Kybele - die große Erdmutter
Ich hatte mich lange gedrückt über Kybele zu schreiben, weil es ein so umfassendes Gebiet ist. Aber jetzt muß ich mal ran! Der Anlaß ist eine neue Münze, ein Denar der Julia Domna, auf der die Kaiserin wohl mit dieser Göttin identifiziert werden soll.
Julia Domna, gestorben 217(?), Gemahlin des Septimius Severus
AR - Denar, 3.6g
geprägt in Roma 198 n.Chr. unter Septimius Severus
Av.: IVLIA - AVGVSTA
drapierte Büste, bloßer Kopf n.r., Haar in 5 horizontalen Wellen,
hinten breiter, den Hinterkopf bedeckender Knoten
Rv.: MA - TER - DEVM
Kybele, reich drapiert, mit Mauerkrone, sitzt n.l., hält in der
ausgestreckten re Hand Zweig, in der li. Zepter; li. Ellbogen ruht auf
einer Trommel, die auf dem Thron steht. Auf jeder Seite des Throns
ein n.l. sitzender Löwe, der hintere nur halb zu sehen.
RIC IV/1, 564; C.123; BMC 54
nicht häufig, gut SS
Kybele, hier Mater Deorum (Mutter der Götter) genannt, sehen wir in einer ihrer Standarddarstellungen. Ihre Attribute sind Mauerkrone, Trommel und die unverzichtbaren Löwen. Es gibt auch Darstellungen, auf denen sie auf einem Löwen reitet, oder wo sie in einer Löwenbiga steht.
Mythologie:
Die Mythologie der Kybele ist sehr umfassend. Deshalb habe ich verschiedene Ansätze gewählt, um sie zu beschreiben, oder wie unser Griechischlehrer einmal gesagt hat, das spricht nur für ihre Vielschichtigkeit, die auch die Gegensätzlichkeit beinhaltet!
Kybele soll aus einem der Steine gewachsen sein, die Deukalion und Pyrrha nach der Sintflut geworfen hatten. Oder ihr Vater war Meon, König in Phrygien und Lydien, ihre Mutter Dindyma. Meon wollte keine Tochter und ließ das Mädchen nach seiner Geburt auf dem Berg Kybelus aussetzen. Dort wurde sie von wilden Tieren aufgezogen, Panther und andere Raubtiere gaben dem Kind ihre Milch, bis einige Hirtinnen die Kleine fanden und zu sich nahmen.
Kybele wuchs zu einer schönen Jungfer heran, hielt sich dabei sittsam und erfand lieber Pfeifen, Trommeln und Cymbeln, die später im Kult der Göttin bedeutsam wurden, außerdem befaßte sie sich mit Heilkunde, besonders zugunsten des Viehs und der Kinder, welche sie mit ihren Worten heilte. Wegen dieses besonderen Verhältnisses nannte man sie „gebirgische Mutter”. Ein enger Freund war Marsyas, ihre Liebe der schöne Attis.
Als Kybele wenig später an den elterlichen Hof heimkehrte, wurde sie erfreut aufgenommen. Man entdeckte aber schon bald an ihr andere Umstände. Meon ließ im Zorn den Attis nebst erwähnten Hirtinnen hinrichten und ihre Leichen unbestattet verwesen.
Kybele begann vor Trauer unsinnig durch das Land rasend, unablässig heulend und Trommeln schlagend und in Begleitung des pfeifenden Marsyas durch das Land zu irren. Auf die beiden traf der Apollo, der Marsyas im musikalischen Wettkampf besiegte und tötete, anschließend zog er mit der Kybele ins Land der Hyperboreer.
Unterdessen litt Phrygien furchtbar, Pest und Teuerung drückte das Land. Man befragte darum das Orakel und vernahm, daß man umgehend die frevlerisch unbestatteten Leichname beerdigen müsse, die Kybele göttlich verehren. Schnell bemühte man sich um solches, mußte aber, da vom Leichnam nichts mehr aufzufinden war, ein Bildnis des Attis in Ehren bestatten. Zu Pessinus errichtete man der Kybele einen prächtigen Tempel, besonders König Midas bemühte sich darum.
