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Frieden in Gefahr: Bankdrücker Ailton schiebt Frust
Fr 22 Okt, 12:04 Uhr
Gelsenkirchen (dpa) - Zu Verbalattacken ließ er sich nicht hinreißen, doch der Frust war unverkennbar. Als die Mannschaftskollegen des FC Schalke 04 nach dem enttäuschenden 1:1 (1:0) im ersten UEFA-Cup-Gruppenspiel gegen den FC Basel unter der Dusche standen, trat Ailton die Flucht an.
Seinen Fintenreichtum bewies der erst in der 86. Minute eingewechselte Torjäger diesmal abseits des Rasens. Mit einem kurzen Sprint eine aufwärts fahrenden Rolltreppe hinab schüttelte er besonders hartnäckige Journalisten gekonnt ab. «Er war so schnell weg, so schnell konnte ich nicht gucken. Wenn er am Sonntag genauso schnell ist, ist das in Ordnung», kommentierte Ralf Rangnick.
Mehr amüsiert als besorgt reagierte der neue Trainer auf den markanten Abgang des Brasilianers. Gleichwohl konnte Rangnicks Lächeln nicht davon ablenken, dass beim Revierclub ein neues Problemfeld entstehen könnte. Verbannt der Heynckes-Nachfolger den Bundesliga-Torschützenkönig der vergangenen Saison auch im Heimspiel gegen den Überraschungsdritten aus Mainz auf die Bank, dürfte es mit dessen verbaler Zurückhaltung vorbei sein. «Fragt den Trainer», entgegnete Ailton all jenen, die Einblicke in sein Seelenleben nehmen wollten.
Für die Beantwortung der vielen Fragen, warum er das fade Angriffsspiel seiner Mannschaft nach der Pause nicht schon eher mit der Einwechslung von Ailton belebt habe, ließ sich Rangnick deshalb viel Zeit. Bis tief in die Nacht hinein erläuterte er in verschiedenen Gesprächsgruppen geduldig seine Beweggründe. «Wenn der Gegner Druck macht, kann man nicht Harakiri spielen. Solange wir 1:0 führen, war es für mich keine Frage, ihn zu bringen.» Von seinem Vorsatz, dem derzeit schwächelnden Neuzugang mit mehr und mehr Spielpraxis wieder zu alter Leistungsstärke zu verhelfen, wich der Trainer deshalb kurzerhand ab. «Fällt das 1:1 früher oder gehen wir 2:0 in Führung, wäre es eine Überlegung gewesen», sagte er.
Vor allem die zweite Option schien zum Greifen nahe. Doch die Chancen zum befreienden zweiten Treffer blieben in einer guten Anfangsphase ungenutzt. Nur in den ersten 30 Minuten knüpften die Schalker dort an, wo sie beim 1:0-Auswärtssieg gegen den FC Bayern aufgehört hatten. Der frühe Führungstreffer von Lewan Kobiaschwili (8.) war der Lohn für einen couragierten Auftritt. Der Rückfall in alte Zeiten nahm Rangnick nach der Pause jedoch schnell alle Freude: Statt zügig nach vorn wurde behäbig in die Breite gespielt. Der Schweizer Meister witterte Morgenluft und riss die Gastgeber mit dem Freistoßtor des eingewechselten Mattias Emilio Delgado (82.) aus allen Träumen.
Damit blieb Rangnick in seinem vierten Spiel auf der Schalker Bank erstmals ohne Sieg. Zweifel an der Klasse seiner Mannschaft hegt er indes nicht. Schon beim zweiten Spiel der Gruppe A in zwei Wochen beim schottischen Club Heart of Midlothian, der 0:3 in Rotterdam unterlag, soll sich die Ausgangslage deutlich verbessern. «Eine Mannschaft, die beim FC Bayern gewinnen kann, ist auch in der Lage, in Schottland zu gewinnen», meinte der Trainer trotzig.