Historisch interessante französische Medaillen

Diskussionen rund um Medaillen, Medailleure, Jetons, Rechenpfennige

Moderator: Lutz12

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mumde
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Beitrag von mumde » Mo 06.08.07 21:43

Lieber Chinamul, Deine zweite Überlegung ist wohl richtig und hat mich überzeugt. Ich gebe ihr jetzt auch den Vorzug gegenüber meiner Deutung des Textes.
Besten Dank.
Gruß mumde

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Beitrag von mumde » Mo 06.08.07 21:56

Übrigens fand ich jetzt einen handschriftlichen Brief der Marie Caroline, Duchesse de Berry, Mutter des Duc de Chambord, aus dem Jahr 1866 (sie starb 1870), von ihrem Wohnsitz Schloss Brunnsee in der Steiermark (von ihr "Brunsée" geschrieben) an einen Herrn Trebriand, dessen Tochter ihr Patenkind war. Die alte Dame hat Briefmarken gesammelt! Jedenfalls bittet sie den Adressaten, ihr Briefmarken der Niederlande zu besorgen.
Gruß mumde

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Beitrag von mumde » Di 07.08.07 18:58

Hier ist eine rekordverdächtige Medaille: die Medaille mit der größten Menschenmenge, die ich je auf 48 mm Durchmesser gesehen habe.
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Beitrag von chinamul » Di 07.08.07 19:46

Ein wunderbares Stück. Es zeigt die unglückliche Königin Marie Antoinette, nach der Hinrichtung ihres Gatten Louis XVI auch Witwe Capet genannt, auf ihrer allerletzten Fahrt zur Guillotine, die in der Bildmitte auf einem Podest zu erkennen ist. Sie sitzt mit nach hinten gefesselten Händen mit dem Rücken zur Fahrtrichtung auf dem Henkerskarren.
Jacques-Louis David, der auch den von Charlotte Corday im Bad erstochenen Marat gemalt hat, zeichnete - offenbar als Augenzeuge der Szene - die untenstehende Skizze, die die Königin in genau der Haltung wie auf der Medaille zeigt.
Die Inschrift ALTERA VENIT VICTIMA besagt, daß hier ein weiteres "Schlachtopfer" kommt, also angesichts dieser Wortwahl und der vollen Titulatur der Vorderseite offenbar eine royalistische Medaille.
Unten das Datum der Hinrichtung: 16. Oktober 1793

Quelle für die Zeichnung David: Wikipedia

Gruß

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Beitrag von chinamul » Mo 13.08.07 10:25

Die Pariser Commune von 1871

Als Pariser Kommune (frz. La Commune de Paris) wird der Pariser Stadtrat bezeichnet, der nach der Niederlage gegen die deutschen Truppen und dem dadurch besiegelten Ende der Herrschaft von Kaiser Napoleon III vom 18. März 1871 bis zum 28. Mai 1871 versuchte, Paris gegen die Regierung nach sozialistischen Vorstellungen zu verwalten. Die Pariser Kommune kann damit als Vorbild für die Rätedemokratie angesehen werden. Letzter Auslöser für die Aufstände waren die harten Bedingungen des von Louis Adolphe Thiers (s. u.) mit Bismarck ausgehandelten Friedens, die zu Hunger und Elend in Paris geführt hatten.
Nach nur zwei Monaten fand das Experiment dann aber durch das rigorose Eingreifen der Staatsmacht ein gewaltsames Ende in der „Blutwoche“ vom 21. bis 28. Mai, in der über 30.000 Menschen getötet wurden, zum Teil bei den Barrikadenkämpfen, zum Teil aber auch bei den sich anschließenden Massenexekutionen. Bismarck spielte bei der Niederwerfung des Aufstandes eine zweifelhafte Rolle, indem er, ganz im Sinne der berüchtigten „Sozialistengesetze“, die von ihm favorisierte Bourgeoisie in ihrem Kampf gegen das Proletariat mit Waffenlieferungen unterstützte.
Vorläufer der Kommune von 1871 waren die revolutionäre Regierung der Ersten Republik von 1792 und der Volksaufstand von 1848.

