Mythologisch interessante Münzen

Alles was so unter den Römern geprägt wurde.

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Peter43
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Beitrag von Peter43 » Sa 05.11.05 02:45

Zum Schluß noch zwei Münzen mit dem Gorgoneion (Ich habe eine zeitlang nach solchen Münzen gesucht!):

1. Eine Tetradrachme von Philipp I. aus Antiochia (Prieux 357) mit dem Gorgoneion auf dem Brustpanzer. Man sieht deutlich das Medusenhaupt mit den Schlangenhaaren.
2. Ein AE26 des Macrinus aus Nikopolis ad Istrum, AMNG 1694; BMC 41. Hier trägt der Kaiser das Gorgoneion wieder auf der li. Schulter. Man sieht das Profil des Medusenhaupts umgeben von Schlangen.

MfG
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philippI_prieux357.jpg
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Beitrag von Pscipio » Sa 05.11.05 10:13

@Peter43:

Der Denar mit Aesculapius-Rückseite ist wohl der beste Caracalla, den ich je gesehen habe!
Nata vimpi curmi da.

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chinamul
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Beitrag von chinamul » Di 15.11.05 09:39

Harpokrates

Im Thread "Römische Münzen aus Alexandria" habe ich zu diesem Gott einen Beitrag mit Münzbeispielen eingestellt, der über den folgenden Link aufgerufen werden kann.

http://www.numismatikforum.de/ftopic6325-60.html#98408

Gruß

chinamul
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Peter43
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Beitrag von Peter43 » Sa 26.11.05 23:19

Der Reichtum Thrakiens

Hier möchte ich eine der interessantesten Münzen von Pautalia in Thrakien vorstellen. Ich glaube, es ist die römische Münze mit den zahlreichsten Details, die bekannt ist. Das Bild ist leider von einem Scanner. Wenn ich ein schöneres Bild bekomme, werde ich es austauschen. Es ist ein AE28 von Caracalla.

Caracalla 197-217
AE 28, 16.76g
Av.: AYT KM AYPRH - ANTΩNINOC
belorbeerte Büste n.r.
Rv.: OYΛΠIAC - ΠAYTAΛIA - C
Die Nymphe der Strymonregion, als Personifikation des
Landesreichtums, belorbeert, mit nacktem Oberkörper, l. sitzend; die
vorgestreckte Rechte auf einem Bergrücken mit Höhleneingang, mit
der Linken, gestützt auf eine Urne, aus der Wasser rinnt, umfaßt sie
einen ihren Kopf überragenden Weinstock mit Reben und Blättern.
Auf dem Bergrücken r. aufsteigend ein kleiner nackter Knabe, vom
Weinstock Reben pflückend, daneben BOTPY; vor dem
Höhleneingang ein zweiter nackte Knabe l. einen Sack mit Erzen auf
dem Rücken tragend, über ihm APΓY/POC; unter dem Quellgefäß
hockt l. ein dritter nackter Knabe und schöpft mit den Händen aus
dem Wasser Gold, darüber X/PY/CO/C. Im Abschnitt in einem
Getreidefeld ein vierter nackter Knabe, l. vorschreitend und Ähren
lesend, daneben CTAXY.
Ruzicka 634; sehr selten, gut S/fast SS (kleine Schriften klar und deutlich!)

Diese Münze wurde 1789 von Nicolaus Schow zum erstenmal beschrieben. Eckhel nannte sie "non alius est in regno monetario nummus". Bis heute ist die Figur auf der Rückseite umstritten. Eckhel sah in ihr den Flußgott Strymon. Aber dem wurde widersprochen, da die Figur weiblich ist. Sallet bezeichnete sie als Tellus oder Ge, weil sie der Tellus auf den Münzen des Hadrians, der Faustina und des Commodus gleicht. Von Julia Domna kennen wir eine imperiale Münze mit der Inschrift FECVNDITAS, wo die Kaiserin angelehnt an einen Korb unter einem Rebenstock sitzt und ihre Kinder zu ihr aufsteigen. Auch diese Darstellung kann dazu beigetragen haben, diese Münze anzuregen. Head, der sie mit Ge bezeichnet, will jedoch in dem Berg einen mit Fracht beladenen Schiffsvorderteil sehen. Imhoof-Blumer beschreibt die Figur als Nymphe der Strymonquellen, setzt aber hinzu, es sei schwierig zu entscheiden, ob eine Nymphe oder Tellus gemeint ist. Froehner wieder meint, daß sie als Tellus pazifiertes römisches Gebiet darstellen soll, als Nachahmung des von Commodus auf die Pazifikation von Britannien geprägten Medaillons, was jedoch für Caracalla und Domna nicht Anwendung finden kann, weil diese mit der Pazifierung Thrakiens nichts zu tun hatten.
(nach Ruzicka)

