Münzen aus Nazi-Beute nach dem 2. WK in Wien versteigert?

Wie zahlten unsere Vorfahren? Was war überhaupt das Geld wert? Vormünzliche Zahlungsmittel

Moderator: Locnar

Antworten
Benutzeravatar
Lackland
Beiträge: 1313
Registriert: Fr 13.10.23 18:02
Wohnort: Oberschwaben
Hat sich bedankt: 1256 Mal
Danksagung erhalten: 1835 Mal

Münzen aus Nazi-Beute nach dem 2. WK in Wien versteigert?

Beitrag von Lackland » Mi 01.11.23 16:31

Hallo,

kürzlich zeigte mir ein sehr alter Sammlerfreund einen Taler von Kaiser Franz Stefan (1745 - 1765) und erzählte mir dazu, das Stück haben er und sein Vater kurz nach dem 2. Weltkrieg in Wien ersteigert. Damals sei von staatlicher Seite Nazi-Beutekunst (und dabei auch viele Münzen) aus jüdischem Besitz versteigert worden.
Man erkenne die Münzen (bei heutigen Auktionen) sehr leicht an ihrer fast schwarzen Patina.

Stimmt diese Geschichte? Und wenn ja: Gibt es Literatur darüber?

Über Informationen würde ich mich sehr freuen!

Viele Grüße

Lackland
„Die Geschichte kennt kein letztes Wort.“ Willy Brandt

Benutzeravatar
Numis-Student
Moderator
Beiträge: 20587
Registriert: Mi 20.02.08 22:12
Wohnort: Wien
Hat sich bedankt: 9125 Mal
Danksagung erhalten: 3672 Mal

Re: Münzen aus Nazi-Beute nach dem 2. WK in Wien versteigert?

Beitrag von Numis-Student » Mi 01.11.23 17:02

Hallo,

das klingt für mich eher nach "Gschichtln", und zwar gleich aus mehreren Gründen:

Von staatlicher Seite wurde Raubkunst aus jüdischem Besitz BIS 1945 versteigert, die Kataloge sind ja teilweise sogar gekennzeichnet mit "im Auftrag einer Reichsbehörde" oder so ähnlich; ich glaube, ich habe in meinen Beständen auch so einen rumfliegen. Danach wurden ja erstmal die Verkäufe gestoppt; in erster Linie, um Museums- und Klosterbesitz etc. zu identifizieren und zu restituieren.

Die Patinafarbe ist ja von den Lagerungsbedingungen der Münzen abhängig. Und damit die geraubten Münzen alle eine gleichartige Patina ausbilden, müsste es entweder "jüdische Lagerungsbedingungen" geben (die sich dann noch so von "arischen" so unterscheiden müssten, dass diese NIE eine fast schwarze Patina ausbilden) ODER die beschlagnahmten Münzen müssten Jahre bis Jahrzehnte zusammen gelagert werden, so dass diese charakteristische schwarze Patina alle unterschiedlichen historisch gewachsenen Patinaarten und -Farben vollständig einheitlich überdeckt.

Was natürlich immer möglich ist: Das geraubte Münzen aus "Auktionen vor 1945" nach 1945 wieder irgendwo versteigert wurden und werden (sei es, weil die Käufer Sammler waren und die Erben diese Sammlungen wieder versteigern lassen; sei es, weil der Käufer/Sammler das Stück durch ein schöneres ersetzen konnte, sei es, weil die Käufer entweder Händler oder Spekulanten waren...); aber da ist dann eine sichere Identifikation nur über die Fototafeln der Kataloge vor 1945 möglich.

Schöne Grüße,
MR
Folgende Benutzer bedankten sich beim Autor Numis-Student für den Beitrag (Insgesamt 2):
Andechser (Mi 01.11.23 17:13) • Lackland (Mi 01.11.23 17:36)
Immerhin ist es vorstellbar, dass wir vielleicht genug Verstand besitzen, um,
wenn nicht ganz vom Kriegführen abzulassen, uns wenigstens so vernünftig zu benehmen wie unsere Vorfahren im achtzehnten Jahrhundert. (A.H. 1949)

Andechser
Beiträge: 1354
Registriert: Sa 17.09.11 16:07
Hat sich bedankt: 221 Mal
Danksagung erhalten: 331 Mal

Re: Münzen aus Nazi-Beute nach dem 2. WK in Wien versteigert?

Beitrag von Andechser » Mi 01.11.23 17:13

Hallo,
als Ergänzung zu Maltes Beitrag noch ein Link zu einer aktuellen Dissertation von Emanuele Sbardella die sich mit der Rolle des Geldmuseums der Deutschen Reichsbank im numsmatischen Leben der NS-Zeit beschäftigt und auch die Verstrickung von Reichsbank und Münzhandel beleuchtet:
http://dx.doi.org/10.14279/depositonce-12586

Beste Grüße
Andechser
Folgende Benutzer bedankten sich beim Autor Andechser für den Beitrag:
Lackland (Mi 01.11.23 17:21)

Benutzeravatar
Lackland
Beiträge: 1313
Registriert: Fr 13.10.23 18:02
Wohnort: Oberschwaben
Hat sich bedankt: 1256 Mal
Danksagung erhalten: 1835 Mal

Re: Münzen aus Nazi-Beute nach dem 2. WK in Wien versteigert?

Beitrag von Lackland » Mi 01.11.23 17:20

Hallo,

ich entschuldige mich für historische Ungenauigkeiten! Ich möchte tatsächlich nicht ausschließen, dass mein 93jähriger Sammlerfreund da etwas durcheinander bringt. Ich habe nun nochmals gegoogelt und einen Zeitungsartikel von 1996 gefunden, der die Aussagen meines Sammlerfreundes teilweise untermauert. Wenn auch 1996 definitiv nicht unmittelbar nach dem Krieg war…

https://taz.de/Beute-unterm-Hammer/!1431095/

Viele Grüße

Lackland
„Die Geschichte kennt kein letztes Wort.“ Willy Brandt

Andechser
Beiträge: 1354
Registriert: Sa 17.09.11 16:07
Hat sich bedankt: 221 Mal
Danksagung erhalten: 331 Mal

Re: Münzen aus Nazi-Beute nach dem 2. WK in Wien versteigert?

Beitrag von Andechser » Mi 01.11.23 17:26

Hallo Lackland,
der Fall von 1996 ist aber ja doch deutlich anders gelagert, als der von deinem Sammlerfreund geschilderte Fall. Es gab in der Folge der NS-Zeit viele enteignete Wertsachen und Kulturgüter die nicht mehr restituiert werden konnten, weil keine berechtigen Verwandten mehr am Leben waren oder die Überlebenden nichts von den beschlagnahmten Gütern wussten. Da stellt sich dann irgendwann die Frage, was man mit diesen Gütern macht, die eigentlich restituiert werden müssten, man aber niemanden hat, an den man sie restituieren könnte. In dieser Situation hat mich sich in Wien 1996 eben für die im Artikel beschriebene Lösung entschieden.

Beste Grüße
Andechser
Folgende Benutzer bedankten sich beim Autor Andechser für den Beitrag:
Lackland (Mi 01.11.23 17:29)

Antworten
  • Vergleichbare Themen
    Antworten
    Zugriffe
    Letzter Beitrag

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 20 Gäste