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Re: Dolchhiebe auf Lug I Assen - Varusschlacht ???

Verfasst: So 30.04.17 08:32
von Altamura2
Alm-Öhi hat geschrieben:... Das sind keine "Dolch"hiebe. Viel eher Meisseleinschläge. ...
Das sehe ich auch so.

Diese Spuren auf den Münzen haben fast alle eine längliche Form sowie eine eher geringe und gleichmäßige "Eindringtiefe".
Wenn man ein vernünftig geschliffenes Messer hernimmt (und bei einem römischen Legionär setze ich sowas mal voraus :D ), dann kann man damit keine solchen Spuren hinterlassen.
  • Sticht man mit der Spitze auf die Münze, dann müssten die Markierungen kleiner sein und in der Mitte tiefer eindringen als an den Rändern. Diese "typisch dreieckigen Umrisse" bekommt man damit auch nicht, allenfalls wenn die Spitze der Klinge bereits abgebrochen ist :? .
  • Schlägt man mit der Schneide der Klinge auf die Münze, dann werden die Markierungen länger und schmäler, auch hier erhält man keine dreieckigen Spuren oder scharf abgegrenzten Enden der Markierung.
Aus meiner Sicht können diese Verunstaltungen schon von der Geometrie her nicht mit Messern oder Dolchen zuwege gebracht worden sein.

Gruß

Altamura

Re: Dolchhiebe auf Lug I Assen - Varusschlacht ???

Verfasst: So 30.04.17 10:11
von mike h
>>>>Diese "typisch dreieckigen Umrisse" bekommt man damit auch nicht, allenfalls wenn die Spitze der Klinge bereits abgebrochen ist :? .

Diese typisch dreieckigen Umrisse sind bei einer einseitig geschliffenen Klinge zwangsläufig.

Versuchs doch einfach mal...


Martin

Re: Dolchhiebe auf Lug I Assen - Varusschlacht ???

Verfasst: So 30.04.17 10:45
von Altamura2
mike h hat geschrieben:Diese typisch dreieckigen Umrisse sind bei einer einseitig geschliffenen Klinge zwangsläufig.
Richtig, so sieht der Querschnitt einer einseitig geschliffenen Klinge aus.

Damit ich diesen Querschnitt in der auf diesen Münzen vorkommenden Form sehe, müsste ich die Klinge aber schon einen halben Zentimeter durch die Münze durchstechen 8O .
Und da die vermeintlichen Einstiche aber kaum einen Millimeter tief sind (wenn überhaupt), passt das irgendwie nicht zusammen :? .
... Versuchs doch einfach mal...
Ich möchte mir eigentlich weder meine Messer noch meine Münzen ruinieren :wink: .

Gruß

Altamura

Re: Dolchhiebe auf Lug I Assen - Varusschlacht ???

Verfasst: So 30.04.17 10:49
von mike h
Das kommt doch auf die Form der Spitze an.

Und wie tief die Marke vor 2000 Jahren war, kannst du vermutlich heute garnicht genau bestimmen. Das korrodiert doch zu.

(Wenn es zu einem Problem mehrere Lösungsansätze gibt, dann ist der einfachste der Richtige.)

Martin

Re: Dolchhiebe auf Lug I Assen - Varusschlacht ???

Verfasst: So 30.04.17 11:18
von Altamura2
mike h hat geschrieben:... Das kommt doch auf die Form der Spitze an. ...
Dann zeig' uns doch mal auf, wie die Spitze geformt sein und wie sie gehandhabt werden muss, damit derartige dreieckige Markierungen entstehen.
... Und wie tief die Marke vor 2000 Jahren war, kannst du vermutlich heute garnicht genau bestimmen. Das korrodiert doch zu. ...
Ob die aber durch die ganze Münze gehen, kann man wohl schon feststellen.
(Wenn es zu einem Problem mehrere Lösungsansätze gibt, dann ist der einfachste der Richtige.)
(Genau, das versucht Donald Trump auch immer zu vermitteln :D )

Gruß

Altamura

Re: Dolchhiebe auf Lug I Assen - Varusschlacht ???

Verfasst: So 30.04.17 11:55
von mike h
Altamura2 hat geschrieben: Dann zeig' uns doch mal auf, wie die Spitze geformt sein und wie sie gehandhabt werden muss, damit derartige dreieckige Markierungen entstehen.
Ich zeig mal die Spitzenform von 3 Klingen, die ich ohne längere Suche sofort gefunden habe. Bei allen dreien ist die Schneide links.
IMG_0021.JPG
Verzeih die Bildqualität, aber für die Form ist das ausreichend.
... Und wie tief die Marke vor 2000 Jahren war, kannst du vermutlich heute garnicht genau bestimmen. Das korrodiert doch zu. ...
Altamura2 hat geschrieben:Ob die aber durch die ganze Münze gehen, kann man wohl schon feststellen.
Korrekt! Aber wir sprechen ja auch nicht über durchgehende Marken (die ich im übrigen auch schon vorgefunden hab), sondern nur über die gezeigten.
Daher meine Empfehlung: Probiere es aus!!
(Wenn es zu einem Problem mehrere Lösungsansätze gibt, dann ist der einfachste der Richtige.)
Altamura2 hat geschrieben:(Genau, das versucht Donald Trump auch immer zu vermitteln :D )
Wir sprechen doch hier nicht über Politik. Dieses Problem kann man doch eher in den Bereich "Technik" einordnen