Medaille (Kupfer 92 mm / 300 g; limitierte Auflage, Nr. 167 von 300)
Av.: Oben: 18 MARS 1871 / 28 MAI - unten COMMUNE DE PARIS - Ein Uniformierter mit Gewehr und Säbel steht auf einer Barrikade, hinter ihm eine Frau, ebenfalls mit Gewehr, und weitere Kommunarden, links auf die Barrikade gerichtete Kanonen, darüber das Porträt des LOUIS ADOLPHE THIERS; rechts eine hohe Säule, die aber nicht die von den Kommunarden gestürzte Vendômesäule zu sein scheint. Weiter rechts mehrere Pickelhauben, die die Präsenz der preußischen Belagerer andeuten.
Auf den Barrikaden die Namen von Personen, die in der Commune eine Rolle gespielt haben: VARLIN, ROSSEL, FLOURENS, DOMBROWSKI, DELESCLUZE, FERRÉ, LOUISE MICHEL, COURBET
Links in Randnähe signiert mit CORBIN
Rv.: Oben CENTENAIRE / MARS – MAI 1971; unten C’EST ICI LE COMBAT / DU JOUR ET DE LA NUIT – V. HUGO – „Dies hier ist der Kampf des Tages und der Nacht“, wobei Victor Hugo auf der Seite der Commune gestanden haben, mit dem Tag also diese gemeint haben dürfte.
In der Mitte eine Hand, die ein Gewehr fallen läßt; ringsum Flammen, in denen Papiere mit den Losungen und Forderungen der Commune verbrennen.
Randpunzen: Füllhorn – CUIVRE – 1972 - Nº 176 / 300

Die auf dem Av. erwähnten Persönlichkeiten:

EUGENE VARLIN, 1839 als Sohn armer Bauern geboren, war zunächst Maler und wurde dann Buchbinder. 1857 war er Gründungsmitglied einer Gesellschaft von Buchbindern, die sich zu gegenseitiger Hilfe in Notlagen zusammengeschlossen hatte, und wurde später Vorsitzender der Sparkassenvereinigung der Buchbinder zur Kreditvergabe auf Gegenseitigkeit. Als 1864 die "Association internationale des travailleurs" gegründet wurde (auch bekannt als die "Erste Internationale"), schloß er sich ihr an und setzte sich für das Recht der Frauen auf Arbeit ein.
LOUIS-NATHANAEL ROSSEL (1844 – 1871) war der einzige Offizier der französischen Armee, der sich der Commune anschloß und dort eine wichtige Rolle als „Kriegsminister“ spielte. Am 28. November 1871 wurde er dafür hingerichtet.
GUSTAVE FLOURENS (1838 - 1871) war Universtitätsprofessor und Politiker und wurde als Beteiligter an der Commune im April 1871 hingerichtet.
JAROSLAW DOMBROWSKI (1836 – 1871) nahm zunächst an den Kämpfen Polens um dessen Unabhängigkeit teil und wurde von den Russen nach Sibirien verbannt. Nach seiner Flucht ging er nach Frankreich und wurde 1871 Oberbefehlshaber der Streitkräfte der Pariser Kommune. Am 21. Mai erlitt er beim Barrikadenkampf eine schwere Verwundung, der er am 23. Mai erlag.
LOUIS CHARLES DELESCLUZE (1809 – 1871) war ein Journalist, der schon bei der Juli-Revolution von 1830 eine Rolle gespielt hatte. Mehrfach mußte er wegen seiner republikanischen Neigungen aus Frankreich fliehen. Die Jahre von 1853 bis 1859 verbrachte er in der Sträflingskolonie Französisch Guyana. Sofort nach seiner Rückkehr nahm er seine journalistische Tätigkeit wieder auf, was ihm mehrere Verurteilungen und eine weitere Flucht eintrug. Beim Angriff des Militärs gegen die Commune fand er auf einer Barrikade den Tod.
THÉOPHILE FERRÉ (1846 – 1871) wurde als Beteiligter an der Commune im November 1871 hingerichtet.
LOUISE MICHEL (1830 - 1905) war als Anarchistin und Feministin von vornherein auf der Seite der Commune. Nach deren Scheitern setzte sie ihre politische Tätigkeit für die Unterdrückten und Besitzlosen fort. Bis zu ihrem Tode 1905 blieb sie die herausragende Kämpferin für soziale Gerechtigkeit, und ihr Begräbnis wurde zu einem Massenereignis.
GUSTAVE COURBET (1819 – 1877), französischer Landschafts-, Porträt- und Genremaler, der sich gegen das Zweite Kaiserreich stellte und mit den sozialistischen Ideen der Commune sympathisierte.
LOUIS ADOLPHE THIERS (1797 – 1877) war ein liberaler Politiker und Historiker, der gegen das zweite Kaiserreich des Napoleon III opponierte. Unter Louis Philippe war er bereits mehrfach kurzzeitig Ministerpräsident gewesen. Er hatte sich stets gegen eine Kriegserklärung Frankreichs an Deutschland ausgesprochen und hatte nun nach der Niederlage von Sedan als gerade gewählter Regierungschef die undankbare Aufgabe, die Friedensverhandlungen mit den Siegern zu führen. Im Mai 1871 ließ er den Aufstand der Commune blutig niederschlagen und wurde noch im selben Jahr der erste Präsidenten der Dritten Republik.

