Mythologisch interessante Münzen

Alles was so unter den Römern geprägt wurde.

Moderator: Homer J. Simpson

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Peter43
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Beitrag von Peter43 » Di 07.03.06 23:26

Der ephesische Eber

An sich ist dies eine unscheinbare Münze, ein AE17 des Septimius Severus aus Ephesos in Ionien.
AE 17, 2.6g
Av.: AV KΛ [CEΠ - C]EVHPOC
Büste, drapiert, belorbeert, n.r..
Rv.: EΦEC - I / ΩN
Wilder Eber läuft n.r., ist von Pfeil durchbohrt
unpubliziert
Selten, gutes F
Eine ähnliche Ausgabe gibt es für Macrinus AE 16 SNG Copenhagen 438

Doch geht man der Reversdarstellung genauer nach, findet man folgenden mythologischen Hintergrund:
Diese Münze beschäftigt sich mit der Gründungssage von Ephesos. Die ephesische Lokalsage über den Stadtgründer Androklos, einen Sohn des Kodros, dürfte sich relativ spät, wohl erst im 5. Jh. unter athenischem Einfluß, ausgebildet haben, als älteste Quelle kennen wir Kreophilos. Demnach gab das delphische Orakel Androklos den Auftrag, die Kolonisten dort anzusiedeln, wo ihnen ein Fisch und ein Eber ein Zeichen gäben. Nach längerer Suche zogen die Griechen ihre Schiffe in der Mündungsbucht des Kaystros an Land und brieten Fische. Einer von diesen fiel samt etwas Kohle aus der Pfanne, aus dem somit entzündeten Gebüsch sprang ein Eber hervor, der von Androklos über den Berghang gejagt und endlich bei der Quelle Hypelaios mit dem Speer erlegt wurde. Aus Strabon und Pausanias wissen wir außerdem, daß Androklos im folgenden die einheimische karisch-lelegische Bevölkerung mit Ausnahme der beim Artemision Siedelnden verjagte und sein Leben im Kampf gegen die Autochthonen verlor, als er der Stadt Priene gegen diese beistand.

Hintergrund:
Androklos zeichnete sich demnach durch hohe Abkunft (Königssohn) und großen Mut (Ebertötung) aus, diente aber auch der gemeingriechischen Sache gegen die Barbaren, als er bei der Verteidigung Prienes half. Nur nebenbei sei bemerkt, daß letzteres übrigens genau das Gegenteil der Handlungsweise der Ephesier zu Beginn der Perserkriege war.
Der Eber tritt im Androklosmythos wie bei Herakles in einem der Artemis gehörenden Gebiet auf. Seine Tötung läßt die Siedler einerseits das Land erst urbar machen, seine bloße Existenz zeigt aber an, daß die zukünftige Stadt eben in noch weitgehend unkultiviertem Land errichtet werden kann, ohne daß der zahlenmäßig kleinen Kolonistengruppe Gefahr von gefestigten älteren Lokalgemeinschaften droht. Die Fische wiederum symbolisieren einerseits die Meeresnähe und eine weitere Ernährungsbasis wie auch die im Mythos als Ort der Ebertötung genannte Hypelaios (Ölbaumquelle), die ihrerseits die Existenz von Süßwasser und Oliven impliziert. Der Hinweis des Orakels auf den Eber gibt den Siedlern somit eine von mehreren Rahmenbedingungen vor, die einer Stadtgründung günstig sind; kaum ist damit jedoch Wild als Nahrungsquelle gemeint, das nach zahlreichen archäozoologischen Untersuchungen in antiken Städten sowenig eine Rolle gespielt hat wie heutzutage.
Über die allgemeine Bedeutung dieses Tieres als Bewohner unkultivierten Landes hinaus könnte aber damit auch ein gezielter Hinweis auf das "Land der Artemis Ephesia" beabsichtigt gewesen sein. Somit könnte der Mythos einerseits einen Fingerzeig auf eine schon sehr früh, nämlich noch vor der Kolonisation, erfolgte Gleichsetzung der ephesischen Göttin mit Artemis, andererseits auf das bei der delphischen Priesterschaft noch vorhandene Wissen um einen ehemaligen mykenischen Handelsposten auf dem heute Ayasoluk benannten Berg geben. Am Fuß dieses damals an der Küste liegenden Berges sollte seit dem 8./7. Jh. v. Chr. das Artemision als monumentaler Tempelbezirk ausgebaut werden, dessen Platz aber war nach sich in jüngster Zeit verdichtenden Funden bereits in mykenischer Zeit zumindest begangen worden.

Quelle:
Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 14 / III / 2000
online unter http://homepage.univie.ac.at/elisabeth. ... scherr.htm

Bild:
Androklos tötet den Eber; Relieffries aus dem sog. Hadrianstempel am Embolos in Ephesos (Österreichisches Archäologisches Institut, Archiv, Photo Th. Römer)

MfG
Dateianhänge
ephesus_septimius_severus_.jpg
Androklos tötet den Eber.jpg
Zuletzt geändert von Peter43 am So 26.03.06 23:53, insgesamt 1-mal geändert.
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Beitrag von Pscipio » Di 07.03.06 23:39

Tolle Münze, wieder einmal hast du ein Stück gekauft, welches sich auch auf meiner Liste befand. Aber so bleibt sie immerhin unter Freunden, was mir lieber ist, als dass sie irgendwohin verschwindet.

Gruss und Gratulation
Pscipio
Nata vimpi curmi da.

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Beitrag von Peter43 » Mi 08.03.06 01:40

Ich hoffe wenigstens, daß Dir diese Geschichte neu war!

MfG
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Beitrag von Pscipio » Mi 08.03.06 09:03

Ja, das war sie allerdings!
Nata vimpi curmi da.

