Historisch interessante Münzen

Alles was so unter den Römern geprägt wurde.

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chinamul
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Beitrag von chinamul » Mi 03.06.09 10:35

Natürlich sind die Diskussionen um den wahren Ort der Varusschlacht sehr interessant. Leider aber verlieren viele Argumentationen durch ihren polemischen Tonfall an Überzeugungskraft. Man kann sich mitunter des Eindrucks nicht erwehren, als habe der vermutete Schlachtort Kalkriese anderenorts reflexhaft Ablehnung und Widerspruch hervorgerufen, wobei als Motive Eifersüchteleien und Eitelkeiten, vielleicht sogar persönliche Rivalitäten wohl nicht immer ganz auszuschließen sind. Jedenfalls haben die Kontrahenten sich nicht ausreichend bemüht, diesen Eindruck gar nicht erst entstehen zu lassen.
So bleibt für mich nur das Fazit, daß hier von einigen Wissenschaftlern, die es eigentlich besser wissen müßten, der hehre Grundsatz mißachtet wird, der gelehrte Diskurs habe ergebnisoffen und vor allem sine ira et studio geführt zu werden. Der interessierte Laie steht damit vor der undankbaren und von ihm kaum zu bewältigenden Aufgabe, sich aus mehreren divergierenden Ansichten ein eigenes stimmiges Bild zusammenklauben zu müssen.

Mit großem Bedauern grüßt

chinamul.
Nil tam difficile est, quin quaerendo investigari possit

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beachcomber
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Beitrag von beachcomber » Mi 03.06.09 13:49

ich fürchte chinamul hat recht. eitelkeiten und eifersucht begleiten gerade bei einer wissenschaft wie der archäolgie, wo selten aus den befunden eine hundertprozentige sicherheit gewonnene werden kann, die erkenntnisse jeder neuen untersuchung.
und gerade bei einer so wichtigen entdeckung wie des ortes der varus-schlacht, wird es immer zweifler geben.
im übrigen, selbst wenn in kalkriese vereinzelte münzen gefunden wurden die nachweisbar erst nach 9 n. C. geprägt wurden, so ist das immer noch kein widerspruch. schliesslich gab es den feldzug des germanicus, der den ort der niedrlage aufgesucht hat, und warum sollen dabei nicht auch münzen verloren worden sein?
die entdeckung von massenhaft meschlichen knochen, die begraben wurden nachdem sie lange offen gelegen hatten und von tieren benagt wurden, lässt mich jedenfalls nicht an kalkriese als dem ort der varus-schlacht zweifeln!
grüsse
frank

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Peter43
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Beitrag von Peter43 » Di 16.06.09 12:45

Einige Bemerkungen zur antiken Kleidung

Diese Beiträge sind vor über 3 Jahren erschienen. Damals gab es noch keinen Historischen Thread. Ich glaube, daß sie hier bsser aufgehoben sind, da sie es wert sind, nicht im Orkus zu verschwinden.

Auf vielen antiken Münzen kommen reich drapierte weibliche und männliche Figuren vor. Ich finde, es ist interessant, herauszufinden, um welche Kleidungsstücke es sich dabei handelt, wie sie heißen und welche Funktion sie hatten. Dabei gibt es einige grundlegende Probleme. Die antiken literarischen Quellen sind oft nicht sehr klar, und die Darstellungen der antiken Kunst gehorchen eigenen Gesetzen, die oft mit den literarischen Quellen nicht übereinstimmen.
Bei der Beschäftigung mit der antiken Kleidung handelt es sich um eine Wissenschaft. Das kann ich natürlich nicht reproduzieren. Deshalb handelt es sich hier nur um einen Überblick. Zudem hat sie sich über einen Zeitraum von fast 1000 Jahren entwickelt. In dieser Zeit haben sich natürlich die Bekleidungen stark verändert. Aber man kann die griechische Kleidung im Prinzip auf drei Grundformen zurückführen. Das sind

1. Der Chiton
2. Der Peplos
3. Das Himation
Dazu kommt noch
4. Die Chlamys.

Der Chiton

Der Chiton ist das eigentliche Hauptgewand der Griechen. Er ist bekannt seit dem 4.Jh. und wird von Frauen und Männern getragen. Er kann kurz, also bis zu den Knien, oder lang sein, d.h. bis auf die Füße fallen. Er besteht aus Leinen und hat die Form eines großen Rechtecks, in das man hineinschlüpft. Er wird also nicht umgehängt! Er kann auch Ärmel haben. Er kann ungegürtet getragen werden, aber auch gegürtet, sodaß er einen Überwurf bildet, das Ampechonion oder Diploidion, das dann den Gürtel verdeckt. Oft wird darüber ein weiteres Oberkleid getragen.

Bilder:
1) Demeterpriesterin in gegürtetem Chiton
2) Dionysos in kurzem Chiton, gegürtet, langärmlig (Mesambria AMNG 4018)
3) Artemis mit Chlamys über langem, gegürteten Chiton (Hadrianopolis Jurokova 591)

(wird fortgesetzt)
Dateianhänge
Demeterpriesterin_2.JPG
mesambria_philippI&otacilia_moushmov4018.jpg
hadrianopolis_gordianIII_jurukova591.jpg
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Beitrag von Peter43 » Di 16.06.09 12:50

(Fortsetzung)

Der Peplos

Der Peplos ist das klassische Kleidungsstück der griechischen Frauen. Es besteht in der Regel aus Wolle, ist also dicker als der Chiton, und besteht aus einem großen Rechteck, das so umgehängt wurde, daß die eine Seite durch einen Gürtel geschlossen werden mußte. Auf den Schultern wurde er durch Knöpfe(?) festgehalten. Er ist ärmellos. Normalerweise war der Peplos länger als der Körper, sodaß der obere Teil umgelegt werden mußte und dadurch einen Überwurf über dem Oberkörper bildete, die Apoptygma. Dieser Überwurf beeindruckt dann als großer Bausch, Kolpos. Der Peplos kann mit einem Gürtel unter diesem Überwurf getragen werden, untergegürtet, aber auch über dem Überwurf gegürtet werden. Besonders reizvoll ist seine vielfältige Drapierungsmöglichkeit, die zusammen mit der Vielfalt der Stoffqualität und der Musterung zur einer großen Variationsbreite führt. Unter dem Peplos wurde normalerweise der Chiton getragen, den man oft unter dem Peplos herausschauen sehen kann.