Gruß

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Beitrag von petzlaff » Mo 13.08.07 17:18

Lieber chinamul,

vielen Dank für deinen Beitrag und die wundervolle Medaille !!!!!
Liebe Grüsse

petzlaff

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Beitrag von chinamul » Mo 13.08.07 19:51

Hallo petzlaff!

Und ich fürchtete schon, daß der Beitrag vielleicht etwas zu lang geraten sein könnte, so daß sich niemand die Mühe macht, ihn zu lesen. Umso dankbarer bin ich Dir für Deine freundlichen Worte.

Beste Grüße

chinamul
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Beitrag von Ramiere » Sa 18.08.07 12:43

Hallo Chinamul,

auch von mir ein großes Dankeschön für diese tolle Serie. Ich lese sie mit dem größten Vergnügen. Bitte berichte auch weiterhin so detailliert. Auf dass Deine Quellen für weitere schöne Stücke niemals versiegen werden. :D :D :D
chinamul hat geschrieben: ... rechts eine hohe Säule, die aber nicht die von den Kommunarden gestürzte Vendômesäule zu sein scheint ...
Es ist die Julisäule auf der Place de la Bastille.

Viele Grüße von der Ruhr
Ramiere
Vielen Dingen widmet man mehr Aufmerksamkeit als sie wert wären, wenn sie wert wären, was sie wert zu sein scheinen.

Suche laufend Napoleons Medaillen (nur Zeitz)

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Beitrag von chinamul » Mo 20.08.07 10:33

Hallo Ramiere!

Vielen Dank für Deine freundliche Reaktion auf meine Bemühungen.
Nach Deinem Hinweis auf die Julisäule habe ich mich nun im Internet umgetan und festgestellt, daß sie sich entgegen meiner sofortigen Vermutung nicht auf den 14. Juli 1789 bezieht, was ja auf einer Revolutionsmedaille nahegelegen hätte. Sie wurde vielmehr errichtet zur Erinnerung an die Julirevolution von 1830 und zur Ehrung der dabei gefallenen Bürger. Diese Revolution bedeutete das Ende der Herrschaft von Karl X und die Einsetzung des Bürgerkönigs Louis Philippe. Das Zitat dieser Säule auf unserer Medaille kann wohl als ironischer Hinweis darauf verstanden werden, daß Napoleon III, der Louis Philippe ja 1848 verdrängt hatte, nun selbst entmachtet war.

