Mythologisch interessante Münzen

Alles was so unter den Römern geprägt wurde.

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Zwerg
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Re: Mythologisch interessante Münzen

Beitrag von Zwerg » Mo 16.08.10 20:54

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Peter43
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Re: Mythologisch interessante Münzen

Beitrag von Peter43 » Mo 16.08.10 21:13

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Re: Mythologisch interessante Münzen

Beitrag von Peter43 » Sa 21.08.10 13:21

Die Greife:

Über Sphinxe haben wir schon mehrmals gesprochen. Hier möchte ich jetzt etwas über die Greife erzählen, die ja irgendwie mit den Sphinxen verwandt scheinen. Dazu gehören auch die Erzählungen über die sagenhaften Völker der Arimaspen und der Hyperboräer.

Münzen:
Thrakien, Abdera, 352-323 v.Chr. (VIII. Periode)
AR - Triobol, 1.5g, 12.98mm, 0°
Av.: Greif n.l. aufspringend, den spitzen Federflügel schräg aufwärts gerichtet, Schnabel
leicht geöffnet, die Hinterfüße auf einer mit dem Griff n.r. liegenden Keule; über dem
Greif ein achtstrahliger Stern.
Rv.: Linienquadrat, darin Kopf des Apollo(?) n.r. mit Lorbeerkranz im kurzem Haar. Das Feld
kaum vertieft. Um das Quadrat herum ABD / HRI / TE / WN (beginnend oben)
Ref.: AMNG 206 (3 Ex., Kopenhagen, London, Ratto Kat.1909, 1496)
Selten, SS

Anm.:
(1) Die Keule, die nach der neuen Münzordnung des Philipp II. ins Münzbild aufgenommen werden mußte, sollte das deutliche Zeichen der Heraklidensouveränität sein. Abdera, eine ionische Gründung (vielleicht von Teos), gehörte seit 341 v.Chr. als Provinzialstadt zur Provinz Makedonien. Sie war der Geburtsort des bedeutenden vorsokratischen Philosophen Demokrit (460-371 v.Chr.), der zusammen mit seinem Lehrer Leukippos die Atomlehre entwickelte. Auch Protagoras und Anaxarchos stammten von hier, und der Dichter Anakreon von Teos ließ sich hier nieder. Trotzdem galt Abdera in der Antike als soetwas wie Schilda.
(2) Es gibt auch die Meinung, daß der Kopf auf der Rs. den Heros Abderos darstellt.


Gallienus, 260-268 n.Chr. (Alleinregierung)
Antoninianus, 3.27g
Av.: IMP GALLIENVS AVG
Kopf, bärtig, mit Strahlenkrone, n.r.
Rv.: APOLLINI CONS AVG
Greif n.l. stehend
im Abschnitt D
Ref.: RIC V/1,165; C.77
ex Romanorum

Mythologie:

(1) Die Arimaspen und das Gold der Greifen:
Die Greifen waren sagenhafte geflügelte Wesen aus einem Löwenkörper und dem Vorderteil eines Adlers. In seinem verloren gegangenen Werk 'Arimaspeia' berichtete Aristeas von Prokennos ausführlich darüber, wie die Greifen in Indien oder in den Riphäischen Bergen nördlich des Schwarzen Meeres in den sich dort befindenden Goldbergwerken Gold förderten und dieses gegen die Arimaspen verteidigten. Die Arimaspen waren ein einäugiges Reitervolk, das den Greifen das Gold stehlen wollte, sodaß es ständig zu Kämpfen zwischen ihnen kam. Nach Herodot hatte Aristeas die Länder der Skythen und der Issedonen besucht. Die Arimaspen lebten nach ihm noch nördlich der Issedonen. Aischylos scheint dies Werk für seine Tragödie 'Der gefesselte Prometheus' benutzt zu haben. Darin beschreibt er Länder jenseits des Kaukasus, wo Gorgonen, Greifen und Arimaspen wohnten, diese am Goldfluß Ploutos. Die Einäugigkeit geht auf Herodot zurück, der den Namen Arimaspen ableitete von skythisch 'arima' = 'eins' und 'spu' = Auge. Es könnte aber auch aus dem Mongolischen stammen und 'Bergbewohner' heißen, oder aus dem Iranischen, wo 'aspa' Pferd bedeutet.
Bei der Goldsuche kann man sich der Greife bedienen. Wenn man geschickt vorgeht, führen sie einen zu ihren Goldstätten. Diese Mythe spielt im Prinzip in Skythien. Und die Skythen sind bekannt für ihre Kunst, Gold zu bearbeiten, und Greife waren ein beliebtes Motiv bei ihnen.

(2) Apollo und der Greif:
Es wird vielen nicht bekannt sein, daß Apollo sich jeweils zu Beginn des Winters in das Land der Hyperboräer begab und den Winter dort verbrachte. Die Hyperboräer wohnten weit im Norden jenseits des Boreas, des Nordwinds. Deshalb war es das herrlichste, fruchtbarste Land des ewigen Frühlings und der ewigen Jugend. Dahin flog Apollo jedes Jahr mit einem Schwan oder auf einem Greif. Beide Tiere waren ihm heilig: der Schwan wegen seines Gesanges und weil er eine wichtige Rolle bei seiner Geburt gespielt hatte, der Greif wegen seiner seherischen Fähigkeiten, die man ihm nachsagte. Das Volk der Hyperboräer verehrte Apollo so sehr, daß quasi jeder ein Apollopriester war, wie es heißt. Nach Pausanias (X, 5, 4) wurde das delphische Orakel von Hyperboräern gestiftet und nach Diodor (II, 47) kam auch Leto von den Hyperboräern. Regelmäßig schickten sie Weihegeschenke zum Apolloorakel nach Delphi. Nach H.L.Ahrens waren die Hyperboräer ursprünglich nur die Überbringer der Opfergaben und eigentlich die Apollodiener. Die Sage von dem Land nördlich des Boreas entspringt dann nur einer falschen Etymologie (Roscher).
Hinter der Mythologie steckt wohl der kulturgeschichtliche Vorgang, daß dieser Apollo, der kitharaspielende, musische Apollo, von den Dorern nach Griechenland gebracht worden war, also skythisch-pelasgischen Ursprungs ist. Der andere Apollo dagegen, der bogenschießende, Seuchen bringende und Seuchen eindämmende, stammt aus Kleinasien. Erst später verschmolzen beide zu einer Gottheit.
Die enge Verbindung zwischen Apollo und den Greifen spiegelt sich auch auf Münzen wieder. So zeigt ein Antoninian des Gallienus einen Greifen und hat dazu die Legende APOLLINI CONS AVG, gewidmet Apollo, dem Beschützer des Kaisers.

(3) Greifen und Nemesis:
Aus spätere Zeit gibt es die Verknüpfung mit Nemesis, wie es z.B. auf Münzen aus Teos dargestellt ist. Dies könnte zusammenhängen mit dessen scharfsichtiger Wachsamkeit, aber auch seiner Rolle als quälender Rachegeist (Pauly). Dazu würde passen, daß der Greif manchmal ein Rad hält, was wohl das Rad der Vergeltung darstellt. Denn Nemesis, eine Tochter der Nacht, ließ in der Dunkelheit ihr Rad der Vergeltung vom Himmel auf den Schuldigen herabrollen. Von da stammt der Ruf des Greifen, er habe einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn. Die Darstellung zusammen mit Dionysos, die wir aus Teos kennen, hat keinen mythologischen Hintergrund. Er war nur der Hauptgott von Teos.

