige Stadt eben in noch weitgehend unkultiviertem Land errichtet werden kann, ohne daß der zahlenmäßig kleinen Kolonistengruppe Gefahr von gefestigten älteren Lokalgemeinschaften droht. Die Fische wiederum symbolisieren einerseits die Meeresnähe und eine weitere Ernährungsbasis wie auch die im Mythos als Ort der Ebertötung genannte Hypelaios (Ölbaumquelle), die ihrerseits die Existenz von Süßwasser und Oliven impliziert. Der Hinweis des Orakels auf den Eber gibt den Siedlern somit eine von mehreren Rahmenbedingungen vor, die einer Stadtgründung günstig sind; kaum ist damit jedoch Wild als Nahrungsquelle gemeint, das nach zahlreichen archäozoologischen Untersuchungen in antiken Städten sowenig eine Rolle gespielt hat wie heutzutage.
Über die allgemeine Bedeutung dieses Tieres als Bewohner unkultivierten Landes hinaus könnte aber damit auch ein gezielter Hinweis auf das "Land der Artemis Ephesia" beabsichtigt gewesen sein. Somit könnte der Mythos einerseits einen Fingerzeig auf eine schon sehr früh, nämlich noch vor der Kolonisation, erfolgte Gleichsetzung der ephesischen Göttin mit Artemis, andererseits auf das bei der delphischen Priesterschaft noch vorhandene Wissen um einen ehemaligen mykenischen Handelsposten auf dem heute Ayasoluk benannten Berg geben. Am Fuß dieses damals an der Küste liegenden Berges sollte seit dem 8./7. Jh. v. Chr. das Artemision als monumentaler Tempelbezirk ausgebaut werden, dessen Platz aber war nach sich in jüngster Zeit verdichtenden Funden bereits in mykenischer Zeit zumindest begangen worden.
Quelle:
Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 14 / III / 2000
online unter http://homepage.univie.ac.at/elisabeth. ... scherr.htm
Bild:
Androklos tötet den Eber; Relieffries aus dem sog. Hadrianstempel am Embolos in Ephesos (Österreichisches Archäologisches Institut, Archiv, Photo Th. Römer)
MfG
An sich ist dies eine unscheinbare Münze, ein AE17 des Septimius Severus aus Ephesos in Ionien.
AE 17, 2.6g
Av.: AV KΛ [CEΠ - C]EVHPOC
Büste, drapiert, belorbeert, n.r..
Rv.: EΦEC - I / ΩN
Wilder Eber läuft n.r., ist von Pfeil durchbohrt
unpubliziert
Selten, gutes F
Eine ähnliche Ausgabe gibt es für Macrinus AE 16 SNG Copenhagen 438
Doch geht man der Reversdarstellung genauer nach, findet man folgenden mythologischen Hintergrund:
Diese Münze beschäftigt sich mit der Gründungssage von Ephesos. Die ephesische Lokalsage über den Stadtgründer Androklos, einen Sohn des Kodros, dürfte sich relativ spät, wohl erst im 5. Jh. unter athenischem Einfluß, ausgebildet haben, als älteste Quelle kennen wir Kreophilos. Demnach gab das delphische Orakel Androklos den Auftrag, die Kolonisten dort anzusiedeln, wo ihnen ein Fisch und ein Eber ein Zeichen gäben. Nach längerer Suche zogen die Griechen ihre Schiffe in der Mündungsbucht des Kaystros an Land und brieten Fische. Einer von diesen fiel samt etwas Kohle aus der Pfanne, aus dem somit entzündeten Gebüsch sprang ein Eber hervor, der von Androklos über den Berghang gejagt und endlich bei der Quelle Hypelaios mit dem Speer erlegt wurde. Aus Strabon und Pausanias wissen wir außerdem, daß Androklos im folgenden die einheimische karisch-lelegische Bevölkerung mit Ausnahme der beim Artemision Siedelnden verjagte und sein Leben im Kampf gegen die Autochthonen verlor, als er der Stadt Priene gegen diese beistand.
Hintergrund:
Androklos zeichnete sich demnach durch hohe Abkunft (Königssohn) und großen Mut (Ebertötung) aus, diente aber auch der gemeingriechischen Sache gegen die Barbaren, als er bei der Verteidigung Prienes half. Nur nebenbei sei bemerkt, daß letzteres übrigens genau das Gegenteil der Handlungsweise der Ephesier zu Beginn der Perserkriege war.
Der Eber tritt im Androklosmythos wie bei Herakles in einem der Artemis gehörenden Gebiet auf. Seine Tötung läßt die Siedler einerseits das Land erst urbar machen, seine bloße Existenz zeigt aber an, daß die zukünftige Stadt eben in noch weitgehend unkultiviertem Land errichtet werden kann, ohne daß der zahlenmäßig kleinen Kolonistengruppe Gefahr von gefestigten älteren Lokalgemeinschaften droht. Die Fische wiederum symbolisieren einerseits die Meeresnähe und eine weitere Ernährungsbasis wie auch die im Mythos als Ort der Ebertötung genannte Hypelaios (Ölbaumquelle), die ihrerseits die Existenz von Süßwasser und Oliven impliziert. Der Hinweis des Orakels auf den Eber gibt den Siedlern somit eine von mehreren Rahmenbedingungen vor, die einer Stadtgründung günstig sind; kaum ist damit jedoch Wild als Nahrungsquelle gemeint, das nach zahlreichen archäozoologischen Untersuchungen in antiken Städten sowenig eine Rolle gespielt hat wie heutzutage.
Über die allgemeine Bedeutung dieses Tieres als Bewohner unkultivierten Landes hinaus könnte aber damit auch ein gezielter Hinweis auf das "Land der Artemis Ephesia" beabsichtigt gewesen sein. Somit könnte der Mythos einerseits einen Fingerzeig auf eine schon sehr früh, nämlich noch vor der Kolonisation, erfolgte Gleichsetzung der ephesischen Göttin mit Artemis, andererseits auf das bei der delphischen Priesterschaft noch vorhandene Wissen um einen ehemaligen mykenischen Handelsposten auf dem heute Ayasoluk benannten Berg geben. Am Fuß dieses damals an der Küste liegenden Berges sollte seit dem 8./7. Jh. v. Chr. das Artemision als monumentaler Tempelbezirk ausgebaut werden, dessen Platz aber war nach sich in jüngster Zeit verdichtenden Funden bereits in mykenischer Zeit zumindest begangen worden.
Quelle:
Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 14 / III / 2000
online unter http://homepage.univie.ac.at/elisabeth. ... scherr.htm
Bild:
Androklos tötet den Eber; Relieffries aus dem sog. Hadrianstempel am Embolos in Ephesos (Österreichisches Archäologisches Institut, Archiv, Photo Th. Römer)
MfG