Gruß

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Beitrag von chinamul » Mo 10.09.07 17:28

Medaille auf die Wiederangliederung des Elsaß an Frankreich im Jahre 1648

Durch seine Lage auf der Grenze zwischen dem französischen und dem deutschen Kulturkreis war das Elsaß über eine lange Zeit bis ins 20. Jahrhundert hinein immer wieder Anlaß zu Auseinandersetzungen zwischen den beiden Nachbarstaaten, bei denen die Herrschaft über diesen Landesteil mehrfach wechselte.
War es zunächst alemannisch, so wurde es 496 fränkisch. 870 wurde es dann ostfränkisch und dadurch später Teil des Heiligen Römischen Reiches.
Der Westfälische Frieden zu Osnabrück beendete 1648 den Dreißigjährigen Krieg, und der habsburgische Kaiser Ferdinand III mußte dabei das Elsaß an Frankreich abtreten.
Das nun ist das Ereignis, auf das sich unsere Medaille bezieht.
In der Folgezeit wechselte, je nachdem wer aus den deutsch-französischen Auseinandersetzungen als Sieger hervorgegangen war, mehrfach die Herrschaft über das Land, wie etwa 1871 nach dem Sieg der Deutschen und 1918 nach dem der Franzosen. 1940 waren es dann wieder die Deutschen, die sich des Elsaß bemächtigten, bis schließlich mit dem Zusammenbruch des Dritten Reiches die Region wieder an Frankreich fiel.

Medaille (Ø 68 mm / 202 g)
Av.: Rundum TRICENTENAIRE DU RATTACHEMENT DE L’ALSACE A LA FRANCE („Dreihundertjähriges Jubiläum des Wiederanschlusses des Elsaß an Frankreich“); im Feld TRAITES DE WESTPHALIE („Verträge von Westfalen“) – Das Münster von Straßburg als der Hauptstadt des Elsaß, links die Bourbonenlilie mit der Jahreszahl des Osnabrücker Friedensschlusses, rechts die phrygische Mütze, auch als Jakobinermütze bezeichnet, als Symbol der Freiheit mit dem Datum 1948
Rv.: Eine knieende Frauengestalt, die dem habsburgischen Doppeladler den elsässischen Wappenschild entrissen hat. Im Hintergrund oben ein zerbrochenes Schwert als Zeichen für den beendeten Krieg, links die bourbonischen Lilien, die die Frauengestalt als die Personifikation Frankreichs kennzeichnen.
Rechts unten in zwei Zeilen signiert mit RAY / PELLETIER
Auf dem Rand punziert mit 1977 – Füllhorn – BRONZE

Gruß

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Beitrag von wpmergel » Mo 10.09.07 17:40

chinamul hat geschrieben:...
Und ich fürchtete schon, daß der Beitrag vielleicht etwas zu lang geraten sein könnte, so daß sich niemand die Mühe macht, ihn zu lesen.
...
Nur wer leere Worthülsen produziert, läuft Gefahr, daß seine Beiträge ermüden und zu lang geraten - das gilt sicherlich nicht für Deine Beiträge.
Mehr davon und Danke schön.
Herzliche Grüße aus Waldeck
Wolfgang M.

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Beitrag von chinamul » So 30.09.07 13:37