(4) Alexanders Himmelsflug
In Indien soll auch Alexander der Große den Greifen begegnet sein. Im Alexanderroman, einer legendenhaften Biographie aus dem 3.Jh. n.Chr., wird erzählt, wie Alexander aus der Begierde, alles zu wissen, einen Flug zum Himmel unternahm. Er ließ 2 Greifen einfangen und hungern. Dann setzte sich Alexander in einen großen Korb vor den die Tiere gespannt wurden. Diesen hielt er zwei Speere mit Pferdeleber vor den Schnabel. Die ausgehungerten Greifen versuchten an das Fleisch zu gelangen, begannen mit den Flügeln zu schlagen, erhoben sich in die Luft und flogen immer höher. So sah Alexander die Erde zu seinen Füßen liegen 'wie eine Tenne', umschlossen vom Meer 'wie von einer Schlange', wie es heißt. Aber dann kam ein Vogel mit Menschengesicht, vielleicht auch ein Engel, der Alexander Vorwürfe machte wegen seiner Hybris. Daraufhin gab Alexander sein Unterfangen auf, gab den Greifen das Fleisch und landete wieder sicher. Im Mittelalter wurde der Alexanderflug mit Christi Himmelfahrt verglichen

Name und Herkunft:
Der griechische Name des Greifs, woher auch unser Wort stammt,ist Gryps, lateinisch gryphus, abzuleiten wahrscheinlich vom indogermanische *grabh, greifen. Herder u. a. wollten im Greif den Cherub des Alten Testaments wiederfinden: Gryps = kherub. Dies scheint neuerdings abgelehnt zu werden. Es besteht weder etymologisch noch sachlich ein Zusammenhang, obwohl man diese Behauptung noch öfter lesen kann.
Ursprünglich stammt der Greif, [i['achech[/i], aus der altägyptischen Mythologie, wo er bereits Ende des 4.Jt. als Himmelswesen beschrieben wurde, das eng mit der Sonne zusammenhing. Der in der mesopotamischen Mythologie vorkommende Greif ist dagegen erst seit etwa 1400 v. Chr. belegt. Die in Sumer dem Greif ähnlich erscheinenden Mischwesen der Löwengreife sind eher Drachen. Länger bekannt ist der Greif in Syrien, wo er im 2.Jt. erwähnt wird. Von den orientalischen Kulturkreisen der Babylonier, Assyrer, Hethiter und Syrer wurde der Greif in die kretisch-mykenische und von da seit der geometrischen Zeit in die griechische Kunst übernommen. Oft wird er mit einem Knopf auf der Stirn abgebildet, dessen Bedeutung unklar ist. Altgriechischen Legenden zufolge lebte der Greif in den Bergen und wurde etwa 60 Jahre alt. Hinter dem Land der Skythen soll ein Reich goldhortender Greifen gelegen haben oder ein Teil desselben gewesen sein.

Verschiedene Bedeutungen des Greifen:
Da der Greif ein weitverbreitetes Fabeltier ist, besitzt er die unterschiedlichsten Bedeutungen:
(1) Vornehmich gilt er als Wächter, Bewacher und Hüter des Goldes, später des Lichts, der Sonne und des Göttlichen. So wird er zum Symbol göttlicher Macht. Die Vorstellung, daß Greifen den Sonnenwagen ziehen, stammt aus Syrien.Sonst wird er meistens dargestellt ruhig sitzend, oft mit erhobener Vorderpfote. Hier erscheint er niemals als Raubtier.
(2) Er kann aber auch streitbar sein, wie seine Verwendung an Helmen und Panzern zeigt. Hier wirkt der Greif sicherlich auch apotropäisch. Seine Darstellung auf Sarkophagen läßt vermuten, daß er hier für Unsterblichkeit und Ewigkeit steht.
(3) Er steht für Klugheit, Scharfsinn und Weitsicht, in Zusammenhang mit Apollon auch für seherische Fähigkeiten
(4) Weil er aus dem König der Lüfte und dem König der Tiere zusammengesetzt ist, soll er über Himmel und Erde herschen. Für das Mittelalter ist der „Herrscher über Himmel und Erde“ natürlich Christus. So symbolisiert er Christus auch wegen seiner Doppelnatur als Erd- und Lufttier
(Wikipedia)

Hintergrund:
Geht man rational an die Geschichten von Fabeltieren heran, dann gibt es Vermutungen, daß skythische Nomaden beim Goldschürfen in den weiten Wüsten Zentralasiens Funde von Fossilien des Protoceratops machten, eines in der Kreidezeit häufig vorkommenden Dinosauriers. Dies ist ja auch heute noch so in der Wüste Gobi. In diesem Zussammenhang wird das Riphäische Gebirge oft mit dem Altai-Gebirge gleichgesetzt. All diese Funde könnten zum Mythos des Greifen geführt haben. Der Protoceratops verfügte über einen großen Schnabel und einen Körper der entfernt an den eines Löwen erinnert. Als die Griechen über die Karawanenstraßen nach Osten Richtung China kamen, gelangten die Erzählungen über den Greif auf deren Rückreisen in den Westen.
(Wikipedia)

Kunstgeschichte:
Je nach Kulturkreis und Epoche gibt es auch unterschiedliche Darstellungen. So finden sich alternative Darstellungen an den Pforten von Persepolis und auf persischen sowie babylonischen Tapeten, weiterhin auf Helmen, z. B. auf dem der Athena Parthenos des Phidias, auf Brustharnischen und auf Münzen. Der Greif war das Wappentier von Teos - und dann von Abdera - als mächtiger dämonischer Wächter in syrischem Typus, also apotropäisch. Greifen finden sich in Arabesken, besonders auf römischen Säulen, sowie als Akroterien auf Tempeln. Bekannt sind die großen Greifenkessel. Der Panzer des Trajan als Britannicus im Lateran ist mit Bildern von Arimaspen verziert, die den Greifen Trank reichen, darüber schwebt Sol im Sonnenwagen.
Hanfmann et al. halten die Kämpferinnen auf der Ara Pacis des Augustus eher für Arimaspinnen, da die Amazonen als Verbündete der Trojaner, der mythischen Vorfahren des Augustus, nicht als Feinde dargestellt worden wären.

Ich habe hinzugefügt:
(1) Das Bild auf einem attischen rotfigurigen Kelchkrater, der einen Kampf zwischen einem Greif und einem Arimaspen zeigt. Links steht übrigens noch ein Satyr. Unbekannter Künstler ca. 375-350 v.Chr., heute im Louvre.

(2) Das Bild auf einer attischen rotfigurigen Kylix (Trinkschale), das Apollo zeigt, der seitlich sitzend auf einem Greifen reitet, in der li Hand eine Kithara und in der re Hand einen Lorbeerzweig haltend. Er ist auf dem Weg zu den Hyperboräern. Ca. 380 v.Chr., Spätklassisch-Frühhellenistisch. Heute im KHM in Wien

(3) Eine Erdkarte gezeichnet nach den Erzählungen des Herodot, damit man sich eine Vorstellung über die geographischen Verhältnisse machen kann, von denen hier gesprochen wird. Ganz oben sieht man das Riphäische Gebirge, das sich breit von West nach Ost zieht und an dem die Arimaspen leben.

Quellen:
- Herodot, Historien
- Aischylos, der gefesselte Prometheus
- Pausanias, Reisen
- Diododor, Bibliotheke
- Der Physiologus

Literatur:
- Roscher, Mythologie
- Der kleine Pauly

online:
- http://www.mlahanas.de/Greeks/Mythology/Griffin.html
- http://www.theoi.com/Thaumasios/Grypes.html
- Wikipedia

In der Hoffnung manchem wieder etwas Neues gebracht zu haben
Mit freundlichem Gruß
Jochen
Dateianhänge
abdera_AMNG206.jpg
gallienus_165.jpg
659px-Satyr_griffin_Arimaspus_Louvre_CA491.jpg
Apollo riding gryphon Vienna.jpg
Herodotus_world_map-de_svg.JPG
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Re: Mythologisch interessante Münzen

Beitrag von Peter43 » Sa 21.08.10 13:24

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Re: Mythologisch interessante Münzen

Beitrag von emieg1 » Sa 21.08.10 15:35

Vorab vielen Dank für diese schmackhafte Abhandlung.

Bei Greifen muss ich unweigerlich an einer der interessantesten Münzemissionen aus der Republik denken: an die Denare des Lucius Papius, deren Rückseite allemal den Greif darstellen, der sich anscheinend (schützend?) über eine Fülle diverser Beizeichen springt. Wie du schreibst, dass der Greif vornehmlich eine schützende Position einnimmt, macht diese Darstellung für mich jetzt auch Sinn! Einigen Münzbeschreibungen entnehme ich, dass die Beizeichen verschiedenen Berufe zugeordnet werden können/sollen...

Hier ein Beispiel (von vielen) von acsearch: http://www.acsearch.info/record.html?id=120692

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Re: Mythologisch interessante Münzen

Beitrag von chinamul » Sa 21.08.10 16:35

Wie ähnlich Greif und Sphinx einander sein können, zeigen diese beiden alexandrinischen Drachmen. Die geflügelte Androsphinx und der ebenfalls geflügelte Greif unterscheiden sich lediglich durch ihre Köpfe. Davon abgesehen sind sie völlig identisch mit ihren Löwinnenkörpern und den prallen Gesäugen.

