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Halbierte Grossbronzen

Verfasst: Do 18.12.08 22:52
von justus
Seit langen Jahren lagen mehrere Dutzend unförmig verkrustete, halbierte und scheibenförmige Metallartefakte in meiner "Antikensammlung". Meine Vermutung, dass es sich um "halbierte Grossbronzen" handeln könnte, bestätigten sich nach der Reinigung. Es ist zwar nicht mehr viel zu erkennen, aber vielleicht kann der eine oder andere von euch mir doch etwas zu diesen Artefakten sagen. As, Dupondius, Sesterz (s. Gewicht und Durchmesser)? Herkunft, Provinzialrömer etc.?

Die Teilgewichte wurden von mir über den Durchmesser auf das vermutl. Gesamtgewicht hochgerechnet.

Nr. 4: Gewicht: 2,56 (= 6,4) g. Durchmesser: 27 mm. Dicke: 1,0 mm.
Nr. 8: Gewicht: 3,56 (= 10,2) g. Durchmesser: 27 mm. Dicke: 1,5 mm.
Nr. 14: Gewicht: 4,85 (= 9,7) g. Durchmesser: 26 mm. Dicke: 1,5 mm.
Nr. 17: Gewicht: 3,99 (= 11,4) g. Durchmesser: 23 mm. Dicke: 2,0 mm.

mfg Justus

P.S. Photos zeigen jeweils Vorder- und Rückseite.

Verfasst: Do 18.12.08 23:07
von Pscipio
Die unterste ist ein Nemausus-As, die sieht man sehr häufig halbiert.

Gruss, Pscipio

Verfasst: Do 18.12.08 23:35
von Timesitheus
Bei den Halbierungen, würde mich interessieren, ob dies eher ein lokales Phänomen (z.B. besonders auf der iberischen Halbinsel und Gallien auftretend) gewesen ist oder in allen Teilen des Römischen Imperium geschah.

Persönlich habe ich eher den Eindruck, dass (saubere) Halbierungen besonders auf der iberischen Halbinsel in julisch-claudischer Zeit geschahen.

Es könnte aber auch sein, dass Halbierungen aus anderen Teilen der römischen Welt gar nicht erst beim Sammler ankommen, da die Finder diese "Teilstücke" für wertlos halten.

Verfasst: Fr 19.12.08 00:18
von justus
Hallo Pscipio,

vielen Dank für den entscheidenden Tip. Meine weiteren Recherchen haben folgendes ergeben, vermutlich:

Agrippa & Augustus Æ As, Nemausus ca. 20 – 10 v. Chr.
V: Oben IMP, unten DIVI F. Links und rechts P – P, dazwischen voneinander abgewendete Köpfe des Agrippa mit Rostralkrone und des Augustus, barhäuptig.
R: COL – NEM (Colonia Nemausus) / Palme, sich nach links neigend, Krokodil daran angekettet, l. Kranz mit langen Bändern.

mfg Justus

P.S. Die Palme bzw. das Krokodil, so scheint es mir, ist auch noch auf weiteren "Halbierten" zu erkennen.

Verfasst: Fr 19.12.08 00:47
von justus
Hallo Timotheus,
Timesitheus hat geschrieben:Es könnte aber auch sein, dass Halbierungen aus anderen Teilen der römischen Welt gar nicht erst beim Sammler ankommen, da die Finder diese "Teilstücke" für wertlos halten.
mir ging es eigentlich nicht anders. Irgendwann mal in "grauer Vorzeit" (war damals Anfänger) hab' ich einen Haufen "Römerschrott" gekauft. Darunter Nägel aus den 50er Jahren, Knöpfe usw. Bei dem wenigen, das mir interessant schien, waren auch mehrere Dutzend dieser halbierten Scheiben. Da ich schon ein bischen Ahnung von römischen Münzen hatte, dachte ich, dass es sich um halbierte Grossbronzen handeln könnte. Und tatsächlich ... Jahrzehnte danach ... und nach entsprechender Reinigung, kam doch einiges zum Vorschein.

