Unbekannte Münzen

Münzen des alten Byzanz

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vMadai
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Unbekannte Münzen

Beitrag von vMadai » Sa 26.06.04 21:51

Liebe Byzanz-Freunde!
Zuerst einmal herzlichen Dank dafür, dass Ihr Euch so viel Mühe macht, ahnungslosen Zeitgenossen Hintergrundwissen zu vermitteln. Ich habe als Neumitglied schon ein bisschen mitgelesen und wage es heute, Euch meine kürzlich bei eBay erworbenen ersten byzantinischen Münzen (dene nhoffentlich noch weitere folgen werden) vorzustellen und um Hilfe beim Bestimmen zu bitten. Leider habe ich noch keine technische Möglichkeiten , dunkle Kupfermünzen so zu präsentieren, dass man auf den Bildern etwas erkennen kann, deshalb beschreibe ich sie.
Die Münzen sind aus Kupfer oder Bronze und haben etwa 3 cm Durchmesser.
Im einzelnen:
1. VS: wohl Kaiserkopf im Profil, Umschrift D(ominus) N(oster) IUS[TINI]AN .........; RS: großes M, darüber Kreuz, darunter nichts?, rechts Kreuz ,links sechszackiger Stern.
2. sehr ähnlich wie 1. VS mehr lesbar: DNUSTI[NI]ANUS P (bei D.N.Iust. N und I verschmolzen!); RS wie bei 1) , aber unter dem M noch die Buchstaben CON
3. VS ähnlich wie 1) und 2) (rechts und links neben der Büste noch Striche (ein Muster?, Figuren kann ich nicht erkennen) RS:rechts und links neben dem M große Kreuze mit überstehenden Abschlusskanten, im M ein Epsilon, was über dem M steht, abgegriffen, darunter CON.
4. VS wie 1); RS: im M ein Gamma, über und rechts vom M ein Kreuz,m links ein sechszackiger Stern, darunter CON
5. VS: mir unerklärbares Bild: 2 Figuren mit Figuren über dem Kopf oder umgekehrt zwei Köpfe auf langen Hälsen und darunter zwei Vierecke, zwischen und neben denen etwas, das aussieht wie Schriftrollen steht?? RS: M, ölinks davon von oben nach unten: ANNO, rechts G, darunter II, darüber ein Kreuz, im M ein Epsilon, darunter abgegriffen.
6. Büste mit großen Augen geradeaus blickend (Christus?), Umschrift (unlesbar); RS: M, rechts davon ANNO, links drei Kreuze, darüber ein Kreuz, im M ein Beta? darunter NIIIKO
7. VS Christusbüste?; RS Kreuz oberhalb der Mitte, in den vier Feldern neben den Balken Buchstaben: oben links: ..S, rechtsX...unter dem Querstrich zwei Zeilen: links: IAS, darunter IAS; rechst ILE, darunter ILE; (Iesous Christos Basileus ??)
8. Durchmesser 2 cm, VS zwei Figuren nebeneinander, die rechte davon mit Heiligenschein; RS: großes K, links davon von pben nach unten ANNO, links in den drei durchs K gebildeten Feldern von oben nach unten: .... / X / ISX(?) (Angeblich ein Follis um 800).

Das fände ich ganz super, wenn mir jemand da weiterhelfen könnte! Vielen herzlichen Dank im voraus!

Gast
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Beitrag von Gast » So 27.06.04 11:48

Lieber Corbulo,

zunächst einmal herzlich willkommen. Du kannst sicher sein, daß dir hier geholfen wird.

Ich versuche einfach mal, den Anfang zu machen. Allerdings unter Vorbehalt - zur exakten Bestimmung müsste man die Münzen natürlich sehen.

ad 1) Mit Sicherheit ein Follis der ersten Prägeperiode (527-539) des JUSTINIAN I (Sear 158). Das Stück dürfte unter dem M stark abgegriffen sein, denn normalerweise müsste da z.B. CON für die Prägestätte Constantinopel stehen

ad 2) dasselbe - zwischen CON (Constantinopel) und der Wertangabe M (40 Nummi = 1 Follis) ist die Münze wahrscheinlich auch abgegriffen, denn dort sollte das Kennzeichen der Prägewerkstatt (Alpha, Beta, Gamma, etc.) stehen

ad 3) Das ist auf alle Fälle ein Follis aus Constantinopel, Werstatt 4 (Epsilon). Ich denke aber nicht von JUSTINIAN, sondern seinem Vorgänger JUSTIN I (518-527) - Sear 65

ad 4) Das ist wieder ein JUSTINIAN (Sear 158), diesmal aus der Werkstatt 3 (Gamma) zu Constantinopel

ad 5) Dieses Teil müsste man sehen - wahrscheinlich ist es ziemlich stark abgegriffen, was aber bei byz. Münzen ganz normal ist. Ad hoc tippe ich auf einen Follis des JUSTIN II (565-578) mit dem Abbild des Kaisers und der Kaiserin SOPHIA, beide auf einem Thron sitzend. Geprägt wurde er mit Sicherheit im 8. Regierungsjahr (GII auf der Rückseite) in der 5. Werkstatt der "abgegriffenen" Prägestätte.

