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Zwei Fragen

Verfasst: Mi 26.10.05 13:30
von Oettlalb
Da will ich mich gleich einmal der Fragestunde anschließen :wink:

1.) Bei spätrömischen Kleinbronzen (AE4) sieht man fast immer eine oder
zwei "Ausstülpungen" am Rand des Schrötlings. Ich nehme an, daß das mit
dem Herstellungsverfahren zu tun hat. Könnte es sein, daß bei diesen kleinen
Münzen mehrere auf einmal geprägt und nachher getrennt wurden (so ähnlich wie bei Briefmarken)?

2.) Im Abschnitt römischer Münzen gibt es die sogenannte "Offizin-Nummer".
Ist das eine zeitliche Einteilung oder eine räumliche? Anders gesagt: gab es
mehrere Offizin gleichzeitig, die sich durch diese "Werkstättennummer" unterschieden,
oder gab es immer nur eine "Werkstätte" und die Nummer wechselte jedes
Jahr?

LG

Verfasst: Mi 26.10.05 13:56
von andi89
Hallo!

zu2.: Eine antike Münzstätte bestand aus mehreren Offizinen, die eine Art Unterabteilung dieser Münzstätte bildeten. Es war so, dass die Aufgaben unter den Offinzinen verteilt waren, es wurde nicht in jeder Abteilung Gold geprägt, das war nur bestimmten Offizinen gestattet. Die Nummerierung erfolgt nach dem Kürzel der Prägestätte in den Anfangsbuchstaben der lateinischen, bzw. griechischen Zahlwörter. Allerdings wurden die lateinischen nur bei kleineren Münzstätten, die maximal drei Offininen hatten, verwendet. Das liegt daran, dass man die Vierte(quinta) nicht von der Fünften(quarta) hätte unterscheiden können!

andi89

Verfasst: Mi 26.10.05 14:38
von Oettlalb
Servus andi89,
danke für Deine Erklärung!

Für mich bedeutet das aber auch, daß in dem Moment, wo mehrere Offizinen
gleichzeitig das gleiche Münzdesign verwendet haben, es eine Art "Urstempel"
gegeben haben muß, der das gesamte Münzdesign außer der Offizin-Nummer
vorgegeben hat.

Die Arbeitsstempel wurden dann wohl davon abgedrückt und nur mehr die
Offizin-Nummer eingraviert oder eingeschlagen. Das würde meiner Meinung
nach auch erklären, warum manchmal die Offizin-Nummer so überhaupt nicht
zum restlichen Design paßt.

Oder wie sehen die Experten das?

LG

Verfasst: Mi 26.10.05 15:05
von Pscipio
Ich nehme an, unter "abdrücken" verstehst du eine Art der Vervielfältigung eines Stempels, so dass eine Vielzahl an quasi identischen Stempeln hergestellt wurden. Nun bin ich zwar kein Fachmann für Metallurgie, aber ich kann mir nur schwer vorstellen, wie das hätte funktionieren sollen, und im Übrigen widerlegen die Münzen selber eine solche Theorie. "Gleiche" Münzen gibt es nur, wenn sie von den exakt gleichen Stempeln stammen, und ich habe noch nie von Münzen mit unterschiedlichen Offizinenangaben gehört, die stempelgleich waren. Du musst bedenken, wie viele Stempel mit gleichen Motiven existierten, die aber von unterschiedlichen Stempelschneidern hergestellt wurden. Dadurch lassen sich die oftmals auftauchenden stilistischen Unterschiede zwischen zwei Münzen der gleichen Emission erklären, weil sie eben von unterschiedlichen Stempeln stammten. "Urstempel" hat es allenfalls in der Testphase eines neuen Motivs gegeben, schliesslich schlug man ja nicht willkürlich drauf los.

Gruss, Pscipio

Verfasst: Mi 26.10.05 15:28
von Oettlalb
Servus Pscipio,
danke für Deine ausführlichen Erklärungen.

Weißt Du zufälligerweise, seit wann es das auch heute noch verwendete System
mit (positiver) Patrize und den daraus abgedrückten (negativen) Matrizen gibt?

