... und noch eine häßliche Münze

Münzen des alten Byzanz

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... und noch eine häßliche Münze

Beitrag von Gast » Di 02.12.03 15:48

In der Frühzeit des byzantinischen Reiches hatte es silberne Umlaufmünzen nur in Form der überkommenen spätrömischen Siliqua in den italienischen Provinzen gegeben.

Alle anderen Silberprägungen hatten wohl den Charakter von nicht für den Umlauf bestimmten Erinnerungsmünzen wie die neuzeitlichen britischen Maundy Money. HERACLIUS war der erste Herrscher der Romaion, der reguläre Silbermünzen für den Umlauf prägte.

Das schwere, silberne Hexagramm entsprach 1/12 des goldenen Solidus und hatte nicht nur einen nominellen, sondern einen echten Materialwert. Das Hexagramm hielt sich bis Ende des 8. Jahrhunderts.

HERACLIUS, zunächst Revolutionär in Karthago (608-610), später (610-641) einer der bedeutendsten Kaiser in Byzanz, der "Entdecker und Retter" des heiligen Kreuzes in Jerusalem, zunächst triumphaler Sieger über die Awaren, Slawen und Perser, scheiterte später am Ansturm der Araber wobei er Syrien, Palästina und Ägypten für das Reich verlor.

Die groben, häßlichen Münzen seiner späten Regierungsjahre bezeugen deutlch die Krise des Imperiums.

[ externes Bild ]

Das abgebildete Hexagramm stammt aus seinen letzten Regierungsjahren. Damals wollte HERACLIUS völlig frustriert, alles hinschmeissen und Constantinopel verlassen. Daraufhin spendeten die Kirchen Altarsilber, um den Kaiser zum Bleiben zu bewegen. Das abgebildete Hexagramm mit den (seltenen) Beizeichen I und K auf der Rückseite (Sear 798A) wurde vermutlich aus dem Kirchenschatz geschlagen (von "Prägung" kann wohl kaum die Rede sein).

Das Avers zeigt HERACLIUS und seinen Sohn und Nachfolger für nur 3 Monate HERACLIUS CONSTANTINUS. Die Rückseite das Golgatha-Kreuz auf dem stilisierten Kalvarienberg (leider wg. der groben Prägung nur schwer zu erkennen). Die Münze ist nirgendwo beschnitten - Gesamtzustand (sic): besser geht es kaum - ss klingt komisch, ist aber wahr!

Gefunden bei ebay - nicht beboten, da niemand das häßliche Stück haben wollte - nach Auktionsende mit dem Verkäufer einig geworden. Fazit: Ebay kann doch Spaß machen, wenn man die Augen offen hält.

@secundus - das sind doch die Geschichten, die Du schätzt :D

Gruß - petzlaff
Zuletzt geändert von Gast am So 08.02.04 07:39, insgesamt 1-mal geändert.

secundus
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Beitrag von secundus » Di 02.12.03 18:42

Hallo Meister Petz,
ich bin begeistert :!: :!: :!: Geschichte und noch ´ne Geschichte als Nachspeise seviert, das schmeckt mir !

An Hand der Sears No. war es denn auch nicht schwer ein paar Vergleichsstücke aufzuteiben:
http://www.coinarchives.com/a/lotviewer ... 27&Lot=923
http://www.coinarchives.com/a/lotviewer ... 2&Lot=1061
http://www.wildwinds.com/coins/sb/sb0798.t.html

:idea: Beim Betrachten Deiner Münze, besonder auf der Rs., fallen mir einige Stellen merkwüdig auf, die man bei Bronzen als Auflagen bzw. Verkrustungen deuten würde, also Stellen an denen das eigentliche Münzbild von zusätzlichem Material überlagert wird. Bei Silber bestehen solche Verkrustungen meist aus Hornsilber, doch wenn jemand auf die dumme Idee kommt diese mit Elektrolyse oder chem. Reduktionsmethoden zu beseitigen, wandeln sie sich in elementares Silber um und sind dann optisch von dem Münzbild nicht mehr unterscheidbar. Bei meiner ersten Reinigung einer Silbemünze mit Hornsilberauflage (ein syrischer Drachme in ss+ !) habe ich diesen Fauxpas selbst begangen, weshalb ich bei diesem Thema hypersensibel reagiere, womöglich auch glaube Auflagen zu sehen, wo gar keine sind. Trotzdem, falls Du es nicht schon längst gemacht haben solltest, schau Dir das Stück unter diesem speziellen Aspekt nochmals unter dem Mikroskop an.

