...und noch eine Schüssel zur Auflösung

Münzen des alten Byzanz

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Beitrag von Gast » Sa 11.11.06 13:22

@tournois & @gemeinde

anbei eine Kopie aus meinem "Petzlaff"-Handbuch - :oops: keine "shameless self promotion" - die meisten von Euch haben das Teil im Bücherschrank oder wo auch immer.
3. Die Geschichte der Skyphatenprägung

Bis ins 10. Jahrhundert fußte die von CONSTANTIN I geschaffene Währung des oströmischen, später Byzantinischen Reichs auf dem goldenen Solidus, der mit 24 Karat (Siliquae) 4,5 g wog, und von dem 72 Stück aus dem römischen Pfund geprägt wurden.

NIKEPHOROS II (963-969) führte neben dieser Leitwährung eine zweite Goldmünze ein, die mit ihrem Gewicht von nur 4,1 g eins zu eins konvertibel zum fatimidischen Dinar war und den Handel mit den östlichen Nachbarn intensivieren und erleichtern sollte. Diese neue Münze wurde allgemein als Tetarteron bezeichnet.

Beide Münzen konnten zunächst optisch kaum voneinander unterschieden werden. BASILEOS II (976-1025) löste dieses Problem, indem er den herkömmlichen Solidus, bzw. Histamenon, wie er jetzt genannt wurde, auf flacheren und dafür breiteren Schrötlingen ausprägen ließ. In relativ kurzer Zeit stellte sich heraus, dass die dünnen Schrötlinge der mechanischen Beanspruchung bei der Herstellung und später auch im Umlauf nicht gewachsen waren. In der Zeit bis zur großen Münzreform des ALEXIOS I im Jahre 1092 nam das dünne Histamenon nach und nach die wesentlich stabilere typische Schüsselform an, die zum Inbegriff der Byzantinischen Münzprägung der nächsten Jahrhunderte werden sollte: die Histamena wurden sogar im allgemeinen Sprachgebrauch außerhalb der Reichsgrenzen als Besanter, also Byzantiner bezeichnet. Da sie nach wie vor den inzwischen 700 Jahre alten Solidusstandard verkörperten, galt eine schüsselförmige Münze als „gutes Geld“. Die Mutation von der flachen zur gebogenen Form entsprang, wie neuere metallurgische Analysen beweisen, nicht dem Zufall . Vielmehr stellte die Ausformung des rohen Schrötlings zur Schüssel eine gezielte Maßnahme dar, die Stabilität der Münzen zu verbessern. Mit dem Begriff „Skyphat“ wurden diese Münzen übrigens erst im 19. Jahrhundert belegt. Das Wort Skyphat bezeichnet dabei lediglich die Form der Münze und keinesfalls ein Nominal.

Die Inflation des ausgehenden 1. Jahrtausends zwang ALEXIOS I zu besagter Münzreform, die das Histamenon als Leitwährung beibehielt, welches nun aus Elektron, einer Gold-Silber Legierung geprägt, den Namen Hyperperon annahm. Silbermünzen wurden durch Billon-Skyphaten, die Aspron Trachy genannt wurden ersetzt und das Tetarteron degenerierte zu kupfernem, weiterhin flach ausgeprägtem Kleingeld.

Auf ein Hyperperon gingen zunächst 48 Aspron Trachy aus Billon. Doch die Inflation machte nach der Münzreform des ALEXIOS nicht halt. Etwa um das Jahr 1160 wurde unter MANUEL I (1143-1180) das Aspron Trachy von 1/48 auf 1/120 des Hyperperon abgewertet, . Damit wurde das ehemalige Drittel-Hyperperon aus Elektron zur Hauptmünze, und stand damit als Leitwährung in etwa gleicher Relation zum Billonnominal wie seinerzeit das Hyperperon des ALEXIOS. Mit dieser Neufestsetzung des Wertes änderten die Billon-Skyphaten ihr Gesicht. Die bisher vorherrschend Avers-Darstellung einer Christusikone wurde durch das Bild der Muttergottes ersetzt. Unter ALEXIOS III (1195-1203) lag der Wert des Billon Aspron Trachy schließlich nur noch bei 1/184 Hyperperon.

