Was bedeutet "sammelwürdig"?

Alles was so unter den Römern geprägt wurde.

Moderator: Homer J. Simpson

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chinamul
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Was bedeutet "sammelwürdig"?

Beitrag von chinamul » So 01.01.06 12:53

Hallo Freunde!

Der Begriff der Sammelwürdigkeit hat sich als subjektiv und außerordentlich dehnbar erwiesen. Von entrüsteter Ablehnung bis zu mitleidiger Akzeptanz stoßen unsere weniger ansehnlichen Römer auf die unterschiedlichsten Reaktionen. Vielleicht sollten wir dennoch einmal einen Konsens darüber zu erzielen versuchen, was man allenfalls noch in seine Sammlung aufnehmen sollte und was lieber nicht. Das wäre wohl am besten zu erreichen anhand von Bildbeispielen aus der eigenen Sammlung, zu denen man darlegt, warum man die Stücke behalten hat. Auch die Problematik der sogenannten Belegstücke könnte hier behandelt werden.
Gelegentliche Meinungsäußerungen zu diesem Thema hat es im Römerforum ja schon gegeben, aber ich könnte mir vorstellen, daß erst eine wahrscheinlich kontrovers geführte spezielle Diskussion ein rundes Bild ergibt, an dem man sich dann orientieren kann.

Gruß

chinamul
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Peter43
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Beitrag von Peter43 » So 01.01.06 14:34

Das kann wirklich ein interessanter Thread werden! Ich will mal meinen Handschuh in den Ring werfen!

Es hängt doch entscheidend davon ab, wozu ich meine Sammlung anlege. Im Falle einer wissenschaftlichen Sammlung habe ich doch ganz andere Kriterien wie man an der Sammlung aus Freiburg sehen konnte, die ich nach dem ersten Blick kommentierte mit den Worten 'Au weia, da ist aber Schrott dabei!' http://freimore.uni-freiburg.de/muenzen/tmp/rep.html

Das war natürlich nicht abwertend gemeint, sondern zeigte nur deutlich, daß hier zwei verschiedene Kriterien von Sammelwürdigkeit vorlagen.

Wenn ich beweisen will, daß eine Münzstätte zu einer bestimmten Zeit geprägt hat, dann reicht mir natürlich bereits die Möglichkeit, zu erkennen, daß eine bestimmte Münze dieser Münzstätte zugewiesen werden kann. Dann brauche ich mir über die dargestellten Bilder keine Gedanken zu machen. Allerdings ist der abgebildete Herrscher schon wichtig, d.h. die Legende würde mir schon reichen. Sonst könnt ich ja keine Aussagen zur Zeit der Prägung machen.

Interessiert mich dagegen die historische Entwicklung einer bestimmten Reversdarstellung, z.B. die Geschichte der Viktoriaperzeption, dann brauche ich schon mehr als nur die Legende. Es sollten auch Einzelheiten erkennbar sein, wie die Attribute, die Viktoria in der Hand hält oder die zusätzlich auf dem Bild zu sehen sind.

Sammle ich Raritäten, dann reicht bereits ein Buchstabe an einer Stelle, wo er nicht hingehört, um mich glücklich zu machen.

Dies alles reicht aber nicht, wenn ich mich auch an der Schönheit einer alten Münze erfreuen will. Dann gehört schon eine Erhaltung dazu, die über das notwendige Mindestmaß hinausgeht! Wo da allerdings die Grenzen liegen, ist völlig subjektiv. Und natürlicherweise kommen da auch finanzielle Fragen ins Spiel. Es scheint mir hier ein Drahtseilakt vorzuliegen zwischen erwünschter Schönheit und möglichen finanziellen Resourcen. Hier gäbe es Gelegenheit zu diskutieren, auf welche Seite sich die Waagschalen senken könnten.

Das sind einige Gedanken, die mir spontan zu diesem Thema eingefallen sind!

MfG
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beachcomber
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Beitrag von beachcomber » So 01.01.06 16:42

hallo,
ich denke, dass diese frage eigentlich nicht zu beantworten ist, denn dafür sind die persönlichen gründe und einstellungen zu unterschiedlich.
wie peter43 schon richtig bemerkt hat, ist eine sammlung zu wissenschaftlichen zwecken durchaus verschieden von der des 'normalen' sammlers.
hier denke ich ist jedes stück sammelwürdig, solange es noch ein stück information enthält, das auswertbar ist.
was andere angeht, kann ich nur für mich sprechen.
ein sesterz von didius iulianus den ich im anhang beifüge, ist für mich in diesem zustand noch sammelwürdig - wär's einer von, sagen wir, gordianus pius wär er's schon nicht mehr.
wie man sieht, hängt die sammelwürdigkeit bei mir schon mit der seltenheit und mit meinem geldbeutel zusammen :)
grüsse
frank
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Beitrag von Chippi » So 01.01.06 16:56

Nun, ich denke auch, das die Seltenheit und der Geldbeutel bei der Definition von sammelwürdig die größte Rolle spielt. Zudem muss meiner Meinung nach, die Avers und Revers von Motiv und Legende her bestimmbar sein. Da reicht schon die Gottheit manchmal um sie einer Legende zuzuordnen, da es keine anderen Möglichkeiten gibt. Mir persönlich gefallen abgewetzte Stücke mit Patina (wie beachcombers Didius Julianus) mehr als welche, die schon starke mechanische Beschädigungen zeigen.

