1890?

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Mynter
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Re: 1890?

Beitrag von Mynter » Fr 03.05.13 10:28

chillout hat geschrieben:Das ist ja eine höchst spannende Diskussion!

Ohne die bisherigen Lösungsansätze werten zu wollen, was ohnehin mangels Fachwissen und Literatur eine reine Fortsetzung der Spekulation wäre, hier eine zusätzliche These:

Kann es sein, dass 1890 sämtliche deutschen Prägestätten mit der (Lohn)Prägung für Dritte ausgelastet waren? Was weiß ich - vielleicht hat Honduras ein paar Schiffsladungen Pesos bestellt?
Berlin und in gewissem Masse auch Hamburg haben Prägeaufträge für Drittstaaten ausgeführt, allerdings nur in einem solchen Umfang, dass es zu bewältigen war. Ich hatte mich mit dieser Frage vergangenen Herbst mal in einem anderen Forum beschäftigt und kopiere einmal schnell, was ich anhand des Hammerich an Informationen gefunden habe:

Ab 1891 werden in Berlin und Hamburg folgende Aufträge für Drittstaaten ausgeführt:


Berlin

Republikk Transvaal ( 1 Pond = 20 Schillings = 240 Pence )
1891 : 1 Pond ( mit der Jahreszahl 1892 ! )
1892 : ½ Pond, 5 Sh, 2 ½ Sh, 2 Sh, 1 Sh, 6 d, 3 d, 1 d
Die Stempel wurden von Otto Schulz geschnitten, als am 1. August die Münzstätte Pretoria den Betrieb aufnimmt, liefert Berlin die Stempel für sämtliche dort bis 1900 stattfindenen Prägungen, Otto Schulz, der wie es üblich ist, seine Initialen O S auf dem Halsabschnitt des Portraits von Präsident Kruger anbringt, muss diese auf Proteste der Burenregerung wieder entfernen. Os bedeutet auf Afrikaans “ Ochse “ und erweckt Anstoss. Heute gehören die “ Ochsenpfunde “ zu den gesuchten Raritäten unter den südafrikanischen Münzen.
Auch die Gestaltung des Wappens musste geändert warden. Schulz hatte den Planwagen mit zwei Deicheln dargestellt, auch waren die Vorderräder zu gross im Verhältnis zu den Hinterrädern. In Wirklichkeit waren die Ochsenwagen der Buren jedoch nur mit einer Deichsel ausgestattet, an der zu beiden seiten die Ochsen angeschirrt wurden. Die bereits geprägten Nominale ( 1 Pond, ½ Pond, 5 Sh ) gelangten jedoch in den Umlauf, die Prägewerkzeuge für sämtliche Nominale wurden überarbeitet.
Aus Hammerichs Darstellung geht nicht hervor, ob die Stempel für das Pond in zwei Arbeistschritten geändet wurde, ich interpretiere das jedoch dahingehend, da dieses Nominal bereits 1891 geprägt wurde. Wären die Fehler am Wappen da bereits aufgefallen, sollte man meinen, dass keine Prägungen vor einer gründlichen Überarbeitung sämtlicher Stempel stattgefunden hätte. Es existieren also drei Varianten des Wertes zu einem Pond.


Königreich Italien ( 1 Lira = 100 Centesimi )
1894 : 20 Centesimi ( Urstempel, Patritze und Matritze wurden von der italienischen Regierung geliefert )

Republik San Domingo ( 1 Peso = 100 Centavos )
1894, 1896 : 2 ½ Centavos ( geprägt mit der Jahreszahl 1888, Stempel : Otto Schulz )

Republic Venezuela ( 1 Bolivar = 100 Centimos )
1896 : 12 ½ Centimos, 5 Centimos
Erste Prägung mit der Währungsbezeichnung ” Centimos ” statt ” Centavos ”. Stempel : Otto Schulz. Die Ablieferung erfolget erst 1900, da ein Wechsel im venezuelanischen Finanzministerium zu einer Untersuchung darüber führte, ob der Auftrag die vom Parlament genehmigte maximale Prägemenge für Nickelmünzen überschreite. Die Münzen lagerten bis dahin in der Berliner Münze ein.

