Plaste und Elaste auf einem Sesterzen

Alles was so unter den Römern geprägt wurde.

Moderator: Homer J. Simpson

raeticus
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Plaste und Elaste auf einem Sesterzen

Beitrag von raeticus » Di 09.03.10 21:45

Liebes Forum,
zur Warnung an alle Sammler hier ein Beispiel eines stark korrodierten wertlosen Hadrian Sesterzen der von einem freundlichen älteren Herren (geben wir ihm den Fantasienamen "Georg", und stellen ihn uns mit wenig Haaren vor), kein Deutscher Händler, aber oft hier, im Umfeld der Numismata München, an einen ahnungslosen Sammler verkauft wurde als ein Spitzenstück.

Also, gleich folgt hier ein Foto vorher, und dann ein Foto nach Intervention von Azeton. Der gesamte Rand mit Schrift -Buchstabe für Buchstabe im Stil früher Hadrianprägungen - und Teilen der Flächen sind aus einem alkohol und azetonlöslichen Plastikmaterial (grünlich im Farbton und leicht durchscheinend, nicht unähnlich echter Patina) nachgebaut worden. In Originalzustand (oder besser im verfälschten Zustand) wurde das Stück von mehreren nicht unerfahrenen Sammlern und auch Händlern untersucht. EIn Händler dem das Stück angeboten worden war, fand den Hals Hadrians allerdings auffällig und kaufte das Stück nicht (ironischerweise ist der Hals allerdings unter den wenigen Teilen die sich nicht im Azeton aufflösten, trotzdem eine weise Entscheidung), aber der Verkäufer verschwieg diese Abfuhr natürlich. Pech für den Endkunden, den Letzten in der "Wertschöpfungkette" ist der Sammler, und den beissen die Hunde. Denn der Verkäufer verweigert die Rücknahme, denn das Stück sei ja nicht im mehr im "Originalzustand" und so nicht mehr zu verwerten, und er habe eh nichts gewusst....)

Aber die Bilder sagen mehr als Worte:


Verbleibt nur zu sagen, Warnung vor dem Betrug !

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Hadrian obverse vor Azeton.jpg
Hadrian obv nach Azeton.jpg
Hadrian obverse vor Azeton.jpg
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Hadrian revers vor Azeton.jpg
Hadrian-Rev-nach Azeton.jpg

emieg1
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Re: Plaste und Elaste auf einem Sesterzen

Beitrag von emieg1 » Di 09.03.10 22:06

Ach du Schei... Ich glaube, ich sammele zukünftig nur noch Silber..

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areich
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Re: Plaste und Elaste auf einem Sesterzen

Beitrag von areich » Di 09.03.10 22:11

Was anderes als Excrementum fällt mir dazu auch nicht ein.

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Amenoteph
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Re: Plaste und Elaste auf einem Sesterzen

Beitrag von Amenoteph » Di 09.03.10 22:14

Heilige Mutter Gottes.... wie kann man sowas nachbasteln? Sowas habe ich noch nie gesehen!

imperator44
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Re: Plaste und Elaste auf einem Sesterzen

Beitrag von imperator44 » Di 09.03.10 22:20

Vielen Dank, raeticus, für diesen aufschlußreichen Artikel. Für die Sammlerwelt wäre es das beste, einfach von diesen "Georgs" nichts mehr zu kaufen, zumal jeder Sammler weiß, um welche Gesellschaft es sich dabei handelt. Das ist nun mal ein gewissenloser und krimineller Haufen, den man am meisten durch Nichtbeachtung strafen kann. Ich möchte nicht wissen, wie viele ähnlich ekelhafte Stücke unerkannt in Sammlungen rumliegen.
Schöne Grüße vom imperator44

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Re: Plaste und Elaste auf einem Sesterzen

Beitrag von donolli » Di 09.03.10 22:21

krasse geschichte. kann mich meinen vorrednern nur anschließen: habe so etwas auch noch nie gesehen und bin ehrlich gesagt erstaunt, wie genau der "bastler" den sagen wir mal "originalzustand" nachzuahmen vermochte.

grüße
olli
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Re: Plaste und Elaste auf einem Sesterzen

Beitrag von beachcomber » Di 09.03.10 22:38

imperator44 hat geschrieben:Vielen Dank, raeticus, für diesen aufschlußreichen Artikel. Für die Sammlerwelt wäre es das beste, einfach von diesen "Georgs" nichts mehr zu kaufen, zumal jeder Sammler weiß, um welche Gesellschaft es sich dabei handelt. Das ist nun mal ein gewissenloser und krimineller Haufen, den man am meisten durch Nichtbeachtung strafen kann. Ich möchte nicht wissen, wie viele ähnlich ekelhafte Stücke unerkannt in Sammlungen rumliegen.
und ich möchte nicht wissen, wieviele dieser produkte auch bei bekannten auktionshäusern über die theke gegangen sind! :wink:
im übrigen könnte man natürlich auf dem standpunkt stehen, dass es sich hier um eine restauration handelt, (die wirklich top gemacht war).
allerdings sollte sie auch als solche verkauft werden.
grüsse
frank