MfG
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Beitrag von chinamul » So 27.11.05 08:56

So ist es wohl besser:
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peter43b.jpg
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Beitrag von curtislclay » So 27.11.05 09:04

Schöne, interessante Münze!
Ist die Figur wirklich weiblich? Sieht doch im Abbild eher männlich aus, und das Quellgefäss würde auch auf einen Flussgott hindeuten.
Von Eckhels Aussage hast du nur die Hälfte zitiert: "Non alius est in regno monetario numus, in quo urbs quaepiam agri sui proventus tam canore depraedicat." "Im Bereich der Numismatik gibt es keine andere Münze, worauf eine Stadt so wohlklingend die Produkte ihres Gebietes kundtut."

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Beitrag von Peter43 » So 27.11.05 12:54

Danke, Curtis! Ich habe praktisch die ganzen Informationen von Ruzicka übernommen, wo nur der erste Teil zitiert wurde. Ich werde meine Aufzeichnungen korrigieren. Das mit der Frage 'männlich' oder 'weiblich' war mir gleich unklar. So habe ich vergeblich nach weiblichen Attributen gesucht, habe das dann aber auf den Erhaltungszustand der Münze zurückgeführt. Wie kommen denn die Nachfolger von Eckhel auf die Interpretation Nymphe oder Tellus? Lagen ihnen vielleicht andere Exemplare vor?

@Chinamul:
Danke für die Bildoptimierung! Ich werde Dein Bild - Deine Erlaubnis einfach vorausgesetzt - in meine Bilddatei übernehmen.

Mit freundlichem Gruß
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Beitrag von chinamul » So 27.11.05 14:40

@Peter43

Kein Problem! Es war doch dein Bild, das ich nur leicht verändert habe, was meiner Ansicht nach aber kein neues Copyright konstituieren dürfte.

Gruß

chinamul
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Beitrag von Pscipio » Di 29.11.05 01:24

Hercules Deusoniensis und Hercules Magusanus

Wer immer sich mit Postumus beschäftigt, stösst früher oder später auf die enge Verbindung, die dieser Kaiser zu Hercules pflegte. Auf den Münzen äussert sich dies in der berühmten Serie der zwölf Arbeiten des Hercules, ausgegeben wohl zu den Decennalien des Herrschers, aber auch, und dies ist für den weniger begüterten Sammler (wie mich) wohl interessanter, in der relativ häufigen Rückseite HERC DEVSONIENSI und in der (hingegen wiederum sehr seltenen) Rückseite HERC MAGVSANO. Bis heute ist nicht vollkommen geklärt, was es mit diesen beiden Hercules-Formen auf sich hat. Gerne möchte ich daher eine Annäherung an dieses schwierige Thema versuchen, auch weil Peter43 mich ganz zu Beginn meiner Postumussammelkarriere im US-Forum darauf angesprochen hatte und ich ihm damals nur die Informationen aus dem RIC geben konnte.

Paradoxerweise verfügen wir über den auf den Münzen selten abgebildeten Hercules Magusanus mehr Informationen als über den häufigen Hercules Deusoniensis. Hercules Magusanus erscheint auf mehreren Inschriften, vor allem in der germania inferior, in der man aufgrund der relativ grossen Anzahl an Zeugnissen die Heimat dieser Herculesform suchen muss, aber auch vereinzelt an anderen Orten in der belgica und der germania superior, ja sogar in Rom. Diese einzelnen Inschriften wurden allerdings höchstwahrscheinlich von Emmigranten aus der germania inferior errichtet, da man anhand fehlender weiterer Zeugnisse nicht davon ausgehen kann, dass Hercules Magusanus zu irgendeiner Zeit mehr als eine regionale Form des Hercules darstellte. Welche besonderen Attribute dem Hercules Magusanus zugeschrieben wurden, lässt sich leider, genau wie bei Hercules Deusoniensis, nicht mehr rekonstruieren.

