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Unbekannte Provinzialbronze, aus Tyros?

Verfasst: So 06.11.05 10:29
von antoninus1
Guten Morgen,

ich habe vor einiger Zeit diese Bronze erstanden und es ist mir bis jetzt nicht gelungen, sie genauer zu bestimmen.
Der Kaiser ist Trebonianus Gallus.
Auf dem Avers kann ich IMP C VIB TREB GALLO AUG lesen.
Auf dem Revers sehe ich links ein Pferd, rechts einen Bullen und dazwischen eine Säule oder einen Baum (Zypresse?).
Im Abschnitt ein COL, rechts ein M (?)
Die Münze könnte aus Tyros sein, da scheint es einen ähnlichen Typ mit Pferd und Löwe zu geben.
Das Gewicht ist 12,8g, der Durchmesser beträgt 22mm.

Kann jemand das Stück bestimmen :?:

Verfasst: So 06.11.05 23:44
von Pscipio
Hallo Alexander

Da hast du uns aber ein schweres Stück rausgesucht! Gleich vorneweg: fündig geworden bin ich nicht. Aber vielleicht stellt die "Säule" bzw. der "Baum" eher ein stilisiertes Kultbild des Zeus Heliopolites dar, wie es z.B. auf Münzen aus Neapolis, Palästina, abgebildet ist...? Allerdings wird dieser Zeus normalerweise mit zwei Stieren oder Stierschädeln dargestellt.

Immerhin, das Stück dürfte östlicher Herkunft sein, das engt die Suche doch schon etwas ein. Möchtest du, dass ich die Münze im US-Forum einstelle? Dort gibt es einige Sammler, die sich mit Provinzialen doch erheblich besser auskennen als ich, es ist dies ja nun wahrlich nicht mein Spezialgebiet. Aber vielleicht findet auch jemand aus unserem Forum noch die Lösung?

Gruss, Pscipio

Verfasst: Mo 07.11.05 01:02
von curtislclay
Die Vs. ist anscheinend stempelgleich mit Sternberg Auktion, Nov. 1976, Nr. 594 von Damascus, Rs. COL DeltaAMA MET, Vexillum worauf LEG III GALL, zwischen zwei stehenden Adlern. In der Rs.-Legende ein griechisches Delta anstatt D.
Auf Antoninus1s Stück könnte die Rs.-Legende auch so heissen, der genaue Typ ist aber nicht in Cohen, Winsemann, oder unserer Fotokartei.

Verfasst: Mo 07.11.05 14:02
von antoninus1
Hallo Lars,

leichte Stücke kann ja jeder einstellen :wink:
Es wäre sehr nett, wenn Du das Stück ins amerikanische Forum einstellen könntest.
Vielleicht findet sich dort ein Wissender.

Curtis:
vielen Dank für Deine Informationen.
Ich schau mal, ob ich den Auktionskatalog bei einem Händler in München einsehen kann.
Ich habe auch schon an eine Prägung für eine dort stationierte Legion gedacht.
Dann sollten Perd und Bulle (der ja auch ganz apart wie das Pferd ein Beinchen hebt) "Wappentiere" der dort stationierten Legion sein.
Aber wieso werden dann einmal Adler und ein anderes mal diese Tiere abgebildet?
Ist der Gegenstand in der Mitte eine Kultstatue, wie Lars vorschlägt, oder ein Baum?
Beides könnte für einen dort praktizierten Kult stehen.
So recht kann ich mir noch keinen Reim darauf machen.

Verfasst: Mo 07.11.05 17:23
von curtislclay
Auch mir bleibt der Rs.-Typ rätselhaft. Einen Zusammenhang mit der dort stationierten Legion wird er wohl nicht haben. Die Festlegung der wahrscheinlichen Prägestätte ist trotzdem ein guter Schritt nach vorne!

Verfasst: Mo 07.11.05 17:55
von klaupo
Zur Lösung des Problems kann ich zwar auch nichts beitragen. Ich denke aber, daß bei meinem unbestimmten (unbestimmbaren?) Stück im Revers das gleiche Objekt im Zentrum steht, wenn auch von anderen Tieren flankiert.

