Römische Münzen aus Alexandria

Kaiser, Dynastien und Münzstätten

Moderator: Homer J. Simpson

Benutzeravatar
chinamul
Beiträge: 6055
Registriert: Di 30.03.04 17:05
Wohnort: irgendwo in S-H
Hat sich bedankt: 0
Danksagung erhalten: 78 Mal

Beitrag von chinamul » Di 24.11.09 11:01

Peter43 hat geschrieben:"Wenn du lange genug auf einen Frosch siehst, wird auch der interessant."
Was besonders dann der Fall ist, wenn Du schon etwas über den Frosch weißt. Notfalls kann man sich auch danach noch weiter über ihn kundig machen. Um es mit Goethe zu sagen: "Man sieht nur, was man weiß." Wer schon ein Vorwissen zu einem Gegenstand hat, wird bei dessen Anblick automatisch in alle möglichen Richtungen zu assoziieren beginnen und so vom Hölzchen aufs Stöckchen kommen. Und je weiter die dabei geschlagenen Kreise sind, desto komplexer, aber auch interessanter wird das Thema zumindest für den Aufnahmebereiten.

Gruß

chinamul
Nil tam difficile est, quin quaerendo investigari possit

Benutzeravatar
tilos
Beiträge: 3550
Registriert: Di 21.08.07 17:47
Hat sich bedankt: 232 Mal
Danksagung erhalten: 463 Mal

Beitrag von tilos » Di 24.11.09 11:50

quisquam hat geschrieben:Bei den früheren Tetradrachmen gibt es stark untergewichtige Stücke, bei denen die unedlen Bestandteile aus der Legierung ausgewaschen sind und das Silber dadurch im Inneren eine schwammartige Struktur hat.
Oder meinst Du die späten Tetradrachmen gegen Ende des 3. Jahrhunderts, die oft auch als "Potin-Tetradrachmen" bezeichnet werden?
Grüße, Stefan
Ich meine in der Tat Stücke, z.B. von Hadrian und Traian, die zwischen 4,4 - 4,8 g wiegen, kupferfarben aussehen und ein mindestens durchschnittlich gutes Prägebild aufweisen. Die Stücke sind weder besonders rauh oder porig, liegen aber durch Ihr Leichtgewicht ganz merkwürdig in der Hand. Man denkt als erstes an Keramik, Plaste oder Leichtmetall. Dass dieses Erscheinungsbild durch Auswaschung von Bestandteilen hervorgerufen wurde, kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. Aber vielleicht hatte der Schrötling schon eine schlackeartige Beschaffenheit?
Ich bin sehr an der Erörterung des Phänomens interessiert, da ich evtl. ein paar solcher "geheimnisvoller" Stücke erwerben könnte. Oder existieren auch neuzeitliche Fälschungen, auf die meine Beschreibung passen würde?

Danke+beste Grüße
Tilos

Benutzeravatar
Chandragupta
Beiträge: 1684
Registriert: Mi 12.12.07 16:39
Wohnort: BRD
Hat sich bedankt: 58 Mal
Danksagung erhalten: 86 Mal

Beitrag von Chandragupta » Di 24.11.09 15:44

Auswaschungen im wörtlichen Sinne sind das nicht. Aber so ähnlich ist das schon: Diese Münzen werden m.W. in der Nähe von (alten) Landwirtschaftsflächen/Oasen gefunden, wo der Boden schon in der Antike übersalzt war. Dieses Salzwasser hat die Legierungsbestandteile des Billons im Laufe der Zeit ausgelöst. Dazu muß man wissen, daß das kaum Kupfer sondern aller möglicher anderer Kram war: Blei, Zinn und so. Und vor allem muß AFAIRC noch hinzukommen, daß die Münzen im Jahreszyklus im (wie gesagt salzigen) Grundwasser liegen, und dann wieder längere Zeit trocken fallen...

Fakt ist: Was da stehen geblieben ist, ist wirklich nur das "Gerippe" aus fast reinem Silber!

Gerade solche Stücke sind unendlich schwer zu fälschen - glaub's mir. Aber wie von Dir schon richtig geschrieben: Die liegen einem dermaßen ungewohnt in der Hand (man denkt immer: gleich fliegt 'se davon... ;) !), daß das wirklich reine Geschmacksfrage ist, sich sowas in die Sammlung zu legen. Besonders für eher haptisch orientierte Menschen wie mich...

