Vom großen Geschäft mit antiken Münzen
Verfasst: Mi 20.01.10 16:17
Vor ein paar Tagen bekam ich mit der Post die neueste Ausgabe der Zeitschrift „AID – Archäologie In Deutschland“ zugestellt. Darin fand sich ein Artikel eines gewissen Nathan T. Elkins (US-Bürger, siehe Links 2 und 3) mit der Überschrift „Vom großen Geschäft mit antiken Münzen“. Die Lektüre dieses Artikels war allerdings alles andere als amüsant für mich. Nathan beschreibt darin sehr detailliert den illegalen Münzhandel in den USA mit Münzen, die aus ost- und westeuropäischen Raubgrabungen stammen. Er erklärt Vertriebswege, nennt Umschlagplätze und Personen (nicht namentlich). Alles in allem ein umfassender Bericht über die aktuelle Situation in den USA, dem wohl ein Vortrag von Nathan T. Elkins bei der Frankfurter Numismatischen Gesellschaft vom 15. April 2009 im Historisches Museum Frankfurt zugrunde liegt (siehe Link 1).
Liebe Sammlerkollegen,
manch einer von euch (sicherlich nicht jeder) kann sich meine Erschütterung nach dieser Lektüre vorstellen. Vor allem, da ich annehmen kann, dass auch viele meiner Münzen aus diesen Quellen stammt. Ich gebe mir zwar Mühe, nicht bei Anbietern zu kaufen, die „Lots von Ungereinigten“ oder Münzen mit ganz offensichtlicher Fundverkrustung anbieten, aber das ist alles keine Garantie für eine legale Herkunft, das weiß ich selber auch. Was also soll man tun als „Hobbynumismatiker“, der dieses äußerst interessante, spannende und lehrreiche Hobby, nicht missen möchte? Kann es so etwas wie einen „Ehrenkodex“ unter Sammlern geben? Darüber würde ich gerne mit euch diskutieren und auch, allerdings in allen Ehren, streiten! Um euch einen umfassenden Überblick zu diesem Thema zu vermitteln, habe ich die entsprechenden Links im Anhang beigefügt.
Es folgt der Artikel aus der Zeitschrift "Archäologie in Deutschland" Nr. 1 - 2010:
Vom großen Geschäft mit antiken Münzen – Illegaler Münzhandel in den USA
von Nathan T.Elkins
Nicht nur griechische Vasen, Marmorskulpturen oder Fragmente von Reliefs, Fresken und Statuen sind vom illegalen Antiquitätenhandel betroffen, auch weniger imposante Stücke – etwa Münzen, Keramik, Fibeln, Gürtelschnallen oder Öllampen – spielen eine wichtige Rolle. Regelmäßig werden solche Gegenstände zusammen mit Objekten “höherer Kunst“ gefunden, wenn Lagerbestände von Schmugglern und Plünderern beschlagnahmt werden.
Heute sind die Vereinigten Staaten einer der größten Märkte für geplünderte und geschmuggelte antike Münzen und Antiquitäten. Nach jüngsten Erhebungen kommen jedes Jahr über 1 Million “frische“ antike Münzen auf den US-Markt, die meisten aus Balkanstaaten wie Bulgarien, Serbien und Rumänien, aber auch aus der Ukraine und dem Mittleren Osten. Exemplare aus anderen europäischen Ländern wie Spanien und Deutschland sind ebenfalls nicht selten. Das Ausmaß dieser Machenschaften wird deutlich, wenn man überlegt, dass das Projekt “Fundmünzen der Römischen Zeit in Deutschland – FMRD“ (siehe Link 5) das weltweit vollständigste und ausführlichste Corpus archäologischer Fundmünzen – in seiner über 50-jährigen Arbeit lediglich ca. 300.000 Münzen erfasst hat.
Münzhändler und ihr Einfluss auf die Politik
Nordamerikanische Münzhändler finanzieren Lobbyarbeit und nehmen somit Einfluss auf Politiker in Washington, die ihre “Rechte“ vertreten und es ermöglichen, antike Münzen ohne jegliche Einschränkung und ohne Rücksicht auf ethische Überlegungen oder Gesetze der Herkunftsländer zu importieren und zu verkaufen. Münzhändler haben ein erhebliches finanzielles Interesse an der Einfuhr antiker Münzen. Der jährliche Umsatz der großen Auktionshäuser liegt in Millionenhöhe, und Vcoins.com, das als “Online-Einkaufszentrum für antike Münzen“ die Bestände von mehr als 120 kleineren Händlern anzeigt, bietet zur Zeit Waren im Wert von über $ 15 Mio. an - die meisten Stücke ohne Herkunftsnachweis bzw. Sammlungsgeschichte.