Republik Uruguay ( 1 Peso = 100 Centesimos )
1901 : 5, 2, 1 Centesimos in Cu – Ni
Stempel : Otto Schulz. Erste Prägung uruguayischer Münzen in dieser Legierung

Ägypten ( 1 Pfund = 100 Piaster, 1 Piaster = 10 Millimes )
Mit der Jahreszahl 1885 wurden folgende Probemünzen 1885 geprägt :
20 Piaster : 18 Ex
10 Piaster : 10 Ex
5 Piaster : 10 Ex
2 Piaster : 10 Ex
5 Millimes : 10 Ex
2 Millimes : 10 Ex
1 Millime: 10 Ex
½ Millime : 10 Ex
¼ Millime : 10 Ex
Reguläre Prägungen:
100 Piaster : 1888
20 Piaster : 1886, 87, 91- 98, 1900, 1901
10 Piaster ; 1886 – 88, 1891 – 98, 1900, 1901
5 Piaster : 1886, 87, 91 – 98, 1900, 1901
2 Piaster: 1886, 87, 93, 96, 1900, 01
1 Piaster : 1886, 93, 1901
5 Millimes : 1886, 87, 89,96, 97,99, 1900, 1901
2 Millimes : 1886, 88, 97, 99, 1900, 1901
1 Millime : 1886, 88, 99, 1900, 1901
½ Millime : 1886, 88, 99, 1900, 1902
¼ Millime : 1886, 88, 99, 1900, 1902

Marokko ( 1 Rial = 100 Cents )
Alte Münzserie :
Mit der Jahreszahl 1895 wurden folgende Probemünzen geprägt:
1 Rial : 10 Ex
½ Rial : 20 Ex
¼ Rial : 40 Ex
1/10 Rial : 100 Ex
1/20 Rial : 200 Ex
1 Rial : 1896
½ Rial : 1896, 98, 1900
1/ 4 Rial : 1896, 98, 1900
1/10 Rial : 1896
1/20 Rial : 1896
Ein geringer Teil der mit der Jahreszahl 1896 geprägten Auflage wurde erst Anfang 1897 geprägt
Neue Münzserie
1902 : je 5 Probemünzen zu 1, ½, ¼, 1/10 und 1/20 Rial
½ Rial : 19002, 03
¼ Rial : 1903, 04, 05
1903 : je 5 Probemünzen zu 10,5, 2, 1 Cents
10 Cents : 1903, 04
5 Cents : 1904
Die Stempel der 10 und 1 Cent – Münzen wurden von Weigand, die der 5 und 2 Cent- Stücke von Schulz geschnitten

Hamburg

Siam ( 64 Att = 8 Füang; 1 Füang = 1/8 Tikal ; 1 Salüng = ¼ Tikal ; 1 Solot = ½ Att = 1 / 128 Tikal )
Mit den Jahreszahlen 1887, 1888, 1896, 1897, 1899, 1900, 1902 und 1903 wurden Pais, Att sund Solots in Millionenauflage geprägt.

Guatemala ( 1 Peso = 100 Centavos )
1 Peso : 1896, 97

Rumänien ( 1 Leu = 100 Bani )
5 Lei 1901
2 Lei : 1900, 1901
1 Leu : 1900, 1901
50 Bani : 1900, 1901

Brasilien ( 1 Milreis = 1000 Reis )
400 Reis : 1901, 02
200 Reis : 1901, 02
100 Reis : 1901, 02

San Salvador ( 1 Peso = 100 Centavos )
1 Peso : 1904
Grüsse, Mynter

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Re: 1890?

Beitrag von Chippi » Fr 03.05.13 12:08

Was ist mit RUmänien 5 und 10 Bani von 1906 (mit "J")?

Gruß Chippi
Wurzel hat geschrieben:@ Chippi: Wirklich gute Arbeit! Hiermit wirst du zum Byzantiner ehrenhalber ernannt! ;-)
Münz-Goofy hat geschrieben: Hallo Chippi, wenn du... kannst, wirst Du zusätzlich zum "Ottomanen ehrenhalber" ernannt.

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Re: 1890?

Beitrag von westerhoven1896 » Fr 03.05.13 15:01

hallo Leute
das sind ja alles sehr interessante Aspekte und Vermutungen die hier diskutiert werden.
auch ist es mal gut zu wissen für wen man noch Münzen geprägt hatte.Allerdings fehlt in Mynter`s Auflistung
ausgerechnet das Jahr 1890.Auch im Jahr 1889 hatte man keine Scheidemünzen aus Silber heraus gegeben außer die 5 Mk
Sachsen.
Also hatte man tatsächlich genug Silbermünzen.Es sei denn es gab ein technisches oder logistisches Problem,was ich mir nicht vorstellen kann.Bleibt nur noch ein politischer Aspekt:Könnte es sein das man vorrübergehend mit dem Gedanken spielte ganz weg vom Silber zu gehen? Es sich aber aus gesellschaftlichen Motiven wieder überlegte?
mfg westerhoven

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Re: 1890?