Bilder:
1) Eirene mit Pluton im Peplos über langem Chiton
Statue des Kephisodotos (Vater des Praxiteles)
2) Tyche in untergürtetem Peplos über langem Chiton
(Amorion, SNG von Aulock 3419)
3) Demeter im Peplos über langem Chiton, langärmlig, mit Kalyptre
(Odessos, Moushmov 1659)

(wird fortgesetzt)
Dateianhänge
Eirene_mit_Pluton.JPG
amorion_geta_SNGvon_Aulock3419var.jpg
odessos_gordianIII_moushmov1659.jpg
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Beitrag von Peter43 » Di 16.06.09 12:53

(Fortsetzung)

Das Himation

Das Himation, aus der Chlaina hervorgegangen, setzt sich am Ende des 5.Jh. durch. Es ist so etwas wie der Mantel der Griechen. Es besteht ebenfalls aus einem großen rechteckigen Tuch und wurde immer so umgelegt, daß die re. Schulter frei blieb. Es war also nicht befestigt! Es war nicht einfach ein Himation umzulegen. Typisch an ihm ist, daß das Ende über den Arm geworfen getragen wurde. Berühmt ist die Statue des Sophokles oder des Demosthenes im Himation. Beide tragen das Himation achiton, d.h ohne Chiton darunter. So bleibt die re Schulter unbedeckt. Es konnte aber auch mit einem Chiton darunter getragen werden, und zwar von Männern und von Frauen. Wegen seiner Größe war es möglich, es über den Kopf zu ziehen, wie es z.B. Sokrates tat, als er sich zum Sterben zur Wand drehte. Auch verhüllte Frauenfiguren sind meistens zusätzlich in das Himation gekleidet. Dies gab den Frauen auch die Möglichkeit, kokett mit dem Verhüllen zu spielen! Daneben gab es aber noch die Kalyptre, das Kopftuch der Fauen, das bis auf die Schultern herabfiel. Das Himation hielt sich bis zum Ende der Antike.

Bilder:
männlich:
1) Demosthenes in Himation, Glyptothek in Kopenhagen
2) Asklepios in achitonem Himation (Serdica, Ruzicka 245)

weiblich:
3) Demeter mit doppelgegürtetem Chiton und Himation
4) Tyche in Himation über langem, hochgegürteten Chiton
(Markianopolis, AMNG 775)

(wird fortgesetzt)
Dateianhänge
Demosthenes.JPG
serdica_caracalla_ruzicka245.jpg
Demeter_2.JPG
markianopolis_macrinus&diadum_pick775.jpg
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Beitrag von Peter43 » Di 16.06.09 12:58

(Fortsetzung und Schluß)

Die Chlamys

Die Chlamys war ursprünglich ein kurzer Mantel der thrakischen Krieger, der dann von den Griechen übernommen wurde. Sie besteht aus einem ovalen Stoffteil, wurde auf einer Schulter mit einer Fibel befestigt und läßt den rechten Arm frei. Eigentlich handelt es sich um ein Männerkleid, wurde allerdings auch von Artemis als Jagdkleid getragen. Auf Darstellungen flattert sie oft dem Träger hinterher. Sie wird üblicherweise über einem kurzen Chiton getragen, kann aber auch ohne Chiton auskommen, z.B. bei Helios.

Unbekleidet, nackt, waren in der Regel nur die Götter. Dies war ein Zeichen ihrer Reinheit, die sie von den sterblichen Menschen unterschied.

Bilder:
1) Apoll von Belvedere
2) Diana mit Chlamys über kurzem Chiton (Nikopolis AMNG 1843)
3) Apollo mit Chlamys (Cremna, SNG France 1528)

Lit.:
Margarete Bieber, Entwicklungsgeschichte der griechischen Tracht, Verlag Mann Berlin 1967
Bruhn/Tilke, Kostümgeschichte in Bildern, Verlag Wasmuth Tübingen 1955
Der kleine Pauly
http://www.uky.edu/AS/Classics/agfc-moyrsmith.html

Ich hoffe, daß ich unseren neueren Mitgliedern etwas Interessantes habe bieten können.

Mit freundlichem Gruß
Dateianhänge
Apoll_von_Belvedere.JPG
nikopolis_diadumenian_AMNG1843.jpg
cremna_aurelian_sngfrance1528_713.jpg
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Beitrag von Peter43 » Di 04.08.09 15:37

Der stehende Seegott von Savatra

In den Mythologiethread übertragen!
Zuletzt geändert von Peter43 am Mo 25.06.12 19:57, insgesamt 2-mal geändert.
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Beitrag von justus » Mi 26.08.09 12:42

Constantinus I.

Æ 3, Constantinopolis 327 n. Chr.
Av. CONSTANTI – NVS MAX AVG / Kopf mit Diadem n. r.
Rv. LIBERT – A – S PVBLICA / Viktoria n. l. auf Galeere stehend, hält Kränze in beiden Händen. Im Feld l. E. Im Abschnitt CONS.
Gewicht: 3,7 g. Durchmesser: 20 mm.
RIC VII Constantinople 25 (sehr selten, R2s); RSC 319; Sear 3877; Kampmann 136.152.

LIBERTAS PVBLICA ist Teil einer Serie von Münztypen, die zum erfolgreichen Abschluss des Bürgerkrieges mit Licinius geprägt wurden. Sie ist eine Anspielung auf den Seesieg unter Crispus am Bosporus. Die Serie wurde geprägt, um die Arbeiter zu bezahlen, die mit dem Bau der neuen Stadt Constantinopolis beschäftigt waren.

Grüße IVSTVS

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Beitrag von Peter43 » Do 27.08.09 20:35

Die mobilen Reserven des Gallienus

Gallienus, 253-268
AR - Antoninian, 3.56g, 23mm
Köln, 257 n.Chr.
Av.: IMP GALLIENVS P AVG
Büste, cürassiert, mit Strahlenkrone, n.r.
Rv.: IOVI VI - CTORI
Jupiter, nackt, steht nl. auf Cippus mit der Inschrift IMP / CES in 2 Zeilen, hält in der li
Hand Speer und in der ausgestreckten Rechten kleine Victoria
Ref.: Göbl (Köln) 870d var.; Zschucke 18; RIC V/1, (Lyons, 258 n.Chr.) 21; C.398
Nicht häufig, fast SS, einige Prägeschwächen

IMP / CES wird üblicherweise aufgelöst zu IMPERATOR CVM EXERCITV SVO = Der Kaiser mit seinem Heer.