Gruß

chinamul
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sphinx und greif a.jpg
sphinx und greif b.jpg
Nil tam difficile est, quin quaerendo investigari possit

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Re: Mythologisch interessante Münzen

Beitrag von Peter43 » Sa 21.08.10 18:04

Hallo nummis!

Zur Bedeutung der Greifen auf den Münzen des L. Papius habe ich folgendes gefunden: "...jenes aber [Bild auf der Rs.] zielet, der haverkampschen Mutmaßung nach auf das Amt, welches Lucius Papius geführt. Er wird nämlich auf einigen Münzen dieses Geschlechts Triumvir (monetalis) genannt, welche Würde nach der vorangeführten Meinung durch den Greif angezeigt werden sollen, da diese Art von Tieren bei den Alten für sehr geldgierig angesehen wird (Pomponius Mela I.2.c.I, I.3.c.J)". Aus Baumgarten/Semler: Sammlung von Erläuterungsschriften und Zusätzen zur allgemeinen Welthistorie, 1747(!)
Von Baumgarten wird übrigens gerade bei E-Bay eine 77 bändige Erstausgabe seiner Welthistorie angeboten für €14.480.- Eigentlich ein Schnäppchen!

@hinamul
Wirklich beeindruckende Beispiele für diese wunderbaren Fabeltiere!

Mit freundlichem Gruß :D
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Re: Mythologisch interessante Münzen

Beitrag von emieg1 » Sa 21.08.10 20:07

Peter43 hat geschrieben:[...] da diese Art von Tieren bei den Alten für sehr geldgierig angesehen wird[...]
Da muss man doch unweigerlich an "gierigen" Adler denken, die unsere alten Heiermänner zierten, oder?! Auf jeden Fall vielen Dank Jochen für deine Mühen!

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Re: Mythologisch interessante Münzen

Beitrag von Peter43 » Fr 03.09.10 18:56

Tyche Euposia

Von Nikopolis ad Istrum gibt es einen Münztyp der Tyche mit Cornucopiae und Ruder, bei der man, wenn man näher hinschaut, ein kleines Kind entdeckt, das auf dem Cornucopiae sitzt und seine Hände der Tyche entgegenstreckt. Dieses kleine Kind, gewöhnlich als Ploutos bezeichnet, wird oft übersehen (sogar von Pick!). Ich möchte hier 2 schöne Exemplare aus meiner Sammlung vorstellen und dann etwas zur Geschichte und der Bedeutung diese Darstellung erzählen.

1. Münze:
Moesia inferior, Nikopolis ad Istrum, Diadumenian, 217-218
AE 27, 12.19g, 26.82mm, 30°
geprägt unter dem Statthalter Statius Longinus
Av.: KM OPELLI DIA - DOVM[EN]IANOC
Büste, drapiert (und cürassiert?), barhäuptig, n.r.
Rv.: VP CTA LONGINOV NI - KOPOLITWN PROC I
im Abschnitt etwas kleiner CTRON
Tyche Euposia, in langem Gewand und Mantel, mit Kalathos, nach vorn stehend und n.r.
blickend, hält im li Arm Cornucopiae und in der vorgestreckten Rechten das Ruder; in
der Biegung des Cornucopiae Ploutos, nackt, n.l. sitzend, den re Arm zu Tyche
ausstreckend
Ref.: a) AMNG I/1, [1867] var. (2 Ex., Sofia, Sestini)
b) nicht in Varbanov (engl.)
c) nicht in Megaw
d) Hristova/Jekov No. 8.25.38.9 (alle stempelgleich)
selten, S+/fast SS, dunkelgrüne Patina

2. Münze:
Moesia inferior, Nikopolis ad Istrum, Elagabal, 218-222
AE 27, 11.07g, 26.83 mm, 0°
geprägt unter dem Statthalter Novius Rufus
Av.: AVT KM AVRH - [ANTWNEINOC]
Kopf, belorbeert, n.r.
Rv.: VP NOBIOV ROVFOV NI - KOPOLITWN PROC ICT
im li und re Feld RO - N
Tyche Euposia, in langem Gewand und Mantel, mit Mauerkrone, frontal stehend, Kopf
n.l., hält im li Arm Cornucopiae und in der vorgestreckten Rechten das Ruder; in der
Biegung des Cornucopiae Ploutos, nackt, n.l. sitzend
Ref.: a) so nicht in AMNG:
Rs. AMNG I/1, 1972 var. (Trennung N - I, im Feld R - ON, Ploutos nicht erwähnt)
Vs. AMNG I/1, 1968
b) cf. Varbanov (engl.) 4090 (Ploutos nicht erwähnt)
c) Hristova/Jekov No. 8.26.38.13 corr. (diese Münze, aber Ploutos nicht erwähnt)
Selten, S+/fast SS
Anm.: Da Tyche hier eine Mauerkrone trägt, ist es klar die Stadtgöttin!

Den Typ der Tyche Euposia gibt es aber nicht nur in Nikopolis. Pat Lawrence hat eine wunderschöne Münze des Caracalla aus Markianopolis, und dann kommt sie auf verschiedenen kleinasiatischen Münzen vor, z.B. in Isinda, Kassandreia und Hierapolis.

3. Münze:
Phrygien, Hierapolis, pseudo-autonom, Mitte des 2.Jh. n.Chr.
AE 30, 13.18g
Av.: IERAPOLEI - TWN
Kopf des Dionysos mit Efeukranz n.r.
Rv.: EVBO - CIA
Euposia n.l. stehend, hält Cornucopiae und Ruder; in der Biegung des Cornucopiae
Ploutos n.l. sitzend, die re Hand den Weintrauben entgegenstreckend die von der Öffnung des
Cornucopiae herabhängen.
Ref.: SNG München 221 (stempelgleich); BMC 35 var. (hat EVPOSIA)
ex Gemini Numismatics Auctions #6, January 10, 2010, lot 622
Pedigree:
Ex Dr. Stephen Gerson Collection.

Mythologie:
Wer ist nun Euposia? Mit dieser Frage sind wir bereits in Kleinasien und die 3.Münze hilft uns weiter. Dort heißt es Eubosia, geschrieben mit B, und das bedeutet soviel wie 'gute Weide'. Sie wird auch mit Ähren bekränzt und hat damit Ähnlichkeit mit Demeter. Es handelt sich also um eine Art von Fruchtbarkeitsgöttin. Mythologisch waren Euposia und ihr Bruder Koros Kinder der Lydischen Kore (= Demeter).
.
Die Annahme einer Demeter Eubosia in Phrygien läßt sich sofort auch mit einer Erzählung des Stephanos von Byzanz in Zusammenhang bringen. In einem Gründungsmythos der phrygischen Stadt Azanoi durch den Heroen Euphorbos schreibt er: "Hermogenes aber sagt: Nicht so (= Azanoi) muß man sie nennen, sondern Exuanun. Bei diesem Ort, erzählt man nämlich, gab es Landgüter. Als eine Hungersnot ausgebrochern war, kamen die Hirten zusammen und beteten opfernd um reichliches Futtergras. Als die Götter sie aber nicht erhören wollten, habe Euphorbos den Gottheiten eine Füchsin und ein Igelweibchen geopfert. An diesem Opfer hätten die Götter großes Gefallen gefunden, und es habe sich eine große Fruchtbarkeit (Eubosia) eingestellt und der Boden habe viel Ertrag gebracht. Auf diese Nachricht hin hätten die Nachbarn ihn als Priester und Herrscher eingesetzt. Seither heiße die Stadt Exuanun, was wörtlich 'Igelfuchs' heißt. Durch Umänderung kam offenbar Azanion zustande."

Auf Münzen, die ja durch und durch politisch gemeint waren, findet sich sowohl Euposia als auch Eubosia. Die erste eine Personifikation der öffentlichen Verköstigungen, die es z.B. auch in Olbia/Sarmatien gab, die zweite eher eine Personifizierung der Fruchtbarkeit der Erde, beide aber Formen der Muttergottheit der Stadt in ihrem staatsbürgerlichen Aspekt. Imhoof-Blumer hat diese zwei Formen nur als Varianten der Aussprache betrachtet. Aber es sind unterschiedliche Begriffe. In Smyrna wurden die öffentlichen Verköstigungen von einem Euposiarchen geleitet und Eubosia war in Akmoneia eine Göttin.