Von Hercules Deusoniensis gibt es - erstaunlicherweise, betrachtet man sein häufiges Auftreten auf den Münzen des Postumus - im Gegensatz zu Hercules Magusanus überhaupt keine über die Münzprägung hinausgehenden Zeugnisse. Analog zu Hercules Magusanus wird man davon ausgehen können, dass es sich um eine an den römischen Hercules angeglichene lokale Herculesform handelte und man kommt, betrachtet man die häufigen und relativ grossen Münzemissionen mit seinem Bildnis, nicht um die Feststellung herum, dass diese Lokalform des Hercules für Postumus eine grosse Bedeutung hatte. Manche Historiker haben daraus schliessen wollen, dass Postumus gallischer oder germanischer Abstammung war und er den ihm aus seiner Heimat vertrauten Hercules zu seiner ihm besonders verbundenen Gottheit machte, allerdings gibt es dafür keine Beweise, wie denn auch die Herkunft des Postumus Gegenstand eifriger Diskussionen ist, die ihre Intensität auch aus der Streitfrage um den Charakter des "Gallischen Sonderreiches" - eigenständige Reichsbildung mit Rückbesinnung auf keltische Elemente oder aber schlicht das Herrschaftsgebietes eines nicht zum endgültigen Erfolg geeilten Usurpators - schöpfen. Für uns mag es hier genügen, festzuhalten, dass neben den Münzen bis heute kein einziges Zeugnis gefunden wurde, welches einen Hercules Deusoniensis kennt. Man wird daher davon ausgehen müssen, dass der Kreis der Verehrer dieses speziellen Hercules sehr klein war, da man sonst sicher mit der einen oder anderen erhaltenen Inschrift hätte rechnen können.

Schon früh wurde, basierend auf der Vermutung, dass es sich bei Hercules Deusoniensis und Magusanus um lokale oder regionale Formen des Hercules handelt, versucht, der geographischen Ursprung dieser Gottheiten zu ergründen. Naheliegend ist, Hercules Deusoniensis dem von Hieronymos als im Frankengebiet liegenden Ort Deuso zuzuschreiben, allerdings wird an anderer Stelle ein Ort mit dem Namen Castra Herculis genannt, der im Batavergebiet, also in der germania inferior lag. Auch dieser Ort, heute vermutlich Doesborgh an der Ijssel, wird als Herkunftort dieser Herculesforum vermutet, allerdings gibt es dafür keine Beweise, die Herkunft des Hercules Deusoniensis kann also bis heute nicht als schlüssig nachgewiesen gelten.

Obwohl Hercules Magusanus, im Gegensatz zu Deusoniensis, in mehreren Inschriften genannt wird und man ihn, wie oben ausgeführt, daher als Lokalform des Hercules aus der gemania inferior anschaut, ist auch seine Zuweisung an einen bestimmten Ort unsicher. Vorgeschlagen wurde Magusanus = Mahusenham-Muyswinkel bei Utrecht, was zwar dem Namen nach passen könnte, trotzdem aber nicht nachzuweisen ist.

Insgesamt ist die Rekonstruktion der Herkunft und Bedeutung dieser beiden Herculesformen mehr auf Vermutungen und Schlüssen aufgebaut als auf gesicherten Zeugnissen. Sicher kann man sich allerdings der Bedeutung des Hercules Deusoniensis für Postumus sein, denn wie sonst liesse sich sein häufiges Erscheinen auf den Münzen dieses Kaisers erklären! Man kann darüberhinaus vermuten, dass die Bevorzugung dieser vermutlich aus dem Batavergebiet stammenden lokalen Herculesform ein Bindeglied zwischen dem Kaiser und seinen zum Teil aus diesem Gebiet rekrutierten Truppen bilden sollte, aber auch hier bewegt man sich wieder auf unsicherem Terrain.

