Bitte um Bestimmung: zwei Schüsseln

Münzen des alten Byzanz

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quisquam
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Bitte um Bestimmung: zwei Schüsseln

Beitrag von quisquam » Do 05.10.06 16:30

Als Weströmer komme ich leider mit der Bestimmung meiner ersten beiden Schüsseln nicht weiter. Ich habe diese Münzen als "schüsselförmige Bronzemünzen der Kaiser Issak II. und Alexius III." gekauft. Der Zuschreibung Isaak II. kann ich folgen, bei Alexius III. habe ich Zweifel.

Münze 1:
Isaak II.
Av: Thronende Maria? Christus?
Rv: Isaak II mit Kreuzszepter, rechts oben Hand Gottes (?)
links kann ich lesen: ICA/AK (oder ähnlich)
Durchmesser 25-28 mm, etwa 3g (Küchenwaage)

Münze 2:
Av: Kaiser links, Heiliger rechts
es lassen sich Buchstaben am Anfang der Legende erahnen
Rv: ein Nimbus lässt sich erahnen, im Feld Stern
Durchmesser 25-29 mm, Gewicht etwa 3g (Küchenwaage)

Münze 1 scheint Silbersud-Reste zu zeigen, während das Metall an bestoßenen Stellen kupferfarbig ist.
Das Metall von Münze 2 sieht am Rand, dort wo kleine Ausbrüche vorhanden sind, silbrig-grau aus.

- Handelt es sich bei beiden Münzen um Billon-Trachea?
- Was hat der Kaiser bei Münze 2 in der rechten Hand?
- Lassen sich die Münzstätten ermitteln?
- Lassen sich diese Münzen überhaupt noch genauer bestimmen? Ich denke da an die Deutung der mir unklaren Darstellungen/Beizeichen und an das Ergänzen unleserlicher Legenden, und nicht zuletzt natürlich im besten Fall an passende Literaturzitate.
- Handelt es sich um häufige oder seltenere Münztypen?

Entschuldigt bitte die vielen Fragen, aber diese faszinierenden Schüsseln sind absolutes Neuland für mich und ich möchte einfach soviel wie möglich über meine Münzen erfahren.

Grüße, Stefan
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Münze 2.jpg
Alexius III.?, ca. 3g, 25-29 mm
Münze 1.jpg
Isaak II., ca. 3g, 25-28 mm
Eigentlich sammle ich nicht Münzen, sondern das Wissen darüber.

Gast
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Beitrag von Gast » Do 05.10.06 17:02

Hallo, lieber qusquam

schön, daß sich ein Weströmer zu uns verirrt.

Deine Münzen sind von Dir selbst perfekt bestimmt bzw. bezweifelt. Da haben wir einen MANUEL I (Muttergottes-Typ - "petzlaff" 3.4b4-3/1/?, Sear 1966, DOC 13d) und einen ISAAK II ("petzlaff" 6.1c - Untervariante leider nicht genau bestimmbar, Sear 2003). Beide Billon - Stücke mit Silbersudresten sind, insbesondre bei MANUEL recht selten.

Der MANUEL kommt aus Offizin B (zweite Hauptmünzstätte im Topkapi-Palast zu Konstantinopel - erkennbar an der leider einzigen Perle auf der Brust). der ISAAK II stammt aus der "Delta"-Offizin (erkennbar am Kreis auf der Gürtelschnalle), die wohl ausserhalb des kaiserlichen Palastes werkelte. Ich persönlich denke, daß Offizin D eine ganz offizielle Werkstatt von Kaisers Gnaden war, welche gelegentlich Aushilfsarbeiten durchführte.

Dein MANUEL mit 3/1 Kragen/Brustperlen ist sehr häufig - möglicherweise der häufigste seines Typs, der ISAAK ist ebenfalls recht häufig - leider lässt sich die Variante nicht eindeutig feststellen.

