DIE UMLAUFMÜNZEN DES BYZANTINISCHEN REICHES

Münzen des alten Byzanz

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tournois
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DIE UMLAUFMÜNZEN DES BYZANTINISCHEN REICHES

Beitrag von tournois » Di 23.09.03 23:54

Ich habe mir erlaubt alle Beiträge von @Petzlaff, bezüglich des oben angegebenen Themas, mal in einen Beitrag zu kopieren und diesen als :!: Wichtig :!: zu kennzeichnen, damit sie nicht irgendwann "verlorengehen"!!
@Petzlaff: Ich finde Deine Ausführungen einfach nur klasse!!
(Das ist keine Liebeserklärung!! :mrgreen: )



Die Umlaufmünzen des Byzantinischen Reichs
(Eine Zusammenfassung der Beiträge von Petzlaff)

Das Reich der Romaion, landläufig nach der Hauptstadt Byzanz (heute Instanbul) „Byzantinisches Reich“ genannt, entwickelte sich im 5. Jh. aus dem Oströmischen Reich, dessen erster Kaiser ARCADIUS (395-408), einer der Söhne des THEODOSIUS I war. Ihm folgten THEODOSIUS II und MARKIAN bevor 457 mit LEON I die vom weströmischen Kaiserhaus familiär unabhängige Thrakische Dynastie den Thron von Byzanz bestieg. Als der Westgote ODOAKER im Jahre 476 den letzten weströmischen Kaiser ROMULUS AUGUSTUS absetzte, sandte er dessen Insignien zu Kaiser ZENO nach Byzanz, der ihm daraufhin zum Oberkommandierenden aller römischen Truppen ernannte. Historisch betrachtet beginnt damit die Geschichte des neben dem chinesischen Reich einzigen „1000-jährigen“ Reichs der Weltgeschichte, das erst 1453 mit der Eroberung der Hauptstadt durch die Türken unter MOHAMMED II untergehen sollte.

Aus numismatischer Sicht beginnt die Geschichte der Romaion mit der Münzreform des letzten thrakischen Kaisers ANASTASIUS I (491-518), der das zerrüttete klassische Münzwesen des römisches Reiches 498 reformierte. Während der goldene Solidus des CONSTANTIN als zentrale Währungseinheit übernommen wurde, gab es nun wieder große, vertrauenerweckende Kupferprägungen für den täglichen Geldumlauf. Erstmals in der Geschichte des Abendlandes handelte es sich um Scheidemünzen – aus diesem Grund trugen die Prägungen auf dem Revers eine Wertbezeichnung. Die größte Einheit, der Follis („Geldbörse“) kam auf 40 Nummia (so nannte man die winzigkleinen Bronzemünzchen der spätrömischen Phase) und trug das „M“ (40) als Wert. „K“ bezeichnete 20, „I“ 10 und „E“ 5 Nummia. Im Laufe der Zeit kamen weitere, auch lokal bedeutsame Stückelungen hinzu. (Erinnert das Zeichen für 5 Nummia nicht auch ein wenig an das modere EURO-Symbol ? :lol: )

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Die Umlaufmünzen wurden in riesigen Mengen geprägt, blieben lange im Umlauf, wurden aber häufig überprägt, so dass guterhaltene Stücke sehr selten sind und regelmäßig hohe Preise erzielen. Trotz des oftmals rohen Erscheinungsbildes wurden die Folles scheinbar mit großer Sorgfalt hergestellt. Nur so lässt sich erklären, dass nahezu alle Münzen die Gegenständigkeit von Vorder- und Rückseite exakt einhalten. Und das selbst bei den späteren Prägungen auf „eckigen“, unregelmäßig gegossenen oder schüsselförmigen Schrötlingen. Kupfermünzen in nach modernen Maßstäben „sehr schöner“ oder „vorzüglicher“ Erhaltung wären Raritäten ersten Ranges, wenn es sie überhaupt gäbe. Ein Follis in „schön“ ist eine Ausnahme, „sg“ ist der Normalzustand – An die Nichtlesbarkeit der Legenden muss sich der Sammler wohl oder übel gewöhnen. Infolgedessen gibt es zahlreiche Gepräge, die bis auf den heutigen Tag noch nicht eindeutig zugeordnet werden konnten.