Es mag sich seltsam anhören, aber genau diese Unsicherheiten bezüglich der Geschichte und der Kultur des "Gallischen Sonderreiches" üben auf mich als Sammler antiker Münzen und als Geschichtsstudent einen grossen Reiz aus. Es handelt sich hier um ein bis heute nicht sehr gut erforschtes Teilgebiet der Römischen Geschichte mit wenigen erhaltenen Zeugnissen, welches mir erlaubt, ja fast zwingt, eigene Schlüsse zu ziehen und nicht nur Faktenwissen aus Büchern aufzunehmen.

Gruss, Pscipio

PS: leider habe ich trotz eifriger Suche kein Bild einer HERC MAGVSANO-Münze gefunden
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HERC DEVSONIENSI.JPG
Zuletzt geändert von Pscipio am Di 29.11.05 10:32, insgesamt 1-mal geändert.
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Beitrag von curtislclay » Di 29.11.05 05:18

Was die Seltenheit anbelangt:
Antoniniani: im Fund von Cunetio 1366 Stück HERC DEVSONIENSI, kein einziges Stück HERCVLI MAGVSANO.
Sesterze: in Bastien eine Menge HERC D., mit HERC. M. 9 Stück mit normaler Vs.-Legende, 2 Stück mit Fehler CSS für CASS in der Vs.-Legende.
Der Hercules Magusanus ist ein ausruhender H. vom Typ Hercules Farnese, nach r. stehend, mit der l. Hand sich auf seine Keule stützend, die r. Hand hinter dem Rücken.

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Beitrag von Peter43 » Mi 30.11.05 16:06

Hallo Pscipio!

Du schreibst, es kann sich um lokale Formen des Hercules gehandelt haben. Wird es nicht so gewesen sein, daß es ursprünglich lokale Gottheiten waren, die dann erst unter den Römern mit Hercules identifiziert worden sind?

MfG
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Beitrag von Pscipio » Mi 30.11.05 16:36

Hallo Peter43

Das ist durchaus möglich und ich gestehe, dass es sich dabei um einen verlockenden Gedanken handelt, er wird aber auch ein ungewisser bleiben. Immerhin befand sich Gallien bis zur Zeit des Postumus schon seit dreihundert Jahren unter römischer Herrschaft, so dass das Zurückführen von uns aus dieser späten Zeit bekannten besonderen Herculesformen auf vorrömische Gottheiten im Reich der Spekulationen verbleiben muss. Ich persönlich denke, dass die beiden Herculesformen auf zwei verschiedene lokale Herculesheiligtümer zurück zu führen sind und die Beinamen daher einen geographischen Hintergrund hatten, wobei offen bleiben muss, ob es diese Heiligtümer auch schon in vorrömischer Zeit gegeben hat.

Gruss, Pscipio
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Beitrag von Peter43 » Mi 30.11.05 16:49

Der 'Nabel der Welt'

Ich möchte hier etwas vorstellen, dessen Bedeutung bis heute nicht ganz klar ist. Auf meiner Münze wurde es als 'Bienenkorb' bezeichnet, was völliger Blödsinn ist, wie mir ein Bienenfachmann versichert hat, der sich auch historisch mit Bienenzucht auskennt. Aber zuerst mal die Münze. Es ist ein AE20 aus Deultum in Thrakien von Maximinus I:

Maximinus I 235-238 n.Chr.
AE 20, 4.79g
Av.: IMP MAXIMINVS AVG
belorbeerte Büste, drapiert und cürassiert, n.r.
Rv.: PCFD
Omphalos mit Spitze auf Fundament
Yurukova 204; SNG Bulgaria 756-760; Moushmov 3641
SS

Griechisch Omphalos ist deutsch der Nabel, lat. umbilicus. Diese Abbildung gibt es nur von Deultum. Was ist das nun für ein seltsames Ding? Yurokova nennt es Bienenkorb. Aber das ist Unsinn, wie wir bereits wissen. Es wird manchmal auch Schrein genannt. Und die neue SNG Bulgaria nennt es einen Brunnen vom 'Meta Sudans' Typ! Danach habe ich zuerst geforscht, weil mir dieser Ausdruck unbekannt war.