Zur Zeit des Gallienus wurde das römische Reich von 3 Seiten gleichzeitig bedroht: an der Donau, am Euphrat und am Rhein. 256/257 teilten Valerian und Gallienus das Reich unter sich auf, um es besser verteidigen zu können. Valerian übernahm den Osten, Gallienus den Westen. Die Inschrift auf der Münze weist darauf hin, daß Gallienus zwar nicht nach dem Gesetz, aber doch praktisch selbständig war in der militärischen Entscheidungsgewalt.

Wohl während seines Kommandos am Rhein schien Gallienus sich eine neue Strategie zur Verteidigung des Reiches überlegt zu haben. War erst einmal die Grenzverteidigung von den Barbaren durchbrochen, gab es praktisch kein Halten mehr für ihre berittenen Truppen. Dem römischen Feldheer mit seinen feststehenden Legionen und Auxiliarkräften fehlte eine strategische mobile Reserve. Im Osten waren die Sassaniden den Römern überlegen durch ihre gepanzerten Reiter, den catafractarii. Diese Kriegswaffe wurde von den Römern übernommen in ihren Equites catafractarii, womit wohl bereits Marcus Aurelius begonnen hatte. Das Problem der mobilen Reserve wurde durch Gallienus' Kavalleriereform behoben.

1. Die strategische mobile Reserve
In der Leo-Quelle heißt es: "Gallienus aber stellte als erster Kavalleriecorps auf (protos hippika tagmata)." Der erste Reiterführer war wahrscheinlich Aureolus. Das besondere an ihnen war, daß sie dem Kaiser persönlich unterstanden: imperator exercitus suo. Dies war also schon der Fall vor der eigentlichen Militärreform von 263.
Der Titel des Aureolus war wahrscheinlich dux omnium vexillationem, d.h. soviel wie "Kommandeur aller zur Eingreifsarmee zusammengefaßten Detachements".
Die literarischen und numismatischen Quellen weisen auf ein Reiterheer in Mailand hin. Aurei mit der Inschrift FIDEI EQVITVM scheinen für einen größeren Reiterverband geprägt worden sein, nicht nur für eine Vexillation. Damit steht die Reiterarmee gleichberechtigt neben der römischen Feldarmee.
Die erste mobile Armee, die Gallienus aufstellte, war gegen die Alamannen gerichtet, die 258/9 Italien unsicher machten. Sie bestand aus der Legio II Parthica und den Prätorianern. Dazu kamen Vexillationen vom Rhein, aus Pannonien und Noricum. Mit ihr gelang es ihm die Alamannen bei Mailand zu schlagen. Die Reiter, mit denen Aureolus gegen den Usurpator Ingenuus kämpfte, waren die illyrischen Reiter, die Equites Illyricorum. Es ist möglich, daß sie zur Basis der gallienischen Reform wurden.
Diese Abteilung war nicht wie das Feldherr an einen bestimmten Ort gebunden, sondern wurde nach Bedarf eingesetzt. Es war die strategische Reserve, die so dringend benötigt wurde. Ihre Aufstellung in Mailand war sinnvoll, weil es von da aus gleichweit an den Rhein wie an die Donau war.

2. Die operativen mobilen Reserven
Dann wurden operative Reserven gebildet. Die römische Armee bestand bereits aus den 3 Waffengattungen Infanterie, Kavallerie und Artillerie. Die Infanterie war natürlich die zahlreichste von ihnen und machte den Großteil der Legionen und Auxiliarien aus. Jede Legion besaß neben der Infanterie 120 Reiter, Equites legiones. Gallienus hatte sie auf 726 aufgestockt, um die Legionen mobiler zu machen. Daneben entnahm er jeder Legion eine Vexillation und machte aus zwei von ihnen eine neue Einheit, die er an wichtigen Punkten im Hinterland stationierte, um durchgebrochene Gegner zu stellen.

3. Die protectores
Daneben gab es noch eine kaiserliche Privatreiterei, die Equites singulares Augusti, die zum Schutz des Kaisers selbst bestimmt war. Sie war bereits von Trajan geschaffen und von Severus auf 2000 Mann aufgestockt worden. Zwischen 253 und 258 tauchte eine weitere Truppe auf, die protectores, wohl eine Art von Leibwache, aber auch ein Ehrentitel, der die Loyalität dem Kaiser gegenüber ausdrückte. Es gab drei Klassen: die unterste bestand aus den Centurionen, eine weitere aus den Legionspräfekten und Tribunen, und die höchste waren die obersten Offiziere mit einem besonderen Kommando, was als Karrieresprungbrett benutzt werden konnte. Gallienus verfolgte wohl das Ziel, diese hohen Offiziere an sich zu binden im Sinne der Gefolgstreue. Er hatte sich damit eine Art von Stab in unserem Sinne geschaffen.

Dies waren Reformen, an die dann Aurelian und Diocletian anknüpfen konnten. Der Wiederaufstieg des Reiches begann.

Mit freundlichem Gruß
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gallienus_Lyons_21.jpg
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Beitrag von justus » Sa 29.08.09 19:28

Sehr interessanter und informativer Bericht über die Heeresreform unter Gallienus, Jochen! Aus welchen Sekundärquellen stammt er?

Grüße IVSTVS

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Beitrag von Peter43 » Sa 29.08.09 23:24

Hallo Iustus!

Hier sind die wichtigsten:
- Michael Grant, Die römischen Kaiser
- Chris Sarre, Die römischen Kaiser
- Alexander Demandt, Die Spätantike, Teil 6
- http://www.roman-emperors.org/gallval.htm
- http://de.wikipedia.org/wiki/Kataphrakt
- Alföldy, M.R., Zu den Militärreformen des Kaisers Gallienus, Basel, 1957
- Thorsten Hübner, Mittel der Krisenbewältigung - militärische Reformen: Die Reformen des
Kaisers Gallienus, Studienarbeit
- H.-G. Pflaum, Zur Reform des Kaisers Gallienus, Historia Bd.25 (1976), S.109-117
Internet durchsucht nach
- Gallienus Militärreform
- Gallienus Kavallerireform

Am wichtigsten war die Studienarbeit von Thomas Hübner.