Eubosia aber war nicht nur ein Epitheton der Demeter, sondern wurde in Phrygien auch zur Bezeichnung von Kaiserinnen benutzt. So läßt die Bekränzung der Poppaea auf Münzen von Akmoneia an eine Beziehung zu Demeter denken. Und in einer Inschrift aus Ahatkoi, die den Archon Gervenius nennt, ist von einem Nikias die Rede ist, welcher Priester einer Kaiserin mit dem Beinamen Eubosia war, der ja eigentlich der Demeter zukommt und 'die fruchtbare, nahrungsspendende' bezeichnet. Wir sehen daran, welch große Sorgen die Menschen der Antike hatten, als es noch nicht alles im Supermarkt gab! Diese Sebaste Eubosia kann allerdings auch Agrippina die Jüngere, die Gemahlin des Claudius, gewesen sein, denn auch die wird mit Ähren abgebildet, und dieser Gervenius war unter beiden Archon. Wahrscheinlich aber ist, daß man nach dem Tod der Agrippina auch die Poppaea als Eubosia verehrte, d.h. dieser Beiname hing nicht so sehr an einer einzelnen Persönlichkeit, als an deren Würde. So wurde z.B. in Melos die Statue einer Aurelia Euposia, der Frau eines Aelius Chrestos, aus dem frühen 3.Jh. gefunden (heute in Athen).

Kunstgeschichte:
Um die Bedeutung der Tyche Euposia zu verstehen, müssen wir das berühmte Standbild 'Eirene mit dem Ploutoskind' des Kephisodot betrachten.
Die Statue der Friedensgöttin Eirene, die den Ploutosknaben, die Personifikation des Reichtums, auf dem Arm trägt, kennen wir von mehreren römischen Marmorkopien. Das Bronzeoriginal, das verloren ist, wurde von den Athenern ca. 374 v.Chr. auf der Agora aufgestellt, als der Kult der Eirene eingeführt wurde. Geschaffen wurde es von Kephisodot, dem Vater des Praxiteles. Dargestellt wird Eirene als mütterliche Gestalt im Peplos. Tracht und matronale Körperformen erinnern an Demeter, die mythische Mutter des Ploutos. Übrigens wurde dieses Standbild 40 Jahre später zum Vorbild für 'Herakles und der Dionysosknabe' des Praxiteles. Die Idee dieses Kunstwerks springt ins Auge: Reichtum gibt es nur durch Frieden. Ploutos bedeutet zwar Reichtum, nur sind wir es gewöhnt, dabei ausschließlich an Geld zu denken. Aber im 4.Jh. v.Chr. waren damit noch mehr die Produkte des Ackers und die Schätze der Bergwerke gemeint, deshalb ist es besser anstatt Reichtum Wohlstand zu sagen. Oder kurz zussammengefaßt: Genug zu essen und gedeihen in Frieden! (Pat Lawrence)

Zum Schluß noch ein Wort zu Ploutos im Arm der Tyche Euposia:
Die Darstellung auf der Rs. der Prägung von Hierapolis aus der Zeit des Trajan entspricht dem Gruppenschema des Standbilds des Kephisodots. Die Legende bezeichnet die weibliche Figur als Euposia/Eubosia und gibt möglicherweise auch eine Statue wieder. Das Kind in ihrem Arm wird in der Literatur stets Ploutos genannt. Aber so sicher ist das nicht! Euposia ist nämlich eine späte kleinasiatische Kultpersonifikation, die in Sardeis eine eigene Genealogie besaß. Sie ist dabei ein Kind der Kore und wurde zusammen mit ihrem Bruder Koros statuarisch dargestellt. Leider ist die Statuengruppe von Sardeis verloren, könnte aber der von Hierapolis entsprochen haben. Die Benennung Ploutos für das Kind im Arm der Euposia ist daher nicht zwingend (Ruth Lindner).

Natürlich ist es aber auch möglich, daß es dann unter dem Einfluß der Statuengruppe des Kephisodots zu einer Vermischung dieser verschiedenen Typen oder gar zu einer Bedeutungsübertragung gekommen ist.

Angehängt habe ich ein Bild der berühmten Statue des Kephisodots aus der Glyptothek in München. Auf vielen anderen Kopien finden sich die hinzugefügten Arme.

Quellen:
- Stephanos von Byzanz, Ethnika

Literatur:
- William Mitchell Ramsey The Cities and Bishoprics of Phrygia, Oxford 1895
- Numismatische Zeitschrift, 4. Band, Wien 1872
- Ruth Lindner, Mythos und Identität: Studien zur Selbstdarstellung
kleinasiatischerStädte, 1994 Franz Steiner
- Wikipedia

Links:
- http://www.forumancientcoins.com/board/ ... #msg250726
- http://www.forumancientcoins.com/board/ ... #msg217174

Mit freundlichem Gruß
Dateianhänge
nikopolis_diadumenian_HJ8.25.38.9.jpg
nikopolis_elagabal_AMNG1972var(rev).jpg
Hierapolis_SNGmunich221_.jpg
380px-Eirene_Ploutos_Glyptothek_Munich_219_n1.jpg
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Re: Mythologisch interessante Münzen

Beitrag von Peter43 » Fr 03.09.10 18:57

Apollo Karinos, ein steinerner Apollo

Münze:
Megaris, Megara, 307-243 v.Chr. (Head)
AE 16, 2.76g
Av.: Prora einer Kriegsgaleere n.l.
darüber MEGA
Rv.: Obelisk des Apollo Karinos, flankiert von 2 aufrecht stehenden Delphinen
Ref.: BMC Megaris 30-34
selten, S+/fast SS
Anm.: Die Prora ist wahrscheinlich die Trireme, die im Olympieion von Megara aufgestellt war (Paus. I, 40, 4)

Dapsul hatte diesen Typ einmal bei den Griechen gezeigt.

Mythologie:
Die Mythologie des Apollo Karinos ist ein Teil des Gründermythos von Megara und Alkathoos, einem ihrer Könige. Alkathoos war ein Sohn des Pelops und der Hipoodameia und ein Bruder des Atreus und des Thyestes. Er war zunächst verheiratet mit Pyrgo und anschließend mit Euaichme. Mit ihr hatte er die Kinde Echepolis, Kallipolis, Iphinoe, Periboea und Automedusa. Pausanias berichtet, daß Euippos, ein Sohn des Königs Megareus von Megara durch einen Löwen auf dem Berge Kythairon getötet worden war. Megareus, dessen älterer Sohn Timalkos schon früher durch die Hand des Theseus gestorben war, versprach demjenigen, der den Löwen tötete, seine Tochter Euaichme und dazu sein ganzes Königreich. Diese Aufgabe nahm Alkathoos auf sich, der nach Megara geflohen war, weil er seinen Stiefbruder Chrysippos getötet hatte. Er besiegte den Löwen, brachte die Zunge als Beweis mit, und erhielt so Euaichme zur Frau und wurde als König von Megara der Nachfolger von Megareus. In Dankbarkeit für diesen Erfolg erbaute er in Megara einen Tempel für Artemis Agraios (die Jägerin) und Apollo Agrotera (den Jäger). Und dann baute er die Mauern von Megara wieder auf, die von den Kretern zerstört worden waren (siehe dazu den Artikel über Minos in diesem Thread). Bei dieser Arbeit soll ihm Apollo geholfen haben, und der Stein, auf den der Gott gewöhnlich seine Lyra setzte, wenn er bei der Arbeit war, soll noch in späteren Zeiten einen Ton wie von einer Lyra von sich gegeben haben, wenn er von einem Stein getroffen wurde (Paus. I, 4,1; Ov. Met. VIII, 15).
Weiter erzählt die Mythe folgendes: Echepolis, einer der Söhne des Alkathoos, wurde während der Jagd auf den Kalydonischen Eber getötet, und als sein Bruder Kallipolis zu seinem Vater eilte, um ihm die traurige Nachricht zu überbringen, fand er ihn am Altar des Apollo, wo er gerade ein Opfer brachte. Weil er dachte, es sei unpassend, in einem solchen Moment Opfer zu bringen, riß er das Holz vom Altar. Alkathoos, der dies für einen Akt mutwilliger Gotteslästerung hielt, erschlug ihn im Zorn und mußte erneut fliehen. Trotzdem wird er von den Megarern verehrt. Die Akropolis von Megara wurde mit einem Namen bezeichnet, der von Alkathoos abgeleitet war (Pausanias)

Pausanias berichtet:
"Wenn man vom Marktplatz von Megara nach unten geht, sieht man auf der rechten Seite der Straße, die die Gerade genannt wird, ein Heiligtum des Apollo Prostaterios (des Beschützers). Man muß sich etwas von der Straße weg zur linken Seite drehen, um es zu entdecken. Darin steht ein beachtenswerter Apollo, auch eine Artemis und eine Leto, und andere Statuen, alle von Praxiteles. Im Alten Gymnasium nahe dem Tor, das Tor der Nymphen genannt wird, steht ein Stein in der Gestalt einer kleinen Pyramide. Diesen nennen sie Apollo Karinos, und hier ist auch ein Heiligtum der Eileithyeai " (Paus. I, 44, 2)

Zu Ehren des Apollo feierten die Megarer die kleinen Pythischen Spiele.

