"Wahrscheinlich wahr" hört sich schon etwas anders an. Ich behaupte ja nicht, die Aussage sei zwingendermassen unwahr, ich wünschte mir nur mehr Quellenkritik. Eine einzige Quelle berichtet davon, während sogar die Nachrichten über den Gallienusfeldzug als Ganzes sehr obskur bleiben. Ich frage mich auch, ob die Nachricht, Gallienus hätte einen Zweikampf angeboten, zwingendermassen eine gute Nachricht über ihn sein soll: das Argument, mit welchem Postumus es ablehnt - seine Herrschaft sei rechtmässig - finde ich da ganz beachtenswert. Rechtmässig ist die Herrschaft jenes Kaisers, dem die Götter seine Gunst erweisen und der, im Falle des Postumus/Gallienuskonfliktes besonders wichtig, seine Untertanen beschützen kann: genau das konnte Gallienus aus Sicht des Reichsteiles Gallien offensichtlich nicht mehr, und ihm wurde offensichtlich auch die Gunst der Götter entzogen -> Gefangennahme seines Vaters, Aufstände an allen Ecken und Enden. Erfolg legitimiert, Misserfolg diskreditiert.j-u.thormann hat geschrieben:Alföldi hin, König her, die Autoritäten sind da nicht wichtig. Ich habe oben ja begründet, warum ich die Aussage für wahrscheinlich wahr halte. Kannst Du begründen, warum in einem spätantiken Werk aus Senatskreisen positive Aussagen über Gallienus erfunden sein sollen? Welche Intention steckt Deiner Ansicht nach dahinter?
Man sollte auch aufpassen, Gallienus-feindlich nicht mit Postumus-freundlich gleichzusetzen: die senatorischen Quellen hatten kein Interesse daran, Postumus positiv darzustellen, und man kann daran zweifeln, ob Flavianus oder andere Autoren wie jener der HA die Beweggründe eines Postumus überhaupt verstanden haben. Zum Beispiel die Berichte über die Belagerung von Postumus durch Gallienus; dies wird oft als Beinahe-Katastrophe für den "Verräter" angesehen, dabei könnte es sich aber durchaus um eine bewusste Strategie gehandelt haben: Postumus, nicht an einem Grosskampf mit Gallienus interessiert, verschanzt sich mit seinen Truppen in Städten, wo er den Angriff der neuformierten Reitertruppen seines Gegners in Ruhe aussitzen kann. Wieso sollte er sich da einem unsicheren Zweikampf mit Gallienus stellen, und ist dieses angebliche Angebot nicht sogar ein Zeichen der Schwäche des Gallienus, weil er sich bewusst wird, dass er Postumus nicht im Felde besiegen kann? Und wenn dann Gallienus angeblich durch einen Pfeilschuss verwundet wird, so kann Postumus auch dies als Beweis dafür anführen, dass seine Herrschaft durch die Götter legitimiert, die des Gallienus aber diskreditiert ist. Was ich damit sagen will: Quellenkritik schadet nie, und sich Gedanken über die Beweggründe der Beteiligten zu machen genau so wenig, auch wenn eine Quelle als vertrauenswürdig gilt. Auch ein Thukydides oder Polybios irrt manchmal, und diese, beide als sehr seriös geltend, schreiben über Zeiten, über die sie ungleich besser unterrichtet sind als spätere senatorische Geschichtsschreiber über das Gallische Sonderreich.
Aus Sicht des Postumus und seiner Soldaten liegt der Kaiserwechsel im Interesse des Reiches, genau darum geht es ja. Postumus ist in ihren Augen der fähigere Mann. Ist es da klug, sich in einen Zweikampf zu begeben? War Alexander klug, als er sich bei der Belagerung einer unbedeutenden Stadt mitten ins Schlachtengetümmel stürzte und dabei so schwer verletzt wurde, dass er sein ganzes Reich in Gefahr brachte? Ist das Mut, oder nicht doch eher verantwortungslose Tollkühnheit? Ist ein Scipio d. Ä. feige, wenn er sich - bis auf eine absichtliche Ausnahme, mit der er seine Soldaten provozieren wollte - bewusst aus dem Schlachtengetümmel heraus hält? Tollkühnes Draufgängertum mag martialisch wirken, es ist aber nicht immer die richtige Lösung.j-u.thormann hat geschrieben:Zumindest handelt man nicht im Interesse des Reiches. Wenn man als rationaler Eigennutzenmaximierer so handelt, dann ist es klug. Wenn man aber als Kaiser handelt, der die Interessen des Reiches über sein persönliches Wohl stellen sollte, dann ist es feige.
Sicher, das will ich dir auch überhaupt nicht absprechen! Nur ob ein kontroverser Standpunkt unbedingt in einem Auktionskatalog in zwei Sätzen dargelegt werden muss? Ich jedenfalls hätte eine Publikation von dir zu dem Thema mit sehr viel mehr Interesse und Ernsthaftigkeit gelesen als die beiden Sätze im Auktionskatalog. Wenn du mal etwas zu dem Thema publizierst, dann werde ich einer der Ersten sein, der das liest.j-u.thormann hat geschrieben:Das ist eine Frage des Standpunktes. Und man kann doch auch einmal einen Standpunkt vertreten, der anderen nicht paßt – oder etwa nicht?
Unseriös ist eine Wertung dann, wenn sie nicht hieb- und stichfest belegt werden kann. Ansonsten siehe oben und das Posting von antoninus1.j-u.thormann hat geschrieben:Begründe doch einmal, warum er dort nicht hingehört. Sind wertende Aussagen denn verboten? Was ist an einer Wertung unseriös?
Viele Grüsse
Pscipio