Manchmal darf man das ruhig sein. Oder zumindest einen Moment in Zufriedenheit verbringen!
Auf jeden Fall freue ich mich sehr über deine Worte!
Wenn man den Einstieg in ein Thema gefunden hat, so landet man entweder in eine Sackgasse oder kommt vom Hölzchen aufs Stöckchen. Das macht es auch für einen Laien wie mich so interessant. Man kann sich den Weg erarbeiten und recherchieren. Und wenn nicht, dann nimmt man die von dir angesprochene Hilfe in Anspruch. So soll es sein!
So kam es, dass ich eben noch etwas weiter gesucht habe, um die These zu Tyches Fuß zu bestätigen. Dabei stieß ich auf Folgendes (in der Hoffnung, dass dies nicht den Interessensrahmen sprengt – ich fand die Ausführungen sehr interessant):
Im dem 1990 publizierten Werk
"Genres in Visual Representations: Proceedings of a Conference Held in 1986 by Invitation of the Werner-Reimers-Stiftung in Bad Homburg" fanden sich noch einige Ergänzungen Im Abschnitt "Überlegungen zur Tyche von Antiocheia" von Burkhard Fehr. Auf Basis der von mir oben schon verlinkten Statue der Tyche, die ein Werk des griechischen Bildhauers Eutychides war, und nicht lange nach der Stadtgründung um 300 v.Chr. ebendort aufgestellt wurde, wird eine Rekonstruktion angestellt.
Tyche ist mit Chiton, Mantel und Sandalen bekleidet und trägt auf dem Kopf eine Mauerkrone. Sie sitzt, das rechte Bein über das linke geschlagen, auf einem Felsen. Ihr linker Arm ruht auf dem Fels, ihr rechter liegt auf dem rechten Oberschenkel auf. In der rechten Hand hält sie ein Attribut – eine Ähre oder ein Palmzweig.
Ihr rechter Fuß sitzt auf der rechten Schulter des unter ihr auftauchenden Orontes.
Das für ein Götterbild ungewöhnliche Motiv der übereinandergeschlagenen Beine wird interessant gedeutet. Das ruhelose und launenhafte, ja "wibbelige" Wesen der Tyche könnte hier versinnbildlicht worden sein.
Nun kommt ein sehr aufschlussreicher Teil, den ich gerne zitieren möchte:
„ ... (dem Betrachter) wird deutlich, das der Fuß des übergeschlagenen Beins keinen Druck auf die Schulter des schwimmenden Orontes ausüben kann und seine Bewegungsfreiheit in keiner Weise einschränkt. (Es macht) den Eindruck, daß die Göttin die Aufmerksamkeit des Flußdämons auf sich ziehen will, indem sie spielerisch-kokett seine Schulter mit der Sandale berührt. ... In dem Getändel der Tyche von Antiocheia mit Orontes entdeckt (man) ... eine Anspielung auf die reizvolle landschaftliche "Liaison" zwischen Stadt und Fluss."
Diese eher erotisch anmutende Interpretation ändert sich, wenn dem Betrachter ein neuer Blickwinkel offenbart wird:
„ ... Das Sitzmotiv hat seinen lässig-lockeren Charakter verloren, die Haltung der Göttin wirkt jetzt eher herrscherlich thronend. Tyches Fuß scheint auf dem Flussdämon zu ruhen wie auf einem Schemel, das Motiv wird zum Repräsentationsgestus."
Das Motiv wird zu einer beherrschenden Szene. Der Flussgott als Verkörperung gewaltiger und aggressiver (zivilisationsfeindlicher) Naturkräfte wird in Schach gehalten.
„ ... Dass auch dem Orontes unter dem Fuß der Tyche derartiges zuzutrauen ist, erkennt (man) am dem "löwenhaft" über der Stirn aufsteigenden Haar, das auf ein aufbrausendes Temperament hindeutet."
Nun noch eine Erläuterung zu der von chinamul angemerkten Haltung des Orontes. Einer Sage nach soll der Flussgott früher Typhon geheißen haben, der nach einer Auseinandersetzung mit Zeus auf seiner Flucht das Flussbecken des Orontes mit seinem Schlangenleib aufwühlte.
„ ... Da der Flussgott unter der Tyche, wie es scheint, aus einem Wasserbecken oder Teich emportauchte, ist es durchaus denkbar, dass er nicht als Halbfigur, ... sondern in vollständiger Gestalt, d.h. zur Hälfte unter Wasser dargestellt war, und zwar in einer an Schlangenbewegungen, d.h. an Typhon erinnerden Körperhaltung."
Abschließen wäre zu erwähnen, dass, wie eingangs vermutet, der manchmal in rasender Geschwindigkeit anschwellende Fluß durch die Tyche in Schach gehalten werden soll.
„ ... Die Einwohner ... sind bei Überschwemmungsgefahr letztlich auf den Beistand der Tyche angewiesen, auch wenn die städtischen Wasserbauingenieure alles Menschenmögliche getan haben, um solchen Naturkatastrohen vorzubeugen."