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Re: Plaste und Elaste auf einem Sesterzen

Beitrag von tilos » Di 09.03.10 22:59

In der Tat wäre es eine sehr gute Restaurierungsleistung, wenn es da nicht die Legendenbereiche gäbe, bei denen im unrestaurierten Zustand komplette Buchstaben fehlten. Wenigstens die komplett ergänzten Buchstaben hätten bei einer seriösen Restaurierung farblich abgesetzt werden müssen. Nur hätte halt der Verkäufer beim Hinweis auf eine Restaurierung mit Sicherheit einen geringeren Preis erzielt. Und da liegt der Hase im Pfeffer.
Es grüßt
Tilos
: Wieviel wurde denn dem ahnungslosen Erwerber abgegaunert?

raeticus
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Re: Plaste und Elaste auf einem Sesterzen

Beitrag von raeticus » Mi 10.03.10 08:34

Hier einige Gedanken von mir aus der yahoo coinforgery list, ich lasse das in Englisch.

What you do with one of your coins is a matter of personal preferance (one could disagree to that statement from an ethical standpoint as ancient artefacts are just a loan to us from our ancestors, and should be treated with respect; that Japanese millionaire who wanted to be burned after death with his van Gogh painting and presumably had so done, clearly broke with that ethical rule, but legally you can do as you like).
Some leave their coins uncleaned, others polish and wax them and enjoy their own mirror image in the fields next to the emperor.

Filling holes is something I would not accept in my collection, but some may.

The criminal act begins when you hide an issue, and sell the coin without telling the buyer about this value reducing fault.

With a small crack filled many would still buy, but should pay less. If half the coin including letters is build out of plastic as in this example hardly anyone would buy it. Which makes the story more horrible.

At least in coins that is.
Other ancient collecting areas such as sculpture or other artefacts seem to have different standards. A missing arm or two of a Venus still leave her desirable :-). And the armour of the recent Guttman collection across the board is > 50% plastic with very few exceptions.

In coins we are purists because we can/could afford to do so, there is/was enough intact material around in the more common coins.

But these criminals work hard to change that, plastify, tool, repatinate, destroy a coin originally in very fine or fine to turn it extremely fine by adding a new hairstyle. If I look into any auction, as good as it may be, there are these days manipulated bronzes. For those presumably untouched the prices turn outrageous, and a Titus sestertius may in the end cost as much as a house. Fingers crossed it is not just the next level up in tooling technology. I know collectors who stopped collecting bronze altogether or turned to depatinated / "river" patinas for that reason.

I wanted to turn your attention to the plastic issue, as my attention was largely to
> "tooled" in the past years since these came up (is the hairline too sharp, much better than the rest of the coin, color differences ?), and
> "cast" and "dental cast"" as these always were around (look for signs of casts, bubbles, softness, edge),
> "pressed" (surface issues vs struck, style may be different, edge different) and
> "struck" fakes (which I attempted to catch through the style).
The plastic artists stayed under my radar screen, for which I payed the price here.

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Re: Plaste und Elaste auf einem Sesterzen

Beitrag von donolli » Mi 10.03.10 09:43

bei dieser ganzen manipulations-problematik sehe ich auch die händler in der pflicht.
mich stört, dass es in den letzten jahren immer mehr normal zu werden scheint, auch stark manipulierte stücke in auktionen zu nehmen bzw. über shops anzubieten. bei etablierten händlern wird natürlich regelmaßig in den beschreibungen auf diese "aufhübschungen" hingewiesen mit ausdrücken wie "some tooling" etc.
"wo ist dann da das problem, man bekommt ja erklärt, was man kauft?", werden jetzt einige sagen. für mich besteht es darin, dass auf diesem wege manipulationen immer mehr salonfähig gemacht werden, frei nach dem motto "wenn sogar das renomierte auktionshaus xy das verkauft, dann ist es doch alles halb so schlimm". und was die großen vormachen, machen dann alle kleinen nach und hey, dann ist es doch ganz schnell eine lässliche sünde, wenn es mir mal entfällt auf die bearbeitung hinzuweisen. macht ja eh jeder.
würde sich der handel konsequent dem vertrieb solcher bronzen verweigern, deren "restaurierung" über ein glätten der patina ober meinetwegen sogar in einzelfällen über eine neupatinierung hinausgeht, was ja auch gottseidank einige nach wie vor so machen, würde dieses schlechte vorbild wegfallen und die schnitzer dieser welt bzw. deren machwerke schon mal ganz anders stigmatisiert.
dass es so kommt glaube ich aber nicht, wohl eher umgekehrt. jeder will ja schließlich alles in vz haben. und wenn dann dieses "vz" irgendwie so ausschaut wie gummibusen und schlauchbootlippe, wen kümmert's :sad:

grüße
olli
Zuletzt geändert von donolli am Mi 10.03.10 13:29, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Plaste und Elaste auf einem Sesterzen

