Wie konnte man diese Münze identifizieren?

Münzen des alten Byzanz

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Beitrag von Gast » Fr 10.11.06 15:13

Dazu fällt mir morgen bestimmt noch etwas mehr ein - eben hatte ich schon ein 3-seitiges Pamphlet verfasst, was dann aber durch irgendeinen unbeabsichtigten Tastendruck im Nirvana verschwunden ist

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Beitrag von Gast » Sa 11.11.06 11:35

Jetzt fällt mir wieder ein, was ich noch zu der Diskussion beitragen wollte:

Die Weströmer begannen nach der Zeit der Soldatenkaiser damit, Ihre Herrscher in idealisierten Darstellungen zu portraitieren. Der ehemals angedachte bildliche Wiedererkennungswert ("stell Dir vor, ich treffe den Kaiser auf dem Markt und erkenne ihn nicht") verfiel damit zugunsten einer künstlerischen Darstellungsweise, die man auch bei Menschendarstellungen aus dem unseligen "Dritten Reich" kennt, in den Hintergrund.

In der Folge trat eine stetig wachsende Abstraktion auf, z.B. für Kaiser wie Maxentius oder die Konstantine, die aber alle als "göttliche Strahlemänner" portaitiert wurden.

Diese Abstraktion ermöglichte auch weniger geschickten Schnitzern ihr Handwerk auszuüben s. MAXENTIUS oder CONSTANTIN I). Ein Vergleich mit der Abstrakten Kunst unseres Jahrhunderts darf hier ( :wink: ) erlaubt sein.

Die frühen byzantinischen Kaiser standen in dieser Tradition.

Der erste Kaiser, welcher sich seit den römischen Soldatenkaisern wieder realistisch portraitieren liess war der möglicherweise zu Unrecht verhasste PHOKAS :!:

Der Junge war so mutig, sein hässliches Äusseres auf Münzen naturgetreu darstellen zu lassen - dabei ging keiner seiner Stempelschneider über die Wupper, sieht man doch sein prägnantes Gesicht fast unverändert über seine gesamte Regierungszeit, egal wo die Münzen geprägt wurden.

Wenn ich PHOKAS gewesen wäre, ich hätte meinen Münzbeamten sonst etwas erzählt, wenn sie mich so dargestellt hätten.

Möglicherweise ist PHOKAS vielleicht deshalb so schlecht angesehen, weil er mit der göttlich angehauchten traditionellen Portrait-Idealisierung brach - und das offensichtlich bewusst.

In der Neuzeit gibt es zahlreiche Beispiel für genau die umgekehrte Richtung:

Farnkreich LOUIS XIIII - wurde auf seinen Münzen jedes Jahr mehr zum Sonnenkönig

Frankreich NAPOLEON I - wurde auf seinen Münzen vom unscheinbaren Revolutionär zum belorbeerten Adonis

usw. usw.

8) Bin mal gespannt, wie in 50 Jahren die Gedenkmünzen für unser Kanzlerin ausfallen werden 8) (das war Satire :!: )

Lieben Gruß
petzlaff

spätrömer
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Beitrag von spätrömer » Sa 11.11.06 18:08

Hallo petzlaff,

vielleicht kann man Deinen Beitrag noch ein wenig ergänzen:
Es ist richtig, daß nach dem dritten Jahrhundert die Idealisierung eingesetzt hat, z. B. mit den bulligen Köpfen in der Zeit der Tetrarchie oder den "edlen" langen Gesichtern der Konstantin-Nachfolger. Es waren aber immer die "Individualisten", die auch im 4. und 5. Jahrhundert recht charakteristische Porträts herausgebracht haben.

Beispiele sind also m. E. gerade die Usurpatoren, wie Magnentius, Vetranio oder Procopius (eigentlich immer bestens zu erkennen), oder andererseits Julianus Apostata, dessen bärtiges Porträt als Augustus recht individuell ist. Auch der ältliche Anastasius ist eigentlich immer gut als solches auszumachen.

Viele Grüße von spätrömer
Dum vitant stulti vitia, in contraria currunt (Fehler vermeidet der Tor und rennt in entgegengesetzte; Sallust)

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Beitrag von Gast » So 12.11.06 08:30

Lieber Spätrömer,

danke für die Ergänzung. Ich kann dem nur beipflichten. Der Apostata steht bei mir persönlich nicht nur stilistisch ganz hoch im Kurs.

Bei Anastasius bin ich mir nicht ganz sicher, ob der wirklich so ausgesehen hat. Wenn man die Frontaldarstellungen auf den Solidi seit Theososius II bis hin zu Justinian I miteinander vergleicht, gibt es kaum Unterschiede in der Physiognomie der dargestellten Kaiser.

Möglicherweise war das politisch so gewollt - aber das ist reine Spekulation. Trotzdem würde mich eine Diskussion zu genau diesem Aspekt der Geldgeschichte schon reizen.

petzi

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