Was die halbierten Grossbronzen anbetrifft, so geschah dies, weil insbesondere im Grenzbereich des Limes ein Mangel an "Kleingeld" auftrat. Da behalf man sich eben mit der Halbierung von Bronzen. Irgendwo war in der Vergangenheit mal ein entsprechender Thread zu diesem Thema. Ich weiß nur nicht mehr wo!

mfg Justus

Verfasst: Fr 19.12.08 20:21
von justus
Hallo Pscipio,

dank deines Tipps konnte ich bisher 5 halbierte Nemausus-Asse identifizieren. Es scheint so, als ob mehr als 50 % der Münzen zu diesem Typus gehören.
Außerdem scheinen noch weitere "gallische" AE-Münzen (Vienna, Narbo ?) dabei zu sein. Nochmals vielen Dank für deine Hilfe!

Verfasst: Sa 20.12.08 13:28
von drakenumi1
Eine recht interessante Angelegenheit! Für mich nicht so sehr die Ästhetik der Stücke, als das Vorkommen solcher, die keine echten Halbierungen darstellen, sondern eher ein Hinweis auf eine noch feinere Teilung sein könnten (Hier Deine Stücke Nr. 4 und 17).

@Justus: Wenn Du einige Dutzend solcher geteilter Stücke besitzt, wie viele davon fallen denn aus dem Schema einer "Hälftung" heraus und lohnen sich dann Gedanken, ob solche abweichende Stücke entweder gewichts- oder sektorengradmäßig untergeordneten Nominalen zugeordnet werden können?
fragt sich und Euch

drakenumi1

Verfasst: Sa 20.12.08 15:48
von justus
drakenumi1 hat geschrieben:wie viele davon fallen denn aus dem Schema einer "Hälftung" heraus und lohnen sich dann Gedanken, ob solche abweichende Stücke entweder gewichts- oder sektorengradmäßig untergeordneten Nominalen zugeordnet werden können?
Hallo drakenumi1,

eine interessant Frage, wirklich! Allerdings möchte ich mir nicht anmassen, dies zu beurteilen.
Ich hab' mal versucht, die Relationen von "Teilgewicht - Prozentsatz von Gesamtgewicht" auszurechnen und diese in einer "kleinen" Statistik dargestellt.
Vielleicht hilft es dir bei der Beurteilung dieser Frage?

mfg Justus

Verfasst: Sa 20.12.08 16:31
von beachcomber
hallo justus,
was ich bei deiner statistik nicht verstehe: woher kennst du denn das gesamtgewicht?
die gewichte bei römischen grossbronzen sind doch so schwankend, dass man da gar nicht genau auf das gesamtgewicht schliessen kann?
ich denke,dass diese halbierten münzen halt immer die hälfte des geteilten nominals wert waren, unabhängig von ihrer exakten grösse und form.
also: ein geteilter sesterz=ein dupondius, ein geteilter as=ein semis usw.
grüsse
frank

Verfasst: Sa 20.12.08 16:55
von drakenumi1
Nun, justus,
mein Gedanke verliert in dem Maße an Interesse, wie uns ein höherer Prozentsatz solch "unhalb" geteilter Münzen fehlt. Die beiden Exemplare 4 und 17 aus der Gesamtmenge, die Du uns vorgestellt hast, sind da zu wenig, als daß man ein System der Teilung, welches über die pure Hälftung hinausgeht, erahnen könnte. Da schlage ich mich dann doch auch auf beachcombers Seite. Oder hast Du noch etwas im Ärmel stecken?

Grüße von

drakenumi1

Verfasst: Sa 20.12.08 20:31
von justus
beachcomber hat geschrieben:hallo justus, was ich bei deiner statistik nicht verstehe: woher kennst du denn das gesamtgewicht?

Hallo Frank,

natürlich lassen sich Durchmesser und Gesamtgewicht annährend bestimmen, wenn man eine halbierte Münze vor sich hat. Wie das funktioniert (einfacher Dreisatz), muss ich dir nicht erklären.