Mit freundlichem Gruß
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Beitrag von Peter43 » Mo 07.09.09 18:44

Olbia, die Glückliche

Ursprünglich hatte ich nur vor, eine Münze aus Olbia im Kontext vorzustellen. Dann habe ich mich aber entschlossen, einen ganzen Artikel über Olbia zu schreiben. Der Anstoß kam von der Borysthenes-Rede des Dion von Prusa, die ich allen Interessierten wärmstens empfehle. So sind es jetzt mehrere Münzen aus Olbia, die ich hier vorstelle, samt einer Geschichte dieser griechischen Stadt in Sarmatien am nördlichen Ufer des Schwarzen Meeres, vom Rande der antiken Kultur sozusagen.

1. Münze:
Sarmatien, Olbia, 5.-4.Jh. v.Chr.
AE, 1.01g, max. 21.2mm
Springender Delphin mit Rückenfinnen und hervortetendem Auge
SNG BM 367; SGCV 1684 var.
SS
Eine der frühesten Münzen aus Olbia. Waren zunächst wahrscheinlich Votivgaben für Apollo Delphinios.

2. Münze:
Thracien, Olbia, c.300-260 v.Chr.
AE 21, 12.40g
Av.: Bärtiger und gehörnter Kopf des Flußgotts Borysthenes, n.l.
Rv.: OLBIO
Kampfaxt (Szepter?) und Bogentasche
im li. Feld LE
SNG BM Blacksea 496; SNG Copenhagen 85 var. (Monogramm); Karyshkovsky cf.41
SS, gut zentriert, braune Patina
Borysthenes war der antike Name des Dnjepr und auch der Stadt Olbia. Zusammen mit dem Bug fließt der Dnjepr durch denselben Liman in das Schwarze Meer. Im Latein des 4.Jh. wurde der Fluß Danapris genannt, was der Ursprung des heutigen Namens ist (Ukrainisch Dnipro). Der Redner und Philosoph Dion aus Prusa malt in seiner 'Borysthenischen Rede' ein faszinierendes Bild der Stadt Olbia und einer menschlichen Gesellschaft, die von Stoischen und Platonischen Ideen durchdrungen ist.
Später wurde der Dnjepr zu einem der bedeutendsten Flüsse der Wikinger/Waräger, die an seinem Ufer Kiew gründeten.

3. Münze:
Thracien, Olbia, Koson, ca. 40-29 v.Chr.
AV - Stater, 8.39g, 20.4mm
Av.: Der Römische Consul L. Junius Brutus, in Toga, n.l. gegend, begleitet von zwei
Liktorenträgern, die ihre Fasces über der r. Schulter tragen.
im l. Feld BA
im Abschnitt KOSWN
Rv.: Adler mit geöffneten Schwingen steht auf Szepter n.l., hält in der r. klaue Kranz
Iliescu 1; RPC I, 1701; BMC Thrace p.208, 2; BMCRR II p.474, 48
FDC
Die Vs. ist inspiriert vom berühmten Denar Crawford 433/1 des M.J.Brutus 54 v.Chr., die Rs. ist kopiert vom Denar Crawford 398/1 des Q. Pomponius Rufus 73 v.Chr.
Ich kann und will hier nicht auf diese Münze im Einzelnen eingehen. Nur das: Die Rs. mit dem Adler wiederholt sich auf Münzen aus Olbia, was zur heutigen Meinung geführt hat, daß diese Münze in Olbia geprägt worden ist. Siehe dazu die nächste Münze von Severus Alexander!

4. Münze:
Sarmatien, Olbia, Severus Alexander, 222-235
AE 23, 7.24g
Av.: AVT KM AVR CEOV ALEZAN - DROC (AV von AVR und V A ligiert)
Kopf, belorbeert, n.r.
Rv.: OL[BIOPOL]ITWN
Adler mit ausgebreiteten Flügeln auf Blitzbündel frontal stehen, Kopf mit Kranz im
Schnabel n.l. gewendet, zwischen den Füßen I, re neben dem Kopf Delta
Ref.: SNG Copenhagen 114; SNG Stancomb 949-950; Zograph Tf. 34, 19
Selten, SS+, Rs. etwas exzentrisch
Pedigree:
London Coin Auction#?, Lot 259
Eine ähnliche Münze bei M&M Auktion 15, 12.Okt.2004. Dort wird das I zwischen den Füßen fälschlicherweise als Altar bezeichnet.
Die Rs. hat viel Ähnlichkeit mit der Rs. des berühmten Kosonstaters, ja diese Ähnlichkeit spricht dafür, daß der Kosonstater aus Olbia stammt.

Die griechischen Städte an der Nordküste des Schwarzen Meeres entstanden im Zuge der um die Mitte des 7.Jh. v.Chr. einsetzenden und sich dann im 6.Jh. ausweitenden Kolonisierung vor allem von Milet. Die milesische Kolonie Olbia, die Glückliche, war eines der bedeutendsten Zentren in der Gegend und spielte eine wichtige Rolle in der Geschichte des Nordpontos. Gelegen war es in der heutigen Ukraine, am re Ufer des Hypanis (Bug) und bei der Mündung des Borysthenes (Dnjepr, ukrainisch Dnipro), die zusammen in den Dnipro-Bug-Liman münden, einer Art von Haff. Es war eine blühende Handelsstadt und die bedeutendste Getreidestadt des 5.Jh. v.Chr. Es war gleichzeitig der Ausgangspunkt für die Flußschiffahrt ins Innere des Landes und wichtig für die beiderseitigen Einflüsse von Griechen und 'Barbaren'. Ursprünglich wurde eine Siedlung auf der Halbinsel Berezan (benannt nach Borysthenes) gegründet, dann Olbia auf dem 40km nördlich gelegenen Festland. Berezan war zunächst der Hafen von Olbia, so wie Piräus der Hafen von Athen ist, und das Emporion (Handelsplatz) von Olbia. Im 5.Jh. schuf sich Olbia einen eigenen Hafen.

Die Hauptgötter waren Apollon Ietros, über den wir nicht viel wissen, und dann Apollon Delphinios. Dessen Kult versah das Kollegium der Molpoi, dessen Anführer nicht nur Oberpriester, sondern auch städtischer Eponym war. Noch in der ersten Hälfte des 6.Jh. entstand eine lokale Währung in Form von gegossenen Pfeilspitzen, und dann ab 550 die berühmten olbischen Münzen in Form von kleinen gegossenen Bronzedelphinen, die zunächst wohl als Opfergaben für Apollo dienten. Olbia breitete sich schnell aus, insbesondere durch agrarische Siedlungen im Hinterland, der Chora von Olbia, und an den Ufern des Limans.

