Mythologisch interessante Münzen

Alles was so unter den Römern geprägt wurde.

Moderator: Homer J. Simpson

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chinamul
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Beitrag von chinamul » Do 07.09.06 19:56

Und noch eine Venus: Diesmal beschaut sie sich in einem Handspiegel, auch dies ein gängiger Typus. Oft hält ihr den Spiegel auch ein kleiner Amor. Wieder hält sich ihr Liebreiz sehr in Grenzen!

Gruß

chinamul
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Peter43
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Beitrag von Peter43 » Sa 16.09.06 21:36

Hermanubis

Ägypten, Alexandria, Claudius II. Gothicus, 268-270
AE - Potin-Tetradrachme, 20.5mm, 10.97g
geprägt Jahr 2 (269/270)
Av.: AVT K KLA - VDIOC CEB
Bste, drapiert, belorbeert, n.r.
Rv.: Jugendliche Büste des Hermanubis, Drapierung auf der li Schulter,
mit Kalathos, auf der Stirn Lotosblüte, n.r.; davor Kombination aus
Kerykeion und Palmzweig
dahinter LB (Jahr 2)
Milne 4239; Curtis 1701; Köln 3037
SS+, matt-dunkelbraune Patina

Um 5000 v.Chr. ließen sich im Niltal verschieden Stämme, Lybier, Semiten aus Asien und Nubier nieder. Dieses Völkergemisch siedelte in zwei voneinander getrennten Gebieten, dem Tal unterhalb Assiat, das als Oberägypten bekannt wurde, und im Fayum-Gebiet in Unterägypten. Anders als die Sumerer bauten die Ägypter zunächst keine großen Städte. Um 3400 v.Chr. vereinte Menes beide Reiche und begann mit dem Bau von großen Städten. Ägyptens Glanzzeit ging zum Ende des 12. Jahrhunderts v.Chr. nieder.

Ein noch immer ungelöstes Rätsel ist die Herkunft des Gottes Anubis. Diese häufig mit dem Ritual des Einbalsamierens dargestellte Gottheit wird von der einen Seite als Abbild des Schakals und von der anderen als Windhund gesehen.

Anubis war Schutzherr der Mumifizierung. Späteren Vorstellungen zufolge war Anubis ein Bruder des Osiris, oder von Osiris und Nephtys heimlich gezeugt, von seinen Eltern ausgesetzt und von Isis aufgezogen worden. Anubis wies den Verstorbenen den Weg ins Jenseits. Von den Griechen wurde er desxhalb dem Hermes gleichgestellt und Hermanubis genannt.

Anubis und insbesondere Hermanubis waren in der Spätzeit Götter der Mysterien, d.h. nur ein kleiner Kreis von Eingeweihten (den sog. mysten) wußte über sie Bescheid. Selbst heute findet man Hermanubis massenhaft auf esoterischen Seiten. Unsere Kenntnisse stützen sich hauptsächlich auf Plutarch und Apuleius.

Anubis (griech.), Anpu (ägypt.) Der ägyptische schakal-köpfige Gott, Herr des Stillen Landes des Westens (Unterwelt). Ihm zusammen mit Thoth war anvertraut das Geleiten der Toten in die Unterwelt (Psychopompos). Während des Gerichtes nach dem Tod, prüfte Anubis das Gleichgewicht indem er die Herzen wog. Seine Aufgabe war aber auch das Einbalsamieren, mystisch gesprochen.
Ursprünglich der Gott der Unterwelt, wurde er später durch Osiris ersetzt. In Heliopolis wurde er während der späteren Dynastien mit Horus identifiziert, da er oft als Sohn der Isis und des Osiris betrachtet wurde - öfter noch als Sohn des Osiris und der Nephthys (Neith). Plutarch schreibt: "Unter Anubis verstanden sie den horizontalen Kreis, der den unsichtbaren Teil der Welt, den sie Nephthys nannten, vom sichtbaren Teil trennte, dem sie den Namen Isis gaben; und da dieser Kreis in gleichem Maße die Grenzen von Licht und Dunkelheit berührte, so wurde er als zu beiden zugehörig betrachtet... Andere wiederum waren der Meinung, daß mit Anubis die Zeit gemeint war..." (Über Isis und Osiris, sec 44).

Die Mysterien von Osiris und Isis wurden wiederbelebt in Rom, und Apuleius (2.Jh.) erzählt in seinem Goldenen Esel von der Prozession der Isis, in der der duale Aspekt von Anubis gezeigt wurde: "Dieser Bote zwischen Himmel und Hölle zeigte abwechselnd ein Gesicht schwarz wie die Nacht und dann wieder golden wie der Tag, in der Linken hält er den Caduceus, in der rechten den grünen Palmenzweig, mit dem er wedelt" (Götter der Ägypter, Budge 2:264-5). In den meisten seiner Attribute stellt Anubis eine Mondkraft dar, deshalb Plutarch stellt ihn in Verbindung zur Grecianischen Hekate, einem anderen Namen für den Mond; und dies wird weiter dadurch verstärkt, daß er der Führer der toten Seelen ist. Deshalb wird er von den Griechen mit Hermes Psychopompos identifiziert.

Siehe auch den Beitrag in diesem Thread über Hermes, den Grenzgänger!

Hinzugefügt habe ich das Bild einer Statue des Anubis und ein Bild des Hermanubis aus Vollmer.

MfG
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alexandria_claudiusII_Milne4240.jpg
anubis4_150.jpg
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Beitrag von Peter43 » So 17.09.06 12:51

Der Raub der Sabinerinnen

L. Titurius L.f. Sabinus, gens Tituria
AR - Denar, 20 mm, 3.95 gm.
Rom 89 v.Chr.
Av.: Bärtiger Kopf des Königs Tatius n.r.
dahinter SABIN, davor T / A als Monogramm
Rv.: Zwei römische Soldaten tragen jeder eine sabinische Frau fort.
im Abschnitt L.TITVRI
Crawford 344/1a: Sydenham 698; Tituria 1
SS, leicht getönt, Rv. etwas exzentrisch
Ex Lakeview coll.

Die Rückseite dieser Münze zeigt den berühmten Raub der Sabinerinnen. Damit befinden wir uns in der Zeit kurz nach der Gründung Roms.

nach Livius, Ab urbe condita I, 9:
Das römische Gemeinwesen war inzwischen so stark geworden, daß es jedem seiner Nachbarn im Krieg ebenbürtig war, aber seine Größe drohte nur eine Generation anzudauern, da es wegen des Mangels an Frauen keine Hoffnung auf Nachkommen gab, und es gab kein Recht zur nachbarschaftlichen Heirat. Auf Anraten des Senats sandte Romulus Boten zu den umliegenden Völkern, um um ein Bündnis und das Recht zur gegenseitigen Heirat für sein neues Gemeinwesen zu bitten. [...] Nirgends wurde den Gesandten wohlwollende Aufnahme zuteil. Während ihre Vorschläge verspottet wurden, herrschte doch gleichzeitig ein allgemeines Gefühl der Beunruhigung ob der Macht, die so schnell in ihrer Mitte wuchs. In der Regel wurden sie mit der Frage abgewiesen, ob sie ein Asylum für Frauen eröffnet hätten, denn allein dies würde für eine Heirat von gleich zu gleich sorgen.
Die römische Jugend konnte solche Beleidigungen schlecht ertragen, und es begann danach auszusehen, als liefe die Sache auf Gewalt hinaus. Um günstige Zeit und günstige Gelegenheit für einen derartigen Versuch zu sichern, schritt Romulus, seinen Ärger verbergend, zu eifrigen Vorbereitungen für Spiele zu Ehren des Neptuun Equester, die er die Consualia nannte. Er befahl, in den umliegenden Städten öffentlich für das Spektakel zu werben, und sein Volk unterstützte ihn, indem es die Feier so großartig ausrichtete, wie es ihr Wissen und ihre Resourcen zuließen, und die Erwartungen stiegen. Es gab einen großen Zulauf, denn die Menschen waren begierig, die neue Stadt zu sehen. Alle Nachbarn - die Leute aus Caenina, Antemnae und Crustumerium - waren da, und die ganze sabinische Bevölkerung kam, mit den Frauen und Familien. Sie wurden in die verschiedenen Häuser als Gäste geladen, und nachdem sie die Lage der Stadt, die Mauern und die große Zahl der Wohnhäuser, die sie umfaßte, gesehen hatten, waren sie erstaunt über die Geschwindigkeit, in der der römische Staat gewachsen war.