Im folgenden Bild von rechts nach links: "S - SG - gering" (für den Beginn des 6. Jh.)

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Auf die Thraker folgte die Justinianische Dynastie (518-610) und eine langsame Abwendung vom römischen Kulturerbe. Diese 3 Folles stammen von JUSTIN I, dem ersten Kaiser dieses Herrschergeschlechts.


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Mit JUSTIN I (518-527) beginnt für das (byzantinische) Reich der Romaion das blühende Zeitalter der Justinianischen Dynastie. JUSTINs Nachfolger JUSTINIAN I (527-565) vermochte es, dank geschickter Diplomatie und entschlossener Kriegskunst das Reich auf große Bereiche des ehemaligen römischen Imperiums auszudehnen. Das Vandalenreich (heute Tunesien, die Balearen, Korsika und Sardinien, Nordalgerien und –Libyen, sowie Andalusien) wurden zurückerobert, das Reich der Ostgoten in Italien und Dalmatien wurde einverleibt.

Die weiteren Herrscher der Dynastie waren: JUSTIN II (518-527), TIBERIOS II (578-582), MAURIKIOS TIBERIOS (582-602) und PHOKAS (602-610).

Die riesige Expansion machte es erforderlich, die Münzemissionen dramatisch zu steigern. Unter JUSTINIAN wurde nachweislich in Rom, Ravenna, Cherson (Krim), Konstantinopel, Thessaloniki, Nikomedia (Türkei), Cyzikus (Türkei), Antiochia (Syrien), Alexandria (Ägypten), Karthago (Tunesien) und weiteren, bisher unbekannten Münzstätten in Spanien, Nordafrika und Sizilien geprägt. Die wichtigsten Münzstätten unterhielten mehrere Werkstätten, die die Gepräge mit eigenen Münzzeichen versahen.

Darüber hinaus gab es die sogenannten „Militär-Münzen“ (MMI-Prägungen), die zwar die Münzzeichen der Hauptmünzen Konstantinopel, Nikomedia, Thessaloniki etc. trugen, aber nicht dort, sondern in mobilen Prägewerkstätten hergestellt wurden, die die kaiserlichen Truppen auf ihren Feldzügen begleiteten. Stücke mit dem Kreuz über der Wertbezeichnung und dem Ausgabejahr 8 oder 10 gehören meistens in diese Kategorie (vgl. auch Money-Trend 2/2003 S.124 ff.)

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Unter JUSTINIAN I (o. ein ss- Follis aus Nikomedia), dem Erbauer der „Hagia Sphia“, der damals größten Kirche der Christenheit, wurde erstmals eine Serie von Folles und Teilstücken aufgelegt, die das gekrönte Kaiserportrait von vorn zeigen, eine Gestaltungsart, die bisher den Goldmünzen vorbehalten war. (Silbermünzen waren in dieser Epoche übrigens so gut wie unbekannt). Nicht nur das Reich erhielt die größte Ausdehnung seiner tausendjährigen Geschichte, auch die Kupferfolles erreichten Durchmesser von bis zu 42 mm! (s. unten Regierungsjahr XII = 537 aus Cyzikus - heute Balkiz, Türkei am Ostufer der Dardanellen)

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Auf den Frontalportraits trug der Kaiser den bekreuzigten Globus Cruciger (Reichsapfel) sowie ein Schild mit der stilisierten Darstellung des „Reitersturzes“ der FEL TEMP REPARATIO-Prägungen der spätkonstantinischen Ära des untergegangenen Imperiums. Gleichzeitig wurde das Ausgabejahr, meist gemessen vom jeweiligen Regierungsantritt, in die Darstellung der Wertseite integriert.

In den späten Regierungsjahren des JUSTINIAN begannen die Prägungen erstmals leicht skurrile Formen anzunehmen – so wurden zum Beispiel die Vorderseiten von Halbfolles (hier eine Prägung aus Antiochia in Syrien, das nach einem verheerenden Erdbeben im Jahre 528 als Theopolis („Stadt Gottes“) wiederaufgebaut wurde, mit den größeren Prägestempeln des Follis geschlagen, was die Legende nahezu verschwinden ließ. (Zum Vergleich der dazu passende Follis).

