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Heft über Goldmünzen aus dem Jahre 1869
Verfasst: Do 30.10.08 16:00
von farmertom
Hallo,
habe vor einiger Zeit beim Abriss einer alten Gastwirtschaft ein kleines Heft über Goldmünzen gefunden.
Titel:
Abbildung der in Deutschland am meisten coursirenden Goldmünzen in ihrer natürlichen Größe und Zeichnung mit Namen und Werthangabe im 52,5 Guldenfuß, 45 Guldenfuß u. 30 Thalerfuß
Memmingen, Verlag der Oscar Besemfelder'schen Buchhandlung, vierte Auflage
Handschriftliche Notiz aus dem Jahre 1869.
Wozu diente dieses Heft? Wohl kaum für damalige Sammler. Wechselkurse für Kneipen usw?
Danke
Gruß
farmertom
Re: Heft über Goldmünzen aus dem Jahre 1869
Verfasst: Do 30.10.08 16:25
von Gerhard Schön
farmertom hat geschrieben:Wozu diente dieses Heft?
Damals waren neben den verschiedenen Goldmünzen deutscher Staaten noch alle möglichen fremden Gepräge für den Zahlungsverkehr zugelassen, deren Kurswert anhand ihres Goldgehaltes durch amtliche Bekanntmachungen festgelegt wurde. Solche Handbücher für Kaufleute (und Gastwirte) stellten die Kurse übersichtlich und mit Abbildungen der Münzsorten zusammen.
Vor der Einführung der Reichswährung 1871/76 bestanden auch noch unterschiedliche Wertstellungen der Silberwährungen der Einzelstaaten, von denen die beiden genannten Füße die wichtigsten waren. Bezugsgröße ist in diesem Fall das Zollpfund (500 Gramm) Feinsilber, d.h. 1 Pfund Feinsilber ist enthalten in entweder 52½ Gulden, 45 Gulden oder 30 Talern. Auf die Kölner Mark Feinsilber bezogen waren das zuvor 24½, 21 Gulden oder 14 Taler. Die erstgenannte Parität galt für Süddeutschland (dort ist das Handbuch auch erschienen), die letztere für Norddeutschland. Die mittlere Angabe 21 Gulden (wertgleich mit 14 Talern) diente offenbar primär der Veranschaulichung der Umrechnung.
Verfasst: Do 30.10.08 16:31
von KarlAntonMartini
Es war eine Information für Kaufleute uä., nach denen sie zumindest gröbere Fälschungen erkennen, das Sollgewicht berücksichtigen und danach den Wert der Münze in ihrer Landeswährung berechnen konnten. Daß das Heft schon in 4. Auflage erschien, zeigt daß es dafür doch Bedarf gab. Grüße, KarlAntonMartini
Verfasst: Fr 31.10.08 11:06
von payler
Verschoben -> Münzgeschichte/Numismatik
Verfasst: Di 04.11.08 18:39
von farmertom
Hallo,
vielen Dank!! Super Info.
Da dieses Heft vor der Reichseinigung 1871 veröffentlicht wurde, eine Frage noch.
Wer war für die "Wechselkurse" verantwortlich? Gab es unterschiedliche "Kurse" in Bayern, Baden, Hessen......?
Nochmals vielen Dank!
Gruß
Tom
Verfasst: Di 04.11.08 21:20
von KarlAntonMartini
Die meisten Länder hatten damals eine echte Goldwährung. Der Wechselkurs wurde da durch das Verhältnis des Feingoldgehalts der Währungsmünzen bestimmt. Grüße, KarlAntonMartini
Verfasst: Di 04.11.08 21:43
von Zwerg
Lies einmal den "Spieler" von Tolstoj. Seinerzeit konnte man beim Roulette in Wiesbaden einfach Goldmünzen setzen - die Croupiers mussten bei einem Gewinn dann umrechnen.
Grüße
Zwerg
Verfasst: Di 04.11.08 22:33
von diwidat
Nicht nur in Wiesbaden, sondern auch in Baden-Baden wurde am Spieltisch direkt mit Hartgeld gespielt.
Sehr beliebt waren die Badischen Doppelgulden, aber auch die Doppeltaler, die einen Wert von 3 1/2 Gulden hatten.
Der Doppeltaler hatte den Spitznamen Champagner-Taler, weil man dafür eine Flasche dieser Spielbank-Brause erhielt.
Die Sektsteuer kam erst viel später - Prost.
Verfasst: Mi 05.11.08 11:26
von farmertom
Hallo,
leider hat das gute Stück in seiner 140jährigen Geschichte schon etwas gelitten.
Hier zwei Bilder. Hoffe man kann alles lesen.
Nochmals Danke an alle für die Infos.
Gruß
Tom
Verfasst: Do 06.11.08 13:15
von helcaraxe
Ist doch ein tolles und spannendes Stück Geldgeschichte!
Glückwunsch zu dem Fund!!
Verfasst: Sa 08.11.08 11:37
von chinamul
Der Roman "Der Spieler" ist aber nicht von Lew Tolstoi, sondern von Fjodor Michailowitsch Dostojewski, der selbst ein von der Spielsucht heimgesuchter Zocker war.
Nichts für ungut, Zwerg! Die interessante Information über die Möglichkeit, in jenen Zeiten (2. Hälfte 19. Jhdt.) in den Casinos Goldmünzen als Chips einzusetzen, bleibt davon ja unberührt. Das waren auch noch die guten alten Zeiten, als Männer von Ehre, die sich verzockt hatten, sich daraufhin in den Parkanlagen des Casinos diskret eine Kugel durch den Kopf jagten. Was für ein herrliches Gemetzel gäbe das heutzutage an den Finanzplätzen unserer globalisierten Welt, wenn das immer noch Brauch wäre!
Übrigens: Den Roman sollte man tatsächlich unbedingt gelesen haben.
Gruß
chinamul