Hintergrund:
Das Epitheton Karinos geht zurück, wie ich glaube, auf Kar, einen ehemaligen König von Megara und Vorgänger des Alkathoos. Eine andere Erklärung, die ich gefunden habe, daß es zusammenhänge mit griech. KARINH = Wehklagen bei Leichenbegängnissen, scheint mir etwas weit hergeholt. Daß Apollo Karinos hier verehrt wird in der Gestalt eines Steines ist nicht außergewöhnlich. Wir kennen zahlreiche Steine, die in Griechenland verehrt wurden. Ich habe hier eine Liste, die sicherlich nicht vollständig ist:
Zeus Kasios in Seleukeia Pierias
Zeus Teleios in Tegea
der Stein des Zeus in Gythio, dem Hafen von Sparta
Zeus Meilichios in Sikyon in der Gestalt einer Pyramide
Artemis Patroa in Sikyon in der Gestalt einer Säule
Artemis Pergaia in Perge
die paphische Aphrodite in de Gestalt eines schwarzen Steines
der Stein der Astarte in Sidon
der Stein der Kybele von Pessinus, der 205 v.Chr. nach Rom gebracht wurde
Heliogabal, der Sonnengott in Emesa, der berühmte Stein des Elagabal
Dusares in Petra,
und dann Apollo Agyieus als konische Säule, die als Schutz vor vielen Haustüren stand,
der Stein im Apollotempel auf dem Palatin in Rom
und der berühmte Omphalos des Apollo Delphinios in Delphi.
Es handelt sich dabei meistens um Meteore. Wir wissen z.B. vom Steinfall von Aigospotamoi 467/6 v.Chr. während der 78. Olympiade. Dieser Meteoritenschauer hatte einen bedeutenden Einfluß auf die Erkenntnisse des vorsokratischen Naturphilosophen Anaxagoras, der lehrte, daß die Sonne ein glühender Stein von der ungefähren Größe des Peloponnesos sei und daß der Mond sein Licht von der Sonne bekäme.

In Griechenland war das gewöhnliche Zeichen dafür, daß ein Stein selbst das Kultobjekt war, wenn er sozusagen 'übersetzt' wurde in persönliche Bezeichnung, d.h. ihm der Name eines Gottes gegeben wurde. In Megara gab es im 2.Jh. n.Chr. im Alten Gymnasium in der Nähe des Nymphentores einen Stein in der Gestalt einer kleinen Pyramide. Er wurde Apollo Karinos genannt, und dicht dabei war ein Heiligtum der Eileithyiai (Göttinnen der Geburt, gewöhnlich in der Einzahl). Die Gestalt erinnert an die Höhle der Eileithyia bei Amnisos auf Kreta, die bereits Odysseus kannte (Odyssee 19, 188), in der ein Stalagmit den Ort der Verehrung bezeichnete. In diesem Fall haben wir es klar mit den Überresten einer Verehrung zu tun, die zurückgeht in eine Zeit, bevor die Griechen hierher kamen. Und diese Vorstellung wird bestätigt durch die Bedeutung, die im religiösen Kontext Steine und Säulen auf Minoischen Siegelringen haben oder noch allgemeiner in der Minoischen und Mykenischen Religion. Wir sehen hier also die merkwürdige Form eines Kultobjektes, etwas fremdartig der klassischen griechischen Praxis, das vielleicht zurückreicht auf Phönikischen Einfluß oder vielleicht auf die vorgriechische Bevölkerung von Griechenland und Kreta. Aber in jedem Fall repräsentiert es die Kontinuität einer durchgehenden religiösen Tradition aus einer sehr anderen Vergangenheit. Heilige Steine und anikonische 'Nicht-Statuen' wurden tatsächlich von den Griechen angesehen und respektiert als besondere Gegenstände, die sie waren. In der sakralen Landschaft von Sikyon

hinter dem Heroon ('Heroen-Schrein') des Aartos findet sich ein Altar (ein Stein?)
für Poseidon Isthmios, und eine Statue des Zeus Meilichios und der Artemis
Patroa, keine von ihne mit irgendeiner Kunstfertigkeit gemacht - der Meilichios wie eine Pyramide, die Artemis wie eine Säule (Paus.2. 9, 6)

Der Mangel an Kunstfertigkeit beleuchtet, und betont, die Tatsache, daß diese Statuen eine fremde Sprache sprechen. Es ist wichtig, festzuhalten, daß sie nicht jene Art von Kunstfertigkeit zeigen sollten, welche die Form über das Material stellt. (Ken Dowden)

Quellen:
Homer, Odyssee
Ovid, Metamorphosen
Pausanias, Reisen durch Griewchenland
Diels/Kranz, Die Fragmente der Vorsokratiker

Literatur:
Wikipedia
Ken Dowden, European Paganism: the realities of cult from antiquity to Middle Ages

Mit freundlichem Gruß
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Re: Mythologisch interessante Münzen

Beitrag von Peter43 » Mo 20.09.10 19:07

Apollon Iatros, Apollon der Arzt

1. Münze:
Thrakien, Serdika, Caracalla, 198-217
AE 31, 15.27g, mm, 0°
Av.: ANTWNEINOC - AVT KM [AVR CEV]?
Büste, belorbeert, n.l., mit verzierter Aegis und Schwertgurt über der li Schulter (sehr
seltene Büstenvariante)
Rv.: OVLPIAC - CERDIKHC
Apollon Iatros, nackt, frontal stehend, Kopf n. l., stützt sich mit der Rechten auf
Schlangenstab und hält die Linke an der Hüfte; re neben ihm steht Asklepios als Kind,
blickt zu ihm auf und reckt die re Hand (mit einem Gegenstand?) zu ihm hoch.
Ref.: a) Ruzicka online 169-177 var. (diese Münze)
b) nicht in Varbanov (engl.)
c) Hristova/Jekov No. 12.18.7.17 (diese Münze)
Sehr selten, SS+, braun-grüne Patina
Die kleine Begleitfigur wird gewöhnlich als der kindliche Asklepios bezeichnet. Aber es gibt Zweifel. Dazu mehr am in diesem Artikel

2. Münze:
Moesia inferior, Markianopolis, Elagabal, 218-222
AE 28, 10.69g, 28.04mm, 210°
geprägt unter dem Statthalter Julius Antonius Seleucus
Av.: AVT.K.M.AVRHLIOC - ANTWNEINOC
Büste, drapiert und cürassiert, belorbeert, n.r.
Rv.: VP.IOVL.ANT.CEL - EVKOV MARKIANOPO / LITWN
Apollon Iatros, nackt, unbärtig, Chlamys über der li Schulter, frontal stehend, Kopf n.l.,
stützt sich auf Schlangenstab in der re Achselhöhle
Ref.: a) AMNG I/1, 832, Taf. XVII, 4 (3 Ex., Löbbecke, Rollin, wohl auch Wizcay)
von Pick als Asklepios bezeichnet
b) Varbanov (engl.) 1559 (Asklepios)
c) Hristova/Jekov No. 6.26.7.2.corr. (schreibt fälschlicherweise CELE - VKOV und hat
im Abschnitt TWN)
aber hier korrekt als Apollon Iatros bezeichnet!
Selten, S+/fast SS, blaugrüne Patina
Für Apollon sprechen die Nacktheit und das Fehlen des Himation

Apollo Iatros, lat. Apollo Medicus, heißt wörtlich "Apollo der Arzt". Schon bei Homer war Apollon nicht nur als Bringer von Unheil und Seuchen bekannt, sondern auch als Heiler, der diese Seuchen wieder beenden konnte. Ich verweise auf den ersten Artikel in diesem Thread über Apollo Smintheus. Hier aber haben wir es mit dem Apollon Iatros zu tun, der eine ganz spezielle Funktion erfüllt. Er ist dadurch verwandt mit seinem Sohn Asklepios, den er von Koronis hatte.