Gruß
Martin

Re: Dolchhiebe auf Lug I Assen - Varusschlacht ???

Verfasst: So 30.04.17 13:11
von Numis-Sven
mike h hat geschrieben:
mike h hat geschrieben: Daher meine Empfehlung: Probiere es aus!!
Experimetelle Numismatik - gefällt mir! :D

Re: Dolchhiebe auf Lug I Assen - Varusschlacht ???

Verfasst: So 30.04.17 13:20
von mike h
Die Empfehlung war zwar von mir...

aber warum nicht? Gibts doch in der Archäologie ebenfalls.

Re: Dolchhiebe auf Lug I Assen - Varusschlacht ???

Verfasst: So 30.04.17 17:17
von justus
Eigentlich wollte ich schon seit längerem zu dieser Thematik anmerken, dass es sich IMHO wohl kaum um Dolchstiche handeln dürfte. Die Form des Einhiebs passt einfach nicht zu einem Dolchstich. Mich erinnern sie eher an Formen wie sie bei den sog. "banker's marks" auftreten, zu welchem Zweck immer.

Re: Dolchhiebe auf Lug I Assen - Varusschlacht ???

Verfasst: So 30.04.17 18:21
von quinctilius
Endlich ist was los in diesem thread ;-) Vielen Dank für die rege Diskussion !
Zunächst: Dieser thread ist ja schon 7 (!) Jahre alt und ich hänge auch nicht mehr so an der Dolch-Theorie wie früher. Diese stammt ja ursprünglich von Frank Berger, dem Bearbeiter der Münzen von Kalkriese. Ich habe 3 dieser Münzen in meiner Sammlung und habe ein paar Detailfotos angehängt. Diese Stiche sind durchaus unterschiedlich. Es gibt runde Punzen (Berger nennt sie Bohrungen) dreieckig längliche und dreieckig gedrungene Formen, andere sind eher oval. Um das ganze noch zu verkomplizieren sind teilweise mehrere Werkzeuge an einer Münze zu erkennen, teilweise sogar auf derselben Seite. Manche Stiche sind m.E. mit Dolchen kompatibel, andere sind es nicht.
Die Frage bleibt. Was sollte das Ganze ?
Ich fasse nochmal die bisher geäußerten Thesen zusammen:

1. Soldaten im Heeresverband des Varus äusserten spontan durch "Dolchstiche" ihr Missfallen am Herrscher (Berger).
Frage: Sind das wirklich Dolchstiche ? Warum nur spontan und nicht kollektiv ? (Kehne)

2. Die Dolchstiche wurden anlässlich der Meuterei der Legionen am Niederrhein 14 n. Chr. beim Tod des Augustus angebracht (Kehne).
Frage: Warum findet man sie nicht auf Münzen mit frühtiberischen Gegenstempeln (CAESAR in Ligatur), warum tauchen sie in Haltern und in Waldgirmes auf,
die (vermutlich) bereits 9 n. Chr. aufgegeben wurden ?

3. Es handelt sich um demonetarisierte (geopferte) Münzen.
Frage: Warum wird der Großteil der Münzen in Militärlagern und auf einem Schlachtfeld (Kalkriese) gefunden ?
Die Münzen werden durch die Stiche nicht unbrauchbar.
Wurden geopferte Münzen wieder in den Umlauf gebracht ?

4. Es handelt sich um Relikte von Geschicklichkeitsspielen mit Dolchen oder Messern.
Frage: Warum ist das Phänomen so selten ? Es tritt bislang nahezu ausschließlich auf Lugdunum I Assen in den spätaugusteischen Lagern auf (und in Kalkriese)
Wie sind die runden Punzen zu erklären, diese stammen definitiv nicht von Dolchen oder Messern.

Ich gebe zu: Mehr Fragen als Antworten :-)

VG
Quinctilius

Re: Dolchhiebe auf Lug I Assen - Varusschlacht ???