Viele Händler in den Vereinigten Staaten betrachten sich als “Großhändler“ und führen Münzen selbst ein. Diese werden dann sortiert in Münzen “höherer Qualität“, die zu Großhandelspreisen an andere Händler und Auktionshäuser weiterverkauft werden, und in „gewöhnlichere“ oder „niedrigere Qualität“, die in großen Lots (z. B. hundert- oder tausendweise bzw. nach Gewicht) direkt an Sammler veräußert werden (siehe Links Ebay USA).
Einem unlängst erstellten Bericht zum organisierten Verbrechen in Bulgarien zufolge leben 30 bis 50 solcher Händler bulgarischer Staatsangehörigkeit in Westeuropa und den Vereinigten Staaten und organisieren den Münz- und Antiquitätenschmuggel aus ihrem Heimatland. 1999 transportierte ein in New Jersey wohnhafter bulgarischer Großhändler etwa eine Tonne antiker Münzen über den Frankfurter Flughafen aus Bulgarien nach Amerika. Wenig später bot er auf einer Münzbörse in Chicago anderen Händlern und Sammlern ungereinigte Münzen nach Gewicht an.
Nur mit ausreichenden Kontakten in die Politik lässt sich wohl erklären, dass dieser Händler noch aktiv sein kann, obwohl er in Bulgarien mehrmals wegen illegalen Handels festgenommen wurde. Ein weiterer Großhändler, der zu den größten Lieferanten ungereinigter antiker Münzen und Antiquitäten in den Vereinigten Staaten zählt, arbeitet am internationalen Flughafen JFK in New York bei einer Firma, die Zoll- und Einfuhrformalitäten abwickelt. In Online-Foren gibt er kostenlos Tipps, wie Münzen und Antiquitäten eingeführt werden können, ohne dass es zu Verzögerungen kommt bzw. ohne dass sie beschlagnahmt werden. Er selbst erledigt Zollformalitäten für andere Händler und deren Ware.
Systematische Zerstörung aus wirtschaftlichem lnteresse
An der politischen Lobbyarbeit in den USA wird deutlich, wie groß das wirtschaftliche Interesse am unkontrollierten Handel mit antiken Münzen ist. Abgesehen von mittelgroßen Händlern wird diese Lobbyarbeit auch von wichtigen Auktionshäusern und Großhändlern finanziert. Für diese profitorientierte Minderheit spielen die Zerstörung historisch bedeutender Fundstätten und der mit einer systematischen Vernichtung einhergehende enorme kulturelle Verlust keine Rolle, Gesetze sind wirkungslos, solange korrupte Regierungsbeamte bereit sind wegzuschauen oder ausschließlich wichtigere nationale Sicherheitsinteressen wie den Drogenhandel im Blick haben.
Dabei sind die Vernetzungen vielseitig. Es gibt Hinweise, dass der Widerstand im Irak zum Teil durch den Verkauf von geplünderten Antiquitäten finanziert wird, und dass einer der Schmuggler des berühmten Elmali-Hortfundes (siehe Link 4) Beziehungen zum Drogenhandel unterhielt. Es liegt in den Händen verantwortungsvoller Händler und Sammler weltweit, lückenlose Herkunftsnachweise und Sammlungsgeschichten sowie legale Ausfuhrpapiere zu fordern, um unser gemeinsames kulturelles Erbe zu erhalten. Ein Zwinkern und der Handschlag eines Profiteurs reichen nicht aus.