LG

Verfasst: Mi 26.10.05 16:09
von Pscipio
Tut mir leid, von moderner Münzprägung verstehe ich etwa so viel wie vom Pullover stricken, nämlich gar nichts :D

Gruss, Pscipio

Verfasst: Mi 26.10.05 19:09
von chinamul
@Oettlalb

Zu deiner Frage, ob eventuell mehrere Münzen gleichzeitig und zusammenhängend geprägt wurden und dann erst hinterher getrennt wurden:
Das war mit Sicherheit nicht so! Die Chinesen, die ihre Münzen ja bis zum Ende des 19. Jahrhunderts gegossen haben, benutzten allerdings eine solche Technik, indem sie die Münzen als sogenannte Gußbäume gossen, d. h. von einem Gußkanal zweigten etliche Einzelformen ab, die sich dann beim Gießen mit Bronze füllten. Nach dem Erkalten wurden dann die Münzen von den Ästen abgebrochen und die Bruchstellen geglättet. Beim Prägen einer Münze ist dieses multiple Verfahren aber auf keinen Fall anwendbar.

Gruß

chinamul

Verfasst: Mi 26.10.05 19:36
von Peter43
@andi89:

Das mit den 3 Offizinen in den westlichen Münzstätten kann nicht unwidersprochen bleiben! Natürlich gab es P S T Q für 4 Offizine, z.B. unter Constantin I. in Rom, und unter den Söhnen des Constantin hatte Rom sogar 7 Offizine: P B T Q E S Z. Außerdem waren die Offizine nicht einmal auf die lateinischen und griechischen Buchstaben angewiesen, wie die beigefügten Symbole aus Siscia zeigen.

Übrigens hast Du Quinta(5) mit Quarta(4) verwechselt.

MfG

Verfasst: Mi 26.10.05 20:30
von andi89
Hallo!

@Peter43: Vielen Dank, da habe ich heute doch gleich wieder was dazugelernt. Ich habe diese Angaben mal irgendwo gelesen, weiß aber nicht mehr wo. Das mit Quinta und Quarta war hingegen eine Verwechslung.

andi89

Henkelchen

Verfasst: Mi 26.10.05 22:45
von Oettlalb
@chinamul:
Danke für Deine Auskunft!

Es bleibt aber für mich immer noch offen, woher denn diese Ausformungen
kommen. Damit klar ist, was ich meine, habe ich einmal ein Bild angehängt.

LG

Verfasst: Mi 26.10.05 22:56
von Peter43
Die unteren sehen schon wie gegossen aus. Das kann bei den Schrötlingen doch möglich sein. Oder sehe ich das falsch?

MfG

Verfasst: Mi 26.10.05 23:45
von Pscipio
Die oberen beiden Münzen mit ihren minimen Unregelmässigkeiten kann man getrost ausser Betracht lassen, aber auch bei den unteren halte ich die Ausbuchtungen eher für zufällige Schrötlingsfehler. Wären es Bruchstellen von Gussbäumen, würden sie doch regelmässiger aussehen, d.h. gerade nach aussen zeigen, oder? Auch müssten die Schrötlinge dann kreisförmiger sein, denke ich.

Gruss, Pscipio

Verfasst: Do 27.10.05 00:24
von Peter43
@Pscipio:

Mich erinnern sie allerdings stark an das Aussehen der judäischen Lepta, und bei denen sind die Schrötlinge gegossen.

MfG

Verfasst: Do 27.10.05 12:46
von chinamul
Peter43 hat geschrieben:Mich erinnern sie allerdings stark an das Aussehen der judäischen Lepta, und bei denen sind die Schrötlinge gegossen.
Oder an die ebenfalls gegossenen Schrötlinge der alexandrinischen Kupferdrachmen und deren Teilstücke (s. u., Maßstab der beiden Abbildungen nicht identisch).

Gruß

chinamul

Verfasst: Do 27.10.05 21:06
von Oettlalb
@Peter43 und @chinamul:
vielen Dank für Eure Beiträge. Angeregt durch Eure Photos, habe ich einmal
in meiner antiken Kramkiste gesucht und bin auf folgendes gestoßen:

d = 11 mm
g = 0,7 g

Könnte es sich dabei um einen gegossenen antiken Schrötling handeln?

LG