Als die Stunde der Wettkämpfe gekommen war, und Augen und Konzentration auf das vor den Augen stehende Spektakel gerichtet waren, wurde das vereinbarte Signal gegeben und die römische Jugend rannte in alle Richtungen, um die Jungfrauen, die anwesend waren, fortzutragen. Der größte Teil wurde wahllos fortgebracht, aber einige besonders schöne Mädchen, die für die führenden Patrizier ausgesucht worden waren, wurden von Plebejern in ihre Häuser gebracht, die dazu beaufftragt worden waren. [...] Unruhe und Bestürzung beendeten die Spiele, und die Eltern der Mädchen flohen, verwirrt von der Trauer, bittere Vorwürfe gegen die ausstossend, die die Gesetze der Gastfreundschaft mißachtet hatten, und zu dem Gott flehend, zu dessen festlichen Spielen sie gekommen waren, um Opfer einer gottlosen Freveltat zu werden. Die entführten Mädchen waren nicht weniger mutlos und entrüstet. Romulus selbst jedoch ging umher und erklärte, es sei nur wegen des Hochmuts ihrer Väter geschehen, die ihren Nachbarn das Recht zur Heirat verweigert hätten. Sie würden in ehrbarer Ehe leben und all ihr Eigentum und ihre Bürgerrechte teilen, und, was den Menschen am wichtigsten ist, die Mütter von frei geborenen Kindern sein. Er bat sie, ihren Zorn zu besänftigen und denen ihre Zuneigung zu geben, die das Schicksal zu den Herren ihrer Person gemacht habe. Eine Beleidigung habe oft zu Versöhnung und Liebe geführt. Sie würden ihre Ehemänner um so liebenswerter finden, als alle sich zum äußersten bemühen würden - soweit er es in der Hand habe -, den Verlust von Eltern und Vaterland auszugleichen. Diese Argumente wurden verstärkt durch die Schmeicheleien der Männer, die ihr Verhalten mit der unwiderstehlichen Kraft ihrer Leidenschaft entschuldigten - eine Verteidigung, die effektiver als alles andere ist, wenn man an die Natur einer Frau appelliert.

Hintergrund:
Die Sabiner waren ein antikes Volk in Mittelitalien. Hauptsächlich bewohnten sie die Sabinerberge nordöstlich von Rom. Über sie ist eigentlich wenig bekannt. Sie scheinen wahrscheinlich Oskisch gesprochen zu haben und werden damit zu den Sabelli gehört haben. Von den ältesten Zeiten her gab es in Rom ein Sabinisches Element. Nach der Bildung des Doppelkönigstums von Romulus und Titus Tatius wurden die Römer auch Quirites (populus Romanus Quiritium) genannt, nach Cures, dem Hauptort der Sabiner, aus dem auch Numa Pompilius stammte. Der Raub der Sabinerinnen, der die Römer mit Frauen versorgen sollte, ist nur der Versuch einer mythologischen Erklärung für diese Tatsache.

Viele religiösen Kulte der Römer gehen auf Sabinische Ursprünge zurück. Rom war in viele Kriege mit den umliegenden Sabinern verwickelt; Horatius Cocles soll sie im 5.Jh. v.Chr. besiegt haben und Marcus Curius Dentatus hast sie 290 v.Chr. unterworfen. 268 v.Chr. bekamen die Sabiner die römischen Bürgerrechte. Die Samniten waren möglicherweise ein Zweig der Sabiner. Jedenfalls wurden die Samniten von den Römern oft mit den Sabinern verwechselt.

Hinzugefügt habe ich ein Bild der Statue 'Der Raub der Sabinerinnen' von Giovanni Bologna in der Loggia dei Lanzi in Florenz und ein Bild des gleichnamigen Gemäldes von Nicolas Poussin, 1637.

MfG
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titurius_sabinus_Crawford344.1a.jpg
sabinerinnen2.jpg
Nicolas Poussin.jpg
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Beitrag von payler » Di 19.09.06 19:33

Erlaube mir auch einen Versuch in diesem Thread!

Meine Neue:
Serratus, 82. v. Chr.
Gaius Mamilius Limetanus
Drapierte Büste des Merkur mit geflügeltem Petasus und Caduceus rechts, im Feld links M. Rs: C MAMIL / LIMETAN. Odysseus mit Pileus und Wanderstab nach rechts schreitend und die Rechte nach seinem Hund Argos ausstreckend, der zu ihm aufblickt. Cr. 362/1. Syd. 741. Bab. 6. 3,88g. Schöne Tönung.

zur Geschichte:

Die Rückseite stellt den Augenblick dar, als Odysseus von seinen Irrfahrten nach Ithaka heimkehrend von seinem alten Hund Argus erkannt wird. Die Familie Mamilia behauptete, von Telegonus, dem Sohn des Odysseus und der Circe abzustammen.

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Peter43
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Beitrag von Peter43 » Di 19.09.06 21:26

Odyssee, 17. Gesang, 291-327 (nach der Übersetzung von Heinrich Voß):

Aber ein Hund erhob auf dem Lager sein Haupt und die Ohren,
Argos: welchen vordem der leidengeübte Odysseus
Selber erzog; allein er schiffte zur heiligen Troja
Ehe er seiner genoß. Ihn führten die Jünglinge vormals

295 Immer auf wilde Ziegen und flüchtige Hasen und Rehe:
Aber jetzt, da sein Herr entfernt war, lag er verachtet
Auf dem großen Haufen vom Miste der Mäuler und Rinder,
Welcher am Tore des Hofes gehäuft ward, daß ihn Odysseus'
Knechte von dannen führen, des Königes Äcker zu düngen;
300 Hier lag Argos der Hund, von Ungeziefer zerfressen.
Dieser, da er nun endlich den nahen Odysseus erkannte,
Wedelte zwar mit dem Schwanz, und senkte die Ohren herunter;
Aber er war zu schwach, sich seinem Herren zu nähern.
Und Odysseus sah es, und trocknete heimlich die Träne,
305 Unbemerkt von Eumäos, und fragete seinen Begleiter:
Wunderbar ist es, Eumäos, daß dieser Hund auf dem Miste
Liegt! Sein Körper ist schön von Bildung; aber ich weiß nicht,
Ob er mit dieser Gestalt auch schnell im Laufe gewesen,
Oder so, wie die Hund' um der Reichen Tische gewöhnlich

310 Sind; denn solche Herren erziehn sie bloß zum Vergnügen.
Ihm antwortetest du, Eumäos, Hüter der Schweine:
Freilich! denn dies ist der Hund des ferne gestorbenen Mannes.
Wär' er derselbige noch an Gestalt und mutigen Taten,
Als wie Odysseus ihn, gen Troja schiffend, zurückließ;

315 Sicherlich würdest du jetzo die Kraft und die Schnelle bewundern!
Trieb er ein Wildbret auf im dichtverwachsenen Waldtal,
Nimmer entfloh es ihm; denn er war auch ein weidlicher Spürhund.
Aber nun liegt er im Elend hier; denn fern von der Heimat
Starb sein Herr, und die Weiber, die faulen, versäumen ihn gänzlich.
320 Das ist die Art der Bedienten: Sobald ihr Herr sie nicht antreibt,
Werden sie träge zum Guten, und gehn nicht gern an die Arbeit.
Zeus' allwaltender Rat nimmt schon die Hälfte der Tugend
Einem Manne, sobald er die heilige Freiheit verlieret.
Also sprach er, und ging in die schöngebauete Wohnung,

325 Eilte dann grad' in den Saal zu den übermütigen Freiern.
Aber Argos umhüllte der schwarze Schatten des Todes,
Da er im zwanzigsten Jahr Odysseus wieder gesehen.

Neben Argos wurde Odysseus noch erkannt von seiner Amme Eurykleia und vom Schweinehirt Eumaios.

Der abgebildete Goldring stammt aus dem 4.Jh. v.Chr.