Es heißt auch, Attis habe der Kybele nicht die Treue gehalten und die Nymphe Sagaris begehrt, wofür Kybele ihn grausam bestraft habe.
Durch Ovid berühmt ist ihr Zorn auf Atalante und Hippomeneus. Diese Liebenden hatten ihren Gefühlen im Heiligtum der Kybele nachgegeben, wofür die Göttin sie in zwei Löwen verwandelte, die fortan ihren Wagen ziehen mußten (Metamorphosen 10,686-704).
Kybele wurde weithin verehrt, wobei man sie unter vielen Namen anrief: Andirina, Antaia, Asporina, Berecynthia, Cybebe, Daucia, Enthea, Dindymene, Idaea, Maia, Magna mater, Mater Deum, Mygdonia, Pasithea, Pessinuntia, Phasiane, Phrygia, Turrita.
Attis:
Das doppelgeschlechtliche Wesen Agdistis, ein anderer Name der Kybele, zog rasend über das Land und tötete alles, was ihr begegnete. Die Götter berieten sich, und Dionysos erbot sich, die Agdistis zu besänftigen. Das gelang ihm, indem er einer Quelle Wein entspringen ließ. Als Agdistis davon trank, wurde er/sie berauscht und im Schlaf kastrierte er/sie sich (aufgrund einer List des Dionysos) selbst. Aus dem abgetrennten Geschlechtsteil entsproß ein Mandelbaum, von dem die Nana, Tochter des Flusses Sangar, eine Frucht in ihren Busen oder Schoß steckte und davon schwanger wurde. Ihr Kind war der Attis, in den die Agdistis sich verliebte. Attis wollte sich aber mit der Tochter des Königs von Pessinus verheiraten. Eifersüchtig trieb Agdistis ihn dafür in den Wahnsinn und umnachtet kastrierte er sich selbst, wie es seine Vater/Mutter getan hatte.
Der Attis entspricht im Tempeldienst den Eunuchen der Kybele. Diese kastrierten Priester waren die Galli, an deren Spitze der Archigallus stand. Das Selbstentmannen, das mit verzierten Klemmen vollzogen wurde, war römischen Priestern verboten, weshalb der Kult der Megale Meter (griech.) bzw. Magna Mater (lat. Große Mutter) von Nichtrömern geleitet wurde, bis das Verbot von Claudius aufgehoben wurde. Nach ihrer Entmannung trugen die Priester der Kybele bunte weibliche Tracht und Schmuck.
Vom 15. bis 28. März fand ein Frühlingsfest zu Ehren von Kybele und Attis statt, letzterer wurde zum Sonnengott. Im späten Kaiserreich wurde Kybele als kosmische Himmelsmacht angesehen. Zum Bestandteil des Kultes der Kybele gehörte später auch das Taurobolium. Bei diesem Entsühnungsritus setzte sich der Gläubige in eine Grube. Über ihm wurde eine Stier oder Widder geopfert, und das Blut des Opfertieres ergoß sich über ihn.
Das Kultsymbol der Kybele in Pessinius war ein unbearbeiteter schwarzer Meteorstein. Später wurde dieser Stein in den Tempel der Kybele auf dem Palatin in Rom verbracht. Über Abwandlungen des Namens wird der schwarze Stein der Kybele mit dem Stein in der Kaaba zu Mekka in Verbindung gebracht.
Rhea:
Kybele wurde schon früh mit der griechischen Göttin Rhea identifiziert. Diese, eine Tochter des Uranus und der Gaia, war die Frau des Kronos und wurde zur Mutter der Hestia, Demeter, und Hera, des Hades, Poseidon und Zeus. Also eine richtige Göttermutter! Kronos verschlang nach der Geburt alle seine Kinder, weil er Angst hatte, sie würden ihn entmachten. Den kleinen Zeus brachte Rhea nach dem Ratschlag ihrer Eltern Uranus und Gaia auf Kreta zur Welt. Dort, in einer geräumigen Höhle am Idagebirge, beschützt von den Kureten und durch den Lärm, den die Korybanten mit Trommeln und Flöten machten, um sein Säuglingsgeschrei zu übertönen, und versorgt von der Nymphe oder Ziege Amaltheia war er vor seinem gefräßigen Vater Kronos sicher, dem Rhea statt des Säuglings einen in Windeln gewickelten Stein zu schlucken gab. Der lag dem Kronos dann so schwer im Magen, daß er sich von Gaia ein Brechmittel geben ließ und mit dem Stein auch die anderen verschlungenen Kinder wieder ausspie. Diesen Stein stellte Zeus in Delphi auf, als er nach schwerem Kampf den Vater entmachtet und samt den Titanen, die jenem zu Hilfe gekommen waren, in den Tartaros gestürzt hatte.