Gruß klaupo

@antoninus und Zwerg: Danke für eure Aufmerksamkeit! Ich habe meine Münze wieder mitgenommen - die Profis in diesem Forum sind ohnehin voll ausgelastet ... oder fixiert? Irgendwann bestimme ich sie selbst. :D

Verfasst: Mo 07.11.05 20:18
von richard55-47
Für Misia inferior ist auf griechischen Münzen des öfteren eine Keule abgebildet. Warum soll das Gebilde auf der vorgestellten Münze nicht auch eine Keule sein?
Was Pferd und Stier (vielleicht auch Esel?) symbolisieren sollen, weiß ich nicht. Als Sinnbild der in den beiden Misiae stationierten Legionen sind mir nur Stier und Löwe bekannt, wobei der Stier bedeutend kleiner ausfällt als der auf der Münze oben. Ich denke, dass ein Bezug zu Legionen ausscheiden kann.

Verfasst: Mo 07.11.05 20:20
von antoninus1
Hallo klaupo,

das sieht nach dem Typ mit Bulle und Löwe aus. Ich hatte Pferd und Löwe in Erinnerung, aber vielleicht täusche ich mich oder es gibt mehrere Typen :?:

Verfasst: Mo 07.11.05 20:34
von Pscipio
Ich glaube, Curtis hat den Prägeort definitiv bestimmt: von COL ΔAMA MET kann man COL ΔA erkennen und auch die stilistische Ähnlichkeit der Vorderseite mit dem ersteren der unten angehängten Fotos (unpublizierte Bronze aus Damaskus) lässt auf Damaskus schliessen; zudem hat er ja sogar ein Stück vom gleichen Vorderseitenstempel gefunden.

Zur Rückseite und zu meiner Theorie des stilistischen Kultbildes habe ich ein zweites Foto angehängt, welches eine seleukidische Tetradrachme aus der Münzstätte Damaskus zeigt. Die Rückseite weist eine Darstellung eines Kultbildes der Atargatis mit Kornähren auf, denkt man sich die Kornähren weg, so erscheint mir der Weg zu der "Gestalt" auf antoninus1s Münze nicht mehr weit.

Gruss, Pscipio

Verfasst: Mo 07.11.05 20:54
von Zwerg
Ich schaue immer noch erst einmal in meinem "Head" nach. Er ist zwar fast 100 Jahre alt und es gibt ihn auch im Netz aber er ist immer noch für Überraschungen gut (hat mich als Student 15 GBP gekostet)
Imperial, Augustus to Severus Alexander. Inscr., ΔΑΜΑCΚΗΝWΝ; ΔΑΜΑCΚΗΝWΝ ΜΗΤΡΟΠΟΛЄWC; ΔΑΜΑCΚΟV ΜΗΤΡΟΠΟΛЄΟC; ΔΑΜΑCΚΟV ΙЄΡΑC ΚΑΙ ЄΝΔΟΞΟV. Colonial, Philip I to Gallienus. Inscr., COL ΔΑΜAS METRO. Types (B. M. C., Galat., p. lxxv; De Saulcy, op. cit.), chiefly representations of the Tyche of Damascus. Also, the river-god Chrysoroas (Barada) reclining, inscribed ΠΗΓΑΙ (Fig. 344) (cf. De Saulcy, p. 47, No. 9; Imhoof, Nymphen, p. 170, No. 470;

coin image
FIG. 344.

Pl. XI. 3); Ram standing; Shrine of the Tyche, and two female figures each supporting a cage containing a cock; Doe suckling child (see Rossbach in Neue Jahrb., vii. 395); Horse and bull facing, between them, cypress; Maenad (?) holding vine-branch (De Saulcy, p. 52, No. 10; Rev. Num., 1844, p. 14). Games, CЄΒΑCΜΙΑ (Clermont-Ganneau in Rec. d'Arch. d'Orient, Aug. 1901), ΟΛΥΜΠΙΑ, ΑΓΙΑ ΙЄΡΑ CЄΒΑCΜΙΑ. Dates. On coins of the earlier emperors dates of the Seleucid era occur.
Die Münze wäre damit eindeutig bestimmt, es fehlt nur eine Referenznummer - oder - wie zitiert man einen Forumseintrag.