MfG
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Goldring 4Jh.jpg
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Beitrag von chinamul » Di 19.09.06 21:50

Zu Limetanus s. auch diesen Link:
http://www.numismatikforum.de/ftopic6900-105.html

Gruß

chinamul
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Beitrag von Peter43 » Fr 22.09.06 13:54

Herakles mit Kantharos

Es gibt seltene Darstellungen des Herakles, bei denen er neben seinen üblichen Attributen einen Kantharos hält. Diese Darstellung kommt in imperialen Zeiten vor in Smyrna für Domitian, Julia Mamaea, Julia Domna und Gordian III. (Ich weiß allerdings nicht, ob die Liste vollständig ist!). Hier ist mein Exemplar:

Ionien, Smyrna, Gordian III. 238-244 n.Chr.
AE - AE 21, 5.69g
geprägt 241-244 (ohne Beamtennamen)
Av.: A KM ANT - GORDIANOC
Büste, drapiert und cürassiert, belorbeert, n.r.
Rv.: CMVRNAIWN.G - NEWKORWN
Herakles, nackt, frontal stehend, Kopf n.l. gewendet, hält in der ausgestreckten Rechten
Kantharos zum Ausgießen und im linken Arm seine Keule und das Löwenfell.
SNG München 3244; SNG von Aulock 230; SNG Copenhagen 1397 (Rv); BMC Ionia, 445
selten, fast SS/SS, olivgrüne Patina, übliche leichte Rauhigkeit

Mythologie:
Die Geschichte, auf die sich diese Münze aus Smyrna bezieht, spielt in der Zeit nach den berühmten 12 Taten, die Herakles für Eurystheus verbringen mußte (Dodekathos). Danach zog er nämlich durch die Welt und vollbrachte überall Heldentaten. Er befreite Prometheus, kämpfte gegen Zentauren, besiegte die Amazonen, begleitete die Argonauten und tötete den Riesen Antaios in Afrika, um nur einige zu nennen. Auf diesem Zug kam er endlich nach Spanien, nachdem er nach einigen die Enge zwischen Afrika und Europa durchgraben und den Ozean mit dem Mittelmeer vereinigt hatte (Diodor Sic. I.c.c.17.18.p.157). Auf diesem Zuge brannte ihn in Afrika unter anderem die Sonne so stark, daß er endlich aus Ungeduld mit einem Pfeile nach derselben schoß. Für diese kühne Tat verehrte Apollo ihm einen goldenen Becher, dessen er sich statt des Schiffes bediente, und damit nicht nur nach Spanien hinüberfuhr sondern auch nebst den erbeuteten Rindern des Sonnengottes in demselben wieder zurückfuhr, und anschließend dem Apollo dessen Becher wieder zurückgab (Apollodor I.II.c.4.§10). Diesen Becher führt er noch auf einigen smyrnischen Münzen in der Hand (Froel. sensam.p.355). Er kommt damit auch noch auf anderen alten Denkmalen vor, wiewohl aus anderen Ursachen.

Herakles und Dionysos:
Eigentlich ist der Kantharus ja neben dem Thyrsos das typische Attribut des Dionysos. Nun haben Herakles und Dionysos vieles gemeinsam. Beide sind Halbgötter, die dann aber in den Olymp aufgenommen wurden. Beide starben und sind anschließend wieder auferstanden. Beide wurden deshalb in der Spätzeit mit Christus identifiziert. Hier will ich mich aber auf ihr Verhältnis zum Wein beschränken! Dionysos hatte ja die Kultivierung des Weines in der Welt verbreitet. Aber auch Herakles war kein Antialkoholiker. So gibt es eine Münze, die ihn zeigt, wie er trunken von Wein torkelnd von 2 Begleitern gehalten werden muß.

Und dann gibt es den berühmten Saufwettbewerb zwischen ihm und Dionysos. Er gehört nicht zu den klassischen Taten des Herakles, aber dieses Thema war besonders in hellenistischer Zeit sehr beliebt. Im Atriumhaus in Antiochia gibt es dazu ein berühmtes Mosaik aus dem 2.Jh. n.Chr. Der Gott Dionysos liegt auf einer Kline (eine Art von Couch) und hält ein Trinkgefäß und den Thyrsos. Neben ihm steht der dunkelhäutige Herakles mit einem Weinglas, seine Keule lehnt an seinen Knien. Dionysos ist begleitet von einer flötenspielenden Mainade, seinem Satyrjungen Komos, der ihm das Weingefäß hält und dem alten Gott Silen. Der siegreiche Dionysos hält sein Gefäß umgedreht in die Höhe, um zu zeigen, daß er es als erster geleert hat.

Hintergrund:
Der Teilnahme des Herakles am dionysischen Thiasos liegt keine konkrete Begebenheit aus dem Mythos zugrunde; sie ist eine vermutlich hellenistische, vor allem aber in der römischen Kaiserzeit beliebte Erfindung, die wohl aufgrund der in den Quellen wiederholt genannten Vorliebe des Helden für Wein, sogar sprichwörtlichen Trunksucht, entstanden ist. Zudem sind sowohl Dionysos als auch Herakles
Söhne sterblicher Mütter und relativ "neue" Olympier, was eine Verbindung zwischen ihnen begünstigt. Die Darstellung des Herakles im dionysischen Kontext war während der gesamten römischen Kaiserzeit beliebt; eine besondere Bedeutung, etwa hinsichtlich der Schaffung neuer Mythen oder als Hinweis auf Kultpraktiken, kann diesen Bildern jedoch nicht beigemessen werden. Sie drücken vielmehr eine eher
allgemeine Glückssymbolik aus, im Sinne einer Vorstellung von paradiesischen Zuständen und vom Wohlergehen, wobei die Präsenz des trunkenen Herakles dem Ganzen zusätzlich eine humoristische Note verleiht. Die Trunksucht und der ungezügelte Appetit des Herakles waren auch beliebte Topoi der Komödiendichter, z.B. Aristophanes.

Das Mosaik befindet sich heute im Worcester Museum in Worcester/Massachusetts in den USA.

Quellen:
Benjamin Hederich, Gründliches mythologisches Lexikon
http://www.diss.fu-berlin.de/2002/16/kap12.pdf

MfG
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Trinkwettstreit.jpg
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Beitrag von Peter43 » Fr 22.09.06 13:59

Einige Anmerkungen zu Pan

Nachdem ich die folgenden Münzen mit Abbildungen des Pan für meine Sammlung erworben hatte, schien es mir nötig, mich einmal mit Pan zu beschäftigen. Dies hier ist die Zusammenstellung. Ich hoffe, daß sie für einige Forumsmitglieder auch Neues enthält.

1. Münze:
Moesia inferior, Nikopolis ad Istrum, Elagabal 218-222
AE 27, 13.03g
geprägt unter dem consularischen Legaten Novius Rufus
Av.: [AVT KM AVR] - ANTWNINOC (NO ligate)
Büste, drapiert und cürassiert, belorbeert, n.r.
Rv.: VP NOB[IOV ROVF]OV NIKOPOLITWN PRO / C ICTRW
Pan, bärtig, mit Hörnern und Ziegenfüßen, steht frontal, Kopf n.r., tritt mit Fuß
auf einen Panther, der sich unter ihm krümmt; hält mit der r. Hand Lagobalon über
der re Schulter und Nebris (Flöte) in der li Hand.
AMNG 1933; Moushmov 1436
sehr selten, fast SS, blaugrüne Patina

Dieser Typ scheint Münzen von Hadrianopolis zu imitieren, die dort für Caracalla erschienen (Pick).
Übrigens:
Das Lagobalon (lat. pedum) war eine Art von Wurfholz, mit dem man kleine Tiere (gr. lagos = der Hase) jagte.
Das Wort Panther klingt ähnlich wie Pan, hat aber einen anderen Ursprung. Wahrscheinlich kommt es, wie auch Pardalis (lat. Panther), aus dem Persischen. Hier scheint der Panther eher ein Symbol dafür zu sein, daß Pan auch ein Jäger der wilden Tiere war.

Mythologie:
Nach einigen war Pan ein Sohn des Zeus und der Hybris oder der Kallisto, oder des Hermes und der Penelope oder der Nymphe Dryope. Manche sprechen sogar von zwei Panen (wahrscheinlich weil er den Hirten an verschiedenen Plätzen gleichzeitig erschien!). Aufgezogen wurde er von Nymphen in Arkadien, insbesondere durch die Sinoe. Nach seiner Geburt lief er davon, wurde aber von Hermes den Göttern auf dem Olymp gezeigt, die in Lachen ausbrachen, als sie ihn und seine Possen sahen.