Gruß Chippi
Wurzel hat geschrieben:@ Chippi: Wirklich gute Arbeit! Hiermit wirst du zum Byzantiner ehrenhalber ernannt! ;-)
Münz-Goofy hat geschrieben: Hallo Chippi, wenn du... kannst, wirst Du zusätzlich zum "Ottomanen ehrenhalber" ernannt.

Fridericus
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Beitrag von Fridericus » So 01.01.06 17:38

"Sammelwürdig" ist ein sehr subjektiver Begriff, den jeder für sich entscheiden sollte. Ich habe für meine eigene Sammlung folgende Kriterien:

1. Grundsätzlich nehme ich nur Münzen in meine Sammlung auf, die nicht manipuliert wurden (nachgeschnitten oder nachpatiniert) und mindestens den Erhaltungsgrad "sehr schön" aufweisen. Beschädigungen wie Lochungen oder Henkel oder Fassungsspuren mindern für mich den Wert einer Münze ganz erheblich.

2. Bei Münzen, die unter diesen Kriterien für mich nicht erschwinglich sind (bin ja nicht Krösus), weiche ich von dieser Regel ab und nehme auch Schrott und geputzte Stücke auf.

3. Allerdings - und hier mögen mich manche für durchgeknallt halten - ziehe ich Münzen in "ss" solchen in "Stempelglanz" vor. Der Grund ist die Tatsache, das ss-Münzen tatsächlich im Umlauf gewesen sind und daher historische Belege darstellen.

4. Ein weiterer Grund, warum ich Schrott nur in seltenen Ausnahmefällen (z.B. Denar mit Cäsar-Portrait o.ä.) aufnehmen würde, ist die Erfahrung, daß ich die miesen Erhaltungen meiner Anfängerzeit mittlerweile alle gegen bessere Erhaltungen ausgetauscht habe. D.h. ich habe Geld zum Fenster herausgeworfen! Ich habe mir die Disziplin antrainiert, im Zweifelsfall auf eine bessere Erhaltung warten zu können.

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Beitrag von Peter43 » So 01.01.06 19:46

Hallo Fridericus!

Das, was Du unter Punkt 4 beschreibst, habe ich auch schon erlebt und mich im Nachhinein über mich selbst geärgert. Ich möchte noch ein Wort zu den Bezeichnungen Schön, Sehr Schön, Vorzüglich usw. sagen. Sie sind Beschreibungen des Erhaltungsgrades und nichts anderes. D.h., sie sagen nur etwas aus über den Grad der Abnutzung durch Gebrauch über die Jahrhunderte hinweg. Sie sagen nichts aus über die Schönheit einer Münze. Dazu gehört nämlich auch ein nicht zu kleiner Schrötling, ein frischer Stempel, eine zentrierte Prägung usw., also Kriterien, die durch die oben genannte Klassifizierung nicht erfaßt werden. Das sollte man beachten!

MfG
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Beitrag von pearl.harbour » So 01.01.06 21:02

Hallo zusammen,

Man muss sich meiner Meinung nach die Frage stellen wie selten das Objekt der Begierde ist. Ist es sehr selten, dann würde ich auch eine Münze im Zustand schön in die Sammlung legen. Ist es aber ein allerwelts Typ (als Beispiel das Aeternitas Revers bei Faustina Maior), halte ich die Augen nach einem vorzüglichen Zustand offen, denn die sind ja preislich noch immer erschwinglich.
Ich finde jeder Sammler muss für sich selbst entscheiden an wann für ihn eine Münze sammelwürdig ist!

Viele Grüße
pearl.harbour
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Beitrag von quisquam » So 01.01.06 21:46

Hier mein Standpunkt:

Sammelt man Münzen allein der Münzen wegen, vielleicht sogar nur zu repräsentativen Zwecken, so kann ich den Drang zu hohen Qualitäten nachvollziehen. Sieht man Münzen zudem als historische Artefakte, so sieht die Sache für mich etwas anders aus. Einzig wichtig ist, dass die Stücke einen ansprechen. Zwar auch optisch, aber vor allem wortwörtlich: sie müssen einem etwas zu sagen haben! Ich jedenfalls habe an meinen abgelutschten Kleinfolles aus konstantinischer Zeit ebensoviel Freude wie an den (wenigen) sehr schönen bis fast vorzüglichen Denaren und Antoninianen, und sehe überhaupt keinen Grund, diese Münzen gegen bessere Qualitäten zu tauschen!