Verfasst: So 30.04.17 19:52
von Hansa
Sollte Kalkriese der Ort der Varusschlacht sein, würde ich auf Punkt 1 tippen. Sollte das nicht der Fall sein und Kalkriese der Ort der Caecina-Schlacht 15 sein, ist Punkt 2 ein ganz starkes Argument. Dann könnten die "Stiche" mit Unmutsäußerungen während der Meuterei oder auch aus Unmut über die für die Legionäre sicher nicht ganz einfachen Rachefeldzüge des Germanicus stehen. Haltern wurde höchstwahrscheinlich nicht 9 nach aufgelassen, sondern als einziges von den Römern gehalten und ist mit dem aus der Geschichtsschreibung bekannten Aliso identisch. Auch das passt gut zu Punkt 2. 3 und 4...nö, die Beiden halte ich für abwegig.
Grüße
Hans

Re: Dolchhiebe auf Lug I Assen - Varusschlacht ???

Verfasst: So 30.04.17 23:34
von quinctilius
Hier mal das Replikat eines römischen Pugio aus Haltern. Es gibt ja sehr aktive Reenactment Gruppen, die sich damit beschäftigen.

Quelle:
http://www.schorsch-der-schmied.de/

Allenfalls die kleinen ovalen Einhiebe würden dazu passen.
Evtl. steckt der Fehler in der Annahme, es müssten unbedingt LEGIONÄRE mit ihren Dolchen gewesen sein.
Pugio und Gladius gehörten zur Standardausrüstung der Legionstruppen, nicht aber zu der der Auxilia.
Die Ereignisse von 9 n. Chr. gingen aber wohl ganz wesentlich von den germanischen Hilfstruppen aus.
Zu denen würden die Messer evtl. besser passen ? Wir sollten m.E. die Korrelation mit dem VAR Gegenstempel im Auge behalten.
Es sind ja im thread genug Beispiele gezeigt.

VG
Quinctilius

Re: Dolchhiebe auf Lug I Assen - Varusschlacht ???

Verfasst: Mo 01.05.17 09:16
von Mynter
shanxi hat geschrieben:Vielleicht sind diese Erklärungsversuche auch alle viel zu seriös. Es gibt und gab ja diverse Messerwurfspiele.
Für mich es leicht vorstellbar, dass die Legionäre zum Zeitvertreib, Messer (Dolch) auf ein irgendwo platziertes As warfen, wer das As traf durfte es behalten .(oder so ähnlich)
Jeder Treffer eine Kerbe.
Unbrauchbar waren die Asse durch die kleinen Kerben sicher nicht.
Oder ganz einfach Langeweile ? So spannend war das Wacheschieben am A... der Erde sicher nicht.
Unser Nachbar früher hat beim Warten auf den Fahrstuhl immer auf der Metallplatte der Knopfarmatur mit seinem Auroschlüssel rumgekratzt. Die Spuren sind vermutlich noch heute sichtbar.

Re: Dolchhiebe auf Lug I Assen - Varusschlacht ???

Verfasst: Mo 01.05.17 10:51
von quinctilius
Hier ein weiterer Varus, wieder mit Einhieben.
Nicht ganz einfach zu beurteilen ob die Hiebe vor oder nach der Einstempelung angebracht wurden. Ich tippe auf danach.
Ein Teil des Hiebes ist deutlich auf dem R zu erkennen.

http://www.archaeologie.sachsen.de/6252.htm

VG
Quinctilius

Re: Dolchhiebe auf Lug I Assen - Varusschlacht ???

Verfasst: Mo 01.05.17 11:44
von Altamura2
quinctilius hat geschrieben:... Hier ein weiterer Varus, wieder mit Einhieben. ...
Hier kann man aber schön sehen, dass die eher nicht von Messern oder Dolchen stammen können.

Nehmen wir denjenigen Einhieb, der von der Mitte des rechten Randes des Gegenstempels schräg nach unten rechts verläuft.
  • Der besitzt nur eine geringe Tiefe, und zwar über die gesamte Länge des Einhiebs, mehr als ein Millimeter ist das vermutlich nicht. Und irgendetwas Zukorrodiertes sehe ich da auch nicht.
  • Der Boden dieses Einhiebs ist eher breit und flach, nur unwesentlich schmäler als der Rand an der Münzoberfläche. Da kann der verursachende Gegenstand also nicht scharf zugeschliffen gewesen sein.
  • Das obere Ende des Einhiebs ist fast rechteckig, auch hier kann keine Schneide gewesen sein.
Mit der Spitze oder Schneide eines Messers oder Dolchs kann sowas aus meiner Sicht nicht erzeugt werden (es sei denn, die wären ungewöhnlich stumpf).

Wenn ich so draufschaue, dann kann ich mir allenfalls vorstellen, dass der Einhieb mit dem hinteren Ende der Klinge erfolgt ist, da wo die Schneide gelegentlich breiter wird und dann ins Heft übergeht. Wenn die Klinge entsprechend geformt ist, könnte das eventuell gehen, dann würde man sich auch nicht die Spitze ruinieren :D .

Gruß

Altamura