Die Blütezeit Olbias war sicherlich das 5.-3.Jh. v.Chr. Zu Beginn des Jahrhunderts hatte sich das Skythenreich gefestigt und erfolgreich den Feldzug des Perserkönigs Dareios abgewehrt. Im Anschluß daran unterwarfen jetzt die Skythen die ackerbauende Stämme des Waldsteppengebietes und kamen 496 sogar bis zur thrakischen Chersones. Dies hatte natürlich auch einen starken Einfluß auf Olbia, das sich gegen die Skythen wehrte. Die Chora schrumpfte, Olbia umgab sich mit Befestigungsanlagen, die noch Herodot gesehen hat. 480 schlossen Skythen und Thraker einen Friedensvertrag uind es trat eine Beruhigung ein. Olbia begab sich unter das Protektorat der Königsskythen, offenbar gegen Tributzahlungen. Olbia selbst wurde von einem Tyrannen regiert und es wurden Münzen mit Symbolen der Polis geprägt. Dies war eine Periode des wirtschaftlichen Aufschwungs. Die Bevölkerung nahm zu, die Handelstätigkeit vergrößerte sich. Apollon Delphinios erhielt einen großen Tempel. Beschriftete Täfelchen mit dem Namen des Dionysos belegen, daß Olbia eines der frühesten Zentren der Orphiker war und daß dabei Dionysos eine prominente Rolle spielte.

Im 4.Jh. v.Chr. kam es zu tiefgreifenden Umwälzungemn: Es gelang Olbia offenbar, sich von dem skyhischen Protektorat und von der Tyrannis zu befreien. Der Kult des Zeus Eleutherios wurde gegründet, von dem mehrere Weihinschriften erhalten sind. In dieser Zeit wurde
auch die Chora wieder restauriert. Die neue Souveränität zeigte sich unter anderem im massiven Ausbau der Wallanlagen. Ein wichtiges Ereignis war die erfolglose Belagerung der Stadt durch Zopyrion, den Statthalter Alexander des Großen. Dazu hatten die Olbiopoliten ihre Sklaven freigelassen, Fremden das Bürgerrecht gewährt, Schulden erlassen und konnten so den Feind überwältigen. Dieser Erfolg führte zur letzten und größten Blüte Olbias. Der ungeheure wirtschaftliche Aufschwung veranlaßte auch den Zustrom von 'Barbaren' in die Stadt. Auf der Agora entstand eine große Stoa, im Süden das Ensemble des Gymnasions, und das beeindruckende Wassersystem wurde weiter ausgebaut.

Mitte des 3.Jh. ging diese Blüte zu Ende. Die Siedlungen der Chora wurden von nomadisierenden Barbaren zerstört, die Beziehungen zu den friedliebenden ackerbautreibenden Stämmen wurde unterbrochen. Die Staatsfinanzen waren zerrüttet, es kam zu einer Nahrungsknappheit, die die Stadt durch öffentliche Getreideeinkäufe (Sitonie) und unentgeltliche Brotverteilung (Sitometrie) bekämpfte. Die Geldentwertung und
die Einführung von billigen Kupfermünzen scheint diese Situation noch verschlimmert zu haben. In der Mitte des 2.Jh. stabilisierte sich die Lage wieder etwas, was durch die Prägung von Silbermünzen zum Ausdruck kommt. Wahrscheinlich war dies König Pharnakes von Pontos zu verdanken, der den Poleis an der Schwarzmeerküste militärische Hilfe leistete. Doch nach der Mitte des Jahrhunderts wurde Olbia wieder so stark von lokalen Barbarenstämmen bedrängt, daß es sich an die umwohnenden Mixhellenen, wahrscheinlich hellenisierte Skythenstämme, um Hilfe wenden mußte. Olbia verlor wieder seine Unabhängigkeit. Der Protektor war diesmal Skiluros, der Skythenherrscher auf der Krim. Der benutzte die olbische Flotte nicht nur für seinen eigenen Export, sondern auch zum Kampf gegen die Piraten, was Olbia zugute kam. Nach dem Tod des Skiluros wurde dessen Sohn von Mithridates Eupator geschlagen und Olbia kam zum Pontischen Reich. Da Mithridates aber mit seinem Krieg gegen Rom beschäftigt war, überließ er Olbia seinem Schicksal. 55 v.Chr. wurde Olbia von den Geten unter König Burebista erobert und niedergebrannt. Allerdings existierte es verkleinert weiter, weil die Skythen es als Handelsplatz brauchten.

Olbia war nun eine kleine Siedlung. Auf der zerstörten Fläche wurde nun Vieh gehalten. Da suchte Olbia Schutz bei den Römern. Es sandte Gesandschaften nach Moesien. Unter Tiberius begannen reiche Olbiopoliten mit Gebäudeweihungen an den Kaiser. Seit der Regierung des Claudius (41-54 n.Chr.) gibt es wieder eine Münzprägung. Nero schließlich verlegte eine Auxiliartruppe nach Olbia. Neue Stadtmauern wurden errichtet. In der Chora entstanden befestigte Dörfer. Die Stadt erhielt aber wieder ein barbarisches Protektorat, diesmal der sarmatischen Aorser, deren König Pharzoios bis in die Zeit des Domitian Goldmünzen in Olbia prägen ließ. Unter Trajan wurde das Münzsystem auf das römische umgestellt. Unter Hadrian wurde Olbia civitas foederata, und der Kaiser beauftragte den bosporanischen König Kotys II. mit dem Schutz Olbias. Unter Antoninus Pius fand ein Feldzug der römischen Armee in Moesien gegen die Tauroskyten statt, die ständig Olbia bedroht hatten. Die römischen Soldaten, darunter viele Thraker, brachten die Verehrung des thrakischen Reitergottes nach Olbia.

Einen letzten Aufschwung erlebte Olbia unter den Severern. Unter Severus wurde Olbia in die Provinz Moesia inferior aufgenommen. Der Handel, besonders mit den anderen Schwarzmeerstädten und Milet, blühte auf. 198 wurden Thermen gebaut und neue Tempel, u.a. für Serapis und Isis. Der Kult des Apollo Delphinios verschwand und wurde durch Apollon Prostates, den Beschützer der Stadt, ersetzt. Eigene Priester hatte der Zeus Olbios und zu einer bemerkenswerten Blüte kam im 2.-3.Jh. der Achilleuskult. Wie Achill mit den Skythen zusammenhängt, wird immer noch diskutiert. Vielleicht ist es einer der Gründermythen, mit denen die Griechen einen Anspruch auf das Land erhoben, das sie besiedeln wollten.