Beginn des Kultes
Walter Burkert unterscheidet 3 Komponenten in der Vorgeschichte der Apolloverehrung: eine dorisch-nordwestgriechische, eine kretisch-minoische und eine syrisch-hethitische Komponente. Als östliche Komponente kam Apollon aus Anatolien während der Eisenzeit (ca. 1100 v.Chr. bis ca.800 v.Chr.). Bei Homer, wo er auf der Seite der Trojaner gegen die Griechen kämpft, hat er viel Ähnlichkeit mit der luwischen Gottheit Apaliunias. In der späten Bronzezeit war bereits der hethitische und hurritische Aplu ein Gott der Seuchen und ähnelte damit dem Apollo Smintheus.

Apollo Iatros selbst stammt ursprünglich auch aus Asia Minor. Er wurde überall in Ionien verehrt, besonders aber in Milet, wo er nach dem dortigen griechischen Dialekt Apollon Ietros genannt wurde. Von dort wurde er von den Milesiern mitgenommen in die neugegründeten Kolonien am Schwarzen Meer. Um 600 gründeten sie Olbia, wo es einen großen Kultkomplex des Apollon Ietros gab. Zusammen mit Apollon Delphinios, Zeus und Athena gehörte er zu den Hauptgottheiten der Stadt. Auch auf der Akropolis von Pantikapaion gab es einen Tempel des Apollon Ietros. Vielleicht war im Norden des Schwarzen Meeres mit den großen Sümpfen der dort mündenden Flüsse, der Donau, des Tyras, des Borysthenes oder des Tanais die Gefahr von Krankheiten größer und deshalb die Hilfe der Götter notwendiger.

Nach Griechenland kam Apollon Iatros erst im späten 5. Jh. Die älteste literarische Erwähnung findet sich bei Aristophanes in seinen "Vögeln", 414 v.Chr.

Die Art der Heilung
In Attika gab es neben Asklepios andere Heiler: Amphiarchos, Amynos und den anonymen Heros Iatros. Der letzte hatte Heiligtümer in Athen, Marathon, Rhamnos und Eleusis. Sein Kult ist erst bezeugt ab dem 4.Jh. Die Heilmethoden dieser attischen Heiler entsprachen denen menschlicher Ärzte. Sie müssen ihr Wissen irgendwo erworben haben, z.B. Asklepios bei Chiron, dem weisen Kentaur. während Apollon mit dieser Gabe bereits bei seiner Geburt versehen war. Apollon heilte nicht durch chirurgische Eingriffe, Bandagen, Salben, Umschläge oder ähnliche Maßnahmen, wie wir sie von Ärzten kennen. In unerklärlicher Weise heilte er durch seine Anwesenheit allein oder durch Berührung. Deshalb zeichnen sich seine Heiligtümer durch nichts vor anderen aus: Sie haben einen Altar, einen Tempel und eine beschützende Mauer. Gebete und Opfer reichten für göttliche Hilfe aus. Ein weiterer, ziemlich unbekannter Aspekt seiner Heilkraft war die Hilfe beim Wunsch nach Kindern, besonders männlicher. Eine große Zahl von Namen wie Apollodoros zeugen von dieser Seite des Apollon Iatros. Interessant ist, daß Apollon seine eigenen Leiden nicht heilen konnte, wie wir in den Mythen von Daphne oder Koronis erfahren.

Der Unterschied zwischen Apollo und Asklepios beruht auf 2 verschiedenen Konzepten von dem, was eine Krankheit ist. In der Kosmologie, zu der Apollo gehört, waren Krankheiten ein Teil der größeren Welt des Bösen, die der Freiheit und dem Glück des Menschen entgegengesetzt war und sie begrenzte. Nach dieser Auffassung unterscheiden sich Krankheiten nicht von anderen Übeln wie Erdbeben oder anderen, die den Menschen bedrohen und ihn oder seine Städte vernichten können.
Nach der Auffassung des Asklepios sind Krankheiten etwas völlig anderes als die anderen Übel und können oft behandelt werden als eine körperliche Störung. Dazu gehören Wissen und Erfahrung. So ist dies moderner und entspricht unserer Sicht. Im 5. und 4.Jh. wurden die Heilpriester des Apollo zum Gespött der moderner denkenden Ärzte. Wir sollten uns nicht lustig machen über sie. Was ist denn Lourdes anderes?

Paeon/Paean
Paeon ist ein Heilgott, den wir aus Homer kennen. Er tritt dort nur selten auf, ist aber berühmt für sein Wissen um Kräuter und Heilmittel. Als Ares von Diomedes verwundet wurde (Il. 5), eilte er zu Zeus, um ihm sein 'unsterbliches Blut zu zeigen'. Zeus beauftragte Paeon, Ares ihn zu heilen. Paeon trug eine Salbe auf, die sofort Linderung brachte. Ähnliches hatter er eine Generation vorher für Hades getan, der durch einen Pfeil des Herakles verletzt worden war. Er war sozusagen der Privatarzt der Götter.

So scheint es, als sei Paean ein eigener, unabhängiger Heilgott. Aber außerhalb der Epik ist Paean nur noch in einem Fragment (Frg. 3037) bei Hesiod erwähnt, der Apollon und Paean als zwei getrennte Gottheiten behandelt. Sonst wird Paean nur als Epithet des Apollon benutzt, immer dann, wenn er als Heilgott bezeichnet werden soll. So ist es möglich, daß auch bei Homer Paean in Wahrheit Apollon meint, da ein Epithet auch für die Gottheit stehen kann.

Der Name Paean stammt aus der späten griechischen Bronzezeit, wo er in der mykenischen Linear B als pa-ia-wo auftritt. Er verschwindet zusammen mit anderen Gottheiten und ihren Kulten nach dem Zusammenbruch der mykenischen Kultur, wird aber mündlich tradiert und erscheint in epischen Gesängen.

Apollon ist in der mykenischen Zeit nicht bekannt und es ist sicher, daß er nicht zum Pantheon der Griechen in der Bronzezeit gehörte. Er muß also erst später Paean ersetzt haben. Wir wissen nicht wann, aber dies muß bereits vor Homer geschehen sein. Hier tritt Apollon ebenfalls als Heilgott auf, aber nur für Menschen, wie z.B. beim verwundeten Helden Glaukos (Il. 7, 528), der nach Apollon ruft, der ihn in seinen Tempel entführt, wo er von Leto und Artemis gepflegt wird.

Bereits bei Homer finden wir Paeon auch als Gesang, sowohl apotropäisch als auch des Triumphes. Diese Gesänge waren ursprünglich dem Apollon gewidmet, später auch anderen Göttern wie Dionysos, Apollon Helios oder Asklepios. Im 4.Jh. wurde der Paean zur Formel der Verehrung; sein Zweck war entweder um Hilfe zu flehen gegen Krankheit und Unglück oder nachdem diese Hilfe empfangen worden war, dafür zu danken. Auf diese Weise wurde Apollon wahrscheinlich zum Gott der Musik. Da Apollon auch den Python getötet hatte, kam es zu einer Verbindung mit Kampf und Sieg. So wurde es bei den Römern üblich, dsß die Armee auf dem Marsch einen Paean sang, oder zu Beginn einer Schlacht, wenn die Flotte den Hafen Verließ oder nachdem der Sieg errungen war. (Wikipedia)

Die kleine Figur neben Apollon Iatros
Üblicherweise wird dies kleine Figur als der kindliche Asklepios bezeichnet. Das hat etwas für sich, weil Asklepios der Sohn des Apollon war. Aber gewöhnlich wird er als erwachsener Mann mit Himation abgebildet. Bei mir ist diese kleine Figur aber nackt. Auf anderen Münzen ist sie mit einer Chlamys bekleidet. Pat Lawrence denkt deshalb an Telesphoros, von dem es eine ähnliche Statue gibt. Auf ihrer Münze, auch aus Serdika, scheint sie auch einen Gegenstand in der Hand zu haben, der bei mir nicht zu sehen ist. Icht dachte zunächst an Paean, aber dieses Problem ist bisher ungeklärt.