Hintergrund:
Kybele, kleinasiatische, d.h. vorphrygische Berggöttin mit bätylischem Steinkult im phrygischen Pessinus und zahlreichen Höhlenheiligtümern.; seit dem 7.Jh. v.Chr. Schutzgöttin der lyd. Mermnaden in Sardeis mit Bergkult auf dem s. gelegenen Timolos. Kybele ist die bekannteste Ausformung der altanatolischen, schon prähistorisch nachweisbaren erdhaften Muttergottheit., welche von der einheim. Bevölkerung mit den Lallnamen Ma, Amma oder Nana angerufen wurde. und im Raum Kreta-Kleinasien-Nordsyrien verschiedene Einzelgestalten ausbildete., manifestiert in einer kaum überschaubaren Anzahl lokaler Hypostasen. Als 'Bergmutter' oder 'Göttermutter' dem griech. Pantheon einverleibt, blieb Kybele wesensgleich oder verwandt der mysischen Adrasteia, der hurr.-anatol. Hipta, der Dea Syria Atargatis, der pers.-anatol. Artemis Anaitis, der kilik. Artemis Perasia von Kastabala, schließlich als phryg. MHTER IDAIA der troischen Aineiasmutter Aphrodite und auch der kret.-min. Rhea (Ida hier ein kleinasiatisches und nicht das kretische Gebirge).
Als weitere Variante tritt hinzu der in Attis verkörperte Priestergeliebte der Göttin, der sich, von ihrer Macht überwältigt, entmannt und damit das Phänomen der in Agdistis rudimentär bewahrten Androgynie der Kybele in Erinnerung hält, während er kulturhist. das Urbild der durch Musik, Tanz und blutige Praktiken ekstat. erregten Eunuchendiener der Göttin (Galloi) abgibt. Flöten, Becken, Rasseln und Pauken als Stimulantien hemmungsloser Raserei der Kybele-Diener bezeichnen symbolhaft das Milieu, in dem der Kybele-Attis-Kult sich in hellenistischer Zeit zur Mysterienreligion und mit den Wiedergeburts- bzw. Erinnerungsriten der Taurobolie über die gesamte Welt verbreitet hat.
In Rom, wo sie seit der Überführung ihres Kultsteins aus Pessinus im Jahre 204 v.Chr. beheimatet war, feierte man ihr alljährlich die Megalesia. Die Römer sahen in ihr die Patronin ihrer troischen Vorfahren; die röm. Dichter Lukrez und Catull und Ovid zollten ihrem Dienst Beachtung, wie schon vor ihnen der griech. Epiker Apoll.Rhod. Römische Kaiserinnen ließen sich mit der Magna Mater identifizieren - wie hier auf dieser Münze.
Ihre zeitlose Gestalt überdauerte den Einbruch des Christentums und vermittelte im Rahmen der montanistischen Häresie der frühkirchlchen Marienverehrung gewisse Impulse.
Quellen:
Hederich, Gründliches Mythologisches Lexikon
Gerhard Fink, Who's who in der antiken Mythologie
Der kleine Pauly
wikipedia.org
http://bebis.cidsnet.de/weiterbildung/s ... kybele.htm
http://www.sungaya.de/schwarz/griechen/kybele.htm
Hinzugefügt habe ein Bild der Großen Mutter aus dem Museum aus Neuss, wo ein Taurobolium ausgegraben wurde.
Mit freundlichem Gruß
Omnes vulnerant, ultima necat.