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Beitrag von Peter43 » Do 09.03.06 21:00

Der kalydonische Eber

Das Wildschwein war früher ein gewaltiges, gefährliches Tier. Deshalb ist es nicht verwunderlich, daß es in der griechischen Mythologie - aber nicht nur dort - eine große Rolle spielt. Es sind insbesondere zwei wilde Eber, die im Mittelpunkt von Mythen stehen:

1. Der Erymanthische Eber, der Eber des Herakles, und
2. der Kalydonische Eber, der Eber des Meleager.

Hier soll der Kalydonische Eber vorgestellt werden. Die gezeigte Münze ist ein Silberdenar des C. Hosidius C.f.Geta aus dem Jahre 68 v.Chr.
AR - Denar (Serratus), 3.79g
Av.: diademierte Büste der Diana, Bogen und Köcher über der Schulter, dahinter
GETA, davor III VIR
Rv.: Der Kalydonische Eber steht n.r., von Pfeil durchbohrt und von Hund angegriffen.
im Abschnitt C HOSIDI C.F.
Ref.: Crawford 407/1; Sydenham 904; Hosidia 2
etwas seltener als der Typ mit glattem Rand, SS

Mythologie:
Oineus, der König von Kalydon in Aitolien, hatte einmal bei einem Erntefest alle Götter bewirtet, dabei aber vergessen, der Artemis ein Tier zu schlachten. Die Göttin war erzürnt und schickte einen großen Eber, der die fruchtbaren Felder des Königs verwüstete. Oineus rief um Hilfe und aus allen Teilen des Landes kamen die Helden. Es kamen die Kureten, die Brüder der Althaia, der Ehefrau des Oineus. Es kamen die die Dioskuren Kastor und Polydeukes und ihre messenischen Vetern Idas und Lynkeus. Theseus kam aus Athen, Iphikles, Halbbruder des Herakles, kam aus Theben, Iason, Admetos, Peirithoos, Peleus und Eurytion kamen aus Thessalien, Telamon aus Salamis, Amphiaraos aus Argos, Ankaios und Atalante aus Arkadien und andere mehr. Herakles war durch seine Arbeiten verhindert. An der Spitze der Helden stand Meleagros, der Sohn des Oineus und der Althaia.
Die Jagd auf den Kalydonischen Eber verlief sehr unglücklich. Viele Helden verloren ihr Leben, Ankaios war der erste, der vom Eber getötet wurde. Peleus traf versehentlich seinen Schwiegervater Eurytion mit dem Speer. Auch ein zweiter Jäger wurde durch den Eber getötet.
Das große Unglück kam am sechsten Tag der Jagd. An diesem Tag wurde der Eber erlegt durch einen Pfeil der Atalante und den Todesstoß des Meleagros. Meleagros sprach den Kopf und das Fell des Ebers der Atalante zu. Doch seine Onkel, die Brüder seiner Mutter Althaia, wollten dies nicht dulden. Sie bestanden auf dem Recht ihrer Sippe. Sie entrissen der Atalante die Trophäen und es entstand ein Streit, dann ein Kampf, in dem Meleagros seine beiden Onkel erschlug. Nun gibt es verschiedene Fortsetzungen der Sage.
Bei der Geburt des Meleager war ihm von den Parzen geweissagt worden, daß er nur so lange leben würde, wie das Holzscheit im Ofen. Althaia riß es sofort aus dem Feuer, löschte es und versteckte es an einem geheimen Ort. Als sie jetzt vom Tod ihrer Brüder hörte, geriet sie in Zorn, holte den Holzscheit hervor und warf ihn ins Feuer. Als er verbrannt war, brach Meleagros tot zusammen, noch beim Zerlegen des Ebers.
Eine andere Sage erzählt von einem Rachefeldzug der Kureten gegen Kalydon. Meleager griff erst ein, als die Kureten beinahe Kalydon eroberet hatten und fand dabei den Tod. In der Unterwelt war er der Einzige, vor dessen Schatten sogar Herakles Angst hatte. Und als Meleagros ihm unter Tränen von der Kalydonischen Jagd erzählte, war es zum ersten und einzigen Mal, daß Herakles auch weinen mußte.

Hintergrund:
Wichtig für verallgemeinernde Betrachtungen ist die Beziehung des Ebers zu Artemis, die sich auch nach der Jagd mit dem Rachefeldzug der Kureten fortsetzt. Kureten hießen etwa in Ephesos die mythischen Krieger, deren Waffenlärm den Geburtsschrei der Göttin übertönte, später ein Priesterkollegium im Prytaneion. Die Tötung des Meleager ist die notwendige und unabdingbare Sühne für die der Artemis zugefügte Kränkung infolge der Erlegung ihres Ebers und zugleich die Legitimation der Wächter der Göttin, die nur ihre Aufgabe erfüllen, wenn sie nach Kalydon ziehen. So erklärt sich auch, daß sie trotz Meleagers Tod die Stadt nicht einnehmen, sondern wieder abziehen. Erst spätere Versionen des Jagdmythos', die das Sakrilegium nicht mehr verstanden, brauchten die Ermordung der Oheime und den Fluch der Mutter bzw. das Ammenmärchen vom Holzscheit, dessen Verbrennen die Parzen mit dem Ende des Meleager verknüpft haben sollen. An Parallelen für die unversöhnliche Haltung der Schwester des nicht minder kompromißlosen Apollon mangelt es nicht, man denke nur an die unschuldigen Niobiden, den unglücklichen Hippolytos oder den fürwitzigen Aktaion. So gesehen könnte man Meleager als den mythischen Prototyp des Versagers, der sich für die Stelle als "Heiliger König" bewirbt, aber eben bei der Prüfung durchfällt, bezeichnen.