Wenn ich mir andererseits die Prozentzahlen ansehe, so ist richtig, dass die meisten Münzen fast genau in der Mitte geteilt sind, auch wenn die Brüche nicht immer geradlinig verlaufen.
Der Rest dürften nicht exakt ausgeführte Halbierungen sein. Ich stimme dir daher zu, dass diese "halbierten" Münzen immer die Hälfte des jeweiligen geteilten Nominalwertes darstellen.

mfg Justus

Verfasst: Mo 22.12.08 10:04
von justus
Noch eine Anschlussfrage:

Welche Bedeutung haben eigentlich die von einander abgewendeten Köpfe von Agrippa und Augustus auf Nemausus- oder Vienna-Asses?
Die Darstellungen des Januskopfes auf frühen republikanischen Münzen, also ein vorwärts und rückwärts blickendes Doppelgesicht, als Symbol der Zwiespältigkeit, kommen als korrespondierende Bedeutung nicht in Frage. Andererseits bringt der Januskopf ja auch den gleichzeitigen Blick in Vergangenheit und Zukunft, also so etwas, wie "universelle Weisheit" zum Ausdruck?

mfg Justus

Verfasst: Mo 22.12.08 11:12
von quisquam
Ich denke auch, dass man sich an republikanischen Asses (wohl weniger an den vereinzelten Denaren) orientiert hat. Diese sind in augusteischer Zeit sicher noch umgelaufen, zumindest aber waren sie noch gut in Erinnerung.

Ich überlege gerade, welche Symbolik dahinter gestanden haben mag. Eventuell dass mit Augustus und dem kongenialen Agrippa ein neues, zukunftgerichtetes Zeitalter beginnt, ohne dass der Blick in die Vergangenheit vernachlässigt wird?

Vielleicht interpretiere ich deutlich zuviel in die Münze hinein, aber solche Gedankenspiele machen Münzen für mich lebendig.

Grüße, Stefan

PS: Ich sehe gerade, dass Du deinen Beitrag, während ich schrieb, etwas editiert hast, und Du zu einem ähnlichen Schluss gekommen bist.

Verfasst: Mo 22.12.08 14:02
von justus
Hallo Stefan,

ich denke, dass etwas ähnliches hinter der Symbolik der "gegeneinandergerichteten" Köpfe des Agrippa und Augustus stecken muss! Vielleicht kann uns ja Peter, unser "Mythologie-Spezialist", in dieser Frage weiterhelfen?

mfg Justus

Verfasst: Mo 22.12.08 16:00
von Peter43
Interessante Frage! Wir hatten ein ähnliches Problem schon einmal ausführlich diskutiert. Das war die Frage nach der Bedeutung der Büstenrichtung, also n.r. (meistens) oder n.l. (deutlich seltener).

Auf den Provinzialmünzen gibt es diese Doppelportraits viel häufiger als auf imperialen Münzen. Wenn sich dort Kaiser und Kaiserin oder Kaiser und Sohn anblicken, scheint das wohl der Ausdruck eines innigen Verhältnisses oder eines unauflösbaren Bundes zu bedeuten.

Sind wie auf den Münzen von Nemausis die Portraits nach außen gewendet, heißt das natürlich nicht, daß sich die beiden Figuren die kalte Schulter zeigen. Ich nehme aber an, daß es im Gegensatz zu den beschriebenen Provinzialmünzen nicht um ein inniges Verhältnis geht, daß sozusagen nur auf sich bezogen nach innen gewandt, sondern eben nach außen gewandt ist. Dies ist dann eher eine herrscherliche Haltung, die auch die Gegner im Auge behalten kann.

Zuviel hineininterpretiert? Kann sein, aber die antiken Betrachter werden sich wohl auch ihre Gedanken gemacht haben. Der Vergleich mit dem Januskopf und die Interpretation von Stefan gefällt mir auch. Wobei man nicht fragen sollte, wer in die Vergangenheit und wer in die Zukunft blickt. Aber da Augustus hier n.r. blickt, ist auch dies ein Beweis, das rechts die bevorzugte Richtung war (ist?).

Mit freundlichem Gruß