Eigentlich hatte ich gehofft, angesichts der Mühe, die ich mir mit der Analyse des Buches von Christoph Schäfer und anderen Quellen gemacht hatte, dass zumindest einige Mitglieder „mehr“ sich mit den von mir genannten Fakten beschäftigen. Dem war aber nicht so.Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Christoph Schäfer,
Wie sie ja bereits aus einem Telefonat mit einem Mitglied des Numismatikforums wissen, findet dort momentan eine recht angeregte Diskussion über die Authentizität von sog. „römischen Signalpfeifen“ statt, wie man sie allenthalben im Netz für ein paar Euro im Angebot findet (https://www.ebay.com/itm/Roman-Legionar ... Swdo5f0et3).
Der Diskussionsverlauf im Forum hat mich nun, ganz gegen meine Absicht dazu gezwungen, mich etwas intensiver mit der Frage zu beschäftigen, ob die römische Zenturionen ihre Einheiten beim Exerzieren und im Gefecht tatsächlich mit solchen Signalpfeifen kommandiert haben könnten, also ähnlich den Offizieren im Grabenkampf des 1. Weltkriegs.
Meine Nachforschungen umfassten zahlreiche Aufsätze, unter anderem von Rodney M. Cross, Cristina-Georgeta Alexandrescu, Jana Sperling, Günther Wille, Wolfgang Riepl usw. zur römischen Militärmusik bzw. den militärischen Musikinstrumenten.
Desweiteren versuchte ich entsprechende antike Abbildungen, wie sie z. B. auf der Trajanssäule, als auch auf dem Konstantinsbogen und der Markussäule zu finden sind, zur Beantwortung dieser Frage heranzuziehen.
Doch sowohl die Aufsätze, als auch die genannten Abbildungen kennen bzw. zeigen keinerlei Signalpfeifen, sondern ausschließlich römische Blasinstrumente wie „bucina“, „cornu“ oder „tuba“ zur Befehlsübertragung im römischen Heer, wie die nachfolgenden Reliefs auf Siegessäulen und Triumphbögen zeigen.
Römische Bucina-, Tuba- und Cornu-Militärmusiker
http://www.trajans-column.org/?page_id= ... 2367981513
http://www.trajans-column.org/?page_id= ... 2368154629
http://www.trajans-column.org/?page_id= ... 2368274500
http://www.trajans-column.org/?page_id= ... 2368385871
http://www.trajans-column.org/?page_id= ... 2368896455
http://www.trajans-column.org/?page_id= ... 2368955089
Galeere mit Trommler im Bug
http://www.trajans-column.org/?page_id= ... 2369431342
Die Regensburger Signalpfeifen, welche sie in ihrem Buch „Lusoria – Ein Römerschiff im Experiment“ erwähnen, sind zwar, wie sie schreiben, funktionsfähig, jedoch handelt es sich dabei um kleine Fibeln, die mit Sicherheit nicht militärischen Zwecken gedient haben mögen, auch wenn sie im Legionslager oder im Lagerdorf gefunden wurden. Vgl. Regensburg - Festschrift 125 Jahre Bayerische Handelsbank, München 1994, S. 298.
Ich möchte in diesem Zusammenhang nicht unerwähnt lassen, dass auf "romanarmytalk.com" ein Mitglied der Deva Victrix Chester Garrison (römische Legionärsdarsteller in UK) über einen Feldversuch mit einer gefundenen Signalpfeife schreibt: "Here in Chester we have a whistle from the Deanary Fields Barrack block within the fortress, but experience of the noise generated in a battle scenario show whistles and individual voices are ineffective with only the tone frequencies of horns cutting through."
Um die Frage auch von Seiten der Feldforschung beantwortet zu bekommen, habe ich mich an Dr. Henrichen (Archäologe am RLM Trier) und Prof. Dr. Wolfgang Czysz (Bayr. Landesamt für Denkmalpflege) gewandt.
Dr. Henrichen schreibt mir dazu:
"Ich kenne keine Funde solcher Pfeifen, die aus gesicherten archäologischen Kontexten stammen. Meist handelt es sich um Streufunde ohne Kontext, die von Sondengängern gefunden werden. Vielen dieser neuzeitlichen Funde wird dann zur Steigerung des Wertes bei Auktionen wissentlich oder unwissentlich eine Datierung in die römische Zeit zugeschrieben. Bei den Pfeifen ist es wie bei vielen anderen Funden (z.B. Hufeisen, Fingerhüte etc.) auch: Hätte die römische Armee diese funktional sehr sinnvollen und sehr praktischen Objekte genutzt bzw. wären diese Objekte bereits in römischer Zeit erfunden gewesen, wären sie wie viele andere standardisierte Ausrüstungsgegenstände sehr zahlreich im heutigen archäologischen Fundmaterial vorhanden. Aber das Gegenteil ist der Fall. Vielmehr stammen solche Funde sehr vereinzelt immer aus unsicheren, mittelalterlich-neuzeitlich überprägten Fundstellen bzw. Befunden."