Quellen:
Ovid lib.VIII, 385-414; 437-444; 515
http://de.wikipedia.org/wiki/Kalydonischer_Eber
Karl Kerenyi, Die Mythologie der Griechen - Die Heroen-Geschichten; dtv
Robert von Ranke-Graves, Griechische Mythologie, Rowohlt

Bild:
Fries aus dem Ashmolean Museum, Oxford

MfG
Dateianhänge
Hosidius_geta_Cr.407_1.jpg
Kalydonischer_Eber.jpg
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Beitrag von Peter43 » So 12.03.06 20:52

Einige Bemerkungen zu den Flußgöttern

Moesia inferior, Nikopolis ad Istrum, Septimius Severus 193-211
AE 27, 12.21g
geprägt unter dem Legaten Aurelius Gallus
Av.: AV.KL.CEΠ - CEVHPOC
belorbeerte Büste n.r.
Rv.: VPA AVP ΓAΛΛOV NEIKOΠ / ΠPOC IC
Bärtiger Flußgott (Istros?), belorbeert, nackt bis zu den Hüften, lehnt n.l., stützt li
Ellenbogen auf Fels oder Urne, woraus Wasser fließ, umfaßt mit der re Hand Baum mit
vier belaubten Zweigen (oder Weinstock?)
AMNG 1310
Selten, SS

Moesia inferior, Nikopolis ad Istrum, Macrinus 217/218
AE 25, 11.24g
geprägt unter dem Legaten Statius Longinus
Av.: AV K OΠΠEΛ CE - [VH MAKPINOC]
bärtige Büste, belorbeert, n.r.
Rv.: VP CTATIOV ΛONΓINOV NIKOΠOΛITΩN / ΠPOC ICT / PΩ
Junger Flußgott (Istros?), nackt bis zu den Hüften, sitzt n.l., hält im li Arm Schilfbündel,
in der erhobenen re Hand Zweig, hinter ihm ein Gefäß, aus dem Wasser strömt.
AMNG 1763 var.; cf. Lindgren II, 272 (dieselbe Rs. bei Diadumenian)
S/SS

In Griechenland und in Italien gab es einen berühmten Flußgötterkult. Der war in der antiken Welt nicht unbekannt. Besonders bei den idg. Völkern war die Verehrung von fließendem Wasser weit verbreitet. Sie gab es bei den Indern, Persern, Thraker und Kelten. Bei den Germanen ist es weniger sicher. Der Begriff 'Flußgott' selbst ist nicht antik. Homer und Hesiod sprachen nur von Flüssen (potamoi). Dabei ist unklar, inwieweit Fluß und Flußgott unterschieden wurden!

Nach Homer sind alle Flüsse aus Okeanos entsprungen. Hesiod nennt sie Kinder des Okeanos und der Thetis; doch heißt Skamandros Sohn des Zeus. Die Flüsse sind unsterblich und nehmen teil an den Götterversammlungen. Sie gelten als sehr kinderreich und Ahnherren vornehmer Geschlechter.

Charakteristisch für ihren Kult ist die Haarweihe, vielleicht als Ersatz für Menschenopfer. Peleus gelobt Spercheios eine Haarlocke Achills für die Heimkehr seines Sohnes. Sonst erhielten sie die üblichen Opfer, Stiere und Schafe. Es gab regelmäßige Opfer z.B. in Messenien, man opferte aber auch vor dem Überschreiten eines Flusses, so auch Xerxes beim Übergang über den Strymon oder Lucullus am Euphrat. Die Flußgötter hatten Priester, Tempel und Altäre.

Schon Homer kannte die Flußgötter als menschengestaltig. Wenn in der Ilias (Buch 21, 237) Skamandros wie ein Stier aufbrüllt, ist das eine Erinnerung an alte Vorstellungsweisen der Flußgötter als Stiere. In der bildenden Kunst ist die früheste Darstellung eines Flusses, des Acheloos, ein Mischwesen aus Mensch und Stier. Der ältere Typus trägt nur noch kleine Hörner.In Unteritalien und auf Sizilien erscheinen sie als Jünglinge. auf Mz. des 5.Jh. Der bekannte Typus des hingelagerten Flußgottes läßt sich auf das gleiche Jh. zurückführen falls man mit Pausanias die Eckfiguren im Ostgiebel des Zeustempels von Olympia als Alpheios und Kladeos identifiziert. Dies aber wird heute nicht mehr aufrechterhalten. So ist dieser häufige Typus wohl eher hellenistisch. Auch die Auffassung der Kentauren als alter Flußgötter wurde inzwischen auf Nessos eingeschränkt.

Es gibt rund hundert Flußgottnamen, die Liste ist aber nicht vollständig, von griech., kleinasiatischen, sizilischen und italienischen Flüssen. Im griechischen Beeich ragen Acheloos und Alpheios heraus. Italienische Flußgötter mit überreginalem Kult im römisch-italienischen Bereich waren Clitumnus und Tiber (auch als Tiberinus pater). Er galt auch als Herr und Vater aller anderen Flüsse, wurde in Gebeten angerufen und besaß ein Heiligtum. Im alten Festkalender wurde er wohl dutrch Volturnus vertreten

Noch eine grundsätzliche Ergänzung, die den Weg frei machen soll, zu einem tieferen Verständnis der antiken Auffassung von Fluß- und anderen Göttern:
Die auf den Münzen abgebildeten Flußgötter sind keine Personifikationen in unserem Sinne. Die Flüsse waren keine Götter! Sondern sie waren der Ausdruck von etwas Göttlichem. Und das ist etwas ganz anderes! In ihnen zeigte sich das Göttliche. Und zwar in verschiedenen Formen. Das hing auch von der Art des jeweiligen Flusses ab. Der abgebildete Flußgott war so der sichtbare Ausdruck dieses Göttlichen. Daß er dabei anthropomorph dargestellt wurde, hingelagert wie ein Wanderer (mit den Füßen zur Mündung), ist verständlich. Trotzdem handelte es sich um den Ausdruck einer transzendentalen Erfahrung, was auch für Quellen, Bäume, Bege und andere Götter galt. Etwas, was die christlichen Mönche nicht verstanden hatten, die die heiligen Bäume fällten und die Götter aufriefen, sich zu wehren. Dabei hätte die Erinnerung an Christus am Kreuz sie eines Besseren belehren können, dem ja auch zugerufen wurde: Steige herab, wenn du Gott bist!

Es gibt bei uns noch Reste dieses Naturverständnisses, wenn wir von einem Fluß sagen: Er hüpft und springt, strömt majestätisch oder wird durch Kanäle eingeengt und vergewaltigt. Vielleicht stünde es um unsere Natur besser, wenn wir uns auf diese verschüttete Sicht wieder besinnen würden!