Nach dem Tod des Severus Alexander 235 n.Chr. hörte die Münzprägung auf und Olbias endgültiger Niedergang begann. Somit ist die abgebildete Silbermünze eine der letzten geprägten Münzen. Bis in die Zeit des Diokletians bestand noch eine römische Garnison in der Stadt, die half, die ersten Gotenangriffe zu überstehen. Aber der zweite Gotensturm 269/70 besiegelte den Untergang der Stadt. Auch das Leben auf Berezan und in den Dörfern der olbischen Chora erlosch. Das war das Ende von Olbia, der Glücklichen, nach fast tausendjähriger Geschichte am Rand der antiken Welt.

Da Olbia später nie überbaut wurde, gehört es zu den am besten erforschten antiken Orten der Schwarzmeerküste. Bis heute bringt jede Grabungssaison spektakuläre Neufunde, insbesondere epigraphischer Art. Erwähnenswert sind die Unterwasserforschungen der jüngsten Zeit (s. marine Transgression der nördlichen Schwarzmeerküste). Aber was zwei Weltkriege und die russische Revolution nur kurz unterbrechen konnte, ist heute durch die finanzielle Notlage der Ukraine bedroht. Das schlimmste aber sind die Raubgräber, die in größtem Stil und gut organisiert Olbia plündern, 2000/2001 allein 1800qm der Polis und 10000qm der Nekropole. Damit sind einzigartige Kenntnisse der Wissenschaft für immer entzogen. Eine Tragödie, die wegen der Bedeutung Olbias die gesamte Altertumswissenschaft betrifft (Balbina Bäbler)

Hinzugefügt habe ich eine Karte des Schwarzmeergebietes, damit man sich ein Bild von der Lage Olbias machen kann.

Quellen:
- Balbina Bäbler, Der Schauplatz des Borysthenitikos; das antike Olbia, in Dion von Prusa,
Menschliche Gemeinschaft und göttliche Ordnung: Die Borysthenes-Rede, 2003 WBG
Darmstadt
- Wikipedia

Mit freundlichem Gruß
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Ancient_Greek_Colonies_of_N_Black_Sea.JPG
olbia_SGCV1684var.jpg
olbia_SNGblacksea496.jpg
koson_iliescu1.jpg
olbia_sev_alexander_SNGstancomb249.jpg
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Beitrag von Peter43 » Mo 28.09.09 20:01

Der antike Leistenschnitt

Ich weiß inzwischen, daß viele kein Interesse an Details haben, aber ich muß sagen, daß ihnen leider vieles entgeht, was man wissen sollte. So setze ich mich jetzt über sie hinweg, und möchte etwas über den antiken Leistenschnitt erzählen. Eigentlich müßte dieser Artikel unter dem Motto 'Künstlerisch interessante Münzen' laufen!

Der berühmteste griechische Bildhauer der Antike war wohl Polykleitos. Die einzige Statue, die uns erhalten geblieben ist, ist der Doryphoros, und das auch nur in einer römischen Kopie. Alle anderen Werke kennen wir aus Beschreibungen antiker Schriftsteller. Polykleitos hatte ein Schönheitssystem erfunden, den berühmten 'Kanon', der später von Michelangelo und anderen Renaissancekünstlern wieder aufgenommen wurde. U.a. stammt von ihm die Körperstellung mit Stand- und Spielbein. Doch seine Beschreibung des menschlichen Körpers ist nicht immer korrekt, sondern aus ästhetischen Gründen in einigen Punkten idealisiert und der wirklichen Anatomie widersprechend.

Und jetzt wird es anatomisch: Der Übergang der Muskelfasern des schrägen Bauchmuskels, musculus obliquus abdominis, in seine Sehnenfasern geschieht in einer vertikalen Linie parallel des Randes des geraden Bauchmuskels, musculus rectus abdominis. Zwei Fingerbreit nach innen und ein wenig oberhalb des vorderen oberen Darmbeinstachels, spina iliaca anterior superior, wendet sich diese Übergangslinie fast rechteckig nach außen. Diese Stelle wird 'Muskelecke' genannt und kann bei einem muskulösen Körper deutlich gesehen werden. Dieser Punkt liegt direkt auf der linea spino-umbilicalis, einer Verbindungslinie zwischen dem Nabel und dem vorderen oberen Darmbeinstachel und korrespondiert mit demm berühmten MacBurneyschen Punkt, der eine wichtige Rolle bei der Diagnose einer Appendicitis (Blinddarmentzündung) spielt, weil er in diesem Fall sehr druckschmerzhaft ist.

Das untere (kaudale) Ende der Aponeurose des schrägen Bauchmuskels verbindet sich mit der Faszie des Oberschenkkels, der fascia lata, in der Leistenbeuge. An dieser Stelle verstärkt sich die Aponeurose zu einem bandförmigen Strang, dem Leistenband, ligamentum inguinale, das sich vom vorderen oberen Darmbeinstachel zum Schambeinhügel, tuberculum pubicum, erstreckt

Zur Erläuterung dieser anatomischen Verhältnisse habe ich hier ein Bild aus dem Anatomieatlas (1. Bild). Man erkennt die Muskelecke, auf die der grüne Pfeil zeigt, und den schwarzen Pfeil, der auf den vorderen oberen Darmbeinstachel zeigt. Man sieht deutlich, daß es sich dabei um 2 verschiedene Punkte handelt. Und hier als Beispiel ein antikes Standbild, den Thermenherrscher, der diese Anatomie korrekt wiedergibt (2. Bild, siehe Pfeile!).

Dies aber fanden die antiken griechischen Bildhauer nun gar nicht schön, sondern unästhetisch, und haben in der Nachfolge von Polykleitos die Muskelecke nur sehr undeutlich markiert und sie zusammengelegt mit dem vorderen oberen Darmbeinstachel, der spina iliaca anterior superior, so daß das Leistenband, ligamentum inguinale an diesem zusammengelegten Punkt zu beginnen scheint. Dies nennt man den 'antiken Leistenschnitt', und er unterscheidet sich deutlich von den tatsächlichen natürlichen Verhältnissen.