Sammelwürdig ist für mich jede Münze, die einen anspricht und einem etwas zu sagen hat, und zwar unabhängig von Erhaltung, Seltenheit oder Sammlerwert.

Grüsse, Stefan
Eigentlich sammle ich nicht Münzen, sondern das Wissen darüber.

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Beitrag von Peter43 » Mo 02.01.06 00:01

Hallo Quisquam!

Das, was Du zum Schluß sagst, kann man garnicht genug betonen. Jede Münze in der Sammlung sollte einem etwas sagen! Dazu gehört eben auch, daß man versucht, soviel Information wie möglich zu bekommen. Bei meinen Provinzialmünzen ist das z.B. Information nicht nur über den Kaiser, sondern auch über den Ausgabeort (Geographie, Geschichte usw.), über die dargestellten mythologischen Szenen (im Augenblick mein Hauptinteresse), vergleichbare andere Darstellungen, kunsthistorische Entwicklung dieser Darstellung, Unterschiede und Übereinstimmungen, aber auch über die Legende und - wie gerade bei einer neuen Münze - die Form der Buchstaben!

Erst wenn man so vorgeht, bekommt man ein persönliches Verhältnis zu einer Münze, das weit darüber hinausgeht, sie einfach nur 'schön' zu finden. Allein die aufgewendete Zeit und Mühe erhöht ihren 'Wert' beträchtlich. Dies aber einem Nichtsammler klarzumachen, ist wie mit einem Blinden über Farben zu sprechen!

MfG
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Beitrag von chinamul » Mo 02.01.06 10:29

Eine erfreulich rege Beteiligung an diesem Thema, die ich mit Dankbarkeit zur Kenntnis nehme. Was ich indessen vermisse, sind Münzbeispiele, an denen sich die bisher eher pauschal dargelegten Kriterien nachvollziehbar konkretisieren lassen.
Was sagt ihr beispielsweise zu diesem Sesterz der Faustina Filia, den ich in diesem Zustand gekauft habe? Dafür waren mehrere Gründe ausschlaggebend: Zum ersten ist es eine sehr eindrucksvolle, schwere und breite Münze (26,37 g, Ø 36 mm) mit fast Medailloncharakter, zum zweiten gefiel mir auch das Porträt. Ich habe dafür 1994 umgerechnet 80 Euro gezahlt. "Wahnsinn!" werden jetzt einige von euch sagen, aber es geht hier nicht um den Wiederverkaufswert, und ich habe den Kauf bisher auch noch keinen Augenblick bereut.

Gruß

chinamul
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Beitrag von beachcomber » Mo 02.01.06 13:01

hallo chinamul,
grosse, schwere sesterzen sind für mich sicher auch das interessanteste was die römische münzprägung so bietet.
aber in diesem fall hätte mich der melancholische blick der faustina, (von dem ich mir nicht sicher bin, ob er nicht von dem reiniger dieser münze hervorgerufen wurde), davon abgehalten sie zu kaufen.
was den preis anbelangt - da kann man sicher nichts böses zu sagen, finde ich ok.
grüsse
frank

n.......s
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Beitrag von n.......s » Mo 02.01.06 14:00

...sehr schwierig zu beantowrten ...
Bei häufigen Münzen neigt man sicher eher dazu , eine Münze als nicht mehr sammelwürdig zu bezeichnen . Bei einer seltenen Münze stuft man eine solche dann bei annähernd gleicher Qualität und Erhaltung als sammelwürdig ein , da man Münzen von diesem Kaiser oder dieses Nominal ansonsten in den meisten Sammlungen vergeblich sucht .
Gruß
Torsten

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Beitrag von beachcomber » Mo 02.01.06 14:19

offensichtlich sammelwürdig (und zu recht) ist dieser sesterz:

http://cgi.ebay.de/ws/eBayISAPI.dll?Vie ... %3AIT&rd=1

mal sehen wie weit er noch geht!
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n.......s
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Beitrag von n.......s » Mo 02.01.06 14:23

...genau das meinte ich : wäre dies ein Sesterz des Trajan oder Ant.Pius in gleicher Erhaltung , wäre diese Münze sicher eher sammel"unwürdig".

B.A.
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Beitrag von B.A. » Mo 02.01.06 15:11

Ich glaube auch, dass jeder für sich selber entscheiden muss welche Münze (in welcher Erhaltung) er in seine Sammlung aufnimmt. Wenn einem die Münze gefällt ist es auch relativ egal ob jemand anderes diese Münze auch genommen hätte.
Den Didius Julianus hätte ich nicht nur Aufgrund seiner Seltenheit genommen, sondern allein schon weil das Porträt sehr ansprechen ist (trotz der Erhaltung)

Mfg
SCheibe
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