Nathan T. Elkins
1) „Der Handel mit antiken Münzen in den USA“. Ein Vortrag von Nathan T. Elkins bei der Frankfurter Numismatische Gesellschaft vom 15. April 2009 im Historisches Museum, Frankfurt à http://www.keepandshare.com/doc/view.ph ... 56452&da=y
2) „Über mich“ von Nathan T. Elkins à http://www.blogger.com/profile/13060145336179440359
3) “Curriculum Vitae” von Nathan Thomas Elkins à http://www.keepandshare.com/doc/view.ph ... 79742&da=y
4) Elmali-Hortfund (Türkei) à http://www.accg.us/issues/editorials/pro/tahberer2
5) Die Fundmünzen der römischen Zeit in Deutschland (FMRD) à http://www.adwmainz.de/index.php?id=394
Und jede Menge Beispiele bei Ebay USA:
- ebay seller “purse_of_the_legionary” (2123) à http://shop.ebay.com/purse_of_the_legio ... ksid=p4340
- ebay seller “pannonii” (1398) à http://cgi.ebay.com/Lot-of-90-uncleaned ... 518fb2edbf
- ebay seller “wallyworld106” (3997) à http://shop.ebay.com/wallyworld106/m.ht ... ksid=p4340
- ebay seller “desimone_1” (4229) à
1. Artefakte - http://cgi.ebay.com/CANAANITE-TERRACOTT ... 56382362f6
2. Münzen - http://cgi.ebay.com/High-Quality-Unclea ... 5638cc5d67
Liebe Sammlerkollegen,
manch einer von euch (sicherlich nicht jeder) kann sich meine Erschütterung nach dieser Lektüre vorstellen. Vor allem, da ich annehmen kann, dass auch viele meiner Münzen aus diesen Quellen stammt. Ich gebe mir zwar Mühe, nicht bei Anbietern zu kaufen, die „Lots von Ungereinigten“ oder Münzen mit ganz offensichtlicher Fundverkrustung anbieten, aber das ist alles keine Garantie für eine legale Herkunft, das weiß ich selber auch. Was also soll man tun als „Hobbynumismatiker“, der dieses äußerst interessante, spannende und lehrreiche Hobby, nicht missen möchte? Kann es so etwas wie einen „Ehrenkodex“ unter Sammlern geben? Darüber würde ich gerne mit euch diskutieren und auch, allerdings in allen Ehren, streiten! Um euch einen umfassenden Überblick zu diesem Thema zu vermitteln, habe ich die entsprechenden Links im Anhang beigefügt.
Es folgt der Artikel aus der Zeitschrift "Archäologie in Deutschland" Nr. 1 - 2010:
Vom großen Geschäft mit antiken Münzen – Illegaler Münzhandel in den USA
von Nathan T.Elkins
Nicht nur griechische Vasen, Marmorskulpturen oder Fragmente von Reliefs, Fresken und Statuen sind vom illegalen Antiquitätenhandel betroffen, auch weniger imposante Stücke – etwa Münzen, Keramik, Fibeln, Gürtelschnallen oder Öllampen – spielen eine wichtige Rolle. Regelmäßig werden solche Gegenstände zusammen mit Objekten “höherer Kunst“ gefunden, wenn Lagerbestände von Schmugglern und Plünderern beschlagnahmt werden.
Heute sind die Vereinigten Staaten einer der größten Märkte für geplünderte und geschmuggelte antike Münzen und Antiquitäten. Nach jüngsten Erhebungen kommen jedes Jahr über 1 Million “frische“ antike Münzen auf den US-Markt, die meisten aus Balkanstaaten wie Bulgarien, Serbien und Rumänien, aber auch aus der Ukraine und dem Mittleren Osten. Exemplare aus anderen europäischen Ländern wie Spanien und Deutschland sind ebenfalls nicht selten. Das Ausmaß dieser Machenschaften wird deutlich, wenn man überlegt, dass das Projekt “Fundmünzen der Römischen Zeit in Deutschland – FMRD“ (siehe Link 5) das weltweit vollständigste und ausführlichste Corpus archäologischer Fundmünzen – in seiner über 50-jährigen Arbeit lediglich ca. 300.000 Münzen erfasst hat.
Münzhändler und ihr Einfluss auf die Politik
Nordamerikanische Münzhändler finanzieren Lobbyarbeit und nehmen somit Einfluss auf Politiker in Washington, die ihre “Rechte“ vertreten und es ermöglichen, antike Münzen ohne jegliche Einschränkung und ohne Rücksicht auf ethische Überlegungen oder Gesetze der Herkunftsländer zu importieren und zu verkaufen. Münzhändler haben ein erhebliches finanzielles Interesse an der Einfuhr antiker Münzen. Der jährliche Umsatz der großen Auktionshäuser liegt in Millionenhöhe, und Vcoins.com, das als “Online-Einkaufszentrum für antike Münzen“ die Bestände von mehr als 120 kleineren Händlern anzeigt, bietet zur Zeit Waren im Wert von über $ 15 Mio. an - die meisten Stücke ohne Herkunftsnachweis bzw. Sammlungsgeschichte.
Viele Händler in den Vereinigten Staaten betrachten sich als “Großhändler“ und führen Münzen selbst ein. Diese werden dann sortiert in Münzen “höherer Qualität“, die zu Großhandelspreisen an andere Händler und Auktionshäuser weiterverkauft werden, und in „gewöhnlichere“ oder „niedrigere Qualität“, die in großen Lots (z. B. hundert- oder tausendweise bzw. nach Gewicht) direkt an Sammler veräußert werden (siehe Links Ebay USA).