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Während unter JUSTINIAN bereits verschiedene Münzstätten und Werkstätten in griechescher Schrift gekennzeichnet wurden (s.Bild oben), hielt unter seinem Nachfolger JUSTIN II das Griechische auch langsam Einzug auf den Münzlegenden.
(Näheres hierzu im nächsten Beitrag).


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JUSTINIANS Nachfolger vermochten das byzantinische Reich der Romaion nicht dauerhaft in seiner grössten Ausdehnung zu erhalten. Bereits JUSTINIANS Neffe JUSTIN II (565-578), ein schwachsinniger, aber ungeachtet dessen harmloser Kaiser auf dem oströmischen Thron liess lieber seine Kaiserin SOPHIA regieren, statt politisches Unheil anzurichten. SOPHIA genoss als griechisch volksnahe Kaiserin eine nahezu göttliche Verehrung seitens der Untertanen, die immer weniger mit dem lateinischen Erbe des vormaligen römischen Reiches anfangen konnten.

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Insbesondere in den östlichen Provinzen des Reiches gab es kaum noch eine Menschenseele, die der lateinischen Sprache mächtig war. Viele Münzen aus dem syrischen Antiochia (Theopolis - s. Bild oben) weisen unter JUSTIN II und seinen Nachfolgern innerhalb der justinianischen Dynastie,TIBERIOS II KONSTANTINOS (578-582), MAURIKIOS TIBERIOS (582-602) und PHOKAS (602-610) völlig unsinnige Legenden aus einem unidentifizierbaren Mischmasch aus griechischen und lateinischen Buchstaben auf.

Unter JUSTIN II trat neben das inzwischen übliche en-face Portrait des Kaisers das Bild des thronenden Kaiserpaares mit den Reichsinsignien. Später nahmen sich zahlreiche Herrscher der Romaion dieser Münzdarstellung ganzer Familien an, um in politisch unsicheren Zeiten permanent im Geldbeutel der Beherrschten zu demonstrieren, dass es dem jeweiligen Despoten (wie die Kaiser auch genannt wurden) nicht an Caesaren, Söhnen oder adoptierten Nachfolgern mangelte.

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Der Wechsel von der lateinischen zur griechischen Schrift vollzog sich in einem 150 Jahre währenden Prozess. Anfänglich sind „Mutationen“ der Buchstaben V, D und E zu beobachten. Die herkömmlichen lateinischen Attribute PP AVG bleiben zunächst unverändert, während das DN am Anfang der Avers-Legende langsam aber sicher zu einem griechischen dN mutiert. Der "Imperator" wird zum "Autokrat".

Das Münzsystem der Romaion war im 6. Jahrhundert unbestreitbar das fortschrittlichste der Welt. Vergleichbar mit modernen Währungssystemen basierte es auf dem Goldwert und eine auf den Umlauf abgestimmte Kupferserie in brauchbaren Stückelungen als Scheidemünzen (unten eine Serie des MAURIKIOS).

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Silbermünzen wurden in geringen Stückzahlen vor Allem in Italien geprägt, dienten aber nicht dem normalen Zahlungsverkehr, sondern wurden zu zeremoniellen Zwecken, ähnlich wie die bekannten „Maundy Money“ Grossbritanniens in „Umlauf“ gebracht. Gegen Ende der justinianischen Dynastie wurden die Kupferprägungen inflatorisch beeinflusst – die kleinen Nominale verschwanden nach und nach, bis nur noch der Follis als Hauptkurant übrig blieb. Die Wertangabe „M“ wurde wie die Legenden in eine griechische Schreibweise überführt (hier zwei Münzen des TIBERIOS - wer hätte das bei DER Legende gedacht ???? - der linke TIBERIOS trägt immer noch das römische Schild mit dem "Reitersturz", der rechte wirkt schon recht griechisch-orthodox)

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– eigentlich ein Paradoxon, da das „M“ genauso wie das „K“ des Halbfollis ohnehin griechische Zahlen darstellten – ein Grund mehr, anzunehmen, dass die Menschen, die mit diesen Zahlungsmitteln tagtäglich umzugehen hatten, keinen Bezug mehr zur römisch-lateinischen Tradition des Reiches hatten.

Am Ende der jsutinianischen Ära stand die Revolte des HERAKLEIOS. Die daraus entstandenen nächsten 100 Jahre bilden eines der spannendsten Kapitel der frühbyzantinischen Numismatik.

