Hallo zusammen,
im Mai und Juni waren wir für vier Wochen in Arizona, wo ja eigentlich keine antiken Stätten in unserem Sinne zu erwarten sind. Wenn man den Begriff aber ein bisschen großzügig auslegt, dann gibt es da doch etwas, von dem ich in aller Kürze berichten will
. Also:
Ganz kurzer Bericht aus Arizona (und ein bisschen Nevada) - einziger Teil
Als wir durch das Arizona History Museum in Tucson gingen, staunte ich nicht schlecht, als ich plötzlich vor zwei Vitrinen mit angeblichen römischen Artefakten stand
.
Am 13.09.1924 wurde etwas nördlich von Tucson in den Ruinen eines alten Kalkbrennofens ein bleiernes Kreuz gefunden, das mit lateinischen und hebräischen Buchstaben beschriftet war. Bei mehreren Nachgrabungen kamen weitere 31 Objekte zu Tage. Die Artefakte waren bis auf eines alle aus Blei, aufgrund der Beschriftungen wurden sie um das Jahr 800 AD datiert.
Meine Bilder hier sind nicht besonders toll, da sich im Vitrinenglas ständig irgendwas spiegelte und meine Taschenknipse auch über keine Möglichkeit verfügt, ein Polarisationsfilter zu montieren
. Bessere Bilder findet man beispielsweise hier:
http://ancientamerica.com/calalus-775-9 ... ts-part-1/
http://ancientamerica.com/calalus-775-9 ... ts-part-2/
https://www.azpm.org/p/top-news/2013/3/ ... an-colony/
Die Funde stießen in der akademischen Welt eher auf Ablehnung (woran sich bis heute nichts geändert hat, auch das Museum teilt diese Haltung), da sich allerlei Merkwürdigkeiten auftaten (Schwerter aus Blei taugen nicht zum Kämpfen, die Bleikreuze sind zu schwer für ein Mitführen bei Feldzügen, die Texte sind bruchstückhaft und ergeben keinen vernünftigen Sinn, auf einem Artefakt ist ein den Römern generell unbekannter Dinosaurier abgebildet, usw.). Es bildete sich aber auch eine Gruppe von Leuten, die die Existenz einer römisch-jüdischen Siedlung namens Calalus in den Jahren 775 - 900 AD ableiteten, die von westwärts segelnden "verlorenen Stämmen des Volkes Israel" gegründet wurde (oder irgendwie so ähnlich
), und diese These wird von manchen bis heute eifrig verteidigt (siehe die ersten beiden Links oben).
Einzuordnen ist diese Geschichte in eine ganze Reihe von mehr oder weniger abstrusen Theorien, die eine Besiedlung Amerikas vor Kolumbus aus der alten Welt heraus nachzuweisen versuchen, da gab es in den Staaten noch weitere ähnlich zweifelhafte Funde.
Schön zusammengefasst ist die Geschichte der "Tucson Artifacts" in Don Burgess and Wes Marshall, Romans in Tucson? The Story of an Archaeological Hoax, Journal of the Southwest, Vol. 51, No. 1 (Spring 2009), pp. 3-135 (mit einem Zugang zu JSTOR kommt man da ran).
Aus der römischen antiken Stätte in Arizona wurde also leider nichts
, man hat mit den "Tucson Artifacts" aber ein nettes Stück Amerika wie es leibt und lebt vor sich
.
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Wenn man den Begriff "antike Stätte" noch etwas weiter fasst, sowohl zeitlich als auch kulturell, dann hat Arizona eine große Zahl an Ruinen der indianischen Ureinwohner zu bieten. Die Stätten stammen meist aus der Zeit zwischen 700 und 1450 AD und sind damit nach landläufigem amerikanischem Verständnis selbstverständlich antik
.
Die zeitliche und geografische Einordnung der verschiedenen Kulturen des nordamerikanischen Südwestens ist aber recht kompliziert, da hab' ich mich relativ schwer getan
. Einem Topf oder Korb anzusehen, ob er jetzt zu Anasazi, Hohokam oder Mogollon gehört, kann man eben nicht mal schnell in zwei Wochen lernen
.
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Und wenn wir schonmal dabei sind, das mit den antiken Stätten etwas großzügiger zu sehen, dann kann ich noch einen draufsetzen, aus Las Vegas, Nevada
:
Es ist kaum zu glauben, wie viel antikisierenden Kitsch man pro Quadratmeter unterbringen kann, wenn man sich ein bisschen Mühe gibt
. Aber als Besucher läuft man trotzdem staunenden Auges von einer dieser Monstrositäten zur nächsten und ist tief beeindruckt
.
In den vier Wochen Arizona haben wir natürlich noch ganz andere Dinge angeschaut, aber das auch noch unter "antike Stätten" zu subsumieren, traue ich mich dann doch nicht
.
Gruß
Altamura