Zur gleichen Zeit wurden nach und nach im Umlauf befindliche originale Billon Aspron Trachys amtlich beschnitten („clipped“). Nach wie vor waren die Trachys keine Scheidemünzen, sondern ihr Münzwert entsprach dem Metallwert. Billon-Trachys wurden, obwohl sie nur noch wie Kupfermünzen aussahen stets als Silbermünzen betrachtet. Durch Beschneiden wurde der Metallwert auf den amtlich nominalen Metallwert reduziert. Die häufig zitierte Vermutung, bei den beschnittenen Münzen handele es sich um ein Unternominal, hat sich als falsch herausgewiesen.

Bis in das Zeitalter der Paläologen stand die Schüsselform erstaunlicherweise immer noch als Synonym für eine vertrauenswürdige, stabile und daher allgemein akzeptierte Währung. Kaum anders lässt sich sonst die Tatsache erklären, dass die Kreuzritter als „lateinische Besatzer“ von Byzanz und die bulgarischen Zaren Byzantinische Schüsseln imitierten und als eigene Währung begaben (vgl. hierzu meine Ausführungen in „Petzlaff-2“).

Die Herstellung der Skyphaten erfolgte nachweislich in unterschiedlichen Werkstätten, die sich anhand von Zeichnungsdetails unterscheiden lassen. Die Offizinmerkmale offenbaren sich im Perlenbesatz des kaiserlichen Gewandes und der Ausführung des vom Kaiser gehaltenen Labarums oder Zepters .

Weiterhin charakteristisch, insbesondere für die späteren Ausgaben sind zahlreiche Doppel- oder seltener, sogar Mehrfachprägungen. Diese entstanden dadurch, dass zum einen aufgrund abgenutzter Prägestöcke der obere Stempel mehrfach gesetzt werden musste, um das volle Münzbild erkennbar werden zu lassen, ein zweiter Grund liegt in der Tatsache, dass die schüsselförmig vorgeformten Schrötlinge oft andere Krümmungsradien aufwiesen als die verwendeten Prägestempel. Um ein sauberes Münzbild zu erhalten wurden Doppelschläge im allgemeinen normal. Dies erklärt die Skurrilitäten der Ausgaben mit zwei Personen im Avers, die teilweise in Winkeln bis zu 60 Grad gegeneinander verdreht daherkommen. Offenbar waren an der Prägung mancher Münzen sogar drei Münzmeister beteiligt, einer, der den Schrötling setzte und zwei, die die Münze schlugen. Ein Indiz für diese These ist das Vorkommen von Doppelprägungen mit eindeutig unterschiedlichen Revers-Stempeln .

Heute erfreuen sich gerade die Billon-Skyphaten bei vielen Sammler stark wachsenden Interesses. Zum einen ist reichlich Material vorhanden, zum anderen bietet kaum ein weiterer Abschnitt der Byzantinischen Numismatik eine derartige Vielfalt mit ungeahnten Spezialisierungsmöglichkeiten. Darüber hinaus kann man wohl davon ausgehen, dass noch viele bisher unbekannte Varianten auf ihre Entdeckung warten.
Lieben Gruß an alle Interessierten,
petzi

PS: ich entschuldige mich für diverse Schreibfehler, die selbstverständlich in der Neuauflage korrigiert werden

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Beitrag von tournois » Sa 11.11.06 15:23

Habe leider jetzt gerade keine Zeit den doch etwas längeren Text durchzulesen, habe ihn aber ausgedruckt und nehme ihn mit zu meinem Auftritt, der mir sicherlich ein paar Pausen beschert, die ich zur Lektüre nutzen kann!! ;)
[b]tournois[/b]
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"Wir leben in einem Zeitalter, in dem die überflüssigen Ideen überhand nehmen und die notwendigen Gedanken ausbleiben!"
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