Quellen:
Der kleine Pauly
http://staff-www.uni-marburg.de/~aegypt/ow/zeus.htm
Reinhart Falter, Fluß- und Berggötter in der späten Antike, Campus 1999

Die hinzugefügten Bilder sind die beiden Flußgötter vom Ostgiebel des Zeustempels, die bereits Pausanias beschrieben hat.
http://www.phil.uni-erlangen.de/~p1alta ... bene4.html

MfG
Dateianhänge
nikopolis_septimius_sev_AMNG1310.jpg
nikopolis_macrinus_Pick1763var.jpg
olympia_flussgott.jpg
Zuletzt geändert von Peter43 am Do 08.05.08 23:07, insgesamt 2-mal geändert.
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Beitrag von Peter43 » Mo 20.03.06 01:03

Der Garizim - der heilige Berg von Samaria

Hier haben wir neben dem dem Argaios von Caesarea in Kappadokien einen zweiten wichtigen heiligen Berg, den Mons Garizim in Samarien.

Trebonianus Gallus 251-253
AE 24, 12.09g
Av.: AVT KAI Γ OVI TPEB ΓAΛΛOC [CEB]
Büste, drapiert und cürassiert(?), belorbeert, n.r.
Rv. ΦΛ NEAC - ΠOΛEΩC
Adler steht frontal mit ausgebreiteten Schwingen, hält damit Kultbild des Mons
Garizim mit Tempel, Schrein und Gärten.
Rosenberger 113; SNG 6, 1035
S+/fast SS, typische Sandpatina der in Palästina gefundenen Münzen

Die Münze zeigt auf den Schwingen des Adlers ein Bild des Garizim: Am Fusse des Berges sehen wir eine Säulenhalle, die den heiligen den Heiligen Bezirk umgibt; eine lange, steile Treppe führt auf das Bergplateau zum perspektivisch gezeigten, auf einem hohen Fundament stehenden Tempel des Zeus Hypsistos; auf der r. Seite führt ein langer, gewundener Weg zu einem Turm (oder Altar) auf einer leicht abgesetzten zweiten Bergkuppe. Ausgrabungen haben die Fundamente des Tempels zutage gebracht, Teile der Treppe mit insgesamt 300 (nach anderen Quellen 1.500) Stufen sind ebenfalls auf uns gekommen. Auf einigen Münzbildern ist deutlich zu erkennen, dass eine Reihe weiterer Sakralbauten den Berghang zierten. Auf der Münze ist wahrscheinlich nur ein Modell dargestellt, das man bei Prozessionen mit sich führte, ein sog. Agalma, bei dem man sich auf das Wichtigste beschränkte.

Flavia Neapolis wurde von Titus 2km westl. von Sichem in Samaria gegründet.
Es ist ein berühmter Ort der religiösen Geschichte des Alten Testaments. Hier soll das Opfer des Abraham stattgefunden haben, bei dem er seinen Sohn Isaak aus Gehorsam Gott gegenüber opfern wollte, hier soll sich das Grab des Joseph befinden und hier soll die Quelle sein, an der Jesus der barmherzigen Samariterin begegnete.

Der Berg Garizim, 870m hoch, ist seit Dtn.11,29 als Berg des Segens gegenüber dem dicht nördl. von ihm gelegenen Ebal, dem Berg des Fluches, bekannt und später mit diesem zusammen als doppelgipfliger Weltberg mit kosmischer Bedeutung verstanden worden. Beides ist Nachhall archaischer Heiligkeit, dem sog. Bergkult, dem wir schon öfter begegnet sind. Die Samaritaner, deren Zentrum Sichem in der Ebene liegt, auf die sich der Paß zwischen beiden Bergen öffnet, glaubten, daß sich einst der Garten Eden auf dem Garizim befunden hätte und erbauten nach ihrer Trennung vom Jerusalemer Judentum, wohl gegen Ende des 4.Jh v.Chr., einen eigenen Tempel auf dem Berg, den Antiochos IV dem Zeus Xenios oder Hellenios weihte. und den Johannes Hyrkanos, dem der Tempel nun auch als seleukid. Heiligtum doppelt verhaßt war, 128 v.Chr. zerstörte. Hadrian ersetzte ihn nach dem Bar Kokhba-Krieg durch ein dem Zeus Hypsistos ("Zeus auf dem Berg") geweihtes Heiligtum. Heute ist der Berg wieder im Besitz der Samaritaner und sie feiern dort jährlich ihr Passa-Fest. Neapolis ist das heutige Nablus, die größte Stadt in Palästina, uns allen aus den Nachrichten über den israelisch-palästinensischen Konflikt wohlbekannt.

Quellen:
Der kleine Pauly
Wikipedia
M&M, Münzbeschreibung

Das beigefügte Bild zeigt das heutige Nablus mit dem südl. Gipfel, dem eigentlichen Mons Garizim. Am re. Bildrand erkennt man noch den Anstieg zum Gipfel des Ebal.

MfG
Dateianhänge
neapol_sam_treb_gall_Rosenb113.jpg
800px-Nablus_panorama.jpg
Zuletzt geändert von Peter43 am So 26.03.06 23:43, insgesamt 1-mal geändert.
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Beitrag von Peter43 » Di 21.03.06 00:27

Die geheimnisvollen Kabiren

Neben den bekannten griechischen Göttern und den großen Muttergottheiten des Vorderen Orients gibt es eine Anzahl von kleineren Gottheiten, die regelmäßig in der Mehrzahl auftreten. Hier ist eine Liste, die sicherlich nicht vollständig ist:
Kabiren,
Korybanten,
Kureten,
Telchinen,
Daktylen,
Dioskuren,
Anaktes,
Gerginoi.
Eigentlich müßte man auch noch die Laren und Penaten zu ihnen zählen. Ihre Bedeutung ist bis heute noch nicht vollständig geklärt, besonders dadurch, daß ihre Namen oft durcheinandergeworfen wurden. Von einigen haben wir hier schon gehört (Kureten, Dioskuren). Heute möchte ich mich etwas mit den Kabiren beschäftigen. Anlaß dazu war die folgende Münze:

Makedonien, Thessalonika, 3.Jh., Zeit des Septimius Severus
AE 20, 6g
Av.: ΘECCAΛO - NIKH (beginnend re oben)
Tyche, drapiert und mit Mauerkrone, verhüllt, n.r.
Rv.: KAB - EIPOC (beginnend re oben)
Kabire in Arbeitskleidung und mit phrygischer Mütze steht frontal, Kopf n.l., hält
in der erhobenen li. Hand Hammer, in der re. Rhyton.
SNG Copenhagen 387; Touratsoglou Emission VI, Group K (Septimius Severus), 10 (Vs. stempelgleich), 8 (Rs. stempelgleich), 2 Ex. known
Selten, gutes SS, hübsche grüne Patina
Dieser Typ wurde von Domitian bis Valerian/Gallienus geprägt. Nur die Legende und die Legendenlücken zeigen, daß diese Münze in die Zeit des Septimius Severus gehört!
Rhyton ist ein Trinkgefäß in Form eines Hornes.