Apollon Medicus in Rom
In Rom war Apollo ursprünglich nicht heimisch, so daß man ihn nicht mit einer römischen Gottheit gleichsetzen könnte. Er behielt sein griechisches Wesen. In Etrurien war er früher bekannt. Z.B. in Veii oder Cere. Die Etrusker nannten ihn Apulu oder Aplu. Seine Ankunft im Jahre 433 v.Chr. verdankt Rom einer Empfehlung der Sibyllinischen Bücher. Um eine Seuche abzuwenden wurde ein Tempel des Apollo Medicus gelobt und 431 auf dem Marsfeld außerhalb des Pomeriums errichtet. Dort bestand vorher ein kurz vorher errichtetes Apollinar. 34 v.Chr. begann Gaius Sosius diesen Tempel zu restaurieren. Der Bürgerkrieg unterbrach diese Arbeiten, besonders, da Sosius die Partei des Marcus Antonius ergriffen hatte. Durch den Bau des Marcellustheaters wurde der Tempel des Apollo Medicus noch einmal verändert. Heute sehen wir noch 3 wiedererrichtete Säulen mitsamt dem Archtrav neben dem Marcellustheater.

Als Rom durch die Karthager wieder in Gefahr geriet, weihten sie Apollo Medicus Spiele, die ludi Apollinares. Macrobius erzählt, daß bei der ersten Durchführung der Spiele ein Feind die festliche Stadt angegriffen habe. Während die Bürger zu ihren Waffen eilten, sah man eine Wolke von Pfeilen auf die Feinde niederprasseln und sie vertreiben. 'Und die Römer konnten zurückkehren zu den Spielen dieses gastfreundlichen Gottes. So wandelte sich Apollo Medicus zu Apollo, dem Helfer in der Schlacht.

Seine größte Bedeutung erreichte Apollo aber erst, als Agustus ihn zu seinem speziellen Gott nahm, als Antwort auf Marcus Antonius, der als Herrscher des Ostens Dionysos gewählt hatte. Nach der Schlacht von Actium, bei der der Gott von seinem nahen Heiligtum aus zum Sieg beigetragen haben soll, gelobte Augustus ihm einen Tempel, der 28 vor.Chr. errichtet und geweiht wurde. Er stand in der Nähe seines Wohnhauses auf dem Palatin und ihm war eine bedeutende Bibliothek angeschlossen.

Beide Tempel standen in einer Art Konkurrenz zueinander. Nach Horaz, Oden 1.21 ist es dabei möglich, daß der neue augusteische Apollo die Funktion des älteren Apollo Medicus übernommen hat. Vom Tempel auf dem Palatin gibt es nur noch Fragmente.

Der Eid des Hippokrates
Dieser Eid beginnt, was bestimmt viele nicht wissen, mit der Anrufung des Apollo Medicus:
„Ich schwöre und rufe Apollon, den Arzt, und Asklepios und Hygieia und Panakeia und alle Götter und Göttinnen zu Zeugen an, dass ich diesen Eid und diesen Vertrag nach meiner Fähigkeit und nach meiner Einsicht erfüllen werde."
Dieser Eid war von Hippokrates nicht bekannt, obwohl damals die Ärzte schon in Schulen organisiert waren. Er ist auch nicht pythagoreisch. Er stammt wohl aus der Zeit des Claudius. Sein wichtigster Sinn war der Schutz vor feindlichen Verfolgungen, wie sie z.B. bei Hammurabi üblich waren, wo ein Arzt streng bestraft wurde, wenn eine Heilung keinen Erfolg hatte. Und er diente der Altersvorsorge für ältere Ärzte durch die jüngeren, war also eine Art Standesversicherung. Dieser Eid war in Deutschland nie üblich, obwohl Teile daraus eingeflossen sind in die Genfer Deklaration des Weltärztebundes.
Anm.: (1) Panakeia war eine Tochter des Asklepios
(2) Übrigens geht das deutsche Wort Arzt zurück auf das griechische Archiatros, was
soviel bedeutet wie Vorsteher der Ärzte, Erster Heiler einer Kommune

Zum Schluß: Und natürlich ließ sich das Christentum die Idee des Heilers nicht entgehen. Christus als Heiland ist ja der Heiler kat' exochen. Zuerst bei Ignatius von Antiochia (um 110) wurde er explizit als Christus Medicus bezeichnet und spielte in der Antike besonders bei der Sarkophagskultur eine bedeutende Rolle. Aber das alles geht über unser Thema hier hinaus.

Hinzugefügt habe ich
- ein Bild der Säulen des Apollo Medicus Tempels am Marcellustheater in Rom
- ein Bild des Apollo Medicus aus den Etymologiae des Isidor von Sevilla (560-636 n.Chr.)
(von artchive.com)

Quellen:
- Homer, Ilias
- Hesiod
- Livius
- Horaz, Oden
- Ovid, Metamorphosen
- Dion von Prusa, Die Borysthenes-Rede

Literatur:
- Fritz Graf, Apollo
- Norbert Ehrhardt, Apollon Ietros. Ein verschollener Gott Ioniens?, in Istanbuler Mitteilungen
39 (1989), S.116-122
- Bronwen Lara Wickkiser, Asklepios, medicine, and politics of healing in fifth-century
Greece, 2008
- Der kleine Pauly

Online:
- http://en.wikipedia.org/wiki/Temple_of_Apollo_Sosianus
- http://janusquirinus.org/essays/Apollo/ApolloCult.html
- Pat Lawrence, Cult OTD: Apollo Iatros
http://www.forumancientcoins.com/board/ ... ic=51500.0

Mit freundlichem Gruß
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serdika_caracalla_HJ12.18.7.17#.jpg
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Re: Mythologisch interessante Münzen

Beitrag von Peter43 » Mo 25.10.10 21:19

Diese Artikel erscheinen auch im amerikanischen Forum. Wie ich gerade gesehen habe, haben wir heute zusammen mehr als 150.000 Zugriffe. Eine stolze Zahl. Vielen Dank für euer Interesse!

Mit freundlichem Gruß
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Re: Mythologisch interessante Münzen

Beitrag von hjk » Mo 25.10.10 23:20

Hallo Jochen,

der Dank gebührt Dir - für die reichliche Arbeit, die Du Dir mit den Recherchen und dem Verfassen der interessanten Artikel gemacht hast. Wenn diese Arbeit durch viele Zugriffe - und damit natürlich viele Leser/innen - wenigstens ein bisschen gewürdigt wird: umso Besser. Das ist immerhin auch eine Art von "Feedback" (wenn schon das Lob nicht so oft wirklich ausformuliert wird).

Vielen Dank - und mach' gerne weiter so!

Schönen Gruß aus Frankfurt
hjk :D

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Re: Mythologisch interessante Münzen

Beitrag von Peter43 » So 31.10.10 13:51

Apollon Klarios und das Orakel von Klaros

Münze:
Ionien, Kolophon, 480-450 v.Chr.
AE 6 (Tetartemorion), 0.2g, 6.22mm, 0°
Av.: archaisches Portrait des Apollon Klarios, frontal
Rv.: quadratischer Inkus mit Bezeichnung TE (Wertbezeichnung)
Ref.: SNG von Aulock 1999; SNG Kayhan 356;Rosen 567; Milne Colophon 7
SS, etwas rauh

Klaros war ein kleiner Ort in Ionien zwischen Kolophon und Lebedos, der für sein Apolloheiligtum berühmt war. Klaros selbst war aber nie eine Stadt, sondern diente als Zentrum der Weissagung und des Orakels. Damit ähnelte es Didyma.

Etymologie:
Etymologie des Epithets Klarios: Ich habe 2 Erklärungen gefunden. Die erste bezieht sich auf Klaros, den Ort des Apollotempels. Demnach ist es also der Apollo von Klaros. Die zweite führt es auf dorisch 'klaros' zurück, was soviel bedeutet wie Zuteilung (von Land) oder Oberaufseher über gegründete Städte. Dann würde der klarische Apollo zur Gründersage gehören, wie es bei den Griechen üblich war.

Mythologie
Die Gründungssage von Klarus verbindet die Stadt mit den Epigonen, die nach der Eroberung von Theben und der anschließenden Plünderung geflohen waren. Unter ihnen war Manto, die Tochter des blinden Sehers Teiresias und selbst eine Seherin. Am Ort von Klaros wurden sie von Kretern gestellt. Diese Legende wird bestätigt durch die historisch belegte minoische Besiedlung von Milet, die 1995/6 durch deutsche Wissenschaftler entdeckt wurde. Die Legende erzählt weiter: Als Rhakios, Sohn des Lebedos und Anführer der kretischen Siedler in Karien, erkannte, wer sie waren, erlaubte er ihnen, im Land zu siedeln und nahm selbst Manto zur Frau. So wurde der Ursprung des klarischen Orakels von den Griechen der klassischen Zeit als minoisch-mykenischen Ursprungs erinnert. Die ionische Einwanderung von der Nordpeloponnes datiert in das 10.Jh. v.Chr. Das wird auch bestätigt durch die vor-geometrische Tonware, die man dort gefunden hat.