Arkadien war eine bäuerliche, unzivilisierte Region in Griechenland, und so war Pan ein Gott der Berge, der Schafe und Hirten, auch der Jäger, und ging selbst auch gern auf die Jagd. Er war ein Führer der Nymphen, die oft um ihn herumtanzten. Er hielt sich gern in Höhlen auf. Die Mittagsruhe war ihm heilig. Wer ihn dabei weckte, dem jagte er durch lautes Schreien einen 'panischen' Schrecken ein.

Er wird dargestellt mit Hörnern, Ziegenfüßen, einem Schwanz und Bocksfell. Er erinnert so stark an das Bild, das wir uns vom Teufel machen. Allerdings darf er nicht als theriomorpher Gott gesehen werden, also als Tier-Mensch-Gott. Zusammen mit Zeus kämpfte er gegen die Titanen. Dabei erfand er die Tritonshörner als Schallinstrumente, rüstete mit ihnen einen Haufen seiner Leute aus, und jagte so die Titanen in die Flucht. Auch mit dem Heer des Dionysos zog er mit und lehrte ihn das Aufstellen in Regimentern und Flügeln.

Berühmt war er wegen seiner Geilheit. So stellte er den Hirten(!) nach und paarte sich auch mit ihren Ziegen. Besonders aber stellte er den Nymphen nach. So verfolgte er einmal die Syrinx, die, als sie zum Flusse Ladon kam, sich vor ihm nur retten konnte, indem sie sich in Schilfrohr verwandelte. Da er nicht wußte, welches Schilfrohr sie war, schnitt er mehrere ab und band sie zu einer Flöte zusammen, der Syrinx, die nach ihm auch Pansflöte heißt. Mit ihr trat er zu einem Wettbewerb mit Apoll und dessen Lyra an, unterlag ihm aber, wie später auch Marsyas, durch den Schiedsspruch des Berggottes Tmolos. Apollo nahm ihm die Syrinx ab und schenkte sie später Hermes. Eine andere Nymphe, die er verfolgte, war Echo, die für ihre Geschwätzigkeit bekannt war. Sie soll sogar seine Gattin gewesen sein, die ihm den Iynx gebar, später aber aus Liebe zu Narkissos ein unglückliches Ende gefunden haben. Einst versuchte er, die keusche Pitys zu vergewaltigen, die ihm nur entkam, weil sie sich in eine Fichte verwandelte. Seit der Zeit trägt Pan einen Fichtenkranz auf dem Kopf. Sein größter Erfolg war die Verführung der Selene, der Mondgöttin. Er hatte sie sich geneigt gemacht, indem er sich in einen schneeweißen Widder verwandelt hatte.

Pan ist der einzige Gott, der in irdischen Zeiten starb. Die Kunde von seinem Tod kam zu Thamos, einem Matrosen, dessen Schiff sich auf einer Reise nach Italien befand. Eine göttliche Stimme rief über das Meer: "Thamos, bist du da? Wenn du nach Palodes kommst, verkünde dorten, daß der Große Gott Pan gestorben ist!" Thamos tat, wie ihm geheißen, und an allen Küsten erhob sich Weinen und Klagen. Dies geschah zur Zeit des Kaisers Tiberius. Plutarch selbst aber, von dem diese Geschichte stammt, fand folgende Erklärung: Der Ägypter Thamos habe anscheinend die zeremonielle Klage 'Thamos Pan-megas tethneke (= der unendlich große Tammuz ist tot!)' als 'Thamos, der große Pan ist tot!' mißverstanden. Es gibt die Auffassung, daß diese Geschichte nur erfunden worden sei, um den abergläubischen Tiberius zu erschrecken. Auf jeden Fall wurde Pan noch ein Jahrhundert später überall in Griechenland verehrt, wie Pausanias berichtet.

Hintergrund:
Pan war der besonders in Arkadien beheimatete griech. Schutzgott der Hirten und ihrer Herden. Sein Kult in einer Höhle am Abhang der Akropolis war mit den Nymphen verbunden. Von hier aus dehnte sich sein Kult über ganz Griechenland aus. In Athen wurde der Kult des Pan nach der Schlacht bei Marathon (490 v.Chr.) zum Dank für seinen Beistand eingeführt. Auch bei der Schlacht von Salamis soll er gesehen worden sein (Aischylos). Sein Erscheinen und sein wildes Geschrei hatten bei den Persern das ausgelöst, was man seither mit 'Panik' bezeichnet.
Der Name Pan steht etymologisch in keinem Zusammenhang mit griech. pan = alles, obwohl das später angenommen wurde und Pan zu einem Universalgott überhöht wurde. Auch der Zusammenhang mit griech. pao (= ich weide) scheint nicht zu stimmen. Wahrscheinlich ist es eher ein Lallwort (wie pa in Papa), vorgriech. pauson, verwandt mit altindisch. pusan.

2. Münze:
Makedonien, Antigonos II Gonatas ca. 319-239 v.Chr.
AE 17, 5.65g
geprägt 277-239 v.Chr.
Av.: (anepigraphisch)
Kopf der Athena mit federgeschmücktem Corinthischen Helm n.r.
Rv.: Pan, nackt, steht n.r., errichtet Tropaion, hält Kranz in der li Hand
M im li Feld, ANT zwischen den Füßen
cf. SNG Copenhagen 1208-1209 (andere Buchstaben im li Feld)
fast SS, braune Patina
Pedigree: ex Freeman & Sear

Die Rückseite erinnert an den Sieg des Antigonos Gonatas über die Gallier 277 v.Chr., der durch Mithilfe des Pan ermöglicht worden sein soll.

Diese Münze ist nicht selten, aber trotzdem historisch interessant. Von der Zeit des Antigonos Gonatas (277/6-240/39) wissen wir nicht viel. Sie gehört zu den am schlechtesten dokumentierten Zeiten der griechischen Geschichte überhaupt. Wir wissen aber, daß sich die Rückseite dieser Münze, auf der Pan ein Tropaion errichtet, sich auf den Sieg des Antigonos über die Gallier bei Lysimacheia 277 v.Chr. bezieht. In dieser Schlacht soll wie bei Marathon und Salamis Pan in der Schlacht erschienen sein und die Gallierdurch sein Geschrei in 'panischen' Schrecken versetzt haben. Durch diesen Sieg konnte sich Antigonos in Makedonien gegenüber Pyrrhos, Lysimachos und Ptolemaios Keraunos durchsetzen. Dadurch bekam Makedonien nach einer Zeit der Wirren wieder eine Zeit der Ruhe.

3. Münze:
Thrakien, Pantikapaion, geprägt unter Perisad II, 275-265 BC
AE 17, 3.71g
Av.: (anepigraphisch)
Kopf des bärtigen Pan or Satyr, mit Efeukranz, n.l.
Rv.: P-A-N
Kopf und Hals eines Stieres mit großem Auge, n.l.
SNG Cop. 32; SNG BM Black Sea 890-893; Anokhin Bosporous 132
fast VZ/VZ

Dazu eine Bemerkung des Vorbesitzers, eines Historikers:
In der griechischen Mythologie waren Satyrn halb menschliche, halb ziegenartige Geschöpfe, die Wälder und Felder bewohnten, Wein tranken und auf Panflöten spielten, beschäftigt mit der ständigen Suche nach Nymphen. Attische Vasen stellen sie dar mit Stupsnasen, spitzen Ziegenohren und langem welligen Haar, wobei erwachsene Satyrn oft Ziegenhörner hatten und Bart trugen. Satyrn sahen sehr ähnlich aus wie Pan, der griechische Gott der Herden und Felder, und waren seine gläubigen Begleiter. Weil ihre physische Ähnlichkeit so groß ist, gab es eine lange numismatische Debatte darüber, ob der symbolische Kopf auf den Münzen von Pantikopaion Pan oder einen Satyr representiert. Die mehr traditionelle Interpretation hält die Figur für Pan, eine Ansicht, die bestärkt wird durch das Wort PAN auf der Rückseite. Jedoch bemerkt David McDonald, der Spezialist für Bosporusmünzen - und damit die entgegengesetzte Meinung ausdrückend -, daß der russische Numismatiker A.N.Zograph, in seinem umfassenden Werk 'Ancient Coins' (veröffentlicht in Russisch 1951, aber bereits vor 1941 geschrieben) der Ansicht ist, daß es sich bei dem Kopf um einen Satyr handelt. Sowohl Zograph als auch später Anokhin (1986) stellen fest, daß die ersten Münzen mit einem Satyr in dieser Region um 390 v.Chr. erscheinen, während der Herrschaft des Satyros I. (433-389?). Satyros I. war ein örtlicher König, der die benachbarten Städte eroberte und einen zentralisierten Staat am Bosporus errichtete. Der russische Numismatiker spekuliert nun darüber, ob nicht diese Münze in Wirklichkeit einen Satyr darstellt und damit an Satyros I.erinnert. Jerzy Gorecki faßt diese Ansicht in der folgenden netten Form zusammen: "Vielleicht sollten wir die traditionelle Auffassung von 'Pantikapaion, also --> Pan', umändern in 'Satyr, also --> Satyros I.'."

