Verfasst: Do 19.01.06 16:56
Schau schau, ein Bär auf Zeitreise, das ist aber eine schöne Überraschung!
Crispus war allerdings eine interessante Persönlichkeit, da hast du absolut recht, trotzdem muss ich ein doppeltes "aber" anbringen:
- die Tatsache, dass Crispus-Münzen beliebt sind, bietet keine Erklärung für den Preis dieses Stückes. Unter normalen Umständen würde es nicht mehr als 40-50 Euro kosten, wenn sich zwei gegenseitig hochbieten vielleicht sogar 60 oder 70, niemals aber über 300 Euro! In dieser Preisklasse begegnet man an spätrömischen Kleinfolles sonst nur Hannibalianus, Flavius Victor und einige wenige andere. Da keiner von uns der Münze ein Merkmahl entnehmen kann, welches sie so wertvoll machen würde, liegt der Schluss nahe, das hier etwas faul war. Nicht dass es mich gross kümmern würde, wenn der Verkäufer den Preis so weit hochgetrieben hätte - jemand der bei einem solchen Preis noch mitzieht, hat in der Numismatik nichts verloren; und wenn der Verkäufer selber die Münze erworben hat, so muss er jetzt immerhin die Gebühren berappen.
- das geheimnisvolle an Crispus ist ja, dass er als Sohn und Nachfolger des Kaisers hingerichtet wurde! Dass er ein Krimineller war, ist zwar möglich, aber wie kann es sein, dass ein Provinzgericht den Sohn und Nachfolger des Kaisers hinrichten lässt? Ich glaube kaum, dass dies ohne Wissen von Constantin möglich gewesen wäre, und auch die nach Crispus' Tod ausgesprochene damnatio memoriae weist meiner Meinung nach stark darauf hin, dass der Kaiser die Hinrichtung seines Sohnes nicht nur gebilligt, sondern aktiv unterstützt hat. Was genau aber die Ursache der Hinrichtung gewesen ist, werden wir vielleicht nie erfahren. Es ist nur logisch, dass der Kaiser bei all seiner Allmacht doch in Erklärungsnot geriet, als sein eigener Sohn und Nachfolger exekutiert wurde, man mag daher den Vorwurf des Inzestes* als reine Propagandalüge ansehen und dahinter ein Zerwürfnis zwischen Vater und Sohn oder gar einen "Putschversuch" das Nachfolgers vermuten, in dem auch Fausta verwickelt war - aber damit bewegen wir uns im Reich der Spekulation.
Wie auch immer man das Thema betrachtet, dass es unter Historikern und Geschichtsbegeisterten zu heissen Diskussionen und Spekulationen geführt hat, ist wohl kaum überraschend. Aber mal ehrlich, wenn wir alles über die Geschichte wüssten, dann wär's doch gar nicht mehr spannend, oder?
Gruss, Pscipio
*Inzest ist hier sowieso relativ, da Fausta nicht Crispus' leibliche Mutter, sondern nur seine Stiefmutter und bloss etwa zehn Jahre älter als er war.
Crispus war allerdings eine interessante Persönlichkeit, da hast du absolut recht, trotzdem muss ich ein doppeltes "aber" anbringen:
- die Tatsache, dass Crispus-Münzen beliebt sind, bietet keine Erklärung für den Preis dieses Stückes. Unter normalen Umständen würde es nicht mehr als 40-50 Euro kosten, wenn sich zwei gegenseitig hochbieten vielleicht sogar 60 oder 70, niemals aber über 300 Euro! In dieser Preisklasse begegnet man an spätrömischen Kleinfolles sonst nur Hannibalianus, Flavius Victor und einige wenige andere. Da keiner von uns der Münze ein Merkmahl entnehmen kann, welches sie so wertvoll machen würde, liegt der Schluss nahe, das hier etwas faul war. Nicht dass es mich gross kümmern würde, wenn der Verkäufer den Preis so weit hochgetrieben hätte - jemand der bei einem solchen Preis noch mitzieht, hat in der Numismatik nichts verloren; und wenn der Verkäufer selber die Münze erworben hat, so muss er jetzt immerhin die Gebühren berappen.
- das geheimnisvolle an Crispus ist ja, dass er als Sohn und Nachfolger des Kaisers hingerichtet wurde! Dass er ein Krimineller war, ist zwar möglich, aber wie kann es sein, dass ein Provinzgericht den Sohn und Nachfolger des Kaisers hinrichten lässt? Ich glaube kaum, dass dies ohne Wissen von Constantin möglich gewesen wäre, und auch die nach Crispus' Tod ausgesprochene damnatio memoriae weist meiner Meinung nach stark darauf hin, dass der Kaiser die Hinrichtung seines Sohnes nicht nur gebilligt, sondern aktiv unterstützt hat. Was genau aber die Ursache der Hinrichtung gewesen ist, werden wir vielleicht nie erfahren. Es ist nur logisch, dass der Kaiser bei all seiner Allmacht doch in Erklärungsnot geriet, als sein eigener Sohn und Nachfolger exekutiert wurde, man mag daher den Vorwurf des Inzestes* als reine Propagandalüge ansehen und dahinter ein Zerwürfnis zwischen Vater und Sohn oder gar einen "Putschversuch" das Nachfolgers vermuten, in dem auch Fausta verwickelt war - aber damit bewegen wir uns im Reich der Spekulation.
Wie auch immer man das Thema betrachtet, dass es unter Historikern und Geschichtsbegeisterten zu heissen Diskussionen und Spekulationen geführt hat, ist wohl kaum überraschend. Aber mal ehrlich, wenn wir alles über die Geschichte wüssten, dann wär's doch gar nicht mehr spannend, oder?
Gruss, Pscipio
*Inzest ist hier sowieso relativ, da Fausta nicht Crispus' leibliche Mutter, sondern nur seine Stiefmutter und bloss etwa zehn Jahre älter als er war.