Beitrag von KarlAntonMartini » Fr 03.05.13 15:47

Wenn man nur mal Preußen 5 Mark ansieht, zeigt sich folgendes: 1874 bis 1876 wurden insgesamt ca. 7,6 Mio. Stück geprägt. Dann folgte eine lange Pause. Die Prägungen mit den Porträts Friedrich III. und Wilhelm II. von 1888 sind mit Auflagen von 200.000 bzw. 56.000 Stück eher als Gedenkmünzen zu verstehen. Ab 1891 wurde dann die Serie mit dem großen Adler in jährlich stark schwankenden Stückzahlen ausgegeben. Es ist also eine vierzehnjährige Unterbrechung der 5 Mark Prägung für den Umlauf zu verzeichnen. - Im Umlauf waren ja auch noch die Vereinstaler, allein Jäger 99 ist von 1866 bis 1871 mit einer Gesamtauflage von fast 83 Mio. Stück geprägt worden.

In England setzte die Prägung der dem Taler vergleichbaren Halfcrown nach über 20jähriger Pause 1874 wieder ein. Bis 1890 wurden insgesamt 29,2 Mio. Stück geprägt. Die Prägung von Crowns war 1887 wieder aufgenommen worden, bis 1890 gab es 3,2 Mio. Stück. Das zeigt, daß im Vergleich dazu die 5 Mark Münzen aus der Prägung nach 1874 schon reichlich vorhanden waren.

Zur damaligen Zeit gab es kein Land, das seine größeren Scheidemünzen nicht in Silber ausbrachte. (Teilweise war Silber auch noch Währungsmetall.) Eine Umstellung auf ein Unedelmetall wäre wohl bei der Bevölkerung schlecht angekommen und hätte international zu einem Prestigeverlust geführt.
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Re: 1890?

Beitrag von Mynter » Fr 03.05.13 15:57

Chippi hat geschrieben:Was ist mit RUmänien 5 und 10 Bani von 1906 (mit "J")?

Gruß Chippi
Führt Hammerich nicht auf, möglicherweise fand die Prägung erst nach Redaktionsschluss statt.
Grüsse, Mynter

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Re: 1890?

Beitrag von Mynter » Fr 03.05.13 15:58

westerhoven1896 hat geschrieben:hallo Leute
das sind ja alles sehr interessante Aspekte und Vermutungen die hier diskutiert werden.
auch ist es mal gut zu wissen für wen man noch Münzen geprägt hatte.Allerdings fehlt in Mynter`s Auflistung
ausgerechnet das Jahr 1890
.Auch im Jahr 1889 hatte man keine Scheidemünzen aus Silber heraus gegeben außer die 5 Mk
Sachsen.
Also hatte man tatsächlich genug Silbermünzen.Es sei denn es gab ein technisches oder logistisches Problem,was ich mir nicht vorstellen kann.Bleibt nur noch ein politischer Aspekt:Könnte es sein das man vorrübergehend mit dem Gedanken spielte ganz weg vom Silber zu gehen? Es sich aber aus gesellschaftlichen Motiven wieder
1890 wurde fuer die DOAG gepraegt. Die auf 1888 datierten Silbermuenzen Wilhelm II wurden erst 1889 gepraegt.

Eine Abkehr vom Silber wäre nur möglich gewesen, wenn man die Scheidemünzen in unedlem Metall ausgebracht hätte oder kleine und damit unpraktische Goldmünzen bevorzugt hätte. Letzteres scheiterte 1877/78 kläglich mit den halben Kronen, die unbeliebt und leicht fälschungsanfällig, schon ab den 1880er Jahren wieder eingezogen wurden.
Grüsse, Mynter

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Re: 1890?

Beitrag von Otto2010 » Fr 03.05.13 23:26

Guten Abend zusammen,

leider drehen wir uns hier weiter im Kreis. Ich behaupte weiterhin, dass gestern, heute und morgen die Geld- Wirtschafts- und Währungspolitik eines Staats (aller Staaten) durch die (machtpolitischen) Interessen des Staates bestimmt werden. Und weiterhin behaupte ich, dass jeder, der was anderes glaubt, naiv ist.

