Historische Fehler bei Münzbeschreibungen

Alles was so unter den Römern geprägt wurde.

Moderator: Homer J. Simpson

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Homer J. Simpson
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Re: Historische Fehler bei Münzbeschreibungen

Beitrag von Homer J. Simpson » Sa 07.08.10 23:54

Nee, aber wo wir schon mal bei den ganzen Gefäßen waren, ist das Rhyton - das ich übrigens in der Form noch nie auf einer Münze gesehen habe - eine hübsche Ergänzung!

Homer
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Re: Historische Fehler bei Münzbeschreibungen

Beitrag von Pscipio » So 08.08.10 00:11

Zum Thema Rhyta kommt mir die Münze in den Sinn. Schade dass die Fotos mit der Münze nicht mithalten können, aber trotzdem: anschauen und geniessen.

Tridrachmon aus Delphi, 18.31 g (!), nach 479. Aus dem Fund von Asyut.
Fotos aus Leu Auktion 54, 28. April 1992, Nr. 100. Schätzpreis: 100'000 CHF.

Wenn sich jemand für die komplette Beschreibung plus ausführlichen Kommentar interessiert, liefere ich gerne einen Scan der gesamten Seite. Zum Abschreiben ist er mir zu lang.
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rhyta2.JPG
rhyta3.JPG
Nata vimpi curmi da.

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Re: Historische Fehler bei Münzbeschreibungen

Beitrag von Pscipio » So 08.08.10 00:20

Und das gute Farbfoto vom Titelblatt. Ein Traum!
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rhyta1.JPG
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Re: Historische Fehler bei Münzbeschreibungen

Beitrag von cepasaccus » So 08.08.10 01:11

Ja, in den Traummuenzenthread haette die Muenze auch gepasst.
kitty mea felis duodeviginti annos nata requiescat in pace. laeta gaudiumque meum erat. desiderio eius angor.

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Re: Historische Fehler bei Münzbeschreibungen

Beitrag von Peter43 » Fr 03.12.10 14:53

Soldat führt Barbaren aus einer Hütte

Dieses Motiv aus der FEL TEMP REPARATIO- Serie ist wohl jedem Sammler von Münzen der constantinischen Ära bekannt, gehört diese Typ doch zu denen, die man am häufigsten unter den sog. Ungereinigten findet. Allerdings wird diese Szene immer noch häufig falsch interpretiert. Aus gegebenem Anlaß möchte ich die Bedeutung dieser Szene in diesem Thread klarstellen.

Die Falschinterpretation geht historisch gesehen auf Mattingly zurück. Mattingly's Argument basiert auf der Behauptung, daß die FEL TEMP REPARATIO-Serie sich bezieht auf den 1100. Jahrestag der Gründung Roms, die im Jahre 348 gefeiert wurde. Dieser Jahrestag sollte der Beginn eines neuen, glücklichen Zeitalters sein. Bei den auf den Münzen dargestellten Motiven, zu denen noch der Reitersturz, der Kaiser auf dem von Victoria gesteuerten Schiff und der Kaiser mit den 2 Gefangenen gehören, soll es sich dabei nur um allgemeine Symbole von Glück und Sieg handeln. Daß es sich dabei um die Darstellung konkreter Ereignisse handeln könnte, schien Mattingly grundsätzlich nicht möglich. Nun scheint es aber wahrscheinlicher, daß dieser neue Typ mit dieser Legende tatsächlich bereits einige Jahre früher eingeführt wurde, vielleicht bereits 344. Damit aber bricht Mattingly's Argumentengebäude zusammen.