Bei meiner Bereinigungsaktion 2. Jh. habe ich so ein Stück von Hadrian jedenfalls mal weiterverkauft. Es war "an sich" vz(!) - eine echte Traumerhaltung!! Wog aber nur ganze 3,7 g ... Wahnsinn!!
Numismatische Grüße,

Euer Chandra

Benutzeravatar
quisquam
Beiträge: 4555
Registriert: Mo 12.09.05 17:22
Wohnort: Rheinland
Hat sich bedankt: 8 Mal
Danksagung erhalten: 7 Mal

Beitrag von quisquam » Di 24.11.09 15:57

Mich irritiert in diesem Zusammenhang allerdings, dass Tilos schreibt die fraglichen Stücke seien kupferfarben.

Grüße, Stefan
Eigentlich sammle ich nicht Münzen, sondern das Wissen darüber.

Benutzeravatar
Chandragupta
Beiträge: 1684
Registriert: Mi 12.12.07 16:39
Wohnort: BRD
Hat sich bedankt: 58 Mal
Danksagung erhalten: 86 Mal

Beitrag von Chandragupta » Di 24.11.09 16:35

Oooops! Das hatte ich voll überlesen...

Neee, die "Gerippe", die ich kenne, sind entweder hellsilberglänzend oder wenigstens schwarz angelaufen (Silbersulfid, ggf. Silberchlorid).

Wobei: Gegen Ende von Hadrian bis Commodus waren die Tetradrachmen aus wirklich allem "Dreck" zusammengemixt; auch silbrig wirkende Münzen müssen dann ggf. gar kein Ag mehr enthalten haben. Dann bliebe ein Kupfergerippe als noch "edelster" Bestandteil stehen. Das würde auch erklären, warum die von Tilos erwähnten Dinger fast 5 g schwer sind: weil aus so einer Bleibronze nicht soviel raus"gewaschen" werden kann wie aus "Bleisilber".

Kennt hier eigentlich jemand aktuelle Untersuchungen zu den Legierungen der Alexandriner? M.W. ist das alles noch wesentlich weniger erforscht als bei den Reichsrömern...
Numismatische Grüße,

Euer Chandra

Benutzeravatar
tilos
Beiträge: 3550
Registriert: Di 21.08.07 17:47
Hat sich bedankt: 232 Mal
Danksagung erhalten: 463 Mal

Beitrag von tilos » Mi 02.12.09 16:45

Eine meiner Neuerwerbungen, die in der Hand deutlich besser ausschaut!

Traianus
Alexandria, Ägypten
AE-Drachme, 32 mm / 17,92 g
Av.: belorb. Büste n.r.
...TPAIAN CЄB – ΓЄPM...
Rv.: Elefantenquadriga n.r., (Herrscher als) Wagenlenker mit ?“Stachel“ und Palmwedel, a.d. Elefanten stehend Victoria (bzw. deren Verkleinerung)
i.A.: LIE (Jahr muss ich noch nachschauen)

Ich fand bislang keine Referenz zu diesemTyp, auch bin ich nicht ganz sicher, wie sich die komplette Av.-Leg. liest.

Wer könnte freundlicher Weise helfen?

Beste Grüße
Tilos
Dateianhänge
tra ele rv.jpg
tra ele av.JPG

Benutzeravatar
chinamul
Beiträge: 6055
Registriert: Di 30.03.04 17:05
Wohnort: irgendwo in S-H
Hat sich bedankt: 0
Danksagung erhalten: 78 Mal

Beitrag von chinamul » Mi 02.12.09 17:39

Drachme 111/112 (Jahr 15)
Av.: AYT TPAIAN CЄB ΓEPM ΔAKIK - Belorbeerter Kopf rechts, linke Schulter leicht drapiert
Rv.: Trajanus mit Lorbeerzweig und Adlerzepter in Elefantenquadriga nach rechts fahrend
Im Abschnitt: LIE
Geißen 583f; Datt. 769 var; BMC 512 var.; Milne 669 var. (alle var. wegen anderer Av.-Legendentrennung)

Gruß

chinamul
Nil tam difficile est, quin quaerendo investigari possit

Benutzeravatar
tilos
Beiträge: 3550
Registriert: Di 21.08.07 17:47
Hat sich bedankt: 232 Mal
Danksagung erhalten: 463 Mal

Beitrag von tilos » Mi 02.12.09 18:25

Ich danke Dir herzlich für die Details etc.! Es ist also eine Prägung a.d. Jahr 15 = 111/112 n.Chr. Was ich bislang auf keiner Abb. finden konnte, ist dieser kleine Genius über den Elefanten. Genien tauchen zwar auf diversen Rückseitendarstellungen auf, aber in Verbindung mit der Elefantenquadriga habe ich noch nichts Vergleichbares entdecken können.
Beste Grüße
Tilos

curtislclay
Beiträge: 3405
Registriert: So 08.05.05 23:46
Wohnort: Chicago, IL, USA
Hat sich bedankt: 0
Danksagung erhalten: 29 Mal

Beitrag von curtislclay » Mi 02.12.09 19:13

Die kleine Siegesgöttin auf den Elefanten stehend ist eine bekannte Variante, mit Jahr 15 Dattari 778.

andi89
Beiträge: 1721
Registriert: Mo 10.01.05 20:12
Wohnort: Augusta Vindelicum
Hat sich bedankt: 357 Mal
Danksagung erhalten: 625 Mal

Beitrag von andi89 » Mi 02.12.09 19:21

Hallo!