Ich gehe jetzt kurz auf einige Punkte ein.

Anhand der Prägezahlen des Zweipfennigstückes und der Rücklaufzahlen verschiedener Münzen haben Mynter und Numisstudent unter zuhilfenahme von Herrn Jäger versucht, zu belegen, dass nur soviele Münzen (nach)geprägt wurden, wie durch natürlichen Verschleiß verloren gingen. Eventuell mag dies bei den Zweipfennigstücken sogar der Fall sein, da diese wertmäßig, im Gegensatz zu den größeren Silbermünzen, kaum zur Geldmenge beitragen. An die genannten Teilnehmer hätte ich nur die Frage, warum man in den Jahren 1922/23 in Deutschland 600 Druckerei mit dem Drucken von Geld beauftragte, obwohl der Bedarf an Banknoten ja wohl bereits für viele Jahre gedeckt war, sodass bereits mit Geldscheinen geheizt wurde?

Weiterhin wurde mit Prägezahlen von Eurostücken argumentiert, dass Staaten nur sporadisch prägen, um den entstandenen Verschleiß zu ersetzen. Ja, bei den Euromünzen gehe ich da mit, die Prägungen sollen tatsächlich nur den natürlichen Verschleiß ersetzen. Jedoch ist heute das Prägen von Münzen und sogar das Drucken von Noten ein Anachronismus, reine Folklore für Münzsammler. Die Geldmenge wird heute über andere Instrumente gesteuert. 1890 wurde die Geldmenge hauptsächlich durch das Prägen von Münzen beeinflusst, nach 1914 hauptsächlich durch das Drucken von Noten. Das wollte ich durch die angeführten Verhältnisse von Münzgeld zu Notengeld verdeutlichen. (Im Übrigen wurden dieses Verhältnis durch Mynter bestätigt, auch wenn er dreimal seinen Post geändert hat.) Wer also glaubt, dass, nur weil in den letzten 13 Jahren keine ein und zwei Eurostücke geprägt wurden, die Geldmenge in der Eurozone konstant geblieben ist, der möge seine Ersparnisse nach Zypern überweisen.

Weiterhin hatte ich argumentiert, dass es eventuell keine Ausprägung von Silbermünzen gegeben hatte, weil es in den späten 1880/ frühen 1890 Jahren zu einer Wirtschaftskrise kam und man die Geldmenge der Wirtschaftsleistung anpassen (reduzieren) wollte. Hier wurde ich verbessert, dass die Gründerkrise bereits in den Jahren nach 1873 stattfand und es in den späten 1880 Jahren zu einem verstärkten Wirtschaftwachstum kam. Diese Korrektur ist richtig, hier liege ich falsch. Ich möchte hier aber noch zwei Punkte anführen, die mir eventuell wichtig erscheinen. 1. Wurde in den späten 1880 Jahren in D die Sozialversicherung eingeführt, dadurch wurde(und wird noch immer) Geld umverteilt. Es wird, grob gesagt, den wohlhabenderen Bevölkerungsschichten, die dieses wahrscheinlich eher gespart hätten, genommen und an ärmere Schichten verteilt, die diese Mittel zum Lebensunterhalt verkonsumieren. Im Endeffekt steigt dadurch die Geldumlaufgeschwindigkeit. Um diesem Effekt entgegen zu wirken, hat man vielleicht auf die Erhöhung der Geldmenge durch Ausmünzung von Silbermünzen verzichtet.
2. Ist gerade in diesen Jahren in Deutschland die chemische Industrie enorm gewachsen. Ein besonders stark wachsender Zweig war die Silberhalogenidfotografie. Das führende Unternehmen dieser Branche war die AGFA und die Führungspersönlichkeiten dieser Firma waren über Jahrzehnte aufs engste mit der preussischen Regierung und Reichsregierung verbunden. Beispielsweise war Walther Rathenau Vorstandvorsitzender der IG Farben und gleichzeitig Minister der Weimarer Republik. Ich denke, in den Kreisen hat man dann schon gewusst, wie man für die eigene Firma günstig an Silber kommt, indem man eins zwei Jahre keine Silbermünzen geprägt hat.

Ich würde gerne noch auf einige weitere Punkte eingehen, beende hier jedoch erstmal, da der Post schon recht lang ist.

Mit freundlichen Grüßen
Otto

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Re: 1890?

Beitrag von Erdnussbier » Fr 03.05.13 23:44

Auch eine ernstzunehmende Meinung ;)
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Re: 1890?

