Ich habe hier eine seltene, interessante und rätselhafte Münze des Aurelianus bekommen, die ich Euch vorstellen möchte.
As? Sesterz? Medaillon? Doppel-Antoninian?, Serdica, 274
Vs. SOL DOMINUS IMPERI ROMANI
Barhäuptige, drapierte Büste nach rechts
Rs. AURELIANUS AUG CONS
Kaiser, verschleiert, mit Patera und Kurzschwert an Altar opfernd
AE, 29,5 mm, 8,16 g, Stempelachse 12 Uhr, s / ss, Vs. etwas korrodiert
RIC online 2661
Das Rätsel fängt schon mit dem Nominal an; im RIC online wird die Münze als Doppel-Antoninian bezeichnet. Verwandte Münztypen (RIC temp 2662, 2664) haben im Abschnitt ein Offizinzeichen S, das darauf hinweisen mag, daß diese Stücke in die Verwandtschaft der Silbersudmünzen gehören. Es geht mit dem Porträt nahtlos weiter. Ist das Kaiser Aurelianus? Dann wäre er aber viel jünger als sonst abgebildet, trüge wallendes Haupthaar anstelle seines militärischen Bürstenschnitts, und zudem unterscheiden sich die verschiedenen Porträtstempel deutlich. Das alles spricht mehr für Sol Invictus, der auch als "Herr des Römischen Reiches" bezeichnet wird. Die Erklärungen, die ich online gefunden habe, datieren diese Emission auf 274 nach Christus, nach Beendigung der Kriege gegen Tetricus im Westen sowie gegen Zenobia und Vabalathus im Osten, als Aurelianus dem Sol Invictus einen großen Tempel weihte. Wenn der Kopf eine Strahlenkrone trüge, wäre alles klar - aber gerade den Gefallen tut uns der Stempelschneider nicht. Und ein Sol ohne Stahlenkrone ist wie ein Athenakopf ohne Helm - oder wie eine christliche Heiligenfigur ohne ihr typisches Attribut: nicht mit Namen zu benennen. Die christliche Ikonographie geht hier direkt auf die griechisch-römische zurück: ein bärtiger Mann wird mit einem Blitzbündel zu Zeus, mit einem Dreizack zu Poseidon, mit einem Efeukranz, mit einem Löwenfell zu Herakles - oder mit zwei Schlüsseln zu Petrus. Dieser Kopf ohne Attribute läßt die Frage nach dem Dargestellten entweder absichtlich offen, oder sie war für die Zeitgenossen so selbstverständlich und trivial, daß sich erklärende Symbole erübrigten.
Die Rückseite zeigt etwas klarer den Kaiser beim Opfern, eine Szene, die wir schon von Denaren des Hadrian oder des Septimius Severus kennen. Die Rückseitenlegende "Aurelianus Aug Cons" würde ich auflösen zu "Aurelianus Augustus Conservatori", "Kaiser Aurelianus <verehrt> <opfert> <weiht den Tempel> seinem/seinen Beschützer".
Insgesamt ein sehr interessantes Stück, von dem ein Exemplar zu haben ich ziemlich cool finde, trotz der Mängel.
Viele Grüße,
Homer