ad 6) da muss ich nochmal genau nachschauen - sicher ist, dass es sich um einen Follis aus Nikomedia, Werstatt 2 (Beta) handelt. Und auf der Vorderseite ist definitiv kein Christus, sondern ein Kaiser

ad 7) nicht schlecht kombiniert - ein "anonymer Follis Typ B" der unter ROMANUS III (1028-1034) oder MICHAEL IV (1034-1041) "im Namen des Herrn" ausgegeben wurde (Sear 1823)

ad 8 das ist ohne Abbildung wieder schwer. Auf alle Fälle ist es ein Halbfollis (Wertangabe K = 20 Nummi) - ich tippe auf JUSTIN II (s.o.) Thessaloniki, Regierungsjahr 10 (Sear 366 ?) - das "ISX" glaube ich einfach nicht - dürfte eher TES, TEC oder so ähnlich sein.

wegen 6) melde ich mich noch

schönen Sonntag - petzlaff

vMadai
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Beitrag von vMadai » Mo 28.06.04 08:47

Lieber Petzlaff!
Das finde ich einfach großartig, diese schnelle und ziemlich genaue Hilfe!!!!! Vielen, vielen Dank!
Ich habe mir ja manchmal an den Kopf gefasst und gedacht, da hätte ich auch selbst draufkommen können - aber wenn man nicht weiß, wonach man suchen soll, dann findet man auch nicht so viel.
zur Ergänzung:
ad 3) Dass Epsilon für Werkstatt 4 steht, ist wahrscheinlich ein Tippfehler, oder wird Delta ausgelassen???
ad 5) Das mit den griechischen Zahlzeichen habe ich jetzt wohl kapiert. Aber wie kommt man von GII auf 8?
ad 6) rechts von der Büste sind ein paar Buchstaben erkennbar: ANVIIIAV Kann das sein? Der Kaiser hält in seiner rechten (für den Betrachter: linken) Hand einen Reichsapfel.
ad 8) Das mt ISX stimmt tatsächlich nicht, aber ich sehe TEX oder TCX.

Nochmals herzlichen Dank,
Corbulo

Gast
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Beitrag von Gast » Mo 28.06.04 09:23

@Corbulo,

natürlich ist das Epsilon ein Tippfehler - nicht 4. sondern 5. Werkstatt ist korrekt.

Das Zahlzeichen, welches wie ein G aussieht ist die griechische 6 - deswegen GII = 8. Manchmal kann man das G leicht mit dem U verwechseln, welches die griechische Schreibweise für das römische V für 5 darstellt.

ach so ... in Thessaloniki gibt es mehrere Schreibweisen für die Münzstätte

auf 6 komme ich noch zurück ! steht da wirklich NIIIKO und nicht NIKO ???
... und steht das ANNO tatsächlich rechts und nicht links vom M ???

Gruß - petzlaff

vMadai
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Beitrag von vMadai » Mo 28.06.04 21:46

Vielen Dank, Petzlaff!

Das ANNO steht ganz klar links vom M.
Das I vom NIKO drunter hat rechts und links noch je einen schwächeren, aber trotzdem ganz deutlichen Strich in gleicher Länge wie das I. Ansonsten ist die Münze aber exakt geprägt, also kein Doppel- oder Trippelschlag.

Das mit den Zahlzeichen habe ich also offenbar doch noch nicht verstanden: hat man denn griechische Buchstaben-Zahlen (K, M) und römische Zahlen (I) zugleich verwendet? Soll dieses "G" vom Theta abgeleitet sein? Oder gar von arabischen Zahlen??

Auf Deine Antwort freut sich Corbulo

Gast
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Beitrag von Gast » Mo 28.06.04 22:30

@corbulo

........... man hat - zumindest in der Übergangszeit vom späten römischen zum "griechischen" Byzanz. Das "G" für "6" ist einfach nichts anderes als die münztechnisch stilisierte Schreibweise für ein "ZETA".

Bei manchen Münzen dieser Periode gibt es sogar Prägungen ein und derselben Prägestätte/Werkstatt, die z.B. Regierungsjahr 8 als "GII", "UIII", "IIIU" oder sogar "IIG" angaben - das ist jetzt nur als Beispiel zu sehen.

Ich bin froh, dass ANNO links steht - na gut: das Stück aus Nikomedia dürfte mit ziemlicher Sicherheit ein Sear 201, JUSTINIAN I, Regierungsjahr 30 (XXX), Werkstatt 2 sein. Es gibt keinen anderen Kaiser, der es auf seinen Münzen zu ANNO XXX gebracht hat. Die 3 I's irritieren mich trotz alledem ein wenig.