(Mehr dazu beim nächsten Mal)


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Der letzte Kaiser der Justinianischen Dynastie PHOCAS (602-610), selbst durch Mord und Totschlag auf den byzantinischen Thron gekommen, regierte das einst erste blühende Zeitalter der Romaion mit Terror zugrunde. HERACLIUS, der Exarch von Karthago entfesselte eine besonnene Revolte, die schließlich mit der Exekution des PHOCAS und der Inthronisierung von HERACLIUS (Sohn des o.g. HERACLIUS) ein arg geschrumpftes Reich zu neuer Stärke führte. Zwar waren inzwischen Ägypten und Syrien unwiderbringlich den Arabern zum Opfer gefallen, aber HERACLIUS (610-641) vermochte den jahrhundertealten Perserkrieg, den schon die Römer geführt hatten endgültig zu beenden.

Unter HERACLIUS beginnt die Zeit der unansehnlichen Kupferprägungen, die durch zahlreiche Überprägungen älterer Münzen, insbesondere der des Tyrannen PHOCAS gekennzeichnet sind. Während HERACLIUS noch an den großformatigen Folles festhielt, prägte sein Nachfolger CONSTANTINUS III (genannt CONSTANS II, 641-668) auf kleinen, größtenteils durch Teilung älterer Münzen entstandenen Schrötlingen.

Nach und nach verschwanden Viertelfolles und kleinere Stückelungen aus dem Umlauf.

Es gibt viele Spekulationen, warum die Heraklianische Dynastie diese hässlichen, aber hochinteressanten Münzprägungen begab. Die häufigsten Erklärungen sind:

1) Ein Interesse der Herrscher, möglichst schnell ihr Konterfei populär zu machen – das ist eher unwahrscheinlich, denn die Darstellung der Kaiserportraits war damals alles Andere als realistisch.
2) Das Bestreben, Alles, was an PHOCAS erinnerte, zu vernichten – auch das ist nicht plausibel, denn es wurden sogar die alten Münzen der beliebten Kaiser ANASTASIUS und JUSTINUS I überprägt
3) Die durch die Verluste der reichen afrikanischen, syrischen und italienischen „Themen“ (so wurden im Reich der Romaion die Provinzen genannt) drohenden Inflation entgegenzutreten, indem alte Münzen insbesondere aus diesen Provinzen eingezogen wurden. Statt neue Umlaufmünzen zu prägen, wurde ein Teil der überflüssig gewordenen Zahlungsmittel mit entsprechend neuem Münzbild für das verbliebene Restreich benutzt. Oft finden sich gerade die Prägungen für das Westreich, die statt des griechischen Wertzeichens "M" den römischen Wert "XXXX" für 40 Nummia trugen unter den überprägten Urmünzen – Letztere Deutung erscheint mir persönlich am plausibelsten.

Hier ein derartiger Follis (Details der Originalmünze in Strichzeichnung):

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Paradoxerweise findet man die schönsten Portraits des HERACLIUS auf kleinen Gegenstempeln der sizilianischen Münzstätten.

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CONSTANS II wurde, nachdem er viele Jahre lang die scheußlichsten Münzen des Byzantinischen Reiches begeben hatte, aber auch erfolgreich dessen Grenzen verteidigt hatte, in Syracus von seinem Bademeister ertränkt:

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Sein Nachfolger wurde sein Sohn CONSTANTINUS IV (668-685). Seine Münzen sind sehr selten, da sie von seinen Nachfolgern wiederum fast ausnahmslos gnadenlos zerstückelt und umgeprägt wurden:

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(Fortsetzung folgt)


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Die Nachfolger des CONSTANS II (641-668) teilten bis 717 das Erbe der Herakleianischen Dynastie. Es waren allesamt Kaiser, die kaum geschichtliches Furore machten: CONSTANTIN IV POGONATOS, JUSTINIAN II RHINOMETOS, LEONTIOS, TIBERIOS III APSIMAROS, TIBERIOS IV, PHILIPPIKOS BARDANES, ANASTASIOS II ARTEMIOS und zuletzt THEODOSIUS III. Das späte Herakleianische Zeitalter war geprägt von innenpolitischen Konflikten und von außenpolitischer Bedrängnis – allerdings weniger durch den Expansionskurs des aufkeimenden islamischen Gedanken eines Großarabischen Reiches, als durch die Bulgaren an der Balkangrenze. Überschattet wurde die gesamte Situation durch teilweise banale Streitigkeiten der östlichen Patriarchie mit den römischen Päpsten – erste Anzeichen für das „große östliche Schisma“, das 400 Jahre später das Christentum in einen römischen Katholizismus und eine griechisch orthodoxe Kirche spalten wird, beginnt sich zögernd zu manifestieren.