MfG
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Beitrag von Peter43 » Fr 29.09.06 21:52

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Beitrag von helcaraxe » Sa 30.09.06 12:30

Peter, es ist unglaublich welch grosses Wissen Du besitzt und ich welch uneigennütziger Weise Du es auf so nette und unterhaltsame Weise mit uns teiltst!

Ein herzliches Dankeschön! :-) :-)
Viele Grüße
helcaraxe
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[i]Höflichkeit ist wie ein Luftkissen: Es mag zwar nichts drin sein, aber sie mildert die Stöße des Lebens.[/i] -- Arthur Schopenhauer

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Beitrag von Peter43 » Sa 07.10.06 00:39

Miletos - Der Gründer von Milet

Mysia, Miletopolis, Gordian III, 238-244
AE 23, 6.40 g
Av.: A[V] M ANT GORDIANOC [AVG]
Büste, drapiert (und cürassiert?), belorbeert, n.r.
Rv.: KTIC[TH] - C MEILHTO[C]
Der Heros Miletos, in kurzem Waffenrock, steht frontal (auf Prora?), Kopf n.r., hat die re
Hand erhoben und hält in der Linken Speer und Rundschild.
Franke, Kleinasien zur Römerzeit - Griechisches Leben im Spiegel der Münzen, S.87, Nr.153 (7418) (nur Rs., aber andere Aufteilung)
Extrem selten, fast SS
Dank an Pat Lawrence und Curtis Clay für die Hilfe bei der Bestimmung und der Legende!

Mythologie:
Als Europa von Zeus verlassen worden war - er hatte mit ihr in Kreta Minos, Rhadamanthys und Sarpedon gezeugt - heiratete sie den König Asterios. Diese Ehe blieb kinderlos. So adoptierte Asteros Minos, Rhadamanthys und Sarpedon und machte sie zu seinen Erben. Als die Brüder nun zu Männern herangewachsen waren, gerieten sie um die Liebe eines schönen Knaben namens Miletos, der von Apollon mit der Nymphe Aireia, die manche Deione und andere Theia nennen, gezeugt worden war, in Streit. Miletos aber hatte sich für Sarpedon, den er am meisten liebte, entschieden. Daraufhin wurde er von Minos aus Kreta vertrieben. Er segelte mit einer stattlichen Flotte nach Karien in Kleinasien und gründete dort die Stadt und das Königreich Miletos. Zuvor war das Land, das damals Anaktoria genannt wurde, zwei Generationen lang von dem Riesen Anax, einem Sohn des Uranos und der Mutter Gaia, und von seinem gleichfalls gigantischen Sohn Asterios regiert worden. Miletos tötete Asterios und begrub den Leichnam auf einer kleinen Insel in der Nähe von Lade, wo das Skelett erst unlängst wieder ausgegraben wurde; es ist wenigstens zehn Ellen lang. Doch manche sagen, Minos habe den Miletos verdächtigt, daß er ihn entthronen und das Königreich an sich reißen wolle. Nur die Furcht vor Apollon habe den Minos davon abgehalten, dem Miletos Ärgeres zu tun, als ihn zu warnen. Darauf sei Miletos freiwillig nach Karien geflohen. Andere wieder behaupten, nicht Miletos, sondern Atymnios, ein Sohn des Zeus und der Kassiopeia oder der Phoinix, sei die Ursache des Streits gewesen.

In Milet heiratete er die dortige Königstochter Eidothea, die ihm Zwillinge gebar, Byblis und Kaunos. Vgl. Parthen. 11. Die heranwachsene Byblis verliebte sich leidenschaftlich in ihren Zwillingsbruder. Obwohl sie um den unnatürlichen Aspekt ihrer Liebe wußte, sandte sie Kaunos einen Brief, in dem sie ihm ihre Liebe erklärte. Dieser war auf höchste wütend und angewidert, und um ein Treffen mit ihr zu vermeiden, floh er aus Milet an die Grenze von Karien und Lykien und gründete dort die Stadt Kaunos.

Hintergrund:
Miletos, der aus Kreta stammte, gilt als Gründer (oder Neugründer) von Milet. Nach Apoll. 3, 5f ist er der Sohn des Apollons und der Areia, Tochter des Kleochos (dessen Grab sich im Heiligtum von Didyma bei Milet befand), er entscheidet sich für Sarpedon als Liebhaber gegen Minos und muß fliehen. Nach Nikandros (Anton. Lib. 30) zeugt Apollon ihn mit der Minostochter Akakallis, sie setzt ihn aus, Wölfe nähren ihn, Hirten ziehen ihn auf; dem Heranwachsenden stellt der verliebte Minos nach; er flieht nach Karien, und gründet Milet. Nach einigen mußte er dazu erst einen Riesen namens Asterios erschlagen, den Sohn des Anax, und daß die Region von Milet deshalb ursprünglich Anaktoria hieß. Bei Ov. met. 9, 443 ff. ist Miletos Sohn von Apollon und einer sonst unbekannten Deione und heiratet Kyanee, die Tochter des Maiandros. Nach Cramer Anecd. Gr. 2,, 123, 30 ist Miletos selbst in Karien autochthon. - Nach Ephor. FGrH 70 F 127 (Strab.) wurde Milet von Sarpedon mit Leuten aus dem kretischen Milatos gegründet.

Bei Ranke-Graves heißt es: Da Miletos ein männlicher Name ist, wurde der bekannten Sage über die zwei Brüder, die sich um die Gunst einer Frau streiten, eine homosexuelle Wendung gegeben. In Wahrheit scheinen aber - während einer Zeit der Anarchie, die der achaiischen Zerstörung von Knossos um 1400 v.Chr folgte - zahlreiche griechischsprechende kretische Aristokraten von aiolisch-pelasgischer oder ionischer Abstammung, für die die Mondgöttin die oberste Gottheit war, mit ihrem eingeborenen Gesinde nach Kleinasien, besonders aber nach Karien, Lykien und Lydien ausgewandert zu sein. Herodot übergeht die überlieferten Berichte über die Dynastie Sarpedons und behauptet, daß zu seiner Zeit sowohl die Lyker (Herodot I, 173; Strabon XII, 8, 5) als auch die Karer (s.75, 5) die matrilineare Abstammung anerkannten. Miletos könnte ursprünglich ein kretisches Wort oder eine Transliteration von milteios, 'die Farbe roten Ockers oder roten Bleis' und daher ein Synonym für Erythros oderr Phoinix sein, da beide 'rot' bedeuten. Die Gesichtsfarbe der Kreter war rötlicher als die Hellenen; die Lyker und Karer waren teilweise kretischen Ursprungs.

Milet ist eine der berühmtesten Städte Kleinasiens. Nach Sardes prägte sie als erste Elektronmünzen. Ihre berühmtesten Söhne sind Thales, Anaximander, Anaximenes und Hekataios.

Miletopolis, die Stadt in der die obige Münze geprägt wurde, ist eine Stadt im nördlichen Mysien südwestl. der milesischen Kolonie Kyzikos unweit der nach ihr benannten Miletopolitis limne (dem heutigen Manias Göl). Die Lokalisierung beim heutigen Melde scheint nicht ganz sicher. Sie gehört damit zu einer der vielen Städte, die von Milet aus, besonders an der Küste des Schwarzen Meeres, gegründet wurde.