Konrad Kraft ist nun der begründeten Auffassung, daß dieser Typ nicht nur eine allgemeine Deutung erlaubt wie "Kaiser führt Barbaren aus der Hütte', sondern daß es sich um einen konkreten Vorgang in der Regierungszeit des Constans und Constantius II. handelt. Kraft führt aus, warum er der Meinung ist, daß die Darstellung sich bezieht auf die Maßnahmen des Constans 342 n.Chr., bei dem rechtsrheinische Franken in das römische Reich umgesiedelt wurden, besonders nach Taxandria im heutigen Belgien. Man sieht auf allen - auch unterschiedlichen Darstellungen -, daß es sich stets um eine friedliche Aktion handelt. Sie hat so garnichts von den bei Gefangenen üblichen Behandlung. Daß also hier Gefangene in die Sklaverei geführt werden, widerspricht dem Augenschein. Das gilt auch für die Meinung, daß es Geiseln sind, die in die römische Obhut genommen werden, vielleicht um sie in die römische Armee einzugliedern. Dabei hat es sich immer um Adlige gehandelt, während es sich hier eher um eine bäuerliche Bevölkerung handelt. Es sind auch keine Kinder, sondern die Germanen werden hier einfach kleiner gezeichnet als die Römer, eine übliche Darstellung, um die Überlegenheit der Römer auszudrücken. Ihre Aufgabe nach der Umsiedlung war, als Wehrbauern an der Grenze des römischen Reiches dieses gegen ihre linksrheinischen Landsleute zu verteidigen.

Kraft beschäftigt sich auch mit der Frage, wen der Soldat darstellen soll. Auf einigen Darstellungen hat der Soldat ein Cingulum um den Leib gebunden oder er trägt einen langen Mantel. Beides aber sind Attribute von Feldherren oder zumindestens höheren Offizieren. Cahn spricht sogar von 'Kaiser'. Irgend ein Feldherr (Kraft fragt: Welcher denn?) ist kaum vorstellbar. So bleibt als Alternative entweder ein gewöhnlicher Soldat als Personifikation der römischen Militärmacht oder der Kaiser selbst als oberster Befehlshaber.

Eine wichtige Rolle in seiner Argumentation spielt die Verteilung der Prägungen auf die römischen Münzstätten. Ein Überblick zeigt, daß das Hüttenmotiv überwiegend in den westlichen Münzstätten ud von Constans geprägt wurden, während der Reitersturz seinen Schwerpunkt unter Constantius II. hat, wobei die östlichen Münzen überwiegen. Die Folgerungen, die Kraft daraus zieht, sind eminent wichtig. Es geht dabei um den Unterschied in der Politik und im Wesen dieser beiden Kaiser. Spannend nachzulesen. Deshalb empfehle ich diesen Artikel allen Interessierten.

Literatur:
(1) Harold Mattingly, "FEL. TEMP. REPARATIO.", Numismatic Chronicle Reprint Series,
Attic Books Ltd. 1977
(2) Konrad Kraft, Die Taten der Kaiser Constans und Constantius II., in Jahrbuch für
Numismatik und Geldgeschichte 9, 1958

Hinzugefügt habe ich zwei Darstellungen, auf denen man das Cingulum und den langen Mantel deutlich erkennen kann.

Mit freundlichem Gruß
Dateianhänge
constans_heraclea_64.jpg
constans_cyzicus_72.jpg
Zuletzt geändert von Peter43 am Fr 03.12.10 19:22, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Historische Fehler bei Münzbeschreibungen

Beitrag von Submuntorium » Fr 03.12.10 15:18

Danke für diesen wirklich aufschlußreichen Beitrag! Man bekommt ja eher selten gute Infos und Hintergrundinformationen zu Spätrömern,obwohl die meiner Meinung nach sehr Spannend sind.Wie kann ich an den Artikel von Konrad Kraft gelangen?
viele grüße,
Submuntorium

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Re: Historische Fehler bei Münzbeschreibungen

Beitrag von Peter43 » Fr 03.12.10 15:27

Ich schicke Dir eine PN.

Jochen
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Re:

Beitrag von Invictus » Do 13.10.11 11:19

curtislclay hat geschrieben:Das "Horn" wird auch auf Sesterzen, Dupondii, Assen, und Aurei abgebildet, nicht nur auf Denaren. Siehe meinen Forvm-Beitrag, Rubrik Roman Coins, A new sestertius obv. die of Elagabalus with "horn".

Ich glaube auch nicht an den Stierpenis, aber was soll denn nach Weiser das "Horn" darstellen?
Zur Streitfrage des „Horns“ von Elagablus:
Elagabalus stammt in Anlehnung von El Gabal (=Gott des Berges). Der Kaiser war Hohepriester (in Erbfolge) des Baal-Heiligtums zu Emessa. Baal war der Wettergott, Himmelsgott. Hier ein Bild:
Baal.jpg
Auffällig ist natürlich, dass der Gott auch ein „Horn“ als Kopfschmuck trägt. Dass es bei diesem Relief nach oben gebogen ist, auf den römischen Münzen hingegen nach unten zeigt dürfte m.E. damit begründet sein, dass die Stempelschneider dafür stilistische Gründe hatten:
horn.JPG
horn.JPG (10.85 KiB) 2036 mal betrachtet
Ein nach unten geborgenen Horn (Blau) stört die Symmetrie von Büste/Legende nicht, ein nach oben gebogenes Horn (Rot) hätte wohl komisch ausgesehen und wäre mit den Buchstabe der Legende „in Konflikt geraten“.