CONSTANS II regiert, wie viele seiner Nachfolger im 7. Jh., fast sein ganzes Leben lang, das Reich von seinen italienischen Kolonien aus. Kein Wunder, dass gerade die häufigsten Umlaufmünzen für den täglichen Gebrauch aus italienischen Münzstätten stammen. (unten ein Follis aus Syracus von CONSTANTIN V, 741-775 gemeinsam mit LEO III und LEO IV)

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Zudem beginnen die Romaion-Herrscher von Italien aus, die dort inzwischen gängige Silberwährung für ihr Reich zu adaptieren – zunächst mit mäßigem Erfolg – der heutige Sammler bekommt es an den Marktpreisen für silberne Miliaresien des 7. und 8. Jh. unangenehm zu spüren. Mitte des siebten Jahrhunderts ist nun doch „endlich“ die Inflation eingekehrt: Bronzen und Silbermünzen (nach ihrem kurzen Gastspiel) verschwinden, und es regieren der Goldsolidus und der Tauschhandel. Die Wertbezeichnungen auf den Münzen werden überflüssig und stellen nur noch eine ornamentale Verzierung dar. Unter THEOFILOS (829-842) erfolgt schließlich die letzte Follis-Prägung mit der Wertbezeichnung „M“:

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Gegen Ende des 8. Jh. hat sich mittlerweile eine bemerkenswerte kulturelle Revolution im Abendland vollzogen, die sich nirgendwo anders derart massiv manifestiert als auf den Münzprägungen der Romaion:

1) Der Kaiser tritt in den Hintergrund (numismatisch gesehen auf das Revers) – christliche Symbolik übernimmt die Darstellung der herrschaftlichen Attribute.
2) Die lateinisch/griechischen Münzlegenden nehmen die von den Sassaniden im heutigen Irak eingeführten, und von den islamischen Arabern weitergepflegten Schreibweise in 3 bis 5 parallelen Zeilen an.
3) Nur 50 Jahre nach der Einführung der figürlichen Darstellung des Christus auf den byzantinischen Münzen folgen Staat und Klerus dem islamischen Vorbild, welches die Darstellung Gottes und göttlicher Symbolik zur Todsünde erklärt.

----------- warum ????????? ---------- vielleicht ein diplomatischer Schachzug ?????????

Nun denn – bei der Entsorgung ungeliebter „Despotes“ oder „Autokrates“, wie die Herrscher der Romaion jetzt oft auf ihren Münzen genannt werden, verstehen sich die selbsternannten Erben des Throns auf recht unchristliche Methoden: Am beliebtesten ist ein Exil in Armut mit gespaltener Nase und abgetrennter Zunge (kein Witz!).

Und, was uns Numismatiker am meisten ärgert --- die Münzen aus dem 8. und 9. Jh. sind extrem selten. Anders wird es mit dem LEO VI (dem Weisen) und der Makedonischen Dynastie und dem Ende des "Bildersturms". Es wird vermutet, daß der nachstehende Follis des LEO VI die am häufigsten geprägte Münze der Romaion ist.

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Die Fortsetzung folgt (mit den populärsten Prägungen der Romaion - den "Anonymen")


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In die Zeit des Bildersturms, in der die bildliche Darstellung Christus zeitweilig sogar bei Todesstrafe verboten war, fällt die erstmalige Alleinherrschaft einer Kaiserin auf dem Thron: die ebenso schöne wie brutale IRENE (797-802), Tochter des CONSTANTIN VI (780-797) muss mit ansehen, wie der Papst im Jahr 800 mit der Kaiserkrönung des fränkischen Stammesfürsten KARL (d. Große) ein neues römisches (West)reich etabliert. Kriegerisch schlagen sich die ROMAION im 9.Jh. weniger mit den Arabern als mit den erstarkenden Bulgaren herum. Im Westen wie im Osten beginnt das „Mittelalter“.

