http://de.news.yahoo.com/050412/12/4hnql.html
Dienstag 12. April 2005, 07:17 Uhr
Hauen und Stechen im Konklave
Frankfurt/Main (AP) Allein vom Heiligen Geist sollen sich die Kardinäle bei der Wahl eines neuen Papstes leiten lassen. So steht es in der letzten päpstlichen Verfügung zum Konklave. Die Wirklichkeit aber sah immer wieder anders aus. In den Kardinalsversammlungen herrschte oft genug Hauen und Stechen - und dabei muss man noch nicht einmal bis ins Mittelalter zurückgehen.
«Der Heilige Geist hat nichts mit diesem Konklave zu tun», stellte der belgische Kardinal Désiré Mercier bei der Papstwahl des Jahres 1914 fest. In seinen persönlichen Notizen klagte er mit Blick auf seine Mitkardinäle bitterlich über «diese von Neid getriebenen Machenschaften, dieses wahnsinnige Bemühen, an der Macht zu bleiben». Und bevor Angelo Giuseppe Roncalli 1958 zum Papst Johannes XXIII. gewählt wurde, notierte er in seinem Tagebuch: «Welche Verletzung der Gerechtigkeit, welch falsche Gerüchte, verbunden mit persönlichen Interessen und von materieller Natur!» Ein unbekannter Kardinal hatte das Gerücht verbreitet, dass Roncalli an Diabetes leide, und so seine Kandidatur zu vereiteln versucht.
Zu dem am Montag beginnenden Konklave soll es keinerlei Enthüllungen geben. Die Kardinäle schwören nach der von Johannes Paul II. festgelegten Eidesformel, das Gebot der Geheimhaltung «in keiner Weise während oder nach der Wahl des neuen Papstes zu verletzen». Private Notizen über die Abstimmungen im Konklave müssen ausgehändigt und verbrannt werden.
Wenn sich die Kardinäle zum Konklave in der Sixtinischen Kapelle des Vatikans einschließen, blicken sie auf eine Jahrhunderte alte Tradition zurück. Seit dem dritten Jahrhundert läuft die Wahl der Kirchenführer nach festen Regeln ab. Heute wird nur noch der Bischof von Rom, der Papst, gewählt. Alle anderen werden von diesem ernannt.
Wahlberechtigt waren ursprünglich «Klerus und Volk», wobei diese Regelung nur auf den ersten Blick demokratisch wirkt. Die Rolle des Volkes wurde zunehmend von den politischen Eliten der römischen Gesellschaft übernommen, die ihre eigenen Interessen verfolgten. Daraufhin wurde im Jahr 769 das Recht der Bischofswahl auf die in Rom lebenden Priester beschränkt.
Im elften Jahrhundert wurde der Kreis der Papstwähler weiter verkleinert. Papst Nikolaus II. bestimmte im Jahr 1059, dass nur noch besonders hochgestellte Geistliche den Papst wählen sollten. Diese Kleriker wurden als Nachfahren der zwölf Apostel betrachtet und als Kardinäle bezeichnet. Im Zuge des weit über Rom hinaus reichenden Machtanspruchs der katholischen Kirche wurden dann auch Kleriker aus anderen Regionen zu Kardinälen berufen - zu den ersten gehörten der Abt von Montecassino und der Erzbischof von Mainz.
Um bei der Wahl eines Papstes die unerwünschten Teilnehmer der kaiserlichen Macht auszuschließen, versammelten sich die Kardinäle im zwölften Jahrhundert an abgeschiedenen Orten. So wurde Eugen III. 1145 in einem Kloster gewählt. Die erste völlig abgeschottete Wahlversammlung fand 1241 statt: Zwei Monate lang wurden die Kardinäle damals in einer Gefängnisruine des antiken Palatins eingesperrt - und der Überlieferung zufolge noch von höhnischen und gewalttätigen Wächtern gefoltert.
Unter dem äußeren Zwang des Eingeschlossenseins sollten sich die Kardinäle möglichst bald zur Wahl eines neuen Papstes entschließen. Die Regeln dafür wurden 1274 von Gregor X. festgelegt: In den ersten drei Tagen erhielten die Kardinäle normale Mahlzeiten, danach lediglich eine Mahlzeit täglich und nach dem achten Tag nur noch Wasser und Brot. Das Einschließen der Kardinäle sollte auch verhindern, dass sie vom Konklave aus ihren mannigfachen anderen Geschäften nachgehen.
Auf einem Konzil im Jahr 1179 wurde festgelegt, dass für die Wahl eines Papstes zwei Drittel der Stimmen im Kollegium der Kardinäle erforderlich sind - woran die Kirche bis heute grundsätzlich festgehalten hat. Nach den Bestimmungen der 1622 von Gregor XV. erlassenen Konstitution «Decet Romanum Pontificem» sollte es täglich zwei Wahlgänge geben, wobei es strikt verboten war, für sich selbst zu stimmen. Neben der Wahl war lange Zeit auch die Bestimmung eines neuen Papstes durch die als «Inspiration» bezeichnete Akklamation oder auch durch die Verständigung auf einen Kompromiss möglich. Dies wurde erst 1996 von Johannes Paul II. abgeschafft.
Im 20. Jahrhundert hat fast jeder Papst die Regeln für das Konklave neu gefasst und präzisiert. Pius X. bestimmte 1904, dass es je zwei Wahlgänge am Vor- und Nachmittag geben soll. Paul VI. erhöhte die seit 1586 festgelegte Obergrenze von 70 wahlberechtigten Kardinälen auf 120. Damit setzte sich die Internationalisierung des Kardinalskollegiums fort, auch wenn die meisten Kardinäle weiterhin aus Italien kommen.
Die Abschottung der Kardinäle soll heute nicht mehr die Schnelligkeit der Wahl befördern - dafür sorgt schon die öffentliche Meinung und die Sorge, dass die Kirche als völlig zerstritten erscheinen könnte. Vielmehr geht es darum, alle diesseitigen Beweggründe für die Wahl eines Menschen geheim zu halten, der als Papst einen überirdisch hohen Anspruch erhebt. Seine Vollmacht, so heißt es in der Konstitution von Johannes Paul II. zur Papstwahl, sei «direkt von Christus abgeleitet, dessen Stellvertreter er auf Erden ist».
Christliche Nächstenliebe sieht wohl anders aus???