Zur These von Elke Krengel: Halte ich ebenfalls für unglaubwürdig. Ist aber keineswegs aus der Luft gegriffen. Im syrisch-palästinensischen Raum gab es sehr viele Baal-Tempel. Im Tempel stand ein phallusartiger Menhir. Den mit einem „römischen Phallus“ zu assoziieren ist einleuchtend, dürfte aber bei der Deutung von Elagabal’s „Horn“ daneben liegen. Da schließe ich meinen Vorrednern vom Forum an: es macht keinen Sinn, sich einen Penis an den Kopf zu binden (auch wenn man so sexbesessen wie der junge Kaiser war).

Wahrscheinlicher ist es, im Horn denselben Kopfschmuck zu erblicken wie auf dem oben gezeigten Relief des Gottes Baal. Der Sinn dürfte klar auf der Hand liegen: die Verquickung von Morgenländischen (syrisch) in Form des „Horns“ mit Abendländischen (römisch) in Form des Lorbeerkranzes zu etwas Neuem, nämlich der Erhebung des Baal zum universalen Sonnengott des Imperiums. Der Mithras-Kult um die Jahrhundertwende 2./3. Jh. hatte ja den Boden hierzu geebnet.

Bleibt natürlich die Frage: was soll das „Horn“ beim Gott Baal darstellen?
Besteht ein Bezug zum ägyptischen Sonnengott Ra?
Ra.png
Dann wäre es eine abgewandelte Kobra?
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Re: Historische Fehler bei Münzbeschreibungen

Beitrag von Antinoos » Do 13.10.11 22:26

Okay, @invictus, ich gebe es gern zu, hier nicht ganz unvoreingenommen zu sein - immerhin bin ich jemand, der selber eine sehr enge Beziehung zu antiken Kulten hat, die im weitesten Sinne mit Sexualität und auch ihren Symbolen zu tun haben. Das nur zur Klarstellung vorweg.

Aber lies doch einfach mal den Originalartikel von Frau Krengel! Da steht das mit der durch das Münzrund erzwungenen Neigung des Objektes nämlich schon längst drin. "WlkikiV!" :wink: Den Aufsatz findest Du übrigens außer in Deiner nächsten Bibliothek auch hier auf der Forscher-Webpage "Academia" zum Lesen (dazu muß man sich nichtmal anmelden - einfach oben als Suchbegriff "Elke Krengel" eintippen und dann das betreffende "paper" auswählen ... nur das Scrollen ist dort etwas tricky: mit dem Mauszeiger im unteren Bildrand verweilen, dann entsteht da nach ca. 1 Sekunde so ein Pfeilsymbol zum Blättern): http://www.academia.edu

Wenn man's als PDF zum Herunterladen will, kann sich übrigens jeder dort als "independent researcher" anmelden; man muß dazu in keiner Uni oder so arbeiten. Keine weiteren Verpflichtungen... 8)

Die verschiedenen Forschungsmeinungen zum Thema stehen übrigens recht objektiv dargestellt im Wikipedia-Artikel "Elagabal" unter "Ikonographie": http://de.wikipedia.org/wiki/Elagabal#Ikonographie

Die These von Krengel paßt jedenfalls perfekt auf die typisch antike religiös-kultische Denke, gerade im Osten des Reiches. Und nun nur noch das berücksichtigen, was wir über Elagabals Persönlichkeit wissen... Nach heutigem Wording war "er" wohl zumindest stark transvestitisch veranlagt, ggf. sogar schon mit einem Übergang zur Transsexualität. Er soll ja auch auf große Menschenschwänze gestanden haben - siehe das, was antike Quellen wie Cassius Dio an "Hoftratsch" zu Hierokles und vor allem zu Aurelius Zoticus zu vermelden haben: http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/R ... html#79-15 "This Aurelius not only had a body that was beautiful all over, seeing that he was an athlete, but in particular he greatly surpassed all others in the size of his private parts. This fact was reported to the emperor by those who were on the look-out for such things, and the man was suddenly whisked away from the games and brought to Rome." Und wie groß so ein STIERpenis ist und wie er aussieht, das könnt Ihr auch in dem Artikel von Krengel sehen. Da hört man doch richtig, wie "Madam" Elagabal angesichts so eines riesigen Teiles schwärmerisch "Wow!" haucht... :lol:

