"Maxi-Folles" - zur Entzerrung eines Threads !!!

Münzen des alten Byzanz

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"Maxi-Folles" - zur Entzerrung eines Threads !!!

Beitrag von Gast » Di 13.05.03 19:39

secundus hat geschrieben:Hallo petzlaff,
Leg Deine Karten auf den Tisch...
Na denn - vier verschiedene aus der Münzstätte CONSTANTINOPEL / unterschiedliche Jahre, unterschiedliche Offizine. Besser erhaltene sind auf dem Markt nur sehr schwer erhältlich !

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Wohlgemerkt - es handelt sich nicht um den Waschbrett-Spieler einer Skiffleband, sondern um JUSTINIAN I (527-565). Sehr schön auf den beiden oberen Folles zu erkennen ist das Schild (in der linken Hand des Kaisers) mit der stilisierten Darstellung des "Reitersturzes" der FEL TEMP REPARATIO-Münzen der Konstantinischen Ära des 4. Jahrhunderts !!

JUSTINIAN wählte diese traditionsbehaftete Darstellung (FEL TEMP REPARATIO = Wiederherstellung der guten alten Zeiten) als Sinnbild für sein politisches Hauptziel, der Wiederherstellung des alten römischen Reiches. Das gelang ihm recht ordentlich - ein Blick in den Geschichtsatlas lohnt: Das römische Reich umfasste bei seinem Tod wieder fast den gesamten Mittelmeerraum mit Ausnahme Nordspaniens und Frankreichs

Viele Grüsse, petzlaff

(Demnächst folgt übrigens die Fortsetzung meines Mehrteilers - also noch etwas Geduld. Thema - Schüsselmünzen ab ALEXIOS I)
Zuletzt geändert von Gast am So 08.02.04 09:23, insgesamt 1-mal geändert.

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Beitrag von Gast » Mi 14.05.03 10:26

D.F. hat mich darauf hingewiesen - und ich gebe das hier gern weiter - daß der "Reitersturz" im Gegensatz zu den früheren "FEL TEMP ..."-Darstellungen spiegelbildlich erscheint. Ausserdem ist es auf den 160 Jahre vorher begebenen Prägungen der Reiter, der stürzt und vom römischen Soldaten erspeert wird.

Danke D.F. !!

Die Anlehnung der Justinianischen Darstellung an das klassische Motiv bleibt dennoch vor den politischen Hintergründen unbestritten.

petzlaff

payler
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Beitrag von payler » Do 15.05.03 17:18

Bild von D.F.!

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D.F.
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Beitrag von D.F. » So 18.05.03 09:19

Guten Morgen!

Daß sich niemand die Mühe machen würde, die Einzelbilder zu identifizieren, habe ich mir schon gedacht, aber über die Anknüpfung an FEL.TEMP.REPARATIO sollte man schon nachdenken. Das wollte ich eigentlich im Sinne einer numismatischen Diskussion jenseits von Bestimmungs-, Wert- und Fäschungsfragen anregen. Vielleicht interessiert es ja jemanden.

Hier die „Auflösung“, zur Kontrolle die Bildquellen und dazwischen ein paar Beispiele zum Schließen der Reihe:

Nr. 6 - Tacitus: http://imagedb.coinarchives.com/img/tka ... 358q00.jpg
Nr. 1 - Probus: http://www.wildwinds.com/coins/ric/prob ... 0904.1.jpg

Nr. 5 - Constantius II.: http://imagedb.coinarchives.com/img/peu ... 104q00.jpg

Arcadius: http://imagedb.coinarchives.com/img/cng ... 601946.jpg
Honorius: http://imagedb.coinarchives.com/img/nac ... 331q00.jpg
Nr. 7 - Theodosius II: http://imagedb.coinarchives.com/img/peu ... 136q00.jpg
Nr. 8 - Leo I.: http://imagedb.coinarchives.com/img/gor ... e00534.jpg
Julius Nepos: http://imagedb.coinarchives.com/img/nac ... 361q00.jpg
Romulus: http://imagedb.coinarchives.com/img/nac ... 363q00.jpg
Nr. 3 - Odoaker für Zeno I.: http://imagedb.coinarchives.com/img/lan ... 084q00.jpg
Anastasius I.: http://imagedb.coinarchives.com/img/cng ... 612204.jpg
Nr. 2 - Justinus I.: http://imagedb.coinarchives.com/img/peu ... 142q00.jpg
Nr. 4 - Justinianus I.: http://imagedb.coinarchives.com/img/peu ... 143q00.jpg