Auf den Münzen erscheint nun erstmals die Bezeichnung BASILEVS ROMEON (König der Römer).

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Die bisher übliche Bezeichnung IMPERATOR findet sich letztmals auf einer Münze MICHAEL III (842-867), dem letzten Herrscher aus der Reihe der kleinasiatischen und syrischen Herrscherdynastien.

Viele Kritiker der byzantinischen Numismatik lehnen die Beschäftigung mit den rohen Münzen als zu unattraktiv ab – aber – vergleicht man die Portraitdarstellungen der Romaion auf den byzantinischen Umlaufmünzen mit den Prägungen der meisten zeitgleichen Prägungen des Karolingerreiches, dann wird eine unglaubliche künstlerische und handwerkliche Überlegenheit deutlich.

Unter MICHAEL III endet der Bildersturm und es folgt beginnend mit BASILEOS I (867-886) das 190 Jahre dauernde Zeitalter der Makedonischen Herrscher. Nach über 100 Jahren numismatischer Abstinenz erlebt die Ausprägung von großformatigen kupfernen Folles eine unglaubliche Renaissance. Unter LEO VI (886-912), ALEXANDER ( 886-913) und CONSTANTIN VII (912-959) kehrt die ikonographische Darstellung des JESUS CHRISTUS (IHSYS XRiSTYs oder oft abgekürzt IC XC) auf die Vorderseite der Münzen zurück, während der BASILEVS ROMAION auf das Revers wandert. Unter der gemeinsamen Herrschaft von CONSTANTIN VII und ROMANOS I (920-944) wird das Bild des Kaisers durch religiöse Legenden ersetzt – es beginnt das spannende Zeitalter der sogenannten „anonymen“ Follesprägungen. Diese zählen zu den häufigsten byzantinischen Münzen überhaupt, leider aber auch zu den meist sehr schlecht erhaltenen. Das liegt daran, dass wieder einmal der Brauch der Überprägung einsetzt.

Unten Folles von CONSTANTIN VII und ein "Anonymer" Typ A1 über einem Follis des NIKEPHOROS II (963-969):

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Unter den Makedoniern gibt es sechs Haupttypen von anonymen Prägungen (allgemein als A1, A2, A3, B, C, D) bezeichnet, deren genaue Zuordnung zu den begebenden Kaisern seit Beginn der byzantinischen Numismatik umstritten ist. Lediglich aufgrund identifizierbarer Überprägungen lässt sich eine chronologische Reihenfolge bestimmen. Meist wird heute folgende Zuordnung „verwendet“: A1 – JOHANNES I (969-976), A2 – BAILEIOS II (976-1028), A3 BASILEIOS II (nach 1020), B – ROMANOS III (1028-1034), C – MICHAEL IV (1034-1041), D – CONSTANTIN IX (1042-1050). Die Klassen A1 bis A3 unterscheiden sich weniger durch das Münzbild als durch das Gewicht und Überprägungsmerkmale:

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(o. der Reihe nach Typ A3, Typ B über A3, Typ C - wohl die erste byzantinische Münze mit dem Bildnis der Mutter Gottes), Typ D

Trotz der Häufigkeit dieser Folles mit der Christus-Darstellung muß i.A. für ein Stück, das insgesamt die Erhaltung „s“ aufweist, meist ein Betrag von über 20 EUR investiert werden. Bessere Erhaltungsgrade sind selten und erzielen Preise bis zu 60 EUR. Sammelwürdig ist im Prinzip jeder anonyme Follis, auf dem die Ornamente im Nimbus um den Kopf Christi noch halbwegs erkennbar sind – sie stellen für manche Autoren (z.B. Bellinger) ein wichtiges Indiz für die zeitliche Zuordnung dar. Ebenso begehrenswert sind alle „Anonymen“, die Spuren von Überprägung auf älteren nicht-anonymen Münzen zeigen.

-------- sicher kein einfaches Gebiet für den Anfänger ------------ nichtsdestotrotz eines der spannendsten Kapitel der Münzgeschichte der Romaion.

Ich bin Euch noch das Revers des "anonymen" Typ B über A3 schuldig - sucht mal schön die dazu passende Vorderseite im Originalbeitrag !