Beitrag von Mynter » Sa 04.05.13 08:24

Die wirtschaftlichen Aspekte lassen sich sicher anhand zeitgenössischer Quellen untersuchen, auf Archive.org wird man dort bestimmt fündig.
In " Deutsche Geldzeichen 1871 - 1914 " von Hans Schwenke habe ich folgende Aussage gefunden, die ich so noch nie gehört habe und deshalb ersteinmal unbewertet in den Raum stelle:

" Auch war, solange die Taler umiefen, der Absatz der wertmindernden Rechssilbermünzen nicht gewährleistet, sofern für sie nicht wenigstens ein begrenzter Annahmezwang ausgesprochen war ; und tatsächlich hatte die Reichsbank jahrelang beträchtliche Schwierigkeiten, die Reichssilbermünzen trotz des für ausgesprochenen begrenzten Annahmezwanges auf dem Markt unterzubringen "
Grüsse, Mynter

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Re: 1890?

Beitrag von KarlAntonMartini » Sa 04.05.13 10:19

Mynter hat geschrieben:Die wirtschaftlichen Aspekte lassen sich sicher anhand zeitgenössischer Quellen untersuchen, auf Archive.org wird man dort bestimmt fündig.
In " Deutsche Geldzeichen 1871 - 1914 " von Hans Schwenke habe ich folgende Aussage gefunden, die ich so noch nie gehört habe und deshalb ersteinmal unbewertet in den Raum stelle:

" Auch war, solange die Taler umiefen, der Absatz der wertmindernden Rechssilbermünzen nicht gewährleistet, sofern für sie nicht wenigstens ein begrenzter Annahmezwang ausgesprochen war ; und tatsächlich hatte die Reichsbank jahrelang beträchtliche Schwierigkeiten, die Reichssilbermünzen trotz des für ausgesprochenen begrenzten Annahmezwanges auf dem Markt unterzubringen "
Danke für das Zitat. Das bestätigt meinen Schluß, den ich aus den Prägezahlen gezogen hatte. Die Taler waren so populär, daß sie nachher durch 3 Mark Stücke ersetzt wurden, als sie ihre Währungseigenschaft verloren hatten. Grüße, KarlAntonMartini
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Re: 1890?

Beitrag von Numis-Student » Mo 06.05.13 11:19

Otto2010 hat geschrieben:
Anhand der Prägezahlen des Zweipfennigstückes und der Rücklaufzahlen verschiedener Münzen haben Mynter und Numisstudent unter zuhilfenahme von Herrn Jäger versucht, zu belegen, dass nur soviele Münzen (nach)geprägt wurden, wie durch natürlichen Verschleiß verloren gingen. Eventuell mag dies bei den Zweipfennigstücken sogar der Fall sein, da diese wertmäßig, im Gegensatz zu den größeren Silbermünzen, kaum zur Geldmenge beitragen.

An die genannten Teilnehmer hätte ich nur die Frage, warum man in den Jahren 1922/23 in Deutschland 600 Druckerei mit dem Drucken von Geld beauftragte, obwohl der Bedarf an Banknoten ja wohl bereits für viele Jahre gedeckt war, sodass bereits mit Geldscheinen geheizt wurde?