1. Meta Sudans
Bei neuen Grabungen auf dem Colosseumsplatz kamen in unmittelbarer Nähe des Triumphbogens des Konstantin einige interessante Fundamente zu Tage. Zum einen die Überreste eines Portikus, der Teil von Neros Domus Aurea war. Der Säulengang führte an dem künstlich angelegten See entlang, der später trockengelegt und in den das Colosseum gebaut wurde, und verband den Palast auf der Velia (wo heute der Venus und Roma-Tempel steht) mit dem Tal.
Als Nero tot war und die Flavier in Rom die Macht übernommen hatten, wurde der größte Teil der Domus Aurea abgerissen und das Tal grundlegend umgestaltet. Im Rahmen dieser Baumaßnahmen entstand auch ein monumentaler Brunnen, die Meta Sudans. Der Brunnen hatte die Form eines riesigen Kegels (daher der Name Meta Sudans, "schwitzender Kegel"). Die Höhe des Kegels betrug 17 Meter, sein Durchmesser an der Basis 7 Meter. Er stand in einem runden Wasserbecken von 16 Metern Durchmesser. Die ursprüngliche Erscheinung des Brunnens läßt sich aus zeitgenössischen Münzen rekonstruieren.

2. Baetyl
Über die Baetyle habe wir an deser Stelle schon einmal gesprochen. Das sind die meteoritischen Steine, wie der Stein von Emesa des Elagabal, der Baetyl von Sidon oder die Kaaba. Die Form dieser Baetyle ist manchmal etwas eiförmig. Hier ist ein Bild des Baetyls der Pergäischen Artemis. Was diesen besonders interessant macht, ist, daß nach Marvin Tameanko das obere 'Ei' dieses Monuments oder ein ähnliches augenscheinlich auf Münzen abgebildet ist, manchmal auch in einem Tempel. Siehe
Sylloge Nummorum Graecorum Sammlung von Aulock. No. 4759 und Description des Medailles Antiques, Greques et Romaines, Mionnet, vol.3, no. 93, p. 463 und natürlich Marvin Tameankos eigenes Buch 'Monumental Coins, p.213.

3. Der Apollinische Omphalos
Auf einer Reihe von Münzen der Seleukiden ist Apollon abgebildet, wie er auf einem Omphalos sitzt. Der ist hier häufig mit einem netzartigen Flechtwerk überzogen wie auf der Münze, die ich zur Abbildung ausgewählt habe. Vielleicht kommt hiervon die Bezeichnung 'Bienenkorb'. Als muß der Omphalos auch etwas mit Apollon und Delphi zu tun haben. Er ist der Sitz des Propheten und heißt auch der Delphische Omphalos.

4. Der 'Weltnabel'
In späterer Zeit wurde die Bedeutung des Nabels ins Esoterische ausgeweitet. Besonders von den Orphikern. In dieser Zeit gibt es auch Übergänge zum sog. Weltei, das z.B. in der Neuzeit auf Bildern von Salvadore Dali wieder auftaucht. Es soll alle Geheimnisse des Kosmos enthalten.

5. Zurück zu den Tatsachen
Was sagt nun der 'kleine Pauly' zu diesem Nabel? Omphalos, = Nabel, Buckel. Es ist ein ovoides bzw. bienenkorbförmiges Steinmal. unsicherer Bedeutung; zuweilen mit Vogelattributen und von netzartigem Flechtwerk überzogen dargestellt. Bekanntestes Exemplar ist der delphische Omphalos, als Orakel-Sitz zunächst der Gaia, dann dem Apollon gehörig; dem Ninion-Pinax zufolge auch im Heiligtum der Erdmutter von Eleusis vertreten. Nachbildungen des originalen Omphalus wurden in Delphoi gefunden. Der delphische Omphalos gilt heute nicht mehr als meteoritisches Objekt des anikonischen Steinkults, sondern als prähellenisches Opfer-Mal der Erdgöttin in Synthese von Tymbos (= gewölbtes Grab) und Altar (für chthonische Blutgüsse). Vorstellungen vom Erdnabel sind demgegenüber sekundär; Versuche einer Einordnung in orientalische Sinnbildbezüge sind fragwürdig; eine Verbindung mit ägäischen , vorderasiatischen oder keltischen Steingebilden ähnlicher Form, Deutung im Rahmen der Fruchtbarkeitssymbolik bleiben umstritten.

