unbestimmte Göttin!

Alles was so unter den Römern geprägt wurde.

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Peter43
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unbestimmte Göttin!

Beitrag von Peter43 » Sa 04.12.04 00:03

Hallo!

Es gibt gerade einen Thread, in dem diskutiert wird, wie man MARS von VIRTUS unterscheiden kann. Hier habe ich eine Münze, bei der bis heute nicht bekannt ist, welche Göttin dargestellt werden sollte, so daß man ehrlich sagen muß: Es handelt sich um ein unbekannte Göttin (bzw. Personifikation).
Es handelt sich um den Dupondius von Trajan RIC II, 428; BMCR. 748
AE - Dupondius, Rom 101
Av.: IMP CAES NERVA TRAIAN AVG GERM PM
Kopf mit Strahlenkrone n.r.
Rv.: TR POT - COS IIII PP
Abundantia sitzt n.l. auf einem Thron aus zwei Cornuacopiae (etwas
für Chinamul!), hält Zepter in der r. Hand und lehnt mit li Arm auf der
Rückenlehne
im Abschnitt: SC
Ref.: RIC II, 428; C.639; BMCR.748

Diese selbe Revers-Figur wird in BMCR genannt 'weibliche Figur (Justitia?)'.
Nun fragt man sich, warum diese Figur hier JUSTITIA genannt wird, wo man doch deutlich die zwei Füllhörner sieht, und die sprechen doch eher für ABUNDANTIA als für JUSTITIA!

Hier ist die Information, die ich von Curtis Clay bekommen habe, und die ich weitergeben will:

Trajans Typ ist 'neu und kaum eindeutig zu benennen', nach Strack, Trajan, S.65. Der Typ erscheint erneut, wieder ohne beschreibende Legende, auf Bronzemünzen von Antoninus Pius 157 n.Chr.

Strack nimmt an, es könnte sich um eine Kombination handeln aus ANNONA und SECURITAS, die belegen soll, daß Roms Versorgung mit Getreide sicher und garantiert ist.

Er zeigt weiter, daß auf einigen Aurei von Hadrian SECURITAS auf einem ähnlichen Thron aus zwei Cornuacopiae sitzt (RIC 272-3).
Mattingly, in BMCR S.Ixvi, meint, Strack könnte recht haben, macht dann aber seine eigenen Überlegungen: Die Cornuacopiae ständen für das Goldene Zeitalter, 'und die weibliche Figur würde dann JUSTITIA-ASTRAEA sein, der Geist (spirit) dieses Zeitalters, der das Ende dieses Zeitalters dadurch anzeigt, daß er zum Himmel fliegt.'

Wenn man diese Unsicherheiten in der Bestimmung sieht, scheint es besser zu sein, bei Stracks eigenem Urteil zu bleiben: 'Identität unbekannt'!

Mit freundlichem Gruß
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trajan_rv428.jpg
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chinamul
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Beitrag von chinamul » Sa 04.12.04 14:57

Hallo Peter43!

Interessant, daß dieses Problem gerade auf einer Münze Trajans auftaucht. Vor einigen Jahren habe ich, auch bei einer Göttin oder Personifikation, vor einer ähnlichen Frage gestanden und dazu einen Aufsatz geschrieben, den ich hier gerne zur Diskussion stellen möchte.

Venus oder Providentia?
Kritische Überlegungen zur Interpretation
einer sitzenden weiblichen Gestalt
auf einem Sesterzen des Trajan*