Prof. Dr. Wolfgang Czysz schreibt zum Thema "römische Signalpfeifen":
"Pfeifen als Kommandoinstrumente liegen nahe, da haben Sie völlig recht. Wenn sie aus Holz waren, sind sie im archäologischen Fundstoff verloren. Allerdings sind die meisten Holzobjekte auch immer wieder in Eisen oder Bronze umgesetzt worden. Dort kennt man aber nichts derartiges, auch wenn das Prinzip der Pfeife durchaus bekannt war: Es gibt kleine Zierfibeln in Pfeifenform, die auch tatsächlich pfeifen können, aber nur zu Überraschung und Spass. Ansonsten verständigt man sich im Militär, zum Morgenapell, vor allem aber im Kampf, mit Hornsignalen. Es gibt sogar Mundstücke von Blechblasinstrumenten auf Wachttürmen am Limes."
Nach dem oben angeführten Telefongespräch wurden sie nun von dem Mitglied "Hans" folgendermaßen zitiert (Zitat Numismatikforum):
"Herr Professor Schäfer hat mich soeben zurückgerufen: Also, in Regensburg im Museum, wo er lange gearbeitet hat, liegen 3 Pfeifen aus dem Lagerbereich, eine davon hat er in der Hand gehabt und sogar ausprobiert (funktioniert, sind keine Trillerpfeifen) und wenn das immer noch nicht reichen sollte, möge man nach Regensburg fahren, wie er sich ausdrückte. (...) Zudem habe er die Pfeifen auch schon mehrfach woanders gesehen, möglicherweise in der Saalburg, aber da war er sich nicht sicher. Ich denke, damit ist wohl alles gesagt."
Diese Aussagen ihrerseits (wenn sie denn richtig zitiert wurden!), stehen meiner Ansicht nach im Gegensatz zu den obigen Aussagen von Dr. Henrichen und Prof. Dr. Czyzs.
Daher hätte ich folgende Fragen an sie:
1. Handelt es sich bei den 3 von ihnen erwähnten Pfeifen um die oben genannten Fibeln?
2. Wenn nicht und auch nicht um Trillerpfeifen, so handelte es sich wohl um flötenähnliche Instrumente aus Holz oder Bein?
3. Stammen die von ihnen erwähnten 3 Signalpfeifen aus dem Legionslager oder aus dem Lagerdorf, was Rückschlüsse über eine eventuelle militärische Nutzung zu lassen würde?
4. Gibt es Fundberichte oder Veröffentlichungen zu diesen Signalpfeifen? Wenn ja, wo einsehbar?
Einige Anmerkungen meinerseits zu diesen Fragen. Der Diskurs im Forum entzündete sich an der Frage, ob Signalpfeifen im römischen Heer (Fußsoldaten) zur Befehlsübertragung im Gefecht überhaupt in Frage kommen.
Was die großen maritimen Galeeren (Tirenen, Birenen etc.) angeht, so zeigt meiner Ansicht nach die oben angeführte Abbildung „Galeere mit Trommler im Bug“ von der Trajans Säule, dass zumindest bei diesen Kriegsschiffen durchaus Trommeln zum Taktgeben zum Einsatz kamen. Anders mag dies bei den Flußschiffen der Rheinflotte anders der Fall gewesen sein.
Ob dies mit Hilfe von entsprechenden Flöten aus Holz oder Bein oder eben durch mündliche Befehle geschah, mag ich nicht zu beurteilen, halte dies aber durchaus für möglich. Der Guss von Trillerpfeifen aus Kupfer oder Messing ist meines Wissens für die Römerzeit nicht nachweisbar.
Der weitere Verlauf der Diskussion zeigt mir, dass diese sich im Kreis dreht und angesichts der mangelnden Bereitschaft einiger Mitglieder auf stichhaltige Argumente einzugehen, nicht mehr zu einem Ergebnis führen wird.
Ich werde die Antwort von Christoph Schäfer noch veröffentlichen, sofern er mir antwortet. Ansonsten bin ich raus!