Die Kabiren finden sich häufig auf thessalischen Münzen. Sie galten dort als Schutzgottheiten. Banduri meint, die auffallende Häufung ihrer Darstellung habe seinen Grund darin, daß eine Belagerung von Thessalonika durch die Goten mit Hilfe der Kabiren zurückgeschlagen werden konnte.

Die Nachrichten antiker Schriftsteller über den samothrakischen Kult sind leider widersprüchlich und nur schwer deutbar. Der Grund liegt einerseits in der bewußten Geheimhaltung und Beschränkung religiöser Inhalte und Riten auf die in die Mysterien Eingeweihten, andererseits in der Vermischung vorgriechischer religiöser Vorstellungen mit jenen der Griechen, die im Laufe der Jahrhunderte die verschiedensten Interpretationen erfahren haben. Am bekanntesten ist die Gleichsetzung der samothrakischen Götter mit den Kabiren, orientalischen Fruchtbarkeitsdämonen, deren Verehrung schon in archaischer Zeit in Griechenland Eingang fand. Kabiren war jedoch kaum der ursprüngliche Kultname der samothrakischen Götter; ihre offizielle, in den Inschriften gebräuchliche Bezeichnung ist [...] "die Großen Götter".

Die folgende Darstellung stammt überwiegend von der Seite 'Das Schwarze Netz':
Die Kabiren (gr. Kabeiroi, hebr. kabbirim = die Großen) sind eine Gruppe von Göttern beiderlei Geschlechts oder urzeitlichen gottähnlichen Leuten. Sie galten u.a. als Schutzpatrone der Seefahrt, die dem Schiffbrüchigen Beistand leisteten und in dieser Funktion Megaloi Theoi (= die großen Götter) genannt wurden. Ihr Kult soll von Kleinasien aus über Samothrake nach Griechenland gekommen sein, als Geburtsort gilt der Berg Kabeiros in der Berekyntia (Kerenyi, 70).
Die Kabeiroi gelten als Nachkommen des Hephaistos mit der Kabira, einer Tochter des Proteus, sie werden aber auch als viel älter angesehen und könnten wie die Titanen einst den Olympiern gegenübergestanden und Vorfahren der Menschen gewesen sein (Pausanias 9.25.6, zit. nach Kerenyi, 65f.).
Sie stehen im Mittelpunkt des Mysterienkultes von Samothrake, die dort verehrte Demeter trug den Titel Kabiria (wie auch in Böotien).
Einige Namen von Kabiren sind Axieros, Axiokersos und Axiokersa. Der erste Bestandteil des Namens ist eine kultische Anrufung, da gr. axios „würdig” bedeutet.
Diese drei Namen sollen auch in der geheimen Sprache der Kabiren Namen dreier Gottheiten sein. Axieros bedeute demnach die Demeter, Axiokersa die Persephone und Axiokerses den Pluto (Hederich, Sp. 496f.).
Axiothea (die würdige Göttin) ist der Name einer gelegentlich als Gattin des Prometheus genannten Gestalt, was den Titanen Prometheus in die Nähe der Kabiren rückt.
Ein anderes Element, das die Kabiren mit den Titanen gemeinsam haben, ist ein begangener Ur-Frevel. Wie in orphischer Dichtung (Onomakritos, 6. Jh. v.) vom Mord der Titanen am kleinen Dionysos erzählt wird (siehe Zagreus), kennt man von den Kabiren eine Geschichte vom Brudermord. Dabei sollen die älteren den jüngsten erschlagen, ihm den Kopf abgerissen und in ein purpurnes Tuch gehüllt haben.
Von solchem Ur-Frevel zu reinigen war dann auch Gegenstand der Mysterien-Kulte.
Das Kabirion-Heiligtum bei Theben soll von einem Ureinwohner namens Prometheus und seinem Sohn Aitnaios gegründet worden sein, dem Demeter die Mysterien gebracht habe (Pausanias 9.25.6, zit. nach Kerenyi, S. 64).
Jener Aitnaios sei dabei der Hephaistos gewesen (nach dem Vulkan Ätna auf Sizilien), von dem auch sonst die Kabiren herstammten, ihr Ahnherr der Titan Prometheus, wie auch ihr Kult in Athen nahelegt, wo sie gemeinsam ihren Altar hatten oder auf Lemnos, wo in ähnlicher Konstellation der Kadmilos dem älteren Prometheus zur Seite stand.
Auf Samothrake wurden auch die Dioskuren Kastor und Polydeukes als Kabiren verehrt.
Kabiros hieß auch ein Schutzgott der Mazedonier; die Kabiriden waren Nymphen, die als Schwestern oder Töchter der Kabiren galten.
Vermengt werden die Kabiren mit vielen anderen, außer mit den Titanen mit den Kureten, den Dactylen oder den Penates Dii, auch die Götzen des Laban sollen sie dargestellt haben.

Die Kabiren kommen vor in Goethes Faust II. Von dort hat Rudolf Steiner sie übernommen und als Sinnbild des Menschen überhöht. So sind sie heute ins Esoterische abgedriftet, wie ein Blick ins Internet zeigt.

Quellen:
Der kleine Pauly
Smith's Dictionary of Greek and Roman Biography and Mythology
Hederich, Gründliche Griecische Mythologie
Kerenyi, Griechische Mythologie
http://alex.eled.duth.gr/Samothrace/Sam ... /Ggods.htm
http://en.wikipedia.org/wiki/Kabeiroi
http://en.wikipedia.org/wiki/Cabeiri
http://www.sungaya.de/schwarz/index.htm

Das hinzugefügte Bild zeigt den Kabirentempel auf Samothrake. In seiner Nähe wurde übrigens die 'Nike von Samothrake' gefunden.