Justinianus mußte also für den Schmuck seines Schildes nicht auf irgendeinen FEL. TEMP. REPARATIO -Typ zurückgreifen, er tat vielmehr etwas anderes: er "vulgarisierte" einen seit Constantius II. geläufigen Bildtyp, indem er ihn von den goldenen Solidi, auf die er bis dahin beschränkt war, auf das Kupfer seiner großen Folles transferierte.

Wenn es in der Reihe eine Lücke gibt, dann zwischen Constantius II. und den Theodosius-Söhnen: Julianus prägt als Augustus den Solidus-Typ des Constantius nicht mehr; w er gewappnet mit Helm, Schild und Speer in Erscheinung tritt, dann nicht auf Solidi, sondern auf AE II mit Vota-RV und nicht frontal, sondern nach links gewendet dargestellt in einer Art, die augenfällig an Münzbilder des 3. Jh. (wie z.B. Probus und Tacitus) erinnert. Der Schild ist hier nicht der Reiterkampf-Schild, sondern normalerweise ein mit Wellen-Kreis (eventuell mit Punkten) verzierter und deutlich mit Schildbuckel versehener. In valentinianischer Zeit greift man zwar wieder gelegentlich zum Schild mit Reiterkampf, hält ihn aber anders: vgl. z.B. http://imagedb.coinarchives.com/img/gor ... e00703.jpg
Ab Arcadius und Honorius ist der Typ dann sehr häufig, was naheliegenderweise dazu führt, daß auch eine Reihe höchst inkompetenter Inhaber des Kaiserthrones so dargestellt werden. Als Heraufbeschwörung heldenhafter Vergangenheiten hätte der Bildtyp also völlig entwertet sein müssen.
Seinen Wert für Justinian bezieht er meines Erachtens aus der Tatsache, daß es ein klassischer Solidus-Typ war, dessen Verwendung die großen Folles optisch „aufwertete“ . Bemerkenswert mag sein, daß Justinian das Motiv insofern demilitarisiert, als er den Speer gegen den Kreuzglobus austauscht.
Eine Frage, die gesondert zu diskutieren wäre, ist die, ob den justinianischen und späteren Stempelschneidern wirklich noch immer klar war, daß sie einen Schild darstellen sollten: schon die oben gezeigten Beispiele zeigen, daß der Schild seine Rundung immer mehr verliert und immer mehr wie eine Art dekorierter Schulterklappe oder Teil eines reichbestickten Mantels wirkt; spätere Beispiele (etwa Mauricius Tiberius: http://www.wildwinds.com/coins/sb/sb0517.html und Heraclius:http://www.wildwinds.com/coins/sb/sb0839.html) zeigen die weitere Entwicklung in diese Richtung. Auch die Barbarisierungen liefern da einige recht interessante Beispiele; am auffallendsten aber sind die Differenzen in der Behandlung des Bildmotivs bei Constantinus IV.

Der Schrumpfungs- und Umbildungsprozeß bei kaiserlichen Waffen läßt sich bei der zweiten Schildvariante (Rundschild mit Christogramm) noch viel deutlicher beobachten: hier wird aus einem richtigen Schild schließlich so etwas wie eine Scheibenfibel, vgl. z.B.
Honorius - http://www.coinarchives.com/lotviewer.p ... 32&Lot=400
Majorian - http://www.wildwinds.com/coins/ric/majo ... 3744cf.jpg

In der Hoffnung, daß sich vielleicht noch jemand für Typenentwicklungen interessiert, freundliche Grüße und einen schönen Sonntag
D.F.

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Beitrag von Gast » So 18.05.03 09:35

Sauber, D.F.

vielen Dank - so muß man es wohl auch mal betrachten.

:oops: :idea: :lol:

Gruß - petzlaff

secundus
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Beitrag von secundus » Do 22.05.03 01:43

Danke für den interessanten Beitrag mit Bildmaterial !!!
Zu mehr als nur konsumieren, reicht´s bei mir leider (noch) nicht.