Vom Stier als solchem als antik-religiöses Symbol fange ich jetzt gar nicht erst an...

Und was hat eine Kobra mit dem syrischen Sonnengott Elagabal zu tun? Da denkt man eher an einen Adler...

Liebe Grüße,

Antinoos

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Re: Historische Fehler bei Münzbeschreibungen

Beitrag von Invictus » Fr 14.10.11 09:47

Vielen Dank für deine nützlichen Hinweise zu den Links, @Antinoos! :D Wußte nicht, dass Elke Krengel's Aufsatz auch im Net zu finden ist, hab ihn bis dato nicht lesen können.

Der eventuelle Zusammenhang zwischen dem ägyptischen Kobrakopfschmuck und den Hörnern des altsyrischen Baal's ist auch nur eine Vermutung meinerseits gewesen. Wer weiß schon, welchen direkten oder indirekten Einfluss die alten ägyptischen Kulte auf andere Religionen des Nahen und Mittleren Ostens bis zur Mitte des 1. Jahrtausends v.Chr. genommen haben? Immerhin war Ägypten bis zu seinem Niedergang ein Großreich, dass sich bis Syrien erstreckte. Dementsprechend groß kann anno dazumal auch seine effektive Einwirkung auf anderes Denken gewesen sein. Siehe die "Verwandlung" des heidnischen Baals zum christlichen Beelzebub (die Teufelshörner dürften wohl von dem obene im Bild dargestellten Kopfschmuck des Baal herrühren) oder die willkürliche christliche Verlegung der Geburt von Jesus auf den 24.12., um das Fest des Sol am 25.12. feiern zu können (Christus wurde metaphorisch oft mit der Sonne verglichen).

Zur antiken Kaiserbiographie: Da bin ich immer vorsichtig was den wahren Kern der Darstellungen betrifft (selbst beim Elagabalus, dem unzweifelhaft verrücktesten aller römischen Kaiser). Man hatte schließlich den starken Hang dazu, einen unliebsamen Herrscher immer als besonders verdammungswürdig aufzuzeigen, um seinen Nachfolger in um so strahlenderem Licht darstellen zu können (siehe Titus und Domitianus). Und obwohl Severus Alexander das genaue Gegenteil seines extrem "durchgeknallten" Vetters war, kam es bereits 223 erneut zum Aufruhr seitens der Elagablus-Mörder. Sexuelle Eskapaden sind m.E. weniger der ausschlaggebende Grund für stadtrömischen Aufruhr gewesen als ein gravierender Bruch mit der römischen Religion oder die Entmachtung resp. Übergehung der römischen Aristokratie.

PS: Immerhin ist das bei dem oben gezeigten Baal-Relief kein Penis :wink:
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Re: Historische Fehler bei Münzbeschreibungen

Beitrag von Invictus » So 16.10.11 11:27

Symbole des Baals sind ein junger Stier und die Schlange. Die Bedeutung der Schlange liegt darin, dass sie sich häutet und sich damit, wie die Natur, immer wieder erneuert (*). Die ständige Wiederholung/Erneuerung ist beim Unter- und Aufgehen der Sonne, dem Wechsel der Jahreszeiten oder des Wetters gegeben. Die Abbildung einer Schlange wäre somit auch ein in Betracht zu ziehendes Symbol wie der Stierpenis auf den elagabalischen Münzen (siehe Baalbeck-Heliopolis http://langkjer.dk/origin/2-07.htm):
“...Now we are able to solve the mystery of the Saturn-Aion cult figure found in the temples belonging to the mysteries of Mithras. He has the same pillar-like appearance as the cult image in Baalbek, but has a snake coiling around his body (mostly 7 coils can be counted), rising to put its head on the forehead of the god (the god is shown with a lion´s head), exactly where the “third eye” is thought to be situated...”
4.jpg
Der Schlangenkopf tritt an der Stelle des Dritten Auges aus...