MfG
Dateianhänge
thessalonike_SNGcop387.jpg
g_1011830273_Samothraki.jpg
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Beitrag von Peter43 » So 26.03.06 20:25

Herakliskos Drakonopnigon - Der junge Herakles erwürgt die Schlangen

Thrakien, Serdika, Caracalla, 198-217
AE 19, 3.52g
geprägt 207-217
Av.: AVT KM AV CEV ANTΩNINOC
belorbeerte Büste n.r.
Rv.: CEPDΩN
Herakles als pausbäckiger Säugling kniet n.r., re Hand erhoben, li Hand auf den
Boden gestützt, erwürgt zwei Schlangen, die sich um seine Arme winden
Ruzicka 391; Varbanov 153 var. (dort andere Av.-Legende)
Selten, fast SS, glatte, oliv-grüne Patina

Mythologie:
Diese Münze zeigt eine Szene aus der Mythologie des jungen Herakles. Zeus verliebte sich einst in die schöne Alkmene, die Gattin des Amphitryon, des Herrschers von Theben. Als dieser sich auf einem Feldzug befand, nahm Zeus seine Gestalt an, suchte sie auf und vereinigte sich mit ihr. Als ihr Gemahl zurückkehrte, fiel der Schwindel auf. Er verzieh seiner unwissenden Frau und zeugte mit ihr Iphikles, den Zwillingsbruder von Herakles. Alkmene gebar also 2 Söhne - Herakles und Iphikles (letzterer als Sohn zweier Sterblicher ohne ungewöhnliche Kräfte). Hera aber, die Gemahlin des Zeus, wurde aus Eifersucht zur lebenslangen Verfolgerin des Herakles.
Als die Geburt von Herakles und seinem Zwillings-Halbbruder Iphikles bevorstand, verkündete Zeus, daß das erstgeborene Kind aus dem Hause des Perseus der Herr über Mykene werden solle. Darum hatte ihn Hera gebeten, um ihn zu überlisten. Sie verzögerte die Wehen von Alkmene und ließ zunächst Eurystheus, den Sohn des Sthenelus, eines Onkels Amphitryons, zur Welt kommen und erst dann Herakles, der somit diesem nun untertan war.
Alkmene setzte den Säugling aus Angst vor Heras Rache auf den sog. Heraklesfeldern bei Theben aus. Seine Halbschwester Athena, die auch später als Schutzgöttin des Helden eine wichtige Rolle spielt, nahm ihn an sich und brachte ihn zu Hera. Diese erkannte Herakles nicht und säugte ihn aus Mitleid. Dabei saugte Herakles jedoch so stark, daß er Hera Schmerzen zufügte und diese ihn von sich stieß. Doch durch die göttliche Milch erhielt Herakles seine Unsterblichkeit. Athena brachte das Kind zu seiner Mutter zurück, die es freudig wieder aufnahm. So wuchs Herakles bei seinen Eltern auf. Dort wurde er ständig vom Haß seiner Stiefmutter verfolgt. Er war gerade acht Monate alt, als Hera zwei riesige Schlangen in das Schlafgemach der Kinder schickte. Iphikles weinte vor Angst, doch da ergriff sein Bruder Herakles die beiden Schlangen und erwürgte sie. Der Seher Teiresias, den der erstaunte Amphitryon kommen ließ, prophezeite dem Kind eine ungewöhnliche Zukunft. Zahlreiche Ungeheuer werde er besiegen.

Hintergrund:
Schon früh fiel der Widerspruch auf, der zwischen dem Namen des Herakles, der 'Ruhm der Hera' bedeutet, und dem Haß, mit dem Hera ihn in der Mythologie verfolgt. Aufgelöst werden kann dieser Widerspruch, indem man ein altes Mißverständnis annimmt: Herakles, der wie alle Heroen unter dem Schutz der Hera stand, wurde zu Abenteuern ausgesandt, um sich und damit auch der Hera Ruhm zu erwerben. Wir kennen ähnliches aus der Tafelrunde der Artussage. Diese harten Aufgaben wurden dann mißverstanden und als Verfolgung des Herakles durch Hera aufgefaßt. Für das ursprünglich gute Verhältnis zwischen den beiden Hera spricht der gemeinsame Kampf gegen einen feuerschnaubenden Giganten in der Gigantomachia und gegen 4 Satyrn. Dazu paßt, daß es für die gesandten Schlangen auch andere Erklärungen gibt. Es wird nämlich auch berichtet, daß die Schlangen von Amphitryon geschickt worden sind, um herauszubekommen, welches der beiden Kinder sein eigenes sei. Mater certa, pater incerta!
Von Ranke-Graves steuert eine noch andere Erklärung bei. Ein altes Bild, von dem die posthomerische Geschichte über die erwürgten Schlangen herrührt, hat wahrscheinlich dargestellt, wie er die Tiere liebkost, während sie ihm mit ihren Zungen seine Ohren reinigen. Dies wird berichtet von den Sehern Melampos, Teiresias, Kassandra und den Söhnen des Laokoon. Ohne diese Tätigkeit wäre es ihnen nicht möglich gewesen, die Sprache der Geier zu versehen.

Die Münze selbst nimmt augenscheinlich ein Motiv auf, das sich auf einer Reihe von seltenen Tetradrachmen findet, die ca. 405/4 v.Chr. geprägt worden sind, um eine Allianz (Synmachikon) zwischen Städten des westlichen Asia minor zu feiern. Es gibt sie von Byzantion, Ephesos, Iasos, Knidos, Kyzikos, Lampsakos, Rhodos und Samos.
Man dachte, daß diese Allianz 394 v.Chr. zustandegekommen sei, nach der Besiegung der Spartanischen Flotte durch den Athener Konon in der Seeschlacht von Knidos. Doch Stefan Karwiese konnte 1980 überzeugend darstellen, daß die Serie 10 Jahre früher entstanden sein könnte, als diese Städte die Vorherrschaft von Athen abschütteln konnten mit Hilfe des Spartaners Lysander. Lysander wurde daraufhin gefeiert als Herakliskos Drakonopnygon, Herakles der Schlangenwürger.