MfG
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Beitrag von Peter43 » Sa 07.10.06 00:42

Herakles und der Nemeische Löwe

1. Münze:
Maximian, 286-305, 308
AE - Antoninianus, 23mm, 3.88g
Lyon 289 v.Chr. (vor der Reform)
Av.: IMP C MAXIMIANVS P AVG
Büste, drapiert und cürassiert, behelmt, n.r.
Rv.: VIRTV - TI AVGG
Hercules, nackt, steht n.r., erwürgt den Nemeischen Löwen; hinter ihm fliegt Victoria und
krönt ihn mit einem Kranz, seine Keule steht hinter ihm auf dem Boden.
RIC V/2, 462; C.654
nicht häufig, SS, hübsche grüne Patina

2. Mythologie:
Am nördlichen Rand der Ebene von Argos, in geringer Entfernung von Tiryns und Mykenai, erheben sich Berge, über die die Straße nach Korinth führt. Der höchste ist der Apesas, auf dem Perseus zum erstenmal dem Zeus geopfert hatte. Unter dem Apesas liegt das breite Tal von Nemea, mit manchen Höhlen in der Nähe. In dieser Gegend hauste ein Löwe und machte die Landschaft unsicher. Das Fell dieses Löwen war gefeit gegen Eisen, <Bronze und Stein. Ein Gott hatte ihn zur Strafe gegen die Bewohner ausgeschickt. Nach einer Erzählung war die Schlangengöttin Echidna die Mutter des Löwen vom eigenen Sohn, dem Hunde Orthos. Demnach war der Löwe der Bruder der thebanischen Sphinx. Hera habe ihn hierher gebracht in ihr eigenes Land. Manche sagen, Selene habe ihn geboren und auf den Berg Tretos fallen lassen, oder sie habe ihn auf Geheiß Heras aus Meerschaum erschaffen und Iris habe ihn in die Nemeischen Berge getragen.

Sicherlich hate der Löwe etwas besonders an sich. Er war wohl dem Tod und der Unterwelt besonders verbunden. Die Löwen, die die alten Künstler auf die Gräber setzten, mahnen an diese Vorstellung. Als Jäger rottete Herakles nicht die gewöhnlichen Tiere der Erde aus wie etwa Orion, trat auch nicht in der Rolle des Herrn der Unterwelt als Jägergott auf, sondern er scheint den Tod gejagt zu haben. Er besiegte und nahm unheimliche Tiere gefangen, die Göttern angehörten, manche auch den Unterweltsgöttern. Als er nach seinem Sieg über den Löwen von Nemea dessen Fell samt dem Kopf auf Haupt und Schultern nahm, verwandelte sich das, was den Sterblichen früher mit dem Tode bedrohte, in das Versprechen ihrer Rettung.

Als Herakles gegen den Löwen auszog, kehrte er in der kleinen Stadt Kleonai ein, am Rande der Nemeischen Wälder. Nach einer späteren Erzählung war sein Gastgeber ein armer Bauer und Tagelöhner namens Molorchos, ursprünglich wohl ein Urmensch und Gründer der Stadt Molorchia. Seinen Sohn hatte der Löwe getötet und jetzt wollte er seinem Gast einen Widder opfern. Herakles aber befahl ihm, noch dreißig Tage zu warten. Sollte er danach nicht wiederkommen, habe der Löwe ihn getötet, und er solle ihm als Heros den Widder opfern. Sollte er aber wiederkommen, dann gehöre der Widder dem Zeus Soter, dem Retter. Von Molorchos erfuhr Herakles auch, wie er mit dem Löwen zu kämpfen habe. Es müßte ein Ringkampf sein, denn Schwert und Lanze würde gegen ihn nichts ausrichten. Er mußte dazu in seine Höhle eindringen, die angeblich zwei Eingänge hatte: den einen stopfte Herakles zu. Nachdem Schwert und Speer sich als unbrauchbar erwiesen hatten, gab er dem Löwen mit seinem Keule einen Schlag, daß diese zerbrach. Danach zog sich das Untier in seine Höhle zurück. Bei dem anschließenden Kampf drückte Herakles den Hals des Löwen zu, bis das Tier erstickte. Dabei biß ihm der Löwe einen Finger ab. Er brauchte zu all dem dreißig Tage. Nicht um von Kleonai nach Nemea zu gelangen. Sondern wohl um jene Tiefe zu erreichen, wo das Untier zu Hause war. Oder dauerte so lange der Schlaf, der ihn befiel, nachdem er den Löwen erwürgt hatte? Man erzählt von diesem Schlaf (Diod. Sic. 45.4), und man sollte ihn, den Bruder des Todes nicht vergessen. Die Metopenbilder der Heraklesarbeiten am Zeustempel von Olympia zeigen den Helden noch fast im Halbschlaf, in Erinnerung an diesen gefährlichen Schlummer. Als er aber am dreißigsten Tage doch aufwachte, bekränzte er sich mit Sellerie, wie einer, der aus dem Grabe kommt; denn mit Sellerie wurden die Gräber geschmückt. Den gleichen Kranz trugen nachher die Sieger in den Spielen von Nemea, und nach ihnen auch die von Isthmos.

Molorchos wollte schon dem Heros den Widder als Totenopfer darbringen, als der lebend erschien. Auf dem Rücken trug er den Löwen. So wurde der Widder Zeus dem Retter geopfert. Am nächsten Morgen machte er sich auf über den Paß nach Argos. Von dorther schickte er seinem Gastgeber ein Maultier, wie versprochen und verehrte ihn hoch. Mit dem Löwen kam er in Mykenai an, der Residenz des Eurystheus. Der König erschrak so sehr über die unheimliche Tat, daß er dem Herakles verbot, zukünftig mt seiner Beute die Burg zu betreten. Zudem ließ er sich schon damals ein ehernes Faß unter der Erde anlegen und verkroch sich jedesmal darin, wenn Herakles nahte. Mit ihm selbst aber verkehrte er nur noch durch seinen Herold Kopreus.
Das unverwundbare Fell des Löwen zog der Heros ab, nachdem er es mit den Krallen des Tieres aufgeschnitten hatte. Zeus aber setzte das Untier, um seinen Sohn zu ehren als Sternbild an den Himmel

Hintergrund:
Hera war die große Feindin des Herakles, weil er der Sohn des Zeus war, der sie mit Alkmene betrogen hatte. Als Kreon, der König von Theben, ihm nach dem Tod der Amphytrite seine Tochter Megara zur Frau gegebe hatte, schlug Hera ihn mit Wahnsinn, und Herakles erschlug seine und zwei andere Kinder. Wieder bei Sinnen verbannte er sich selbst aus Theben und wurde dadurch von seiner Schuld gereinigt. Aber die Pythia in Delphi erlegte ihm eine weitere Strafe auf: Er habe sich in den Dienst seines Vetters Eurystheus zu begeben. Hera konfrontierte ihn aus Haß mit immer weiteren Aufgaben. Es sind die verschiedensten Arbeiten überliefert. Die heutige Reihenfolge von zwölf Arbeiten (der sog. Dodekathlos) stammt von Apollodor und erscheint zum erstenmal auf den Metopen des Zeustempels von Olympia 456 v.Chr. Die Erwürgung des Nemeischen Löwen ist in dieser Reihenfolge die erste Arbeit. Gleichzeitig gehört sie zu den am meisten abgebildeten. Am seltensten sind die Stymphalischen Vögel und der Raub der Stuten des Diomedes.

Wesen und Bedeutung des Herakles:
Die Gestalt des Herakles ist auch heute immer noch umstritten. Auf der einen Seite steht da der adelige-tapfere Herakles des Epos und der Tragödie, auf der anderen Seite der komisch-derbe der Komödie oder der menschlich-selbstlose der Philosophen. Durch seine menschliche Größe war Herakles Vorbild der Philosophen, die ihn zum sittlichen Dulder machten. Er war Mensch und doch wieder ein Gott. Kristallisationspunkt für die fast zahllosen Züge, die Herakles im Laufe der Zeit erhalten hat, scheint der heros gewesen zu sein. Dieser ursprünglich anthropologisch konzipierte heros ist schon in mykenischer Zeit in weiterentwickelter Form überliefert als ti-ri-se-ro-e = tris(h)eros. Die Kämpfe mit Kerberos und Hades, auch die Erzählung von den Äpfeln der Hesperiden, lassen einen Jenseitsmythos durchschimmern. Der Name Herakles bedeutet 'Ruhm der Hera'. Wie paßt das zu dem Haß, mit dem Hera ihn verfolgt? Diese Antinomie wird besser verstanden, wenn man annimmt, daß es ursprünglich Hera war, die Herakles zu Abenteuern aussandte, um für sich und Hera Ruhm, kleos, zu erringen. Für ein ursprünglich gutes Verhältnis spricht auch ihr gemeinsamer Kampf gegen die Giganten und die Satyrn. Die Übernahme der Heraklesgestalt durch die Römer bildet den Abschluß einer langen Entwicklung.