Meinen Drachme habe ich übrigens in mühseliger Arbeit mit ständig abwechselnder Anwendung von mech. und chem. Methoden doch noch reinigen können (ich fang schon an zu schwitzen, wenn ich nur daran denke).
Vielleicht ist aus Deinem Stück noch mehr rauszuholen :?: :?: :?:

Gast
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Beitrag von Gast » Di 02.12.03 18:48

Danke secundus für Deinen Hinweis,

Die mikroskopische Betrachtungsweise habe ich natürlich schon durchgeführt - das ist alles sauber. Die Prägung des Kreuzes ist sogar ohne Makel auf den scheinbaren Verkrustungen (es sind definitif keine) ausgeführt.

Natürlich sind die von Dir zitierten Referenzmünzen einsame Spitzenklasse - aber wer kann sich solche Ausnahmen schon leisten.

Aber ... es sind allesamt Sear 798 (nur mit dem K rechts vom Kreuz) und nicht 798A (mit dem zusätzlichen I links neben dem Kreuz - kann man auf dem Scan kaum erkennen) !!

Gruß - petzlaff

secundus
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Beitrag von secundus » Di 02.12.03 19:46

Jaj, ja, die kleinen aber feinen Unterschiede, die nur Gourmets herausschmecken.

Noch als Ergänzung zu meinem Beitrag bez. Hornsilber:
Bei der Reduktion wird nur die oberste Schicht des Hornsilbers umgewandelt, das nun die darunterliegende Verkrustung vor weiterer Umwandlung schützt. (Dünne Auflagen können auch komplett umgewandelt werden und bilden dann mit dem Münzmetall eine Einheit.) Leider unterscheidet sich diese Schicht in Nichts vom übrigen Metall auf Münze. Man muss daher versuchen an den verdächtigen Stellen diese Schicht aufzukratzen um an das darunter liegende Hornsilber zu gelangen.
Und wenn der Verdacht falsch war, hat man damit die Münze beschädigt :evil:

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tournois
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Beitrag von tournois » Mi 03.12.03 01:21

Nur zur Erklärung was man unter Hornsilber zu verstehen hat:

Silberchlorid (AgCl), auch Hornsilber genannt, ist eine Salzverbindung, die sich auf Silber bildet. Sie entsteht durch das Zusammentreffen von Silber mit Salzsäure, Schmutz und organischen Stoffen. Dadurch bildet sich auf Silbermünzen ein relativ fester graugelber bis dunkelbrauner Belag.

Ich kann mir allerdings keine Situationen vorstellen, in denen die benannten Komponenten (speziell bezogen auf die Salzsäure) zusammentreffen könnten. Als chemisch nicht sehr Versierter, wäre ich da für eine Aufklärungsstunde sehr dankbar!! :roll:
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Da gibts nur eine Lösung...

Beitrag von AndreusMacer » Fr 18.03.05 19:35

tournois hat geschrieben:Ich kann mir allerdings keine Situationen vorstellen, in denen die benannten Komponenten (speziell bezogen auf die Salzsäure) zusammentreffen könnten. Als chemisch nicht sehr Versierter, wäre ich da für eine Aufklärungsstunde sehr dankbar!! :roll:
Vielleicht hat sie ein ehemaliger Besitzer mal verschluckt? Im Magen ist ja Salzsäure (wenn auch nur schwach...)
:lol: :lol: :lol:

Gast
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Beitrag von Gast » Sa 19.03.05 07:54

Hallo AndreasMacer,

ein herzliches Willkommen in der Byzanzfraktion. Auch wenn Du Dich lieber mit Römern beschäftigen möchtest - Byzanz liegt ja nicht so weit davon entfernt.

Worüber ich mich ganz besonders freue:

Als Forumsnovize hast Du einen ganz alten Thread (HERACLIUS) herausgekramt. Lobenswert: Du machst genau das Richtige für einen numismatischen Neuling, nämlich Lesen, Suchen, Finden.

Zu der diskutierten Münze: in der Zwischenzeit habe ich sie an einen Sammlerfreund veräußert. Dieser hat leider feststellen müssen, daß es sich um ein gefüttertes Exemplar handelt, also wohl eine (allerdings zeitgenössische) Fälschung darstellt. Das hat unserer Sammlerfreundschaft allerdings keinen Abbruch getan.

Auch so etwas erlebt man, wenn man sich mit Münzen befasst.

Viel Erfolg
petzlaff

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Beitrag von AndreusMacer » Sa 19.03.05 14:54

Danke für das Willkommen.
In der Tat, ich bin momentan "nur" hinter Römern her, aber da streift man natürlich alles Mögliche und das Forum bietet ja eine endlose Folge von interessanten Beiträgen.
Momentan bin ich noch dran, mir einen guten Überblick zu vermitteln.

Gruß, André
VENI. VERMINI. VOMUI.

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