Nur noch zur Ergänzung für die Freunde von Kupferprägungen: Die ersten Frontalbüsten auf AE3 in Manier von Solidi wurden unter Arcadius, Honorius und Theodosius II. unter das Volk gebracht, allerdings befindet sich im Schild statt der Reiterszene ein Kreuz. (THX Bruck :D)
http://www.wildwinds.com/coins/ric/arca ... C_0097.jpg
Bis zu Justinian I. klafft dann eine Lücke von Frontalbüsten auf Kupfermünzen (zumindest finden sich keine bei wildwinds).
Auch wenn der Justinian mit seinem riesigen Münzen letztendlich nicht so innovativ war, hat er doch nur Altes neu kombiniert, sie demonstrieren Grösse und nochmals Grösse. :D

D.F.
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Beitrag von D.F. » Do 22.05.03 09:07

Lieber secundus,

mit Deinem einschränkenden Einwand bzgl. Arcadius & Co. hast Du natürlich recht. Mein Problem ist nur die auch von Dir konstatierte gewaltige Lücke von mindestens zwei Generationen. Die - glaube ich - hat das Motiv auf den Solidi (mit dem klassischen Reiterkampf-Schild) überlebt und von dorther dürfte die Übertragung erfolgt sein.
Aber über solche Dinge läßt sich ja gut weiterdiskutieren.

Vorfreuend
D.F.

secundus
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Beitrag von secundus » Fr 23.05.03 21:04

Lieber D.F.,

mit deinem Verweis auf die Probus-Büsten
http://axesofevils.com/probvs/b-bus-bustforms.html
hast Unheil heraufbeschworen -man verliert sich nur allzu schnell in den unendlichen Weiten des I-nets -, das man nur durch strengste Selbsdisziplin abwenden kann um den Faden nicht endgültig zu verlieren.

Folgende Seite
http://mycoinpage.com/DawsonLewis/Pages/CoinIndex.htm
ist nüztlich um die zeitliche Lücke bei der Verwendung des Reitermotivs zwischen Probus und den Solidi Constantius II um eine Generation auf Constantin I. zu verringern:
http://mycoinpage.com/DawsonLewis/Pages/C1-0089.htm
evtl. kommt auch Licinius I. (RIC VII Antioch 29 (R1), 317-20 AD) in betracht:
http://www.ancientromancoins.net/tetrarchy/licii1o.jpg

Eine umso grösse Lücke klafft allerdings zwischen Prubus und...
http://mycoinpage.com/DawsonLewis/Pages ... blican.htm

((( Off Topic, aber originell ist ein Vergleich zwischen Probus und dem Baktrier Eukratides I., 170 - 145 v.Chr
http://axesofevils.com/probvs/bus-G-sfb-n.JPG
http://imagedb.coinarchives.com/img/gor ... e00255.jpg )))


Bei dem Fundus an Sonderbüsten der Trierer Prägungen finden sich leicht weitere Parallelen zu Probus, z.B.:
http://axesofevils.com/probvs/bus-G-whorse.JPG
http://imagedb.coinarchives.com/img/lan ... 888q00.jpg

Intersseant wäre noch zu erfahren, ob ein seitliches Pendant für die frontalen Büsten mit den Bienenkörben existiert, aber das ist ein anderes Thema...

D.F.
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Beitrag von D.F. » So 25.05.03 22:26

Lieber secundus,

Die Lücke bei den Schilden zwischen Probus und ... läßt sich etwas reduzieren:
http://www.wildwinds.com/coins/ric/sept ... pold_7.jpg

Ein ganze Reihe korinthischer Prägungen zum Thema "Kaiser mit Schild" hatte Lanz in Auktion 105 – leider die meisten auch bei wohlwollender Betrachtung nur „fast“ sehr schön.
(http://www.numislanz.de/auktion105/redi ... &los=00826)

Einige Beispiele:
http://www.coinarchives.com/lotviewer.p ... 25&Lot=826
http://www.coinarchives.com/lotviewer.p ... 25&Lot=829
http://www.coinarchives.com/lotviewer.p ... 25&Lot=830
http://www.coinarchives.com/lotviewer.p ... 25&Lot=835
http://www.coinarchives.com/lotviewer.p ... 25&Lot=848
http://www.coinarchives.com/lotviewer.p ... 25&Lot=860
http://www.coinarchives.com/lotviewer.p ... 25&Lot=861

Wenn ich mich recht erinnere, hat Gnecchi bei den Medaillons auch einen Commodus mit Schild, das kann ich aber heute nicht mehr überprüfen (einer der Nachteile "gesplitteter" Bücherbestände!). Medaillons eilen ja der regulären Prägung öfter etwas voraus.