Gruß - petzlaff

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Beitrag von vMadai » Fr 02.07.04 21:57

Lieber Petzlaff – vielen herzlichen Dank für Ihre Hilfsbereitschaft.
Jetzt habe ich noch ein paar Geschmacks-Fragen: wie sammelt "man" Byzantiner? Strebt man eine gewisse Vollständigkeit an, oder ist das völlig unrealistisch? Auf welchem Preisniveau befinden sich Byzantiner (arg verallgemeinert) üblicherweise? Gelten Ihnen z.B. meine vielen Folles(?) von Iustinian als überflüssige Mehrfachexemplare und Tauschmaterial oder empfehlen Sie mir, alle zu behalten?
Ihr dankbarer Corbulo!

Gast
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Beitrag von Gast » Mo 05.07.04 13:12

@corbulo

tja - wie sammelt man Byzantiner ?

Grundsätzlich erst einmal alles behalten !

Zunächst einmal: das oströmische, später byzantinische Reich bestand ca. 1000 Jahre und hat dementsprechend viele Münzen ausgegeben.

Es ist schier unmöglich komplett zu sammeln.

Meist beschränkt man sich auf ein bestimmtes Metall (Gold, Elekton, Silber, Billon, Kupfer) auf bestimmte Zeitabschnitte,Prägestätten, Kaiser/Herrschaftsfamilien oder bestimmte Typen (Folles plus Teilstücke, Solidi plus Teilstücke, schüsselförmige Billonmünzen etc. etc. etc.). Der Möglichkeiten sind unzählige.

Generell gilt: Gold ist zahlreich in guter Erhaltung vorhanden und entsprechend "preiswert". Für einen Solidus muss man zwischen 300 und 350 EUR ausgeben. Silber ist im Allgemeinen recht selten, schwer zu bekommen und entsprechend teuer. Kupfer (dazu gehören besagte Folles) werden gern wie moderne Münzen nach Prägestätten und Jahrgang gesammelt, sind relativ günstig zu erstehen. Allerdings muss man starke Abstriche in Hinsicht auf die Qualität der Erhaltung in Kauf nehmen. Es gibt einige numismatische Gelehrte, die für byz. Kupfermünzen nicht die üblichen Erhaltungsgrade s, ss, vz sondern "begehrlich", "hochbegehrlich", "höchstbegehrlich" unabhängig von der Erhaltung als Bewertung und Preisansatz vorziehen.

Meine persönliche Leidenschaft gilt den schüsselförmigen Billon-Skyphaten des 11. und 12. Jahrhunderts. Hier gibt es ein grosses, wenn auch nicht ganz preiswertes Angebot mit Hunderten von interessanten Varianten. Oft werden ganze Lots von diesen Teilen angeboten, die einen wochenlang mit der Bestimmung beschäftigen können.

Ab dem 13. Jahrhundert wird es teuer, ganz schlecht erhalten, meistens kaum bestimmbar - eben extrem kompliziert. Trotzdem - wenn man byz. Münzen liebt und ein paläologisches Kupferfragment in der Hand hat, dann wird einem warm ums Herz.

Das Herrliche an diesem Sammelgebiet ist die Position zwischen Antike und Mittelalter, die enge Verknüpfung zu den Kreuzrittern, die ja im 13. Jh. Byzanz unter ihrer dilettantischen Knute hielten und die engen Bande zwischen den mittelalterlichen europäischen Fürsten wie der ewige Stress mit den Persern, Türken und Arabern, der optisch Eingang in die Münzgestaltung zu Constantinopel fand.

Genug der langen Rede:

folgende Sammelgebiete sind zum Einsteigen (und für den eingeschränkten oder von der Ehefrau kontrollierten Geldbeutel) reizvoll:

1) Kupfer von Anastasius bis Constans II
2) "anonyme Folles"
3) Billon-Skyphaten
4) italienische Prägungen (Syrakus)
5) nordafrikanische Prägungen (Karthago und Alexandria)
6) Münzen aus Antiochia

Was unabdingbar ist: ein guter Katalog. Zum Einsteigen muss man den Sear empfehlen - gibt es z.B. bei Amazon für ca. 80 Dollar. Als Experte kommt man dann natürlich nicht am Dumbarton Oaks (DOC) vorbei. Das sind 10 (inkl. Spätrom von Arcadius/Honorius bis Anastasius) dickleibige Wälzer, die jedes byzantinische Sammlerherz höher schlagen lassen, aber gut und gern 1200 EUR auf die Geldwaage bringen. Für Kupfer gibt es wunderbares Buch (ca. 25 Dollar), welches oft bei US-eBay gehandelt wird: Harlan J. Berk - Eastern Roman Successors of the Sestertius. Ebenfalls gut für Einsteiger geeignet ist "Die Byzantinischen Münzen im Kaestner-Museum Hannover" - gibt es für 30 EUR ganz oft bei eBay.

....... womit ich keine Reklame für genanntes Auktionshaus machen will ......

Für mich sind 1000 Jahre Byzanz das Spannendste, was es numimatisch zu bearbeiten gilt.

Gruss - petzi

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