.............. aber (shameless selfpromotion) - es gibt ja den "petzlaff", der genau diese wundervollen Münzen ausgiebig beschreibt und katalogisiert (bei Bedarf bitte per PN anfragen)

Lieben Gruß
petzlaff

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quisquam
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Beitrag von quisquam » Do 05.10.06 18:18

Hallo petzlaff,

herzlichen Dank für Deine schnelle und umfassende Antwort. Da bleiben keine Fragen offen, jedenfalls keine, die ich nicht mit etwas Recherche selbst beantworten kann, wie ich denke. Ich unternehme gerade meine ersten Gehversuche bei den Oströmern. Sollte ich eines Tages mein Bücherregal "nach Osten" erweitern, werde ich Deine Kataloge sicher in Betracht ziehen. Hier im Forum habe ich nur Gutes über sie gelesen.

Grüße, Stefan
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Gast
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Beitrag von Gast » Fr 06.10.06 11:41

Ach so - eins hatte ich vergessen (ich hatte den Silbersud im Sinn).

Die Byzantiner behandelten ihre Münzen NICHT mit Silbersud. Einzig und allein wurde der Silberanteil der Billon-Legierung durch den Prägeschlag molekular an die Oberfläche der Münze gespresst.

Gelegentlich findet man Münzen mit tatsächlich nachträglich nach weströmischer Antoniniani-Methode aufgebrachten Sud. Diese Münzen lassen sich allerdings mit etwas Erfahrung recht gut aussortieren. Byzantinisches Billon-SIlber ist immer matt und meist nur noch in ganz, ganz wenigen Stellen auf der Münzoberfläche erkennbar.

Während der Skyphatenzeit gabe es mehrere Münzreformen, die die ursprünglich als Silberwährung bestimmte Schüssel abwerteten. Während unter ALEXIOS I der Silbergehalt bei um die 10 Prozent lag, wurde unter MANUEL I auf die Hälfte reduziert. Später sank der Silberanteil auf 2 bis 3 Prozent. Trotzdem ist auch bei den späten Prägungen z.B. des ISAAK und des dritten ALEXIOS gut zu erkennen, und zwar im matten satinierten braunen Glanz der Münzen, der bei den Bulgarischen Imitationen bis ca. 1215 niemals vorkommt.

Gruß - petzlaff

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Beitrag von quisquam » Fr 06.10.06 14:44

Hallo Petzlaff,

nochmal vielen Dank für Deine Ergänzung. Ich hatte bislang noch nicht davon gehört, dass man den Silberanteil einer Legierung auch mechanisch an der Oberfläche anreichern kann. Wenn meine Kamera mitspielt werde ich ein Bild der Silber-Reste einzustellen.

Zum Isaak II. habe ich übrigens doch noch eine Nachfrage: Du schreibst, dass Offizin "Delta" ausserhalb des kaiserlichen Palastes werkelte. Ist darunter zu verstehen, dass sich diese Hilfsmünzstätte zwar nicht im Regierungsbezirk, aber doch in Konstantinopel befand?

Zu den administrativen Zeichen unter Isaak II. habe ich bei einer neuen Suche diesen interessanten Thread von Dir gefunden: http://www.numismatikforum.de/ftopic13964.html

Demnach zeigen die Münzen der Offizin "D" (wohl identisch mit "Delta") Stern(e) im Münzbild, während Perle(n) im Kreis die Offizin "C" kennzeichnen. Müsste mein Isaak dann nicht aus der Offizin "D" sondern aus Offizin "C" stammen?

Handelt es sich bei den Officinae "C" und "D" um verschiedene Prägestätten (ich habe den Eindruck!) oder lediglich um verschiedene Werkstätten innerhalb derselben Münzstätte?

Grüße, Stefan
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Gast
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Beitrag von Gast » Fr 06.10.06 15:39

Hallo quisquam,

die Bezeichnungen der Offizinangaben sind willkürlich. Fest steht nach dem neuesten Stand der Forschung, dass es sich bei beiden um Prägewerkstätten innerhalb Konstantnopels, aber ausserhalb des Palastes handelte, die auf "Zuruf" unter zeitweilige Aufsicht der Hauptmünze gestellt wurden um akute Bedarfsspitzen abzudecken.