Einem unlängst erstellten Bericht zum organisierten Verbrechen in Bulgarien zufolge leben 30 bis 50 solcher Händler bulgarischer Staatsangehörigkeit in Westeuropa und den Vereinigten Staaten und organisieren den Münz- und Antiquitätenschmuggel aus ihrem Heimatland. 1999 transportierte ein in New Jersey wohnhafter bulgarischer Großhändler etwa eine Tonne antiker Münzen über den Frankfurter Flughafen aus Bulgarien nach Amerika. Wenig später bot er auf einer Münzbörse in Chicago anderen Händlern und Sammlern ungereinigte Münzen nach Gewicht an.
Nur mit ausreichenden Kontakten in die Politik lässt sich wohl erklären, dass dieser Händler noch aktiv sein kann, obwohl er in Bulgarien mehrmals wegen illegalen Handels festgenommen wurde. Ein weiterer Großhändler, der zu den größten Lieferanten ungereinigter antiker Münzen und Antiquitäten in den Vereinigten Staaten zählt, arbeitet am internationalen Flughafen JFK in New York bei einer Firma, die Zoll- und Einfuhrformalitäten abwickelt. In Online-Foren gibt er kostenlos Tipps, wie Münzen und Antiquitäten eingeführt werden können, ohne dass es zu Verzögerungen kommt bzw. ohne dass sie beschlagnahmt werden. Er selbst erledigt Zollformalitäten für andere Händler und deren Ware.
Systematische Zerstörung aus wirtschaftlichem lnteresse
An der politischen Lobbyarbeit in den USA wird deutlich, wie groß das wirtschaftliche Interesse am unkontrollierten Handel mit antiken Münzen ist. Abgesehen von mittelgroßen Händlern wird diese Lobbyarbeit auch von wichtigen Auktionshäusern und Großhändlern finanziert. Für diese profitorientierte Minderheit spielen die Zerstörung historisch bedeutender Fundstätten und der mit einer systematischen Vernichtung einhergehende enorme kulturelle Verlust keine Rolle, Gesetze sind wirkungslos, solange korrupte Regierungsbeamte bereit sind wegzuschauen oder ausschließlich wichtigere nationale Sicherheitsinteressen wie den Drogenhandel im Blick haben.
Dabei sind die Vernetzungen vielseitig. Es gibt Hinweise, dass der Widerstand im Irak zum Teil durch den Verkauf von geplünderten Antiquitäten finanziert wird, und dass einer der Schmuggler des berühmten Elmali-Hortfundes (siehe Link 4) Beziehungen zum Drogenhandel unterhielt. Es liegt in den Händen verantwortungsvoller Händler und Sammler weltweit, lückenlose Herkunftsnachweise und Sammlungsgeschichten sowie legale Ausfuhrpapiere zu fordern, um unser gemeinsames kulturelles Erbe zu erhalten. Ein Zwinkern und der Handschlag eines Profiteurs reichen nicht aus.
Nathan T. Elkins
1) „Der Handel mit antiken Münzen in den USA“. Ein Vortrag von Nathan T. Elkins bei der Frankfurter Numismatische Gesellschaft vom 15. April 2009 im Historisches Museum, Frankfurt à http://www.keepandshare.com/doc/view.ph ... 56452&da=y
2) „Über mich“ von Nathan T. Elkins à http://www.blogger.com/profile/13060145336179440359
3) “Curriculum Vitae” von Nathan Thomas Elkins à http://www.keepandshare.com/doc/view.ph ... 79742&da=y
4) Elmali-Hortfund (Türkei) à http://www.accg.us/issues/editorials/pro/tahberer2
5) Die Fundmünzen der römischen Zeit in Deutschland (FMRD) à http://www.adwmainz.de/index.php?id=394
Und jede Menge Beispiele bei Ebay USA:
- ebay seller “purse_of_the_legionary” (2123) à http://shop.ebay.com/purse_of_the_legio ... ksid=p4340
- ebay seller “pannonii” (1398) à http://cgi.ebay.com/Lot-of-90-uncleaned ... 518fb2edbf
- ebay seller “wallyworld106” (3997) à http://shop.ebay.com/wallyworld106/m.ht ... ksid=p4340
- ebay seller “desimone_1” (4229) à
1. Artefakte - http://cgi.ebay.com/CANAANITE-TERRACOTT ... 56382362f6
2. Münzen - http://cgi.ebay.com/High-Quality-Unclea ... 5638cc5d67