Beitrag von cepasaccus » Mi 10.03.10 10:03

Plaestikbrueste, baeh, baeh, baeh!
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Re: Plaste und Elaste auf einem Sesterzen

Beitrag von bajor69 » Mi 10.03.10 11:58

Hallo Freunde, mir ist ähnliches wie raeticus wiederfahren. Ich habe mich schon gestern Abend mit einer PN an ihn gewandt. Auch ich habe von einen älteren, freundlichen Herren ( war es derselbe? ) einen Sesterz von Lucilla erstanden und den für nicht wenige Euronen. Auf der Numismata zeigte der Sesterz noch seine Schokoladenseite, sprich eine schöne durchgehende braune Patina. Nachdem ich das "gute Stück" mit Aceton zum Konservieren mit Wachs vorbereiten wollte, traute ich meinen Augen nicht. Ein Teil der "Patina" hatte sich aufgelöst und das Stück sieht jetzt so aus wie auf den Bildern. Ich habe nur leider den Fehler begangen, kein "Vorherfoto" zumachen - man lernt eben nie aus -. Es ist eine Schande, wie wir Sammler von solchen Händler mit manipulierten Stücken über den Tisch gezogen und betrogen werden. Auch habe ich nach der Aussage von raeticus keine Hoffnung, das Stück zurück geben zukönnen, da es sich ja nun auch nicht mehr im Originalzustand befindet.
Bedeutet das wir zukünftig alle ss+ und vz erhaltene Stücke mit einen Messer überprüfen müssen?
Gruß Wolfgang
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Re: Plaste und Elaste auf einem Sesterzen

Beitrag von cepasaccus » Mi 10.03.10 14:48

Ne, mit Aceton. Also immer ein Flaeschchen Aceton dabei haben und wenn der Haendler das vor dem Verkauf nicht erlaubt, dann nicht kaufen.
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Re: Plaste und Elaste auf einem Sesterzen

Beitrag von areich » Mi 10.03.10 15:05

Ich habe gestern auch an eine diskret in der Jackentasche verborgene Plastikflasche gedacht, schnell mal Finger anfeuchten und Münze
abreiben.

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Re: Plaste und Elaste auf einem Sesterzen

Beitrag von chinamul » Mi 10.03.10 15:35

Bei auf den ersten Blick beeindruckend patinierten Bronzen aus nicht erstklassig zuverlässiger Quelle, die zudem noch besonders schön erhalten sind, bin ich immer übervorsichtig. Wenn man aber beim Kauf auf die letzte Qualität verzichtet und sich dann noch vor allem auf solche Stücke beschränkt, bei denen der Metallgrund vollständig zu erkennen ist, ist man zumindest bezüglich der Unberührtheit meist auf der sicheren Seite.
Natürlich bedeutet das immer Konzessionen gegenüber einem heute kaum mehr bezahlbaren Idealzustand von Bronzen, erspart aber spätere Enttäuschungen und vor allem viel Geld.
Vielleicht war es ein glücklicher Umstand, daß ich mich in den frühen 1950er Jahren aus mehreren Gründen (akuter Geldmangel und fehlendes Angebot) vor allem auf die eher weniger schönen Münzen beschränken mußte. Damit war aber der Grundstein für eine gewisse Bescheidenheit - meinetwegen auch Anspruchslosigkeit - gelegt. Ich kann mich deshalb auch über ein Stück wie etwa das unten abgelichtete vorbehaltlos freuen.

MARCUS AURELIUS 161 – 180
Æ Sesterz Rom 169/170
Av.: M ANTONINVS AVG TR P XXIIII - Belorbeerter Kopf rechts
Rv.: COS III - Im Abschnitt zweizeilig: PROFECTIO AVG / S C
Marcus Aurelius nach rechts reitend; in der Rechten schräggehaltener Speer; vor ihm ein Legionär mit Speer in der
Rechten und Schild am linken Arm; hinter ihm drei weitere Legionäre mit Standarten
Aufbruch zum ersten Feldzug gegen die germanischen Markomannen im Jahr 169 (expeditio Germanica prima)
RIC 977; C. 502
24,24 g

Gruß

chinamul
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RIC 977.jpg
Nil tam difficile est, quin quaerendo investigari possit

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