Völlig richtig, was Frau Krengel schreibt, dass ab Jahresanfang 222 ein Wandel in der Münzgestaltung (und damit zwangsläufig in der „Politik“ des Elagabalus) eingetreten sein muss. Der Umschwung muss sogar so schnell und unerwartet eingetreten sein, dass man sich wegen Zeitdrucks sogar genötigt sah, die alten Stempel von Ende 220/Anfang 221 hervorzuholen (denn wenn man Link 1 mit Link 2 vergleicht, ist beim 1. der Bart viel voller und das Gesicht älter wie beim 2.):
http://www.acsearch.info/search.html?se ... w_mode=1#0 - As (Datierung ab 1.1.222 mit Horn)
http://www.acsearch.info/ext_image.html?id=196022 - sesterz (Datierung ab 1.1.222 ohne Horn)
In diesem Zusammenhang steht leider eine von ihr unbeantwortete Frage im Raum:
Wieso hat der Kaiser auf sein „Horn“ (lt. Krengel ja ein Stierpenis und somit Zeichen von Fruchtbarkeit und/oder Stärke) verzichten müssen, die Opferzeremonien für seinen von den Römern verhassten Gott aber fortführen können? Die ab 222 n. Chr. geprägten Münzen mit vollbärtigem Kaisergesicht ohne Horn zeigen nach wie vor solche religiösen Zeremonien zu Ehren des Gottes Elagaba(siehe oben).
Der ungeliebte Gott wird noch toleriert, dessen Kulthandlungen werden noch toleriert, der ihm verfallene perverse Kaiser wird noch toleriert, aber der Penis eines Ochsen als Fruchtbarkeitssymbol wird geächtet?
Immerhin waren die Römer in puncto Phallus keineswegs „verklemmt“ (siehe nur die vielen privaten Votivgaben). Und Frau Krengel meint, der zu einem moralischeren Lebenswandel gezwungene Kaiser hätte deshalb auf die Phallusdarstellung verzichtet? Besonders witzig ist ihre geschilderte Tatsache, dass die verkommene Prätorianergarde den perversen Irren gezwungen hat, einen besseren Lebenswandel zu betreiben. Ich bin zu dumm, dass zu verstehen, kann mich bitte einer aufklären?

(*) Ein ähnliches Beispiel bei unseren römischen Münzen: der Pfau wirft ebenfalls seine Federn ab und steht damit symbolisch für die AETERNITAS (siehe Diva Faustina) – später ersetzt durch den Phönix (siehe Constantius II.)
Antinoos hat geschrieben:Aber lies doch einfach mal den Originalartikel von Frau Krengel! Da steht das mit der durch das Münzrund erzwungenen Neigung des Objektes nämlich schon längst drin. "WlkikiV!" :wink:
Wo bitte soll das in dem Aufsatz von Fr. Krengel stehen? ich hab da nichts zu diesem Punkt finden können!"Wer lesen kann...." gebe ich an dich zurück :wink:
@Antinoos: Die Schlange war bei den Ägyptern bezüglich des Sonnenkults wohl ebenso bekannt wie bei den Syrern und deshalb können sehr wohl Zusammenhänge bestehen (Angriff der Schlange auf den Wagen des Sonnengottes, Schlangen als Zugtiere der göttlichen Biga, die Rolle der Schlange beim Weltuntergang u.s.w. u.s.w.)
Zuletzt geändert von Invictus am So 16.10.11 17:52, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Historische Fehler bei Münzbeschreibungen

Beitrag von Peter43 » So 16.10.11 14:34

Wie viele wissen, hat Elke Krengel in Zusammenarbeit mit Veterinärärzten das sog. 'Horn' des Elagabal als Stierpenis interpretiert. Viele sind zu ihrer Meinung übergelaufen und beschimpfen leider Gegner in oft unflätiger Weise. Deshalb möchte ich hier einmal die Gegenmeinung von Wolfram Weiser darstellen.

Im Zentrum seiner Argumentation steht folgender Satz:
"Die Vergrößerung schludrig gravierter Stempel aus Massenemissionen stellt dem nicht professionellen Betrachter unerwartete Fallen." Ich möchte diesen Satz etwas abändern, indem ich 'dem unkritischen Betrachter' sage. Dann klingt er nicht so hart und behält doch seine Aussage.