Weiterhin wurde mit Prägezahlen von Eurostücken argumentiert, dass Staaten nur sporadisch prägen, um den entstandenen Verschleiß zu ersetzen. Ja, bei den Euromünzen gehe ich da mit, die Prägungen sollen tatsächlich nur den natürlichen Verschleiß ersetzen. Jedoch ist heute das Prägen von Münzen und sogar das Drucken von Noten ein Anachronismus, reine Folklore für Münzsammler. Die Geldmenge wird heute über andere Instrumente gesteuert. 1890 wurde die Geldmenge hauptsächlich durch das Prägen von Münzen beeinflusst, nach 1914 hauptsächlich durch das Drucken von Noten. Das wollte ich durch die angeführten Verhältnisse von Münzgeld zu Notengeld verdeutlichen. (Im Übrigen wurden dieses Verhältnis durch Mynter bestätigt, auch wenn er dreimal seinen Post geändert hat.) Wer also glaubt, dass, nur weil in den letzten 13 Jahren keine ein und zwei Eurostücke geprägt wurden, die Geldmenge in der Eurozone konstant geblieben ist, der möge seine Ersparnisse nach Zypern überweisen.
Hallo Otto,
gerade KAM hat aber doch mit deutlichen Beispielen gezeigt, dass nach auflagenstarken Startjahrgängen mit einer Prägepause zu rechnen ist. Ich lege noch ein Beispiel nach, da ich gerade den Jaeger auf dem Tisch habe: 5 DM Silberadler: 1951 die Startauflage mit etwa 80 Mio Stück, dann eine Prägepause bis 1956 und dann bis 1965 jährlich Kleinauflagen unter 10 Mio Stück.
Es hat also nicht unbedingt mit Silbermünzen zu tun, sondern mit der Notwendigkeit, bei Währungsumstellungen und Wechseln einiger Münztypen zum Beginn ausreichend am Markt verfügbare Münzen zu haben. Und da ist es relativ egal, ob es sich um Kaiserreichsilber, um Silberadler der BRD, um 2-Pfennig-Stücke des Kaiserreichs oder Euro-Kleingeld handelt. Sicher wird sich die Geldmenge in der EU nach oben verändert haben (ebenso, wie es im Kaiserreich sicher auch war), aber trotzdem ist ein EINIGERMASSEN stabiles System dahinter, die Inflationsraten (ich möchte jetzt keine Diskussion über gefühlte und reale Inflationsraten beginnen ;)) sind einigermassen stabil, und ich kann mir mit einigen Euro-Münzen die Zutaten für ein Mittagessen kaufen, ebenso wie vor 10 Jahren. In der Hochinflation 1922/23 kann man nicht davon ausgehen. Die bis 1922 geprägten Alu-50-Pfennige wären sicher ausreichend gewesen, wenn ich im August 1923 noch etwas dafür bekommen hätte, ebenso die kleinen Banknoten unter 100 Mark. Der ständige Bedarf an neuen Banknoten war ja durch die extreme Inflation bedingt... Hätte man für 1000er noch genug bekommen, wären die 100.000er und die Millionen-Scheine nicht nötig gewesen. und die 1000er und 5000er wurden doch nur deshalb verheizt, weil ihnen kein realer Wert in Form von zB Lebensmitteln entgegenstand.

Schöne Grüße,
MR
Immerhin ist es vorstellbar, dass wir vielleicht genug Verstand besitzen, um,
wenn nicht ganz vom Kriegführen abzulassen, uns wenigstens so vernünftig zu benehmen wie unsere Vorfahren im achtzehnten Jahrhundert. (A.H. 1949)

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Re: 1890?

Beitrag von Mynter » Mo 06.05.13 12:20

Ich habe noch einmal über die Frage nachgedacht, ob die Notwendigkeit, neue Stempel zu schneiden, etwas mit einer Prägepause beimSilber ausgerechnet im Jahre 1890 zu tun hat. Hier kann man die Tatsache, dass ausgerechnet 1890 in Berlin 1,5 Millionen Kronen und über 3 Milionen Doppelkronen geprägt wurden anführen. Diese Zahlen lassen sich sicher so deuten, dass die gleichzeitige Anfertigung von Arbeitsstempeln und ihr fortlaufender Gebrach technisch und logistisch möglich waren. Ich halte deshalb die Aussetzung gerade in diesem einen Jahr für Zufall, die sehr geringe Ausprägung von Silber 1877 - 89 für bedarfsgesteuert, wie schon weiter oben ausgeführt.
Grüsse, Mynter

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Re: 1890?

Beitrag von Purzel » Di 07.05.13 14:54

Die Rupien für DOA wurden auch in Berlin geprägt.

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Re: 1890?

Beitrag von Mynter » Sa 22.06.13 17:08

Ein kleiner Nachtrag. auf der Suche nach etws völlig anderem, bin ich auf dem Website der " Wöchentlichen Anzeigen für das Füstenthum Ratzeburg " auf folgende Notiz vom 21.01.1890 gestossen :

Abänderungen an den Reichsmünzen. Wie auf den mit dem 1. October eingeführten neuen Postwerthzeichen, so wird auch auf den Münzen der Reichsadler einer Abänderung unterzogen und demselben eine mehr den Anforderungen der Heraldik entsprechende Gestalt gegeben. Zwanzig=Markstücke mit dem neuen Reichsadler sind bereits in diesen Tagen im Verkehr erschienen.

Dies lässt nur darauf schliessen, dass die Umstellung auf den grossen Reichsadler keine Schwierigkeiten für die Prägeanstalten dargestellt hat.
Grüsse, Mynter

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