Das 3. Bild zeigt nun den berühmten Doryphoros des Poykleitos, den Speerträger. Man sieht, daß bei ihm nur eine Linie von der Seite nach medial zur Leiste zieht (siehe Pfeil). Dieselben Verhältnisse liegen vor bei der Darstellung des Zeus auf der Rs. dieser Münze aus Nikopolis (4. Bild). Wir finden hier keine Muskelecke und keine zwei getrennten anatomischen Punkte, wie es eigentlich korrekt sein müßte. Wir müssen also konstatieren, daß die griechischen Bildwerke doch nicht so natürlich sind, wie sie oft gesehen werden. Es sind idealisierte Menschen!

Quelle:
Voss/Herrlinger, Taschenbuch der Anatomie, Band I, S.136

Mit freundlichem Gruß
Dateianhänge
Bild_1_anatomische_Verhältnisse_an _der_Leiste.jpg
Bild_2_Thermenherrscher.jpg
Bild_3_ Polykleitos_Doryphoros.jpg
Bild_4_nikopolis_diadumenian_AMNG1830.jpg
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Beitrag von Peter43 » So 11.10.09 00:00

Hallo!

Ich stelle heute zwar keine Münze vor, aber ich glaube trotzdem, daß dieser Artikel in diesen Thread gehört. Ich möchte hier nämlich eine Liste der Sprachen vorstellen, die im Römischen Reich zwischen 100 v.Chr. und 395 n.Chr. gesprochen wurden. Diese Liste stammt aus "Die Sprachen im Römischen Reich der Kaiserzeit (Bonner Kolloquium 1974, Beihefte der Bonner Jahrbücher Jahrbücher Band 40, Rheinland-Verlag GmbH, Köln 1980)". Ich hoffe, daß einige von euch genausoviel Spaß beim Durchmustern der Liste haben, wie ich es hatte!

- Ägyptisch (als Mittel- und Neu-Ägyptisch, Früh-, Mittel- und Spät-Demotisch; Alt-Koptisch und Koptisch)
- Albanisch (1) ( Eine alte illyrische Sprache an der Adria)
- Albanisch (2) ( Eine Sprachfamilie aus dem Kaukasus, nicht mit (1) verwandt; die Hauptsprache war Arranisch, das allein 26 Untersprachen gehabt haben soll, keine
Dialekte!)
- Arabisch (in den Typen Nabatäisch, Palmyranisch: einer Arabisch-West-Aramäischen Hybridsprache, Shafaitisch(?), Tamudisch)
- Aramäisch (im Ostteil des Reiches die übliche Handels- und Verwaltungssprache, lange Zeit genauso wichtig wie Griechisch und Lateinisch
- Armenisch
- Babylonisch (Akkadisch)
- Baskisch
- Dakisch (mit dem Thrakischen verwandt; mit den verwandten Sprachen Getisch, Moesisch, Triballisch)
- Etruskisch
- Garamantisch (in Nordwest-Afrika)
- Germanisch (ob dies zu dieser Zeit wirklich besonders unterschiedene Sprachen waren ist nicht bekannt)
- Griechisch (die Attisch-Ionische Koine als Standardsprache; daneben regionale Dialekte wie: Attisch, Sorisch, Epirotisch, Ionisch, Lakonisch, Makedonisch, Messenisch)
- Hebräisch
- Hethitisch-Luwische RFesidualsprachen (Isaurisch, Karisch, Lydisch, Lykisch, Pamphylisch, Pisidisch, Sidetisch)
- Iberisch (19 (auf der iberischen Halbinsel)
- Iberisch (2) (im Kaukasus, nicht mit (1) verwandt; antike Schriftsteller berichten von 70-300 verschiedenen Sprachen an den östlichen Grenzen des Reiches, von denen wir heute nichts mehr wissen)
- Illyrisch
- Iranisch
- Istrisch
- Italische Sprachen (im engeren Sinn: Umbrisch, Oskisch, und Sabellische Zwischendialekte wie Marsisch, Paelignisch und andere)
- Keltisch (Kelto-Iberisch auf der iberischen Halbinsel; Gallisch und Narbonensisch im westlich kontinentalen Europa, die Britischen Sprachen: Bretonisch, Kornisch, Kymrisch, und die Goidelischen Sprachen: Irisch, Manx und Schottisch-Gälisch; Lepontisch in Norditalien; in den Alpen: Norisch, Pannonisch-Dalmatisch, Vindelisch; Galatisch in Kleinasien)
- Lasisch (im Kaukasus)
- Lateinisch (Standardlateinisch, 'sermo castrense' und andere Spezialidiome)
- Liburnisch
- Libysch (Numidisch: im Osten das Tunesisch-Algerisch Massylische, und das westliche Masaesylische)
- Ligurisch
- Messapisch
- Mingrelisch (im Kaukasus)
- Päonisch (Phrygisch?)
- Parthisch
- Phönikisch (als noch lebend genannt!)
- Phrygisch
- Punisch (vom Phönikischen abgeleitete Sprache in Karthago)
- Rätisch
- Sarmatisch
- Skytisch
- Syrisch
- Thrakisch
- Venetisch

Eine erstaunliche Liste. Leider kennen wir von vielen dieser Sprachen nur noch den Namen und haben sonst keine Informationen mehr über sie. Was mich am meisten verwundert, ist die ungeheure Anzahl von Sprachen, die es im Kaukasus gab. Das ist ja heute auch noch so ähnlich und mit ein Grund dafür, daß der Kaukasus ein ewiger Unruheherd ist.

Mit freundlichem Gruß
Jochen
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Beitrag von Peter43 » Mi 28.10.09 13:20

Die 'Bavarian Collection'

Am 18. März 1993 wurde von Numismatic Fine Arts eine Sammlung unter dem Namen 'The Bavarian Collection' versteigert, die fast 3500 Münzen enthielt und auf 352 Lots aufgeteilt war. Diese Sammlung war von einem anonymen deutschen Sammler in den Jahren von 1890 bis 1930 zusammengetragen worden. Das Hauptinteresse dieses Sammlers waren die römischen Billon- und Bronzemünzen des 3. und 4. Jh. Aus dem Auktionskatalog: "Diese Riesensammlung ist unglaublicherweise über ein halbes Jahrhundert fast ungestört geblieben, und jedes Stück befindet sich noch immer in seinem Originalumschlag mit seinem Originalkärtchen." Ich hatte von dieser Sammlung bereits früh in meiner Sammlerkarriere erfahren, und zwar durch den Artikel "A Coin from the ''Bavarian Collection'" von Dough Smith in seiner überragenden Website http//doughsmith.ancients.info, die ich allen wärmstens ans Herz lege. Nun ist es mir vor kurzem gelungen, einige Münzen aus dieser Sammlung zu erwerben, von denen ich hier zwei vorstellen möchte. Und natürlich bin ich den Hintergründen nachgegangen und möchte hier über meine Ergebnisse berichten.