Herakles und Hercules:
Zweifellos kam der römische Hercules aus Griechenland, vielleicht über graeca Magna, aber das ist nicht sicher. In Mittelitalien ist sein Kult seit dem 6./5.Jh. nachweisbar. Er war verbreitet bei den Oskern (daher wohl der Name Hercules), den Latinern und den Etruskern.
In Rom hatte er einen Platz bereits beim 1. Lectisternium 399 v.Chr.Als ältester Kult gilt der an der Area maxima, von dem Frauen ausgeschlossen waren. In Rom war er auch Gott des Gewinnes und der Kaufleute, stand also in Konkurrenz zu Merkur. Viele Inschriften zeugen von seiner großen Verehrung. Oft ist er aber eine interpretatio Romana für einen einheimischen Gott, z.B. in Africa für Melqart, in Gallien und Germanien steht er für Donar oder heißt Hercules Magusanus oder Saxanus oder Deusoniensis.

Im Mittelalter wurde Herakles als eine Vorwegnahme von Christus aufgefaßt durch die Entsprechung seiner Taten (Abstieg in die Unterwelt bzw. Vorhölle, Überwältigung des Kerberos = Satans u.a.) und aufgrund der Personalunion von göttlicher und menschlicher Natur. Wie Samson erscheint er aber auch als einer der vorchristlichen Helden.

Als Herakles ließ sich Commodus darstellen, aber auch Trajan. Und während der Tetrarchie gab Diokletian seinem Mitkaiser den Namen Herculius, auch um den Abstand zu ihm selbst zu bewahren, der sich unter dem Namen Iovius in die Familie des Zeus adoptierte. Diese römische Bildtraditon wurde in der Renaissance wieder aufgegriffen und Fürsten wie Heinrich IV. von Frankreich und Ludwig XIV. ließen sich wieder mit Keule und Löwenfell darstellen.

4. Kunstgeschichte:
Hinzugefügt habe ich ein Bild der Westmetope vom Zeustempel in Olympia, die sich heute wie alle anderen auch im Louvre in Paris befindet.

Das andere Bild zeigt eine schwarzfigurige Halsamphore. Der Heroe wird nackt gezeigt außer Bandeliere und Schwertscheide. Er hält den Löwen um den Hals und würgt ihn zu Tode. Zur linken Seite entfernt sich Ioalos, der Gefährte des Herakles, noch einmal zurückblickend, und rechts steht Athena, in Peplos und mit Helm, ein Schild haltend. Diese Sujets waren besonders im der Mitte und im letzten Drittel des 6.Jh. sehr beliebt. Das Bild stammt aus dem Umkreis von Exekias, ca. 550-530 v.Chr.
Photograph by Maria Daniels, courtesy of Harvard University Art Museums, 1990

Quellen:
Der kleine Paul
Karl Kerenyi, Die Mythologie der Griechen - Die Heroengeschichten
Robert Ranke-Graves, Griechische Mythologie
Aghion/Barbillon/Lissarrague, Reclams Lexikon der antiken Götter und Heroen in der Kunst

MfG
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Beitrag von Peter43 » Mi 11.10.06 22:24

Venus Verticordia

Ich habe diesen Beitrag etwas erweitert und dann hier eingestellt, weil er inhaltlich in diesen Thread gehört!

Die Münze::
Mn. Cordius Rufus, gens Cordia
AR - Denar, 19.5mm, 3.82g
Rom 46 v.Chr.
Av.: Die Köpfe der beiden Dioskuren hintereinander, mit belorbeerten Pilei und je
einem Stern darüber.
RVFVS II.VIR dahinter
Rv.: Venus Verticordia n.l. stehend, hält in der Rechten eine Waage und in der Linken
Querzepter; auf ihrer li Schulter Cupido
MN.CORDIVS im re Feld (MN ligiert)
Crawford 463/1a; Sydenham 976; Cordia 2s
Fast SS
ex Harlan J. Berk

Bemerkungen:
Die Heimat der gens Cordia, Tusculum, nur 12 Meilen von Rom entfernt, war ein Mittelpunkt der Dioskurenverehrung. Die Rs. ist ein geschicktes Spiel mit dem Namen des Münzmeisters (CORDIA > CORDIVS) und kann auch als Kompliment für Julius Caesar aufgefaßt werden, dessen gens eine direkte Abstammung von Venus behauptete. Die besondere Darstellung der Venus auf der Rs. kann abgeleitet sein von einer Statue, die im Jahr der Ausgabe im Tempel der Venus Genetrix aufgestellt wurde (FAC).

Diese Münze wurde ausgegeben in einer Menge entsprechend Roms Bedarf zur Zeit von Caesars vierfachem Triumph, als jedem Legionär 5000 und jedem Centurio 10000 Denare ausgezahlt wurden (Sear, The History and Coinage of the Roman Imperators, p.45). Deshalb hat Venus hier auch eine Waage in der Hand, was ja sehr ungewöhnlich ist und eher der Annona zusteht!

Mythologie:
Manchmal liest man, daß Venus Verticordia die Venus ist, die die Herzen der Menschen zur Liebe wendet. Tatsächlich ist aber genau das Gegenteil wahr!

Verticordia ist der Beiname der Venus (Serv. auct. Aen. 1, 720), die im Myrtenhain der vallis Murcia ein fanum besaß (ebda. 8, 636). Jeweils auf Sibyllenspruch wurde der Venus im hannibalischen Kriege (216?) von der in schwerer Prüfung als pudicissima ermittelten Sulpicia (Plin. nat. 7, 120; Solin. 1, 126) ein simulacrum aufgestellt, quo facilius virginum mulierumque mens a libidine ad pudicitiam converteretur (also von der Begierde zur Schamhaftigkeit gewendet werden sollte!) (Val. max. 8, 15, 12).

Und das war geschehen: Zu dieser Zeit hatten drei Vestalinnen das Gesetz der Jungfräulichkeit verletzt und waren deshalb bei lebendigem Leib begraben worden. Um die Götter zu versöhnen, suchte der Senat nach den Anordnungen der sibyllinischen Bücher hundert Matronen aus allen aus, aus diesen nach Losentscheid wiederum zehn, und von diesen erwies sich Sulpicia, die Tochter des Servius Paterculus und Frau des Q. Fulvius Flaccus, als die Keuscheste von allen und deshalb erhielt sie den Auftrag, das Bild der Göttin in das sepulcrum zu tragen.

Im Jahre 114 wurde wegen eines Blitzprodigiums (Plut. mor. 284 ab. Oros. 5. 15, 20) eine aedes gebaut (Obsequ. 37). Ov. fast. 4, 133ff. verbindet dann Sibyllinum und Tempelbau mit der Feier am 1. April, die der Verticordia und der Fortuna virilis galt und von matronae sowie humiliores (= Menschen niederen Standes) unter Myrtenbekränzung in den Bädern mit dem Zweck von forma, mores, bona fama bzw. Eintracht und Anstand betrieben wurde. Ovid, Fasti, book 4, 157-161: Zur Zeit unserer Vorväter hatte Rom sein Schamgefühl verloren und deshalb fragten sie die verehrenswürdige Sibylle von Cumae um Rat. Sie befahl, der Venus einen Tempel zu errichten; und als das getan war, nahm die Göttin den Namen Verticordia an.

Kommentar von Pat Lawrence: Dann hat man da wohl den Bock zum Gärtner gemacht!

Nach dem kleinen Pauly ist der Name Verticordia nur volksetymologisch mit vertere verbunden (Ov. a.o. 161 u.a.), das bedeutet aber, daß er eigentlich mit wenden nichts zu tun hat!

Quellen::
Der kleine Pauly
Benjamin Hederich, Gründliches mythologisches Lexikon

Mit freundlichem Gruß
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Beitrag von Peter43 » So 22.10.06 15:15

Pat Lawrence hat zur Venus Verticordia eine hellenistische Statue gefunden, die auf der Agora von Athen stand und die sich jetzt in den Colonnaden der Stoa des Attalos befindet. So hatten die Stempelschneider möglicherweise ein Vorbild für diese Darstellung, die sonst in der Antike nicht bekannt ist.