Die hier vorgestellte zeitgenössische Medaille auf die Revolution von 1848, die Louis Philippe vom Thron stieß und zur Etablierung der Zweiten Republik führte, ist ein Beispiel für die Ironie der Geschichte. Diese Zweite Republik sollte nämlich nur ein kurzes Intermezzo bleiben, denn der zu deren Präsidenten gewählte Charles-Louis-Napoléon Bonaparte, ein Neffe Napoléons I, plante wohl schon vom Anfang seiner Präsidentschaft an die Erneuerung der bonapartistischen Monarchie, die er bereits 1836 und 1840 mit zwei vergeblichen Putschversuchen angestrebt hatte. 1851 ließ er sich nach einem von ihm inszenierten Staatsstreich per Volksabstimmung mit weit über jedes republikanisch vertretbare Maß hinausgehenden Vollmachten ausstatten, u. a. mit einer Verlängerung seiner Amtszeit über die von der Verfassung ursprünglich vorgesehenen vier Jahre hinaus auf nunmehr zehn Jahre. Das nun folgende Jahr nutzte er, um durch eine rigorose Verfolgung oppositioneller Kräfte und eine Personalpolitik, die ihm ergebene Gefolgsleute mit wichtigen Posten betraute, den Boden für seine 1852 erfolgte Wahl zum Kaiser zu bereiten. Die große Zahl der französischen Spottmedaillen, die nach seinem Sturz 1871 herausgegeben wurden, zeigt, daß das Volk die dunklen Seiten seiner Herrschaft durchaus nicht vergessen hatte.

Medaille 1848 anläßlich der Revolution von 1848 (Bronze, Ø 31 mm / 11,8 g)
Av.: REPUBLIQUE FRANÇAISE . LIBERTE EGALITE FRATERNITE
Kopf der Personifikation Frankreichs mit Jakobinermütze, dem Freiheitssymbol der Revolution von 1789, nach links
Rv.: EN BRISANT LA COURONNE LE PEUPLE ROMPT SES FERS = „Indem es die Krone zerbricht, sprengt das Volk seine Ketten.“
Im Abschnitt in zwei Zeilen: 23 - 24 FEVRIER / 1848
Herkules mit gesprengten Hand- und Fußfesseln frontal stehend beim Zerbrechen der (royalistischen) Krone; unten das königliche Zepter
Ohne Signatur

Gruß

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Beitrag von chinamul » Fr 22.05.09 15:05

Im leicht verspäteten Nachgang zu einem Beitrag von mumde, der eine ungewöhnliche Medaille des Duc de Berry aus Lille vorgestellt hat (s. sein Posting in diesem Thread vom 01.08.07) sei hier ein weiteres thematisch verwandtes Stück gezeigt. Das zunächst etwas rätselhaft erscheinende Motto auf mumdes Medaille wird auf diesem neuen Exemplar, das zwei Jahre nach dem Tod des Herzogs herausgegeben wurde, leicht abgewandelt wiederholt.

Medaille Charles Ferdinand Duc de Berry (Kupfer, Ø 50 mm / 69 g)

Av.: C’EST ENTRE NOUS - A LA VIE ET A LA MORT = sinngemäß „Wir gehören auf Gedeih und Verderb zusammen.“
Die Büste des Duc de Berry in Uniform nach links
An der Unterkante des Büstenabschnittes: CAQUÉ F.
Unter der Büste: A. BEAUSSIER EDIDIT (A. B. hat sie herausgegeben)

Rv.: CAR • FERD • BITVRIGVM* – DVCIS • MEMORIAE (CAROLI FERDINANDI BITVRIGUM DVCIS MEMORIAE = „(Gewidmet) dem Andenken des Herzogs Charles Ferdinand der Bituriger“
Im Abschnitt: CIVITAS • INSULENSIVM** POSVIT • MDCCCXXII = „Die Bürgerschaft von Lille hat es errichtet im Jahre 1822.“
Darunter: BARRE F.
Im Hintergrund das dem Herzog errichtete Denkmal mit seinem von zehn fünfzackigen Sternen umgebenen und nach rechts blickenden Reliefkopf; davor ein schlichter Sockel mit zwei umgekehrten, verlöschenden Fackeln, auf dem eine Urne steht. Flankiert wird der Sockel links von der Personifikation der Stadt Lille mit Mauerkrone und Lilienschild und rechts von der Ecclesia mit Gesetzestafeln (Altes Testament) und Kreuz (Neues Testament).