Münze #1:
Fausta, Augusta 324-326, 2. Frau des Constantin I.
AE 3, 3.85g, 19.26mm
Trier, 326, 1. Offizin
Av.: FLAV MAX - FAVSTA AVG
Büste, drapiert, mit Halskette, n.r.; Haar in 5 Wellen und kleinem Knoten im Nacken
Rv.: SALVS REI - PVBLICAE
Fausta, in langem Gewand und verschleiert, n.l. stehend, hält zwei Säuglinge an der
Brust.
im Abschnitt STR liegende Mondsichel mit Punkt in der Höhlung
Ref.: RIC VII, Trier 483; C.6
fast SS, leichte Rauhheit
Pedigree:
ex Marc Breitsprecher (Ancient Imports)
ex coll. Victor Failmezger (plate coin)
ex Numismatic Fine Arts Auction 3/93, Lot 1919
ex old Bavarian coll. #473, erworben 1919(?)

Münze #2:
Constantin II., 317-340
AE 3, 2.81g
Aquileia, 321, 3. Offizin
Av.: CONSTANTINVS IVN NOB C
Büste, drapiert und cürassiert, belorbeert, n.l.
Rv.: CAESARVM NOSTRORVM
Lorbeerkranz mit Inschrift VOT / X
im Abschnitt Punkt AQT Punkt
Ref.: RIC VII, Aquileia 95; C.39
R1!, S+/fast SS, fast schwarze Patina
Pedigree:
ex Marc Breitsprecher (Ancient Imports)
ex coll. Victor Failmezger
ex Numismatic Fine Arts Auction 3/93, Lot 2150
ex old Bavarian coll. #4159
ex A. Riechmann/Halle #1623

Diese Sammlung ist jetzt weniger numismatisch im engeren Sinn bedeutend, obwohl Failmezger erwähnt, er habe sofort 31 Münzen gefunden, die er noch nicht hatte, sondern mehr als ein geschichtliches Dokument. Das interessante ist, daß sämtliche Kärtchen mit den Aufzeichnungen des unbekannten Sammlers erhalten geblieben sind. Daraus geht hervor, daß er die Münzen nach Offizinen gesammelt und möglichst auf Vollständigkeit geachtet hat. Dabei hat er von jeder Varietät das am besten erhaltene Exemplar erworben, das er finden oder finanziell ermöglichen konnte. Aber er hat auch weniger perfekte Exemplare gekauft, wenn er damit Lücken vermeiden konnte. Er war ein sehr penibler Sammler, was auch aus den Beschriftungen auf seinen Kärtchen hervorgeht.

Leider ist bis heute seine Identität unbekannt. Failmezger hat die Kärtchen zusammengesetzt und herausbekommen, daß sie aus geschäftlichen Visitenkarten geschnitten worden sind. Der Text lautet:
Telefon 7071 MÜNCHEN Telefon 7071
Mailingerstrasse 1a.
Hoflieferant Sr. Kgl. Hoheit Prinz Alfons von Bayern
Militäreffecten
Michael Kastl
Davon befindet sich auf meinen Kärtchen einmal das Michae und das andere Mal CHEN und darunter 'strasse 1a.' Die Straße befindet sich in der Innenstadt von München. Ob der Sammler aber tatsächlich der genannte Michael Kastl ist, ist nicht bekannt. Es ist natürlich auch möglich, daß der Sammler diese Karten nur zum Zerschneiden benutzt hat. Er kann nicht sehr arm gewesen sein; denn selbst in den schwierigen Zeiten nach dem 1. Weltkrieg hat er Münzen gekauft. Oder er hat lieber auf seine tägliche Versorgung verzichtet, als darauf, seine begrenzten Mittel für Münzen auszugeben. Dough Smith schreibt am Schluß: "Ich glaube, ich hätte mich sehr gefreut, diesen bayerischen Sammler zu treffen."

Eine seiner Bezugsquellen, von denen wir wissen, war die Münzhandlung Albert Riechmann in Halle. Diese Münzhandlung wurde bereits 1910 gegründet und 1912 nach dem Einstieg von Richard Gaettens zu einem bedeutenden Auktionshaus und Verlag ausgebaut, mit mehreren Bibliotheksräumen mit 10000 Bänden, großem Auktionssaal und einer Stahlschrankanlage für 40000 Münzen. Hier erschienen auch heute noch wichtige wissenschaftliche Kataloge. Die Weltwirtschaftskrise zwang die Firma zu Notverkäufen und 1941 wurde der Firmensitz in Halle endgültig aufgegeben.

Victor Failmezger hat sich der Bearbeitung dieser Sammlung angenommen. Er hat alle Sammler, die im Besitz von Münzen dieser Sammlung sind, aufgerufen, sich an ihn zu wenden. Dabei geht es insbesondere um die NFA Lot-Nummern 1054-1405. Man kann sich wenden an The Celator oder direkt an Victor Failmezger, 1203 Quaker Hill Drive, Alexandria, VA 22314; telephone (703) 823-2634.

Ich habe neben den Münzen jeweils die zugehörigen Kärtchen und Umschläge abgebildet. Da sind mir einige Aufzeichnungen noch unklar. Bahrf. scheint die Slg. Bahrfeld zu bedeuten. Aber wer oder was ist Well? Und was bedeutet MC 1719? Über jede Meinung würde ich mich freuen.

Quellen:
- Numismatic Fine Arts Auction XXXI, A Mail Bid, 18.3.1993
- Dough Smith, A Coin from the 'Bavarian Collection',
online unter //doughsmith.ancients.info
- Victor Failmezger, Readers asked to help reconstruct the Bavarian Collection,
The Celator, Januar 1994
- Riechmann gründete erste Münzhandlung,
aus Sonntags Nachrichten, Halle, 13.9.2009 (online)

Mit freundlichem Gruß
Dateianhänge
fausta_trier_483.jpg
Bavarian_#3_klein.jpg
constantinII_aquileia_95.jpg
Bavarian_#2_klein.jpg
Zuletzt geändert von Peter43 am Mi 28.10.09 15:13, insgesamt 1-mal geändert.
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