Der Apollotempel von Klaros wird bereits bei Homer erwähnt, also im 7.Jh. v.Chr. Aber vermutlich ist das Orakel bedeutend älter als die griechische Kolonisation. Eine heilige Höhle deutet darauf hin, daß hier bereits vor Apollon die kleinasiatische Göttin Kybele verehrt wurde.

Nach einer Mythe war dem Kalchas, dem offiziellen Seher der Griechen während des Trojanischen Krieges, geweissagt worden, er werde sterben, wenn er einem Seher begegnete, der ihm überlegen sei. Bei Klaros begegnete ihm der Seher Mopsus, der Sohn der Manto, der zusammen mit Amphilochos auf dem Heimweg von Troja war. Kalchas forderte ihn zum Wettbewerb heraus und verlangte von ihm, die Zahl der Feigen an einem Feigenbaum zu nennen. Die Antwort des Mopsus bestätigte sich bis zur letzten Feige. Eine andere Version erzählt diese Geschichte von einer hochträchtigen Sau. Sie diskutierten darüber, wieviele Ferkel sie werfen würde. Kalchas nannte acht, Mopsus neun. Als sie acht Ferkel geworfen hatte, triumphierte Kalchas, aber nach einiger Zeit kam noch ein neuntes zur Welt, und Kalchas starb aus Scham über seine Niederlage in Kolophon.

Es wird auch erzählt, daß Alexander der Große das Orakel von Klaros aufsuchte, um sich einen Traum deuten zu lassen, in dem er eine Stadt am Berg Pagos gründete. Das Orakel erklärte den Traum als Aufforderung, die Stadt Smyrna wiederaufzubauen.

Das Apolloheiligtum war weitberühmt während der hellenistischen Zeit. Viele Besucher auch aus den Nachbarstädten kamen nach Klaros, um das Orakel des Apollon aufzusuchen. Obwohl die nahen Städte Ephesos und Milet ihr eigenes Orakel in Didyma hatten, beneideten sie die Stellung und die Bedeutung von Klaros. Es blühte auch während des Römischen Reiches. So spendete z.B. Hadrian eine beträchtliche Summe zum Wiederaufbau des Tempels, der bei einem Erdbeben zerstört worden war.

Aelian schreibt:
Weil die Einwohner von Klaros den Apollo so sehr verehren, ist das Land dort unberührt von giftigen Tieren und ihnen verhaßt. So ist der Wille des Gottes. Denn der kann nicht nur Leben retten, sondern ist auch der Vater des Asklepios, des Heilers und Meisters der Krankheiten. Nikandros (Anm. ein Priester aus Kolophon) ist Zeuge dafür und der sagt: 'Keine Viper, keine Giftspinne, kein gefährlicher Skorpion haust in den Hainen von Klaros, denn Apollon hat seine tiefe Grotte verhüllt mit Eschenbäumen und den Grasboden von schädlichen Lebewesen gereinigt.'

Der Apollotempel
Der Tempel, wie er jetzt von den Archäologen ausgegraben wird, wird in das 4.Jh. v.Chr. datiert, wurde aber errichtet auf den Fundamenten eines älteren. Er steht auf einer Stufenplattform von 26x46 m. Dieser Platz wurde wahrscheinlich gewählt wegen seiner Nähe zur heiligen Quelle. 11 Säulen standen entlang der längeren Seite des Tempels und 6 an der kürzeren Seite. In der Cella des Tempels befand sich eine riesige Statue des Apollon. Ein Heiliger Weg führte von den Propyläen, dem Eingang, zum Apollotempel. Geschmückt war er mit Säulen. Später wurden dort Inschriften eingemeißelt, die Delegationen aus Griechenland und Asia Minor nannten. Entlang ds Heiligen Weges finden sich Säulen, Statuen und Friese, die der dem Ruhm einflußreicher Römer dienten. Die meisten von ihnen stammen aus dem 1.Jh. v.Chr. Diese Inschriften gehören zu den zahlreichsten griechischen Inschriften überhaupt.

Das Orakel:
Das Orakel wurde in Form von Versen empfangen in einer Höhle unter der Cella des Tempels. Diese war das adyton, das Heiligste des Heiligen. Zwei Treppen führten abwärts zu einem engen Durchlaß, der sich bis zum Ende des Tempels erstreckte. Nach einer Reihe von labyrinthartigen Biegungen und Kurven führte dieser Gang zu zwei Orakelhöhlen, von denen die erste als Außenkammer diente. Die andere lag direkt unter der Cella. In dieser Höhle tranken die Priester von der heiligen Quelle, um sich auf ihre Aufgabe vorzubereiten. Dazu befand sich am hinteren Ende der Höhle ein großes Becken. Die Mitglieder des Orakels bestanden aus den Thespioden (Verseverfassern), den Schreibern (Protokolllführern) und natürlich den Weissagern selbst. Es scheint, daß die Weissager jeweils für 1 Jahr Dienst taten, während die Priester und Thespioden dort lebenslang tätig waren. Die Sprache, in der die Thespioden die Orakel abfaßten, sollte die Sprache der Götter nachahmen und das war für die Griechen ein poetisches, archaisches Griechisch. Es bestand aus Formeln und wunderlichen, schwerverständlichen Wörtern und hielt sich nicht an die herkömmliche Grammatik.

Den Personen, die das Orakel aufsuchten, war es nicht erlaubt, die innere Kammer zu betreten, wo die geheimnisvolle Tätigkeit stattfand. Es scheint, daß sie im Durchgang oder in der Außenkammer warten mußten. Hier wurde eine elegante Steinbank mit Schlangenarmstützen gefunden, die daran erinnert, daß dieses Heiligtum einen chthonischen Ursprung hatte. Auch fand sich ein Omphalos, der heilige Stein des Apollo, den man auch in anderen Apolloheiligtümern finden kann einschließlich des Orakels in Delphi. Hier bestand er aus blauem Marmor und hatte die Form eines Eis.

Außerhalb des Tempels befand sich zusätzlich ein Altar für Dionysos. Diese gleichzeitige Verehrung anderer Götter war in vielen Heiligtümern der Antike üblich.

Das Orakel von Klaros war das einzige, das bis in die christliche Ära überlebte. Unter den zahlreichen Gemmen, die gefunden wurden, finden sich viele, auf denen ein Gott Jao angerufen wurde, womit wahrscheinlich Jahwe gemeint war. Apollo selbst war in dieser Zeit bereits herabgestuft zu einem Mittler zwischen Gott und den Menschen und wurde als Engel (Angelos) und Daimon (wohl im Sinne Platos) bezeichnet.

Ausgrabungen:
Das historische Klaros, auf das sich griechische und römische Dichter beziehen, ist vollständig unter den Schwemmsand des kleinen Flußes an diesem Ort begraben worden, eine weitverbreitete Erscheinung an dieser Küste während des 2.Jh. v.Chr., als das Hinterland entwaldet wurde. 1905 entdeckte T. Macridy den Eingang ins Heiligtum und kam 1913 mit dem französischen Archäologen Charles Picard zu weiteren Forschungsarbeiten zurück. Bedeutende Ausgrabungen wurden dann zwischen 1950 und 1961 von Louis Robert unternommen und nicht nur eine Reihe von wichtigen römischen geweihten Säulen kam zum Vorschein, sondern auch der berühmte dorische Apollotempel, der Sitz des Orakels, in seiner erhabenen obwohl unvollendeten hellenistischen Phase aus dem 3.Jh. v.Chr. Der Heilige Weg wurde 1988 unter J. de la Geniere ausgegraben, und seit dieser Zeit ist viel angeschwemmter Schutt beseitigt worden und Klaros ist heute bereit, Besucher zu empfangen.

Hinzugefügt habe ich ein Bild des Apollotempels, wie man ihn heute sehen kann.

Quellen:
- Apollonius, Argonautika
- Ovid, Metamorphosen
- Strabo

Literatur:
(1) Karl Buresch, Apollon Klarios - Zum Untersuchungen zum Orakelwesen des späteren
Altertums, 1889
(2) Merkelbach/Blümel, Die Sprache der Orakel, in Philologica, 1997
(3) Turkish Turist-Info Klaros
(4) http://en.wikipedia.org/wiki/Clarus
(5) http://www.theoi.com/Cult/ApollonCult5.html

Mit freundlichem Gruß
Dateianhänge
kolophon_SNGaulock1999.jpg
Klaros.jpg
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