* „BITVRIGVM“ – Hauptstadt des Herzogtums Berry ist Bourges oder Berrichou, das nach dem Stamm der Bituriger benannt ist.
** „INSULENSIVM“ – Lille lag ursprünglich auf einer Insel („l'île“, genauso ausgesprochen wie Lille, lat. insula), daher die Bezeichnung der Stadt auf unserer Medaille als „Civitas Insulensium“

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Etwas für Liebhaber klassischer Bauwerke

Beitrag von Arminius » So 24.05.09 23:33

Etwas für Liebhaber klassischer Bauwerke:

[ externes Bild ]

Regierung Charles X., Avers von Raymond Gayrard (1777-1858), Rs. von Alexis Joseph Depaulis (1792-1867), datiert 1826,
Kupfermedaille (51 mm / 68,86 g),
Av.: CHARLES X ROI DE FRANCE - ET DE NAVARRE / GAYRARD. F. , .
Rev.: (en haut:) LE 12. AVRIL 1826. / LA 1RE. PIERRE DE LA BARRIERE DE / ROCHECHOUART A ÉTÉ POSÉE PAR M. LE COMTE / CHABROL DE VOLVIC CONSR. D´ETAT PREFET DU DEPARTT. / DE LA SEINE ASSISTÉ DE - M. LE BARON VVALCKENAER / SÉCRET. GL. DE LA - PRÉFECTURE // (droite:) EN PRÉSENCE DE M. M. / DELAVAU CONSEILLER D´ETAT PRÉFET / DE POLICE LAMBOT E FOUGERES SÉCRET. GL. / BARON BELLART PRÉSIDENTE DU CONSEIL GÉNERAL / DU DÉPARTEMENT DE LA SEINE // (gauche:) LES MEMBRES DE CE / CONSEIL M. M. PETIT MAIRE DU 2E. / ARRONT. DE PARIS VTE. HERICART DE THURY / DIRECTEUR DES TRAV. DE PARIS CTE. D´AUDIFFRET / DIRR. DE LOCTROI DE PARIS ST. PIERRE LESPERRET / BOMPART GAUTHIER REGISSEURS // (au-dessous) J. MOLINOS ARCHITECTE INSPECTEUR GÉNERAL / DES TRAVAUX PUBLICS DU DÉPARTEMENT / DE LA SEINE ET DE LA VILLE / DE PARIS // DEPAULIS. F. (Der Grundstein der "barrière de Rochechouart" wurde von Monsieur le Comte Chabrol de Volvic, Conseiller d'Etat [Kabinettsmitglied unter dem König], dem Präfekten des Departements Seine, in Gegenwart von ... [es folgt nun eine pompöse, endlose Aufzählung royalistischer Hofschranzen und ihrer doch so wichtigen Ämter]) , Frontal-Ansicht eines Gebäudes mit vier Säulen.
Randpunze: (Füllhorn) CUIVRE
Forrer (Vol. 1 p. 557) erwähnt eine Medaille auf "The Barriers of Pantin and Rouchechouart" .

Danke an vern/elverno und frank von cionpeople für die Literatur-Hinweise.

Die sogenannten "barrières" waren Stadttore an denen Gebühren und Zölle erhoben wurden (Anmerkung: London hat wieder damit begonnen). Um 1826-27 wurden die vorhandenen Tore an der Porte de Pantin (jetzt Metro Haltestelle) und an der Porte de Rochechouart mit griechischen Fassaden erneuert. Das Tor an der Porte de Rochechouart wurde offenbar um 1860 abgerissen.
meine Zahlungsmittel-Dateien

Ich lasse mich durch Ansichts- und Glaubensfragen nicht in einen Empörungsmodus bringen.

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Beitrag von chinamul » Mo 25.05.09 10:00

Eine interessante, wenn auch nachgeprägte Medaille, die ein bezeichnendes Licht auf die Verhältnisse am Hofe Karls X wirft und somit gut in unseren Kontext paßt.
Dieser unfähige König brauchte wohl den Pomp, mit dem er sich - schon bei seiner Krönung - umgab, um von seiner Unbedeutendheit abzulenken.

Gruß

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