Hier sind seine, meiner Meinung nach, überzeugenden Einwände:
1. Produkte damaliger Massenproduktion sind nicht als hyperkorrekte, heute beliebig vergrößerbare Bildquelle verwertbar. Es gab keine Mikroskope, sondern nur den mehr oder weniger normalsichtigen Betrachter. Abweichungen kommen häufig vor. Der damalige Betrachter wußte trotzdem Bescheid. Jetzt Details herauszunehmen und zu vergrößern ist nicht zulässig. Weiser spricht von 'zu vernachlässigenden Ausreißern'.

2. Die Kontextfalle. Es ist nicht zulässig, Phänomene isoliert und unhistorisch zu betrachten. Eine Interpretation, die nicht in das gültige historische Bild paßt, ist verloren.

3. Die Gewichtungsfalle. Wichtige neue Aussagen werden auch auf Münzen klar und adäquat ausgedrückt. Das gilt sowohl für Nero, der sich die Strahlenkrone aufsetzt, für Commodus mit der Herkuleskeule und dem Löwenfell, wie für Constantin mit dem Christogramm. Niemals aber ist eine Neuerung nur in einem Detail eingeführt worden, das der Normalsichtige kaum erkennen kann.

4. Die Positivitätsfalle. Kein Kaiser hätte es gewagt, sich ein Negativum anzustecken, um es erst dadurch positiv zu bewerten. Gerade die römische Münzprägung war äußerst konservativ. Selbst Themen der östlichen Münzprägung, wie z.B. Attis, waren tabu und Unappetitlichkeiten hatten keinen Platz.

Weiter gibt es für den Penis keine Parallele. Wollte man die Stärke des Stieres zeigen, nahm man seine Hörner und nicht das Gemächt. Zudem gibt es das 'Horn' nur auf den kleinen Denaren, nicht aber auf den Sesterzen, obwohl auf denen viel leichter Details gezeigt werden konnten. Weiter muß man sich einmal vorstellen, wie die Penisse gwonnen werden mußten! Nach der Opferung mußten diese dem Opferstier entfernt und 1-2 Wochen getrocknet werden, bevor man sie als 'Schmuck' benutzen konnte. Versuche zeigen, daß die Trocknung zu Schrumpfungen auf 5-12cm führen. Das beeindruckendste Bild in Krengels Arbeit aber ist eine Computersimulation. Es gibt tatsächlich nicht eine einzige Plastik mit dem Penis oder mit Ansätzen dazu!

Ebenso gibt es auch in der Literatur nicht eine einzige Andeutung, obwohl die antiken Autoren an Elagabal nicht ein gutes Haar ließen und sich den Penis nicht hätten entgehen lassen. Hätte ein römischer Kaiser sich einen Penis auf den Kopf binden können?, fragt Weiser, und antwortet: Natürlich nicht!

Und: Der Autorin fehlt schlicht der Sinn für die zeitlose Ekelhaftigkeit ihrer Idee. Was heute bei der Love Parade in Berlin möglich ist, war damals ein Ding der Unmöglichkeit.

Wolfram Weiser, Elagabal mit Stierpenis-Hütchen" - Animalphallokrat oder Weichteil-Wolpertinger?, in: GN 196 (2000), S. 53-56.

Und ein Wort zum Pfau:
Daß der Pfau für Aeternitas steht, wäre mir neu, und dazu solltest Du einen Beleg anführen. Tatsächlich ist der Pfau der Vogel der Juno, so wie der Adler der Vogel des Juppiter ist. Und deshalb wird bei der Apotheose der Kaiser vom Adler zum Himmel erhoben und die Kaiserin vom Pfau. Es wäre doch seltsam, wenn der Pfau hier für die Ewigkeit stehen würde, während dies beim Adler doch wohl nicht der Fall ist! Übrigens werfen die meisten Vögel ihre Federn ab, sog. Gefiederwechsel oder Mauser.