Mit freundlichem Gruß
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Venus mit Cupido_1.jpg
Venus mit Cupido_Detail.jpg
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Beitrag von Peter43 » So 22.10.06 23:35

Zeus Kasios

Syrien, Seleukeia and Pieria, Trajan 98-117
AE 23, 12.65g
Av.: AVTOKP KAI NEP TPAIANOC APICT CEB GERM DAK
Belorbeerter Kopf n.r.
Rv.: CELEVKEWN-PEIEPIAC
Perspektivische Ansicht des viersäuligen Schreines des Zeus Kasios mit
baldachinartigem Zeltdach, auf dem Dach Adler; im Innern Kultstein.
im Feld r. Delta (= Jahr 4).
im Abschnitt ZEVC / KACIOC (Z gespiegelt)
BMC 274, 39; SNG München vgl. 990ff. (dort ohne D); Price - Trell 212, fig. 445; Sear GIC 1081

Seleukeia wurde gleichzeitig mit Antiochia am Orontes als dessen Hafenstadt im Jahre 300 v. Chr. von Seleukos I. gegründet. Ihr Schicksal war eng mit demjenigen der Metropole der Provinz Syria verknüpft und dank deren grosser Blüte in römischer Zeit war auch Seleukeia eine wohlhabende Stadt, was sich nicht zuletzt in ihrer umfangreichen Münzprägung ausdrückt. Hauptgott war Zeus, verehrt unter den Sondertiteln des Zeus Keraunos und des Zeus Kasios. Unser Münzbild zeigt, daß der Kasios als Heiliger Stein verehrt wurde, ähnlich dem Elagabals in Emesa. Der baldachinartige Schrein scheint darauf hinzuweisen, daß wir es hier wie dort mit einem Prozessionsschrein zu tun haben. Zeus Kasion wurde auch noch in Pelusium verehrt.

Mythologie:
Einige wollen, daß Kasios ein gewisser Mann gewesen, bei welchem Zeus eingekehrt, und den er zugleich vermocht, daß er ihm einen Tempel errichtet und göttliche Ehre erwiesen, wofür er hinwiederum den Beinamen von ihm angenommen (Lactans. Instit. divin. lib. I. c.22 §23). Jedoch leiten noch andere diesen Namen bald von Kaso, einer der cycladischen Inseln, bald von dem Kasos, eines Klitomachus Sohnes, her, daß also nichts so gar gewisses von demselben zu melden steht. Die gewöhnliche Gestalt, worunter er vorgestellt worden, war ein Fels oder steiles Gebirg, wie man noch auf verschiedenen Münzen sieht. Auf einer derselben steht ein Tempel von vier Säulen mit einem Berge in der Mitte und einem Adler auf dem Vorderteil, mit der Inschrift ZEYS KASIOS (Hederich)

Hintergrund:
Wie bei keinem anderen olympischen Gott sonst sind bei Zeus die idg. Etymologie und Bedeutung und damit bereits vormediterrane, aus idg. Religionen stammende Ursprungs- und Wesensmerkmale zweifelsfrei. Die Grundbedeutung ist etwa 'hell Aufleuchtender', 'Glänzender', 'Wetterleuchtender'. In die mykenische Zeit fallen dann zwei Etappen der Zeusgeschichte:
1. der für die weitere Zeusgeschichte dann typische 'conflict of two religious concepts' durch Assimilierung des idg.-griech. Zeus, d.h. patriarchalischen Zeus Pater und Zeus Athanatos, an den ganz heterogenen, weil matriarchalischem Kontext zugehörigen 'kretischen' Zeus Kretagenes und Megistos Kouros, d.h. den mediterranen Typus des 'göttlichen Kindes'.
2. die genealogische Angleichung im Zeus-Mythos durch seine Eingliederung in vorderasiatische Sukzessions- und 'Königtum im Himmel'-Mythologeme. des 2.Jt.s v.Chr., wodurch Zeus zum 'Sohn' des ungriechischen Götterpaares Kronos-Rhea und so zum ersten Kroniden wurde. Der Kronos-Zeus-Konflikt, die Zeus-Kämpfe gegen die Titanen, Typhoeus u.a. sind Krisen auf dem Weg zum olympischen Megistos Theos, Reflexion religiöser Auseinandersetzung mit mediterranen Hochgott-, Himmels-, Wetter- und Berggottheiten. So ist selbst der Zeusname Olympios ungriechisch, ebenso das Mythologem des Domizils von Götterfamilien auf Berggipfeln. Die berühmte homerische Zeus-Epiklese nephelegereta (= 'Wolkenversammler') ist ugaritisch und ein Baal-Epitheton! Die religiösen Ablösungen sind z.T. geographisch exakt lokalisierbar, so beim nordsyrischen Zaphon-Kasion-Berg, dem Schauplatz des Typhon-Mythos im 2.Jt.

Kasion ist die Wiedergabe wohl eines aram. qasju(n) ('Bergspitze, Bergende, Vorgebirge'), das seinerseits Ende des 2.Jt. v.Chr. ein kanaan.-phön. sapon verdrängt hat: Es ist der Name des (mit 1770m) höchsten Berges Nord-Syriens (heute gebel el-aqrac), Sitz des (Kultes des ) Baal Zaphon. Er war der heilige Berg der Kanaaniter und wird auch in der Bibel erwähnt (z.B. Jesaja 14 oder in Psalm 48), es wird sogar diskutiert, daß dieser Berg mit dem Berg Zion der Israeliten identisch sei. Seefahrende Anhänger dieses Gottes siedelten seinen Kult wohl schon vor der Umbenennung seines Berges in Kasios auch auf einem 13m hohen Sandhügel am Westende des sirbonischen Sees (heute sabhat el-bardawil) 15km östl. von Pelusion (heute tell el-farama) an. Der Hügel wurde damit gleichfalls Zaphon benannt und machte infolge bestehenbleibender Verbindung zum syrischen Berge auch dessen Umbenennung mit. Beide Plätze wurden in hellenistischer Zeit, parallel der Ablösung des Baal Zaphon durch Zeus Kasios, zum Berg Kasion und in römischer Zeit zum mons Casius. Auf diesem stand ein Tempel des Zeus Kasios und dort lag auch Pompejus Magnus begraben (Plin. H.N. lib. V.c.12 & Strabo lib. XVI. p.760). Der syrische Berg ist bis heute den Nusairiern heilig.

Die Sage von Typhon:
Dieser Berg spielt dann noch eine Rolle in der Mythologie von Typhon. Dieser war ein phantastisches Mischwesen altgriechischer, vom Orient beeinflußter Mythologie, mit 100 Drachenköpfen, alle mit schrecklichen Stimmen und Schlangenbeinen, Sproß von Tartaros und Gaia, die ihn nach dem Titanensturz als Weltherrscher dem Zeus entgegensetzt. In einem ungeheuren Weltbrand, den die Blitze des zeus entfesseln, verbrennen die Köpfe des Aufrührers; er wird in den Tartaros gestürzt. Im Toben der Stürme (Typhon ist Vater der schlimmen Winde) und in Vulkaneruptionen manifestiert sich der Gott. Mit Echidna hat er andere Ungetüme erzeugt: Orthos, Kerberos, Hydra, Chimaira u.a. Die Schilderung des hesiodischen Titanenkampfes wird von einer 'kyklischen' Theogonie überboten, die Apollodor vorliegt: Hier verwandeln sich die Götter aus Angst vor Typhon in Tiere und fliehen nah Ägypten, und Typhon entreißt im Nahkampf am Berge Kasion Zeus seine Sichel, zerschneidet ihm seine Hand- und Fußsehnen und schleppt ihn in die kerykeische Höhle (in Kilikien); Hermes und Aigipan überlisten die Wärterin, die Drachin Delphyne, und so erringt Zeus nach blutigem Kampfe den Endsieg und begräbt Typhon unter dem Ätna.

Für die Zusammenhänge mit dem Steinkult verweise ich auf den Beitrag 'Baetyl - der heilige Stein' in diesem Thread http://www.numismatikforum.de/ftopic11926-15.html

Quellen:
Benjamin Hedrich
Der kleine Pauly

Mit freundlichem Gruß
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Omnes vulnerant, ultima necat.

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