Beim Versuch, einen neu erworbenen Sesterzen des Trajan anhand des RIC-Kataloges zu bestimmen, erwies sich, daß keine der Beschreibungen des Reversbildes in diesem Standardwerk genau das Aussehen der Münzrückseite wiedergibt.
Die Legende S•P•Q•R•OPTIMO PRINCIPI engte die Suche im Katalog erfreulich ein. Die gesuchte Münze mußte unter den Überschriften Gods and Goddesses und Personifications zwischen den Nummern 478 und 531 zu finden sein.
trajan sest venus.jpg
Ein flüchtiger Blick auf das Münzbild läßt einen sofort an eine Providentia denken, da zu Füßen der nach links thronenden Gestalt ein Globus liegt. Und tatsächlich wird im RIC-Katalog unter der Nummer 514 eine Providentia aufgeführt, allerdings mit der folgenden recht dürren Beschreibung: „Providentia seated l.; at her feet, a globe“, die in ihrer Unverbindlichkeit durchaus auf das Rückseitenbild des untersuchten Sesterzen paßt und auch im Typenindex nicht ergiebiger ist.
Was indessen verwundert, ist, daß der Katalog, wenn denn die Nummer 514 tatsächlich unser Stück meint, das Langzepter in der Rechten der Frauengestalt unerwähnt läßt. Und noch erstaunlicher ist es, daß die lässige Bewegung, mit der sie, auf der Münze deutlich erkennbar, den Träger ihres Gewandes mit der Linken von ihrer linken Schulter lüftet, nicht vermerkt ist, auch nicht im Typenindex. Dieser durchaus suggestive Gestus, mit dem die Göttin entweder mit einem Träger ihrer Kleidung oder auch mit ihrem herabfallenden Haar spielt, ist ein für Venusdarstellungen typischer und nicht nur von Münzen her bekannter ikonographischer Topos**. Im Zusammenhang mit Darstellungen der Providentia kommt er meiner Kenntnis nach jedoch nicht vor.
Hielte die Figur den zu ihren Füßen liegenden Globus allerdings in der Hand, so wäre sofort klar, daß es sich bei ihr nur um eine Venus handeln kann, die den goldenen Apfel der Eris, den von ihr im Wettstreit mit Hera und Athene gewonnenen Schönheitspreis, triumphierend herzeigt.
Wenn man unterstellt, daß der Schöpfer des Münzbildes tatsächlich eine Venus habe darstellen wollen, erhebt sich natürlich die Frage, wieso er die Göttin dann den Apfel nicht wie üblich in der Hand halten ließ, was uns Heutigen eine Menge Fragen und Zweifel erspart hätte. Eine Antwort auf diese Frage könnte darin liegen, daß die Personifikation der Providentia erstmals unter Trajan auf Münzen erscheint, während die vorangehenden Providentia-Münzen sämtlich einen Altar zeigen. So könnte eine zum Prägezeitpunkt unseres Stückes noch nicht fest etablierte Ikonographie zu dem hier zu beobachtenden bildlichen Synkretismus geführt haben. Allein die Tatsache, daß Venusdarstellungen eher auf den Rückseiten von Münzen für die weiblichen Mitglieder des Kaiserhauses erscheinen, und der Globus zu Füßen der Gestalt unterstützen eine Auffassung derselben als Providentia, wohingegen das völlige Fehlen des für eine Providentia charakteristischen Zeigens auf diesen Globus - entweder mit der bloßen Hand oder mit einem kurzen Stab - , besonders aber der Gestus der Linken, wohl eher für die andere Möglichkeit sprechen. Wer aber auch immer hier gemeint sein mag: Auf jeden Fall handelt es sich um ein recht ungewöhnliches und damit hochinteressantes Rückseitenbild.

* Trajanus 98 – 117
AE Sesterz Rom 103 – 1
Av.: IMP CAES NERVAE TRAIANO AVG GER DAC P M TR P COS V P P - Belorbeerte, auf der linken Schulter leicht drapierte Büste mit Aegis
Rv.: S•P•Q•R•OPTIMO PRINCIPI S C (im Abschnitt) - Nach links thronende weibliche Gestalt; Rechte an schräges Langzepter gelegt, mit der Linken, deren Ellbogen auf Rückenlehne ihres Thrones ruht, Träger ihres Gewandes von der linken Schulter lüftend; links zu ihren Füßen Globus
Vgl. RIC 514 var. (dort ohne Drapierung und Aegis; nicht eindeutige Rv.-Beschreibung) - 25,11 g

** Siehe hierzu Antoninus Pius für Faustina I RIC 1081f. (Sesterzen), RIC 1097 (Dupondius und As); für Faustina II RIC 1410 (As)
Marcus Aurelius für Lucilla RIC 1767 (Sesterz), RIC 1770 (As)


Gruß

chinamul
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Beitrag von Peter43 » Sa 04.12.04 22:26

Vielen Dank, Chinamul, für Deinen Artikel! Sehr interessant! Wenn Deine Vermutung, der Grund für die Ambiguität der abgebildeten Figur könnte die noch nicht fest etablierte Ikonographie sein, auch für meine Münzrückseite stimmt, dann müßte man prüfen, ob auch meine ABUNDANTIA - entprechend deiner PROVIDENTIA - vorher noch keine eindeutige Ikonographie besaß.
Das würde allerdings einige Zeit kosten, insbesondere weil ich nicht im Besitz des dazu nötigen BMCR-Bandes IV bin, und dem RIC mangelt es ja bekanntlich der Bilder.

Mit freundlichem Gruß
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Beitrag von Zwerg » Sa 04.12.04 23:28

Hallo ihr beiden
Ich habe mir jetzt den BMC vorgenommen,
Chinamuls Münze ist im BM selber nicht vorhanden, der Katalog führt sie auf Seite 171, * mit folgender Beschreibung auf

Providentia, seated l.: at her feet, a globe (?)

und Fußnote:

C.489 (no provenance): very doubtful. The same rev. (but Providentia holds sceptre (?) ) with obv. laureate, darped, cuirassed, r., Vienna

Und jetzt mag sich jeder seinen Reim darauf machen. Die römische Ikonographie und die römische Religion ist wahnsinnig komplex. Hinzu kommt noch, daß nicht jeder Stempelschneider wußte, was er denn da so ganz genau schnitt. Bei so einer singulären Darstellung wie chinamuls Providentia würde ich mich vor Überinterpretationen hüten. Ich habe mir da mittlerweile ein dickeres Fell zugelegt (in Hinsicht der römischen Stempelschneider)

Grüße
Zwerg

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Beitrag von Peter43 » So 05.12.04 01:34

@zwerg:

Im Prinzip teile ich Deine Meinung mit der Überinterpretation. Trotzdem ist die Geste der PROVIDENTIA, bei sie ihre Kleidung lüftet, auffallend und, wie ich finde, würdig, sich darüber Gedanken zu machen. Nur auf diese Weise kann man Wissen erarbeiten.

Mit freundlichen Grüßen
Omnes vulnerant, ultima necat.

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