Mit freundlichem Gruß
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Re: Historische Fehler bei Münzbeschreibungen

Beitrag von beachcomber » So 16.10.11 15:56

mindesten einen punkt muss ich mal korigieren, sesterzen mit horn-darstellung gibt es, wie man an meinem exemplar sehr gut sehen kann! :)
grüse
frank
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elagabal opfernd.jpg

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Re: Historische Fehler bei Münzbeschreibungen

Beitrag von Iulia » So 16.10.11 19:00

@peter43:
Dafür, dass Du zumindest von der Reichsprägung Elagabals wenig Ahnung hast und nicht mal die Korrektur bezüglich der Bronzeprägung von Curtis bisher eingearbeitet hast, schreibst Du ganz schön kess!
Wenn schon die mehrfach ausgewiesene Numismatikerin und Historikerin Elke Krengel eine „nicht professionelle“ Betrachterin sein soll, was bist denn dann Du als Arzt?
Peter43 hat geschrieben: 1. Produkte damaliger Massenproduktion sind nicht als hyperkorrekte, heute beliebig vergrößerbare Bildquelle verwertbar. Es gab keine Mikroskope, sondern nur den mehr oder weniger normalsichtigen Betrachter. Abweichungen kommen häufig vor. Der damalige Betrachter wußte trotzdem Bescheid. Jetzt Details herauszunehmen und zu vergrößern ist nicht zulässig. Weiser spricht von 'zu vernachlässigenden Ausreißern'.
Wenn nicht mal mehr die kleinen Details auf römischen Reichsprägungsmünzen isoliert interpretiert werden dürfen, müsstest Du selbst, peter43, viele Deiner Beiträge hier nachträglich löschen und das Forum würde deutlich uninteressanter.
Peter43 hat geschrieben: 2. Die Kontextfalle. Es ist nicht zulässig, Phänomene isoliert und unhistorisch zu betrachten. Eine Interpretation, die nicht in das gültige historische Bild paßt, ist verloren.
… und das „gültige“ historische Bild wird ausschließlich von Wolfram Weiser festgelegt, oder?
Peter43 hat geschrieben: 3. Die Gewichtungsfalle. Wichtige neue Aussagen werden auch auf Münzen klar und adäquat ausgedrückt. Das gilt sowohl für Nero, der sich die Strahlenkrone aufsetzt, für Commodus mit der Herkuleskeule und dem Löwenfell, wie für Constantin mit dem Christogramm. Niemals aber ist eine Neuerung nur in einem Detail eingeführt worden, das der Normalsichtige kaum erkennen kann.
… und die Gesetzmäßigkeit der römischen Münzprägung bestimmt er dann wohl ebenfalls.
Peter43 hat geschrieben: 4. Die Positivitätsfalle. Kein Kaiser hätte es gewagt, sich ein Negativum anzustecken, um es erst dadurch positiv zu bewerten. Gerade die römische Münzprägung war äußerst konservativ. Selbst Themen der östlichen Münzprägung, wie z.B. Attis, waren tabu und Unappetitlichkeiten hatten keinen Platz.
Dass ein Phallus ein „Negativum“ und etwas „unappetitliches“ sei, ist eine Wertung des 19. und der ersten zwei Drittel des 20. Jh. und so nicht auf die Antike übertragbar. Als weiteres Gegenargument anzuführen „der Autorin fehlt schlicht der Sinn für die zeitlose Ekelhaftigkeit ihrer Idee“ ,stellt eine gefährliche Forderung nach Denkverboten dar, verrät über den Fordernden mehr, als er wahrscheinlich preisgeben will, und hat in der Geschichtswissenschaft nichts zu suchen.
Peter43 hat geschrieben: Hätte ein römischer Kaiser sich einen Penis auf den Kopf binden können?, fragt Weiser, und antwortet: Natürlich nicht!
Dem stimme ich zu, denn unter anderem deshalb hat Elagabal diese Provokationen nicht lange überlebt!
Fazit: Der von Dir so hoch gelobte Beitrag von Wolfram Weiser stellt lediglich eine üble Invektive im Stil des 19. Jahrhunderts, jedoch keine ernstzunehmende Auseinandersetzung mit der These Krengels dar, geschweige denn deren Widerlegung. Der daraus zu ziehende Erkenntnisgewinn ist gleich Null.

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Re: Historische Fehler bei Münzbeschreibungen

Beitrag von Homer J. Simpson » So 16.10.11 19:14

Mann - die Diskussion über dieses Thema ist ja ein echtes Minenfeld!

Homer
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