Zu den Bildern:
1. Omphalos auf der Münze aus Deultum
2. Delphischer Omphalos auf einer Münze von Seleukos III.
3. Meta Sudans
4. Baetyl der Pergäischen Artemis

MfG
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Maximinus_Deultum_Moushmov3641.jpg
SeleukosIII_Houghton59.jpg
Meta_Sudans.JPG
Baetyl_Pergaean_Artemis.jpg
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Beitrag von Peter43 » Fr 02.12.05 01:51

Die Schlacht der Giganten

Hier möchte ich meine neueste Münze vorstellen. Sie hat eine der bedeutendsten Mythen der Griechen zum Thema: die Gigantomachia, die Schlacht der Giganten! Es ist ein AE 26 des Gallienus aus Seleukeia ad Calycadnum.

1. Die Münze
Gallienus 253-268 n. Chr.
AE 26, 10g
Av.: AYK ΠΛK ΓAΛΛIHN / OC
Büste, drapiert und cürassiert, gesehen von hinten, belorbeert, n.r.
Rv.: C[E]ΛEYK - E - WN K / AΛYK / AΔN / W
Athena, behelmt und mit Schild in der erhobenen re. Hand, steht
n.r., und sticht mit Speer nach einem Giganten, der mit
Schlangenfüßen re vor ihr kniet. Der faßt mit der li Hand ihren Speer
und hat in der erhobenen re Hand einen Felsbrocken, den er nach ihr
werfen will.
(Bei dem Giganten kann es sich evtl. um Enkelados handeln, weil der
mit Athene einen persönlichen Kamopf ausgefochten hat!)
SNG Levante 789; BMC 57
Selten, fast SS

2. Mythologie
Die Rückseite zeigt eine Szene aus der Gigantomachia. Die Giganten auch Gegeneis (die Erdgeborenen) genannt, waren von menschlicher Gestalt, bis auf ihre Beine oder Füße, die in Schlangenleibern ausliefen. Sie entstanden aus dem Blut des Uranos, als sein durch Kronos verstümmeltes Geschlechtsteil auf Gaia (die Erde) floß. Außer den Giganten entstanden dabei noch die Erinnyen (Furien) und die Meliai (Nymphen der Eschen).
Als Zeus Gaia beleidigte, weil er die Titanen in den Tartaros sperrte, hetzte sie ihre Söhne, die Giganten, zum Krieg gegen die Götter auf. Dieser Kampf trägt den Namen Gigantomachie. Der Angriff soll lange Zeit nach der ihn ausgelösten Beleidigung stattgefunden haben. Gaias Gedächtnis war gut und ihre Geduld unendlich, aber Zeus hatte die Attacke erwartet.
Gegen den Tod von Götterhand waren die Giganten gefeiht, und so wußte Zeus, daß die Götter ohne Hilfe eines Sterblichen nichts ausrichten konnten. Deshalb wappnete er sich selbst dadurch, daß er einer sterblichen Frau einen großen und schwer geprüften Helden zum Sohne schenkte: Herakles
Der Kampf fand an einem Ort namens Phlegra in Thrakien statt, dem Wohnsitz der Giganten. Die Giganten rückten, angeführt von Eurymedon und mit Alkyoneus und Porphyrion als ihre tapfersten Krieger, gegen die versammelten Götter vor, indem sie Felsbrocken und Bergkuppen nach ihnen warfen. Herakles schoß indes mit einem vergifteten Pfeil auf Alkyoneus und zerrte ihn danach, wohl wissend, daß der Gigant nicht in seiner Heimat Pallene sterben konnte, über die Grenze des Reiches, wo dieser starb. Einen anderen, Enkelados, lähmte Athene mit dem Medusenhaupt ihres Schildes, und als er trotzdem fliehen wollte, warf die Göttin Athene die Insel Sizilien über ihn, wodurch er begraben wurde, aber nicht starb. Sein Feueratem entweicht noch heute dem Ätna.
Nach dem Sieg der Götter über die Giganten schickte Zeus die Hundertarmigen nach Tartaros, damit sie dort die überlebenden Giganten bewachen konnten.

