Seite 1 von 3

gallienus unediert?

Verfasst: So 21.05.06 17:14
von beachcomber
hallo,
hier kommt ein bild von einem antoninian des gallienus, den ich nicht bestimmen kann.
AV: büste mit strahlenkrone nach rechts, GALLIENUS AVG
RV: kaiser zu pferd reitet nach links, mit rechts grüssend und llinks speer haltend,BONUS AVENTUS AVG

im RIC, der, wie man weiss, für diese zeit nicht das gelbe vonm ei ist,gibt es zwar diese rückseitendarstellung , aber immer nur mit der legende: ADVENTUS AVG und auch eine legende BONUS EVENTUS, aber da sollte genius am altar opfernd zu sehen sein.
auf dieser guten gallienus-seite:
http://mk.shahrazad.net/gallienus/index.php
habe ich sie auch nicht gefunden,
habt ihr diese rückseite schon mal irgendwo gesehen?
grüsse
frank

Verfasst: So 21.05.06 18:10
von Pscipio
Vielleicht ein gröberer Schnitzer des Stempelschneiders? Wenn er AVENTVS ohne D schreibt, spricht dies ja nicht gerade für eine aufmerksame Arbeit. Auf jeden Fall eine sehr interessante Münze! Andere Frage: kannst du eine Doppelprägung erkennen? Das Pferd scheint mir einige Beine zu viel zu haben.

Ich habe mir erlaubt, dein Bild etwas aufzuhellen, da es etwas gar dunkel war (jedenfalls bei mir).

Gruss, Pscipio

Verfasst: So 21.05.06 18:21
von beachcomber
hallo pscipio,
was du da für beine des pferdes hältst, sind die beine des kaisers und der speer!

Verfasst: So 21.05.06 22:28
von curtislclay
Bei Goebl finde ich weder diese Legende noch dieses Bild, Kaiser mit erhobener rechter Hand auf nach links springendem Pferd.
Ich habe einen schweizer Bekannten von mir, der sich bei Gallienus bestens auskennt, um seine Meinung gebeten.

Verfasst: So 21.05.06 23:15
von El Che
Halllihallo,

als Romanist hätte ich eine mögliche Erklärung für das Fehlen des "d" in "adventus". In der 2. Hälfte des 3. Jhdts. war im ganzen römischen Reich ein Sprachwandel in vollem Gange. Das Vulgärlatein (die gesprochenen Sprache, im Gegensatz zum Klassischen Latein, das Schriftsprache und Gebildetensprache war) wurde zum "Romanischen" transformiert, aus dem sich dann die verschiedenen romanischen Sprachen entwickelten. In diesem Rahmen kam es zu vielen sprachlichen Vereinfachungen, wie etwas Wegfall der Deklinationen etc. Auf lautlicher Ebene kam es zu Vereinfachungen von Vokal- und Konsonantengruppen. Die Gruppe "dv" ist dem auf jeden Fall zu Gunsten des "v" zum Opfer gefallen (vgl. Frz. avenir, Sp. avenido). Evtl. war das schon zur Zeit des Gallienus in der Region der Fall, in der die MÜnze geprägt wurde und die Präger, die sicher keine klassische Bildung hatten, schrieben, wie sie es hörten, eben "aventus".

Herzlichen Gruß,
El Che

Verfasst: So 21.05.06 23:41
von Homer J. Simpson
Hallo El Che,

ich habe eine Weile gebraucht, um das zu kapieren, aber der Hauptbefund, den beachcomber uns da vorstellt, ist nicht das Fehlen des D in A(D)VENTUS, sondern das davorgestellte BONUS. Das ist natürlich schon eine spektakuläre Variante eines ohnehin seltenen Typs.
Was Deine Erklärung betrifft, ist die sicherlich korrekt und beleuchtet das interessante Phänomen der Weiterentwicklung der Sprache. Denk' an alle vielen Spätrömer mit Rückseite "VIRTUS EXERCITI", das Dir und mir die Lateinlehrer dick rot angestrichen hätten! Die vielen Beuterömer in den Provinzen haben das dann irgendwann nicht mehr eingesehen, warum sie Exercitus anders deklinieren sollten als Augustus.Solche Veränderungen gingen natürlich von der gesprochenen Sprache aus, dazu ist hier noch ein schönes Beispiel aus Gallien. Ausnahmsweise findet man auf diesem barbarisierten Tetricus II.-Antoninian den Cäsarentitel ausgeschrieben, und zwar genau so, wie er in Gallien noch heute gesprochen und geschrieben wird: Tetricus Cesar. Nix mehr mit Kaisar.

Viele Grüße,

Homer

Verfasst: Mo 22.05.06 00:25
von curtislclay
Ich würde eher ADVENTVS als AVENTVS lesen, aber vom Bild her erscheint mir dieses Wort überhaupt unsicher.

Verfasst: Mo 22.05.06 10:33
von beachcomber
hallo curtis,
auf dem foto ist es wirklich schwer zu erkennen, aber unter dem mikroskop lese ich eindeutig AVENTUS, auch wenn ein teil der buchstaben ausserhalb des schrötlings liegen.
was dich vielleicht verwirrt, ist die tatsache dass die legende durch den speer getrennt wird, so dass es so erschein,t als sei da platz für mehr buchstaben.