Grüße
Zwerg

Nachtrag: Die Diskussion über das "Objekt" zwischen Pferd und Stier ist natürlich weiterhin offen

Verfasst: Mo 07.11.05 21:38
von antoninus1
Wow 8O ,

danke an alle Beteiligten.
Dass Curtis erkannt hat, dass die Münze aus Damaskus kommt (DA und nicht M, wie ich meinte) und nicht aus Tyros, war der Schlüssel.
Und Zwerg hatte dann das richtige Werk zur Hand.
Den Head muss ich mir jetzt endlich mal beschaffen. Es gibt ihn ja als gar nicht so teuren Nachdruck.

Ein bisserl stolz bin ich, weil ich immerhin die Zypresse richtig erkannt habe. :roll:

Verfasst: Mo 07.11.05 22:11
von Zwerg
Das mit dem "Zitat eines Forumseintrags" habe ich sehr ernst gemeint.
Curtis hat die Münze in seinen Unterlagen nicht gefunden, Head hat die Rs. irgendwo gesehen - aber ob mit dieser Vorderseite?
Wir haben auf jeden Fall eine eindeutige Zuweisung und auch ein Zitat und ein Foto - diesen Foreneintrag.
Was geschieht, wenn jemand in eniger Zeit ein Corpus der Münzen von Damaskus erstellen will? Findet er diese Münze?

Grüße
ZWerg

Entschuldigung an klaupo - aber auch hier sollte die Wissenschaft ebarmungslos zuschlagen.

Verfasst: Mo 07.11.05 22:45
von Peter43
Ich will hier auch noch meinen Senf dazugeben: Ich finde die Münze sehr schön und mit der Rückseite hochinteressant! Dazu noch die schwierige Bestimmung, Glückwunsch!

MfG

Verfasst: Mo 07.11.05 22:55
von antoninus1
Hallo Zwerg,

zum Problem der Zitierbarkeit eines Forumsbeitrages kann ich nicht viel beitragen. Da gibt es hier aber sicher Fachleute (wie Dich).
Meine Meinung: es genügen ein paar Tastendrücke und das Forum ist vom Server gelöscht und im Datennirwana verschwunden.
Oder jemand hackt das Forum und ändert irgendwann die wichtigen Angaben.
Man müsste die Beiträge also ausdrucken oder auf CD sichern.

Ich habe übrigens inzwischen im SNG Deutschland, Staatl. Münzsammlung München, Heft 28, Syrien, unter Damaskus nachgesehen.
Erstaunlich, was man im Nachhinein immer alles so entdeckt. :oops:

Dort fällt mir eine Münze des Philipp II. auf (Nr. 1022), auf der Marsias vor einer Zypresse dargestellt ist. Die Zypresse ist deutlicher dargestellt (schmaler Stamm, der sich deutlich vom breiteren Blattwerk abhebt).
Diese Zypresse hier sieht wrklich eher wie eine Keule aus.

Im Text zur Münze steht: "...zur Zypresse BMC 30 (zwischen Pferd und Stier)..."

Mal sehen, was dort zu finden ist. Möglicherweise ist die Münze also für Philipp II. belegt, aber nicht für Trebonianus, von dem in München kein Exemplar aus Damaskus vorhanden ist.

Verfasst: Mo 07.11.05 23:47
von curtislclay
BMC Damascus 30 ist doch von Gallus. Die Rs., abgebildet auf Taf. xxxv.6, erscheint stempelgleich mit unserem Stück zu sein. Im Kommentar S. lxxv wird dieser Rs.-Typ zwar erwähnt, aber nicht erklärt.