3. Hintergrund
Solche Sagen wie die vom Ätna haben dazu geführt, daß man in den Giganten Verkörperungen vulkanischer Erdkräfte sah. Schon früh faßte man den Sieg der Götter über die Giganten als Sieg der Ordnung und Kultur über die chaotisch wilde Urzeit und bald auch als Symbol zeitgenössischer Kämpfe und Siege der Griechen über Barbaren auf.

4. Der Fries des Pergamonaltars
Wenn man über die Gigantomachia spricht, muß man den Pergamonaltar erwähnen. Ohne Pergamon wäre unsere Kunst nicht, was sie ist. Der Antike war seine hellenistische Kunst Leitbild, und selbst in all den Jahrhunderten, in denen sie verschüttet unter Trümmern lag, lieferte sie dank Kopien oder Urkunden Europas Künstlern das Maß aller Dinge.
Mosaike, Fresken, Gemälde und Statuen schmückten die Residenz auf dem 335 Meter hohen Burgfels. Alle waren bewundernswert, doch das Beeindruckendste war der riesige Altar, den Eumenes II. 166 vor Christus in Auftrag gab. Der römische Schriftsteller Lucius Ampelius lobte ihn und seine "Gigantomachie" im "Buch der Denkwürdigkeiten", und die Johannes-Apokalypse nennt ihn, widerwillig fasziniert, "Sitz des Satans".
So war es denn fast ein Wiedersehen, als zwischen 1871 und 1898 die mächtigen Reliefplatten der Gigantomachie und die kleineren des Telephosfrieses ausgegraben und nach Berlin transportiert wurden, wo sie in Schinkels Altem Museum Tausende Bewunderer fanden. Die Werke waren von ihrem Entdecker, dem Ingenieur Carl Humann, in letzter Sekunde gerettet worden: "Ich sah alles um- und überwuchert: daneben rauchte der Kalkofen, in den jeder Marmorblock, welcher dem schweren Hammerschlag nachgab, zerkleinert wanderte." Rohmaterial für den Verputz neuer Häuser im Nest Bergama - das war vom "stolzen uneinnehmbaren Herrschersitz" geblieben.
Peter Weiss bezog den Kampf zwischen Barbarei und Kultur, symbolisiert im Ringen der olympischen Götter mit den Giganten, auf die jüngste Vergangenheit, Archäologen entschlüsselten die Gigantomachie als Verweise der Attaliden auf ihren Sieg über die Gallier und deuteten den ungewöhnlichen Altaraufbau als Synthese aus Sakral- und Palastbau, worin folgerichtig der Telephosfries dem Gründungsmythos der Herrscher, die sich auf Herakles und seinen Sohn zurückführten, Gestalt gab.

Quellen:
Der kleine Pauly
http://demo.interred.de
FAZ.NET: Der Pergamonaltar ist restauriert

Mit freundlichem Gruß
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gallienus_seleucia_BMC57.jpg
09_perga_gigmach.jpg
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Beitrag von Peter43 » Fr 02.12.05 02:10

Hallo an alle!

Ich habe zwar noch einige Münzen mit mythologischen Themen, die ich hier vorstellen werde, aber mein Vorrat ist nicht unbegrenzt. Deshalb bitte ich alle, sich an diesem Thread zu beteiligen. Dazu reicht es aber nicht aus, nur eine Münze vorzustellen, sondern es gehört der mythologische Hintergrund dazu und evtl. auch die Einordnung in kulturgeschichtliche Zusammenhänge, wie ich es versucht habe. Deshalb auch die Bilder von kulturhistorischen Denkmälern, wie hier ein Ausschnitt aus dem Fries des Pergamonaltars.

Also ran an die Tastatur und raus mit den Texten und Bildern!

MfG
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