Manchmal werden die Werkstätten auch als "Kreis-" bzw. "Sternoffizin" benannt - die Kreise finden sich bei der einen der beiden Werkstätten immer auf dem Revers, die charakteristischen Sterne der anderem gelegentlich im Avers oder im Revers.

Ich neige zu der inzwischen vorherrschenden Ansicht, daß die "Sternoffizin" eine private Schmiede war, während die "Kreise" in einer staatlichen Hilfsoffizin entstanden.

Leider gibt es diesbezüglich keinerlei historische Aufzeichnungen mehr.

Gruß - petzi

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Beitrag von helcaraxe » Fr 06.10.06 16:42

petzlaff hat geschrieben: Der MANUEL kommt aus Offizin B (zweite Hauptmünzstätte im Topkapi-Palast zu Konstantinopel
Hallo petzi!

Dazu habe ich eine Frage, die zwar nicht direkt numismatisch ist, aber doch von Interesse in diesem Zusammenhang.

wikipedia schreibt unter Topkapipalast ( http://de.wikipedia.org/wiki/Topkap%C4%B1_Saray%C4%B1 ):
Mit dem Bau des Palastes wurde bereits kurz nach der Eroberung Konstantinopels (1453 durch Sultan Mehmet II.) begonnen.
Demnach könnten die Münzstätten ja gar nicht ausser- oder innerhalb dieses Palastes gelegen haben, weil er noch gar nicht existierte. Gab es einen Vorläuferpalast oder irrt Wikipedia hier?
Viele Grüße
helcaraxe
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Beitrag von Gast » Fr 06.10.06 17:05

Hallo helcaraxe,

es gab einen Vorläufer, der an derselben Stelle stand und von den Osmanen bei der Eroberung Byzanz' geschliffen wurde.

Gruß, petzi

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Beitrag von ghost of anastasius » Fr 06.10.06 18:27

Nun ja, helcaraxe hat schon Recht, den Topkapi-Palast gab es zu Byzantinischen Zeiten nicht.
Im Stadtplan des Jahres 1200 kam der Topkapi-Palast jedenfalls nicht vor:

http://www.byzantium1200.com/contents.html

Somit sollte die Bezeichnung einer Münzstätte "innner- oder ausserhalb des Topkapi-Palastes" für das 11.-12. Jahrhundert tatsächlich noch einmal überdacht werden.

Weitere Quellen:

http://www.virtualistanbul.com/virtuali ... opkapi.htm

http://www.ee.bilkent.edu.tr/~history/Ext/palace.html

Liebe Grüsse
Anastasius

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Beitrag von quisquam » Sa 07.10.06 11:49

Vielleicht sollte man statt Topkapi-Palast einfach neutral vom kaiserlichen Palast reden?

Was die Prägestätten angeht, so bin ich wohl von den Spätrömern/Frühbyzantinern verwöhnt, die netterweise Münzstätte und Offizin unmissverständlich im Klartext auf ihre Münzen geprägt haben. Das System mit den im Motiv versteckten Zeichen hat seinen Reiz, ist aber verständlicherweise nicht ganz einfach zu rekonstruieren. Aber es wäre ja auch langweilig, wenn alle Fragen bereits vollständig geklärt wären und es nichts mehr zu entdecken gäbe. Zumindest was die Trachea von Isaak II. angeht habe ich jetzt eine recht gute Vorstellung.

Was die Versilberung angeht: ich habe versucht aussagefähige Bilder zu machen, was gar nicht so einfach ist. In den tiefer gelegenen Flächen der Münzmotive auf Avers und Revers ist ein leicht silbriger Glanz. Auf den Perlen der linken Rückenlehne und Umgebung auf dem Avers ist die Silberschicht stellenweise recht dick und macht fast einen "abgeblätterten" Eindruck. Alles in allem sind die Silber-Reste minimal und es bedarf schon etwas Phantasie um sich vorzustellen wie diese Schüsseln wohl ursprünglich ausgesehen haben.

Grüße, Stefan
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Isaak Silberreste auf Rv.jpg
Isaak Silberreste auf Av 2.jpg
Isaak Silberreste auf Av.jpg
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