Warum nun Caracalla eine Affinität zu diesem Motiv hatte, konnte ich nicht eruieren. Vielleicht sah er sich im Kampf gegen eine Welt des Bösen?

Quellen:
Der kleine Pauly
http://de.wikipedia.org/wiki/Herakles
von Ranke-Graves, Griechische Myhologie

Hinzugefügt habe ich
a) eine Abb. einer Tetradrachme von Samos von 405/4 v.Chr.
b) eine 1999 am Marcellustheater in Rom gefundene Säulenbasis mit
Herculesdarstellungen auf allen Seiten.

MfG
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serdica_caracalla_Varbanov153var.jpg
tetradrachm_Samos.jpg
Rome_1999.jpg
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Beitrag von Peter43 » Mo 27.03.06 00:04

Übrigens wäre ein bißchen Feedback ganz schön! Dazu gehören natürlich auch gefundene Fehler oder Verbesserungen!

MfG
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Zwerg
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Beitrag von Zwerg » Mo 27.03.06 00:24

Hallo Peter
Deine Beiträge werden auch zu nachtschlafender Zeit gelesen - und gerne gelesen.
Leider habe ich zur Zeit nicht die Zeit (wie war das bei dem Kanichen?) darauf zu antworten. Es ist wirklich schade, daß du Alleinunterhalter bist.
Weitaus bedauerlicher finde ich, daß diese Beiträge möglicherweise irgendwann in dem Orkus des Vergessens versinken werden. Ein Forumseintrag ist nicht "zitierfähig" - ein online-Lexikon mittlerweile schon.

Beste Grüße
Zwerg
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Beitrag von chinamul » Fr 31.03.06 12:17

Hercules (Herakles) und die Äpfel der Hesperiden

Herakles galt als Sohn der Alkmene und des Amphytrion. Allerdings hatte sich Zeus in Gestalt des Amphytrion über die ahnungslose Alkmene hergemacht und sie geschwängert, als ihr Gatte auf einem Feldzug war. Als der kurz darauf eintraf, schlief er selbst mit seiner Gattin und zeugte mit ihr ein weiteres Kind. Beide Säuglinge wurden fast gleichzeitig geboren. Zeus bestimmte denjenigen, der als erster geboren würde, zum künftigen Herrscher. Durch eine List verhinderte die eifersüchtige Zeusgattin Hera, daß der Zeussohn Herakles als erster zur Welt kam und so wurde sein Halbbruder Eurystheus Regent und damit auch Herr über Herakles.
Hera verfolgte den Herakles auch weiter mit ihrem Haß und verursachte bei ihm einen Tobsuchtsanfall, in dem er seine Gemahlin Megara und seine Kinder tötete.
Als Buße mußte Herakles nun im Auftrage des Eurystheus die berühmten zwölf Arbeiten verrichten, deren Bewältigung fast unmöglich schien.
Als elfte dieser zwölf Aufgaben galt es, die Äpfel der Hesperiden zu beschaffen. Die Hesperiden waren die vier Nymphen Aigle, Erytheia, Hespera und Arethusa. Sie bewachten im Auftrag Heras die goldenen Äpfel, die Hera von der Erdgöttin Gaia als Hochzeitsgeschenk erhalten hatte.
Herakles hatte auf seinem langen und gefährlichen Weg zu den Hesperiden manches Abenteuer zu bestehen, bemächtigte sich schließlich aber der Äpfel nicht selbst, sondern brachte den etwas einfältigen Titan Atlas dazu, sie für ihn zu holen. Er werde in der Zwischenzeit das Himmelsgewölbe an seiner Stelle auf seine Schultern laden. Als Atlas mit den Äpfeln zurückkam, hatte er keine Lust, seine Aufgabe wieder zu übernehmen, und zum Schein bot Herakles ihm an, fortan den Himmel zu stützen, wenn er dem Atlas die Bürde nur noch einmal ganz kurz übergeben dürfe, um sich ein Polster auf die Schultern zu legen. Atlas willigte ein, aber Herakles dachte gar nicht daran, sein Versprechen einzuhalten, sondern eilte mit den Äpfeln zu Eurystheus. Dieser überließ sie Athena, die sie wieder in die Obhut der Hesperiden gab.

CONSTANTIUS I CHLORUS 305 – 306
AE Follis Siscia 305/306
Av.: IMP CONSTANTIVS P F AVG - Belorbeerter Kopf rechts
Rv.: HERCVLI VICTORI - Hercules frontal stehend; Kopf nach links; die Rechte auf Keule gestützt, über dem linken Arm das Fell des nemeïschen Löwen, auf der Linken drei der goldenen Äpfel der Hesperiden
Links im Feld: VI
Im Abschnitt: SISB
RIC 165a (9,38 g)

Gruß

chinamul
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hercul constantius I.jpg
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Beitrag von Peter43 » Mo 03.04.06 22:30

Für alle, die an der Mythologie von den Äpfeln der Hesperiden interessiert sind, habe ich her eine Diskussion über eine Münze, die zu einem überraschenden Ergebnis führte:
http://www.forumancientcoins.com/board/ ... ic=25677.0

MfG
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deultum_gordianIII.jpg
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Beitrag von chinamul » Di 04.04.06 11:36

Interessant an dieser Münze ist vor allem, was man auf ihr nicht sieht: Einen Apfel suche ich vergebens. Daher halte ich zunächst einmal einen Bezug dieser Münze auf die Hesperiden bis zum Beweis des Gegenteils oder dem Auftauchen weiterer Indizien für blanke Spekulation.

Gruß

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Beitrag von Peter43 » Mo 24.04.06 00:53

Atargatis oder Dea Syria, die Große Syrische Göttin

Wir haben in diesem Thread bereits über die Großen Göttinnen wie Kybele oder Rhea gesprochen und wir haben auch schon Dea Syria erwähnt. Hier möchte ich eine Münze mit Atargatis vorstellen.