Verfasst: Mo 22.05.06 16:04
von El Che
ich habe eine Weile gebraucht, um das zu kapieren, aber der Hauptbefund, den beachcomber uns da vorstellt, ist nicht das Fehlen des D in A(D)VENTUS, sondern das davorgestellte BONUS. Das ist natürlich schon eine spektakuläre Variante eines ohnehin seltenen Typs.
Sorry, es war wohl etwas spät gesetern abend und da bin ich wohl etwas in den Linguisten-Talk abgedriftet...
Was die Besonderheit der Münze angeht, kann ich leider nicht mitsprechen, da ich noch ein "Münzfrischling" bin, v.a. im Vergleich zur geballten Kompetenz dieses Forums. Ich hatte das Hauptproblem wegen PScipios Beitrag bei dem "DV" gesehen...

Was die EXERCITI angeht, so ist das genauso ein Beispiel, wo Deklinationssysteme vereinfacht werden (zusammenfallen). Leider geht das heute noch weiter, ich sage nur: "Die Tempi des Französischen" (Autsch!).

Die Münze mit dem "César" finde ich spannend. Soweit ich weiss, haben Sprachwissenschaftler bisher noch nie Münzen als Quellen für Sprachwandel herangezogen.

Liebe Grüße,
El Che

Verfasst: Mo 22.05.06 16:07
von El Che
P.S.: Ist bestimmt ne blöde Frage: Aber warum ist der Antonian aus Kupfer? Meine Antoniane ohne Silberbelag sind alle aus einem dunkleren Metall/einer Legierung. Ist da drunter auch noch mal Kupfer?

Liebe Grüße,
El Che

Verfasst: Mo 22.05.06 17:05
von curtislclay
Koennte es vielleicht BONVS EVENTVS AVG sein? Das wäre zumindest eine bekannte Legende (Titus Denar). Die Bezeichnung einer Ankunft als "gut" begegnet soweit ich weiss auf keiner anderen Münze.

Verfasst: Mo 22.05.06 17:29
von chinamul
Das Dunkle dürfte lediglich die natürliche Anlauffarbe von Kupfer sein. Mit etwas Polierpaste könnte man, wenn man denn blöd genug ist, leicht wieder eine wunderschön kupferfarbene Münze zaubern :lol:. Denkbar ist, daß die im Vergleich zu anderen Kupfermünzen bisweilen auffallend dunkle Färbung dieser zuvor silbrigen Münzen durch eine Reaktion mit eben dieser oberflächlichen Versilberung hervorgerufen wurde.

Beim Plural Tempi kann eine Interferenz vorliegen mit dem italienischen Musikterminus il tempo - gli tempi, der ja zeigt, daß das Vulgärlateinische sehr wohl auch aus der konsonantischen in die vokalische Deklination wechselte. Damit ist diese Form immerhin noch etwas weniger Autsch! als Tempusse oder gar Tempüsse. Es gibt mir auch immer wieder einen leichten Stich, wenn einer Follisse anbietet.

Ich meine, daß die Sprachwissenschaft so viele andere und viel ergiebigere Quellen hatte, um die Veränderungen der Sprache zu untersuchen, daß sie Münzen dazu gar nicht brauchte. Für uns Münzinteressierte hingegen ist es natürlich immer besonders reizvoll, wenn wir einen entsprechenden numismatischen Beleg finden. Beispiele für später nicht mehr gebräuchliche Kasusformen gibt es aber auch schon auf Münzen aus der Zeit des Augustus (DIVOS IVLIVS und OB CIVIS SERVATOS).

Gruß

chinamul

Verfasst: Mo 22.05.06 18:02
von beachcomber
hallo curtis,
nein, das A ist klar zu erkennen, ich versuch gleich noch mal ein vergrössertes bild der legende mit anderer beleuchtung zu fabrizieren.

@ che, wieso kupfer? das teil hat eine fette dunkelgrüne patina, da kann man nicht auf die darunterliegende legierung schliessen, da es aber vom stil her eine westliche prägung ist (aber nicht köln, also rom oder mailand), wird es wohl eine kupferlegierug mit einem silbersud gewesen sein, die dann diese patina produziert hat

Verfasst: Mo 22.05.06 18:13
von beachcomber
hier noch mal der ausschnitt, ich hoffe er bringt was.
leider ist die patina ziemlich 'fett', so dasss das ganze etwas verschwommen wirkt.

Verfasst: Mo 22.05.06 18:57
von El Che
@ chinamul, danke für die Info. So dolle sieht es übrigens mit den Quellen für die Zeit, in der die romanischen Sprachen entstanden sind, nicht aus. Die SpraWi greift da oft auf Inschriften zurück, warum also nicht auf Müntzen?

ABER...
@ che, wieso kupfer? das teil hat eine fette dunkelgrüne patina, da kann man nicht auf die darunterliegende legierung schliessen, da es aber vom stil her eine westliche prägung ist (aber nicht köln, also rom oder mailand), wird es wohl eine kupferlegierug mit einem silbersud gewesen sein, die dann diese patina produziert hat
@ Beachcomber,
ich bezog mich auf die Münzen von Homer... aber ich glaube, ich hab hier ne Paralleldiskussion losgetreten, die etwas verwirrend ist, wenn man sich auf deinen ursprünglichen Beitrag bezieht. Deshalb ist wohl besser, diese hier zu beenden.