Bei den Baktriern glaube ich wirklich nicht an einen engeren Zusammenhang durch Münzbildbeeinflussung; es gab ja noch andere Kunstgattungen und Vorbilder, die die eine wie die andere Münzproduktion beeinflussen konnten.

Freundliche Grüße
D.F.

PS: Was meinst Du mit "Bienenkörben"?

NACHTRAG 26. 5.: Ehe sich jemand auf Gnecchi-Durchforstung begibt, gebe ich lieber gleich zu, daß mich mein Gedächtnis getäuscht hat. Was er bei Commodus bietet, sind die "heroischen Büsten" von halb-hinten mit Speer und Ägis statt eines Schildes!

secundus
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Beitrag von secundus » Di 03.06.03 23:56

Hallo D.F.,
diese heroischen Büsten, auf denen der Rücken sichtbar ist, scheinen leider rel. selten geprägt worden zu sein.

Die Darstellung der Kopfbedeckung auf Münzen mit frontalem Porträt, insbesondere bei den Folles von Justinian !. gleicht doch mehr einem Bienenkorb als einem Helm, oder ?

D.F.
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Beitrag von D.F. » Mi 04.06.03 10:09

Lieber secundus,

mit "Bienenkörben" im Profil sieht es nicht sehr gut aus, hier eines der möglichen Beispiele von Theodosius II.:
[ externes Bild ]
Quelle: http://www.coinarchives.com/lotviewer.p ... 49&Lot=524
Die Regel ist die Verbindung Schild und frontale Darstellung, wobei die Tendenz von leicht schrägen zu immer frontaleren Darstellungen geht.

Für die heroischen Büsten ein Beispiel aus einer Kunstgattung, in der es eine ungebrochene Tradition vom Hellenismus herauf gibt:

[ externes Bild ]
Quelle: http://www.metmuseum.org/toah/hd/jucl/ho_42.11.30.htm

Freundliche Grüße
D.F.

PS: Ich darf die Gelegenheit nützen, mich für einige Zeit aus dem Forum zu verabschieden. Bis September werde ich voraussichtlich nur selten ins Internet kommen...
Also wünsche ich allen einen schönen Sommer, schöne Münzen und auch sonst alles Gute.
Im Herbst liest man sich hoffentlich wieder!

secundus
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Beitrag von secundus » Mi 04.06.03 21:02

Lieber D.F.,

der schräge Theodosius II. macht deutlich, dass es sich bei den Frontaldarstellungen doch um einen Helm handelt, wie er aus der seitlichen Ansicht auf den Kupferprägungen von Gratianus, Theodosius I. und Valentinian II. zu sehen ist.
(Der schlechte Erhaltungszustand meines Junstinian hat dazu mich verleitet, seine Augenbrauen irrtümlich der Kopfbedeckung zurechnen, die sich damit, nun um eine Etage hochgeschossen, reichlich Platz für ein Bienvölkchen geboten hätte. Der menschlichen Fantasie sind keine Grenzen gesetzt: Marskanäle, Wolkenschlösser, Bienenkörbe...)
[ externes Bild ]

Der Blick über den Münzrand hinaus auf ander Kunstgattungen und wieder zurück, führt sicher noch zu weiteren missing links und interessanten Einblicken..ein weites Gebiet.

Die Reiterszene, auf dem Schild, auf der Büste, auf der Münze von Theodosius II. -um das Eingangsthema nochmals aufzugreifen- hat (sicherlich nicht rein zufällige) Änlichkeit mit der Darstellungen auf Münzen des Trajans:
[ externes Bild ]

PS.: Wir werden Dich vermissen und hoffen im Herbst auf ein deutliches Lesenszeichen... wehe Dir wenn nicht. Erholsamen Urlaub !

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