Syria Cyrresthica, Hierapolis, Severus Alexander 222-235 n.Chr.
AE 28, 18.3g
Av.: AVT KAI MAR A[VR CE ALEZANDROC]
Büste, drapiert und cürassiert, mit Strahlenkrone, n.r.
Rv.: [QEAC CVRIAC IERAPO]LI / TWN
Atargatis reitet auf einem Löwen n.r., hält Zepter und sitzt n.l.
BMC 55 var.
Slten, fast SS
ex. Penina Manfra and Brokes 1968

Hintergrund (hauptsächlich aus dem kleinen Pauly):
Hierapolis in Syria Cyrrhestica war das berühmte Kultzenter der Atargatis, die im Hellenismus auch Dea Syria genannt wurde (bitte nicht mit Dea Caelestis der Lokalgöttin von Karthago verwechseln). Sie wurde meistens zusammen mit dem westsemitischen Wettergott Baal-Hadad verehrt in Baalbek, Damaskus, Palmyra, Dura-Europos und eben ganz besonders in Hierapolis und in Askalon. Die Griechen nannten sie auch Derketo. Es besteht eine etymologische Verbindung zur phönizischen Göttin Aphrodite-Astarte und eine Wesensähnlichkeit mit der kleinasiatischen Kybele-Rhea. Sie alle zeigen die Syzygie (begleitende Paarbildung) mit einem jungen, männlichen Gott vom Typ des Adonis-Attis. Der Parhedros, der helfende Begleiter, der Atargatis war Hadad. Lukian von Samosate nennt beide Zeus und Hera und beschreibt detailgenau den Tenpel von Bambyke mit seinem wundervollen Duft. Lukian spricht immer von einer Göttertrias, wobei der dritte Gott früher als eine Mißinterpretation eines vergöttlichten Vexillums galt, heute aber eher als ein niederer Gott wie Kombabos angesehen wird. Die Novelle von Stratonike-Kombabos zeigt in ihren Kastrationsmotiven den Einfluß des Kybeledienstes und den orientalischen Hetärencharakter der Atargatis-Astarte, der auch bekannt ist von der Derketo-Semiramis in Askalon. Dies muß man sehen als Beweis ihrer großen Fruchtbarkeit, der auch ihr junger Begleiter verfallen war bis zu seinem Tod.

Ihre Kultbestätigungen waren Schleier, Blumen, Ompalossymbolik, Seeprozessionen, Hydrophoria (ein Libationsfestival), Lavatio (Waschzeremonien), Baumverbrennen (Pyra), ekstatischer Tanz, Eviration (Kastration) und Phallolatrie (Anbetung des Phallos). Wie die phönizische Astarte war auch Atargatis zunächst eine lokale Gottheit, die Herrin der Stadt (Baalat), mit der Corona muralis der Magna Mater. Sie wird typischerweise dargestellt mit den sie begleitenden Löwen und den Stieren des Hadad. Als Potnia Theron (Herrin der Tiere) gehörte ihr das Paradies von Bambyke und der See der heiligen Fische von Askalon. In dieser Eigenschaft weitete sich ihre Rolle aus bis zu einer universalen Bedeutung. Die ätiologischen Legenden von Derketos Sprung in den See und die darauf folgende Verwandlung in einen Fisch, sowie ihre Geburt aus einem Ei im Euphrat unterstützt durch Fische und Tauben, und die Verwandlung der Semiramis in eine Taube dienten nicht nur als Erklärung für religiöse Tatsachen wie ihren Ichthyomorphismus (Darstellung mit Fischschwanz u.ä.) oder ihre Fisch- und Taubenattribute. Der syrische Tierkult stellt mit Fisch und Taube zwei hervorragende Vertreter der tierischen Fruchtbarkeit heraus und betont so die segnende Gewalt der Dea Syria über Luft und Wasser. Ihr Anspruch, über Himmel und Meer zu herrschen, resultiert aus ihrer Teilhabe an Charaktereigenschaften der mesopotamischen Fischgöttin Nina-Ishtar und der westsemitischen Taubenherrin Semiramis-Astarte.

Parallel zur Ausbreitung ihrer Verehrung und der damit verbundenen synkretistischen Akkomodation wurde sie erhöht zur allschöpferischen Welt- und Muttergöttin. Sie war die Erbin der uguritischen 'Asherat der See', und auf Delos der mediterranen Erd- und Himmelgöttin Aphrodite-Ariadne. Über Sizilien und die italienischen Hafenstädte gelangte sie nach Rom. Sueton schreibt in seiner 'Vita Caesarum' über Nero:
Götterkulte verachtete er sein ganzes Leben lang, außer einen einzigen, den der Dea Syria. Doch bald empfand er auch gegen diese eine solche Verachtung, daß er ihr Götterbild mit Urin besudelte. Inzwischen hielt ihn ein einziger anderer Aberglaube in seinen Fängen, es war der einzige, an dem er zäh festhielt. Ihm hatte ein unbekannter Mann aus dem Volk eine kleine Statuette eines Mädchens, damit sie ihn vor Verschwörungen warne, zum Geschenk gemacht. Prompt wurde eine Verschwörung entdeckt; also verehrte er diese Figur als seine höchste Gottheit und opferte ihr dreimal am Tag, das hat er für alle Zeiten so gehalten.

Sie wird ebenfalls oft von Apuleius in seinen 'Metamorphoses (Der Goldene Esel)' erwähnt. Mit den römischen Soldaten erreichte sie die äußersten Grenzen des Reiches. In Edessa, Haran und Nisibis widerstand ihr Kult dem Christentum lange Zeit. In Haran war die Selbstkastration noch vom 9.Jh. bekannt!

Heute gibt es eine Wiedergeburt der Atargatis in der Esoterikszene und der sog. Frauenbewegung. Ihr Name wird von Heavy-Metal-Gruppen und in der Gothic-Szene benutzt. Als Anhang habe ich das berühmte Gemälde 'Astarte Syriaca' des Prae-Raphaeliten Dante Gabriel Rosetti hinzugefügt.

Quellen:
Der kleine Pauly
Lukian, De Dea Syria. Online unter http://www.sacred-texts.com/cla/luc/tsg/index.htm
http://www.hausarbeiten.de/faecher/haus ... /8075.html
http://de.wikipedia.org/wiki/Dea_Syra
Apuleius, Metamorphosen (Der Goldene Esel)
Sueton, De Vita Caesarum

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Rossetti_astarte_syriaca.jpg

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