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Mit ISAAK I (1057-1059) besteigt zum ersten Mal ein Mitglied der Familie KOMNENUS den Thron der Romaion. Die Abkömmlinge dieser Dynastie sollten gemeinsam mit den verschwägerten DUCAS und ANGELOI für viele Jahre eine der bedeutendsten Herrschergeschlechte auf dem Balkan und in Kleinasien werden. Im autonomen Trepezunt an der Schwarzmeerküste werden die Komnenen als Kaiser im 15. Jh. sogar die Romaion in Konstantinopel um einige Jahre überleben, bevor auch sie ihre Macht an die Sultane und Kalifen abgeben müssen. ISAAKs Nachfolger CONSTANTIN X DUCAS (1059-1067) wurde nach seiner Abdankung (er verbrachte sein Alter als Mönch) der Erste, der wieder Kupfermünzen mit dem Bild des Kaisers ausgab, prägte aber ebenso wie seine Nachfolger ROMANUS IV (1068-1071) und NIKEPHOROS III (1078-1081) auch noch „anonyme“ Folles im Namen Christi.

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In den Jahren vorher war der traditionelle Goldsolidus durch den schüsselförmigen Histamenon Nomisma abgelöst worden. Die Zeit vor Beginn des ersten Kreuzzuges war dadurch gekennzeichnet, dass selten ein Kaiser alleine, sondern z.B. unter ROMANUS IV (1068-1071) bis zu 4 Kaiser gleichzeitig über das schrumpfende Reich der Romaion herrschten. ALEXIOS I (1081-1118) war ein genialer Herrscher, der alle notwendigen Ambitionen und Geschicke gehabt hätte, das alte Reich zu neuer Ausdehnung und Blüte zu führen. Leider deckten sich seine Vorstellungen nicht mit denen der Kreuzfahrer, die wohl vorrangig politische und territoriale Ziele auf ihre Fahnen geschrieben hatten, die Machtgelüste der Westeuropäer aber propagandistisch religiös verbrämten (Die kurz zuvor erfolgte Spaltung zwischen der römischen und der griechischen Kirche kam dabei noch gelegener als die Bedrohung durch den Islam). Nachdem sich die Kreuzfahrer im Heiligen Land ihre Stützpunkte errichtet hatten und Jerusalem besetzt worden war, wandte sich BOHEMUND in offener Agression gegen Byzanz.

Vorher hatte ALEXIUS die Kreuzfahrer ökonomisch unterstützt. Er gab sogar Kleingeld zum Gebrauch für die Kreuzfahrer im Stil der „anonymen“ Folles aus. Man erkennt diese Stücke nur an Beizeichen und leichten Änderungen in der Zeichnung gegenüber den byzantinischen Originalen:

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ALEXIUS ging nicht nur als letztlich betrogener Kollaborateur der Kreuzfahrer in die Geschichte ein, eine Tatsache, die 100 Jahre später durch die Eroberung Konstantinopels durch den 4. Kreuzzug eine tragische Kulmination erlangte. Er war auch der erste Herrscher der Romaion, der das traditionelle byzantinische Münzwesen von Grund auf reformierte. Im Jahr 1092 starb mit dem Histamenon die vor langer Zeit durch CONSTANTIN d. Großen eingeführte Währungseinheit des Solidus, und wurde durch eine schüsselförmige Elektron-Münze (Gold-Silber-Legierung) abgelöst. Die zweitniedrigere Einheit war eine ebenfalls schüsselförmige Billon-Münze

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und das Kleingeld bestand aus kleinen flachen Kupferlingen, die Tetarteron genannt wurden.

Damit beginnt der vorletzte Teil der numismatischen Geschichte der Romaion (Doch dazu mehr im nächsten Teil).


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Den nächsten Beitrag von @Petzlaff werde ich hier ebenfalls einfügen! Man kann gespannt sein!! :D
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Beitrag von nikephoros1 » Mo 29.09.03 17:08

hallo tournois,
perfekt, gefällt mir! wo ist petzlaff?
liebe Grüsse

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tournois
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Beitrag von tournois » Mo 29.09.03 22:29

Da wüßte ich auch gerne!! :?
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Beitrag von heripo » Sa 04.10.03 18:12

Super gemacht - tournois ! Das ist ja fast druckwürdig !
das gibt'n neuen Zitierlink :-) petzlaff wird's freuen ... mich auch - Gruß heripo

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