Das ist kein Genius, der den Elephanten da über den Köpfen fliegt, sondern eine Nike mit Kranz. Wie du schon richtig bemerkt hast haben nicht alle Darstellung mit der Elephantenquadriga die Nike mit dabei. Auch den Stücken Geissen 583/4 fehlt sie. Daher sollte man vielleicht besser mit Geissen 583f var zitieren.

Andi
"...nam idem velle atque idem nolle, ea demum perniciosa amicitia est." (frei nach C. Sallustius Crispus)

Benutzeravatar
Peter43
Beiträge: 12996
Registriert: Mi 11.08.04 02:01
Wohnort: Arae Flaviae, Agri Decumates
Hat sich bedankt: 202 Mal
Danksagung erhalten: 1900 Mal
Kontaktdaten:

Beitrag von Peter43 » Mi 02.12.09 19:23

Interessante Rs.

Mt freundlichem Gruß
Omnes vulnerant, ultima necat.

Benutzeravatar
tilos
Beiträge: 3550
Registriert: Di 21.08.07 17:47
Hat sich bedankt: 232 Mal
Danksagung erhalten: 463 Mal

Beitrag von tilos » Mi 02.12.09 19:33

Euch danke euch für die Hinweise! Also doch wie ich anfangs vermutete: Eine kleine Nike (Victoria).
Beste Grüße in die Runde
Tilos

Benutzeravatar
chinamul
Beiträge: 6055
Registriert: Di 30.03.04 17:05
Wohnort: irgendwo in S-H
Hat sich bedankt: 0
Danksagung erhalten: 78 Mal

Beitrag von chinamul » Mo 07.12.09 11:14

Ganz neu eingetroffen:

HADRIANUS 117 - 138
Æ Drachme Alexandria 122/123 (Jahr 7)
Av.: AYT KAI TPAI AΔPIA CЄB - Belorbeerter Kopf rechts, leicht drapierte linke Schulter (evtl. Aegis)
Rv.: Zweisäuliger korinthischer Tempel mit dreieckigem Architrav, darin zwei fliegende Nikai, die Scheibe halten; im Tempel Sarapis nach links stehend und Rechte über Stele haltend, in der Linken Langzepter
Links und rechts im Feld: L - Z (= Jahr 7)
Geißen 846 var. (dort Architrav leer)
15,09 g

Ich folge Curtis, der vorschlägt, sich bei der Benennung der Nominale nicht so sehr am Gewicht, sondern eher an der Stempelgröße zu orientieren. Damit scheint es sich bei meinem neuen Stück angesichts seiner Größe von 32/33 mm trotz des geringen Gewichts tatsächlich um eine Drachme zu handeln.
Was die Darstellung im Giebelfeld anbetrifft, so hatten wir hier im Alexandriner-Unterforum schon einmal eine kurze Diskussion über die Gestalten links und rechts der Scheibe.
http://www.numismatikforum.de/ftopic6325-690.html
Peter43 sah in ihnen Hippocampi, während ich als schleswig-holsteinischer Fischkopp da doch eher Robben sehe :D .
Ich fürchte aber, daß wir mit ausschließlich numismatischen Belegen den wahren Charakter der Figuren nicht werden ergründen können. Wenn Geißen hier Nikai sieht, müssen wir das wohl vorläufig und mit einem dicken Fragezeichen versehen übernehmen, bis sich irgendwann einmal eine überzeugendere Erklärung ergibt.
Zum Vergleich mit meiner neuen Drachme zeige ich hier auch noch eine des Trajan mit einem bis auf das Datum identischen Rv.-Bild.

Gruß

chinamul
Dateianhänge
nikai mit scheibe.jpg
trajan tempel sarapis.jpg
hadr drach gei 846 var.jpg
Nil tam difficile est, quin quaerendo investigari possit

Benutzeravatar
numisnumis
Beiträge: 178
Registriert: Fr 21.03.03 19:11
Hat sich bedankt: 0
Danksagung erhalten: 0

Das Urteil des Paris

Beitrag von numisnumis » Mo 28.12.09 16:36

Alexandrinische Drachmen des Antoninus Pius zeigen interessante mythologische Darstellungen, die den Betrachter faszinieren. Das Historische Museum Bern bietet aktuell im Rahmen der Sonderausstellung "Die antike Welt im Münzbild" aussergewöhnlich Einsichten in die antike Numismatik. ( www.bhm.ch ). Dabei ist mir einmal mehr eine excellente Kostbarkeit aus dem Bereich der alexandrinischen Münzen aufgefallen, die ich dem Forum nicht vorenthalten möchte.

Es handelt sich um eine Drachme des Antoninus Pius aus dem Regierungsjahr 5 (141/142 n. Chr.), die das URTEIL des PARIS wiedergibt. Unschwer zu erkennen sind auf dem Felsen: Athena ganz rechts, daneben Hera und links Aphrodite, auf die Eros zufliegt. Vor dem Felsen stehen Hermes mit Caduceus und ganz links Paris, dessen Urteil den Trojanischen Krieg ausgelöst haben soll. Vor dem Fels sind Schafe zu erkennen.

Dattari führt die Münze unter der Nummer 2998 auf.

Weiss jemand zufällig, ob eine Drachme mit der gleichen Reversdarstellung in den letzten Jahren über eine Autktion verkauft wurde?

numisnumis
Dateianhänge
Ant.Pius_Drachme_Paris_Urteil_rv.jpg

Benutzeravatar
chinamul
Beiträge: 6055
Registriert: Di 30.03.04 17:05
Wohnort: irgendwo in S-H
Hat sich bedankt: 0
Danksagung erhalten: 78 Mal

Beitrag von chinamul » Mo 28.12.09 19:06

Diese neu erworbene Tetradrachme ist auf den ersten Blick wenig spektakulär. Es ist aber mein erster Alexandriner vom Jahr 9 des Hadrianus.

HADRIANUS 117 - 138
BI Tetradrachme Alexandria 124/125 (Jahr 9)
Av.: AYT KAI TPAI AΔPIA CЄB - Geharnischte, drapierte und belorbeerte Büste rechts, halb von hinten gesehen
Rv.: Demeter in Chiton und Peplos nach rechts stehend; in der Rechten lange Fackel; in der Linken Ähren und Mohnkapseln
Rundum: ЄT - ЄNAT (= Jahr 9)
Geißen 878 ; Milne 1078f.; Dattari 1337
13,46 g

Ich nahm das zum Anlaß, mich wieder einmal mit der Wandlung des Porträts dieses Kaisers zu beschäftigen. Dabei zeigte sich, daß es eine ganz eindeutige Zäsur gibt zwischen den Ausgaben des Jahres 8 und denen des Jahres 9. Die Porträts aus dem Jahr 8 und davor zeigen ausnahmslos den alten Typ, während ab Jahr 9 die Münzen ebenso ausnahmslos die neuen Bildnisse tragen. An anderer Stelle habe ich einmal die Vermutung geäußert, daß diese Veränderung nur mit der Einstellung eines neuen, besonders befähigten Stempelschneiders gegen Ende des Jahres 8 zu erklären sei. Und dieser Künstler scheint dann über mehr als ein Jahrzehnt den Porträtstil geprägt zu haben, sei es, daß er die Stempel persönlich geschnitten hat, oder daß er als Leiter eines Stempelschneiderateliers andere Graveure in seinem Sinne beeinflußt hat.

Ganz unten stelle ich noch einmal je eine Drachme (links Jahr 5, rechts Jahr 12) mit den den beiden Porträttypen gegeneinander.


Gruß

chinamul
Dateianhänge
hadr portr alt neu.jpg
hadr tetrdr j 9.jpg
Nil tam difficile est, quin quaerendo investigari possit

Antworten
  • Vergleichbare Themen
    Antworten
    Zugriffe
    Letzter Beitrag
  • Römische Münzen
    von Axel 44 » » in Römer
    30 Antworten
    2298 Zugriffe
    Letzter Beitrag von didius
  • 2 römische Münzen
    von Sascha0289 » » in Römer
    4 Antworten
    859 Zugriffe
    Letzter Beitrag von Sascha0289
  • Münzen Bestimmung römische?
    von KingD07x » » in Sonstige
    4 Antworten
    294 Zugriffe
    Letzter Beitrag von KingD07x
  • Münzen Bestimmung römische?
    von KingD07x » » in Römer
    16 Antworten
    807 Zugriffe
    Letzter Beitrag von Peter43
  • Unbekannte römische Münzen gefunden, wer weiß mehr?
    von Dori1938 » » in Römer
    14 Antworten
    734 